Fortschritt bei den nationalen Klimaschutzplänen für die UN-Klimakonferenz in Paris: "Climate Action? - It´s better to join in than to be out!"
Laut des Beschlusses der UN-Klimakonferenz in Lima im Dezember 2014 sollen alle Staaten ihre nationalen Klimaschutzpläne im Laufe des Jahres 2015 vorlegen. Diese selbst gesteckten, nationalen Minderungsbeiträge, sogenannte INDCs (intended nationally determined contributions), stellen eine wichtige Grundlage für ein neues globales Klimaabkommen dar, welches in Paris im Dezember 2015 geschlossen werden soll. Kurz nach Ende der Frist am 1. Oktober, bis zu der die Staaten ihre INDCs vorlegen sollten, fand das INDC Forum in Rabat vom 12.-13. Oktober 2015 statt, zu dem die Europäische Kommission und die Regierung Marokkos geladen hatten. Teilnehmer des Forums analysierten die wissenschaftlichen Auswirkungen des Gesamteffekts der vorgelegten INDCs, tauschten Erfahrungen aus und diskutierten politische Schritte zur nationalen Umsetzung sowie die Notwendigkeit weiterer Leitlinien im Pariser Abkommen. Germanwatch nahm als Beobachter am Forum teil. Auf Grundlage der vorliegenden INDCs, veröffentlichte das UN-Klimasekretariat einen Synthesebericht, welcher am 30.10.2015 in Berlin vorgestellt wurde. Im Folgenden fassen wir die Hauptaussagen des Berichts sowie die wesentlichen Akzente der Diskussionen des INDC Forums zusammen.
Hohe Anzahl vorliegender INDCs
119 INDCs - darin sind die Klimaschutzbeiträge von 147 Staaten und rund 86% der globalen Treibhausgasemissionen enthalten - wurden bis zum 1. Oktober veröffentlicht und konnten somit im zusammenfassenden Bericht des UN-Klimasekretariats berücksichtigt werden. Einige INDCs werden momentan noch vorbereitet, sie sollen kurz vor oder während des Klimagipfels in Paris (21. Vertragsstaatenkonferenz, COP21) vorgelegt werden. Die verschiedenen INDCs unterscheiden sich in der Art ihrer Minderungsbeiträge (absolute Emissionsreduktionen, relative Minderungsbeiträge im Vergleich zu Projektionen bei unverändertem Verhalten, Intensitätsziele oder Aktionspläne für eine kohlenstoffarme Wirtschaft). Manche beinhalten Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien oder Energieeffizienzziele, um aufzuzeigen, wie die angestrebte Minderung erreicht werden sollen. Einige umfassen an Bedingungen geknüpfte Ziele, d.h. sie zeigen auf, welche Maßnahmen ein Land zusätzlich zu den verbindlichen Beiträgen ergreifen kann und will, sofern internationale Unterstützung in den Bereichen Finanzierung, Technologien und Förderung von Handlungskompetenzen (capacity building). Insgesamt nehmen mehr als drei Viertel der vorgelegten Klimaschutzpläne Bezug zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Leider werfen einige INDCs Unklarheiten bezüglich der Ziele selbst oder der zugrunde gelegten Daten für Basisszenarien oder Landnutzung und Waldwirtschaft auf.
Ungeachtet dessen ist die COP21 mit der hohen Zahl vorliegender INDCs auf dem Weg eines der gesetzten Ziele zu erreichen: alle Staaten in Klimaschutzmaßnahmen zu vereinen. So fasste ein Forumsteilnehmer zusammen: "Climate action? - It´s better to join in than to be out!"
Niedriges Ambitionsniveau der INDCs - Emissionslücke bleibt bestehen
Trotzdem bleibt das niedrige Ambitionsniveau eine Herausforderung. Da die INDCs auf nationaler Ebene festgelegt werden, sind sie im Wesentlichen von der jeweiligen politischen und wirtschaftlichen Situation des Landes beeinflusst und berücksichtigen nicht notwendigerweise Wissenschaft und Gerechtigkeitsaspekte. Es ist daher nicht überraschend, dass sie über das 2°C-Limit hinausschießen. Eine Vorschau der Ergebnisse des UNEP Gap Reports 2015 wurde in Rabat vorgestellt, die nahelegt, das bei vollständiger Umsetzung der INDCs, im Jahr 2030 weiterhin eine signifikante Emissionslücke zum 2°C-Limit bestehen würde. Der finale Bericht - die Veröffentlichung ist für Mitte November geplant - wird konkrete Zahlen zur Größe der Emissionslücke bis 2°C liefern. Ganz zu schweigen von 1,5°C! Die gegenwärtigen Klimaschutzbeiträge würden uns auf einen Pfad von 2,7 - 3,5°C globalen Temperaturanstiegs in 2100 bringen. 2,7°C ist das wahrscheinliche Ergebnis, wenn die INDCs vollständig umgesetzt und die Maßnahmen nach 2030 fortgeführt werden. Werden nach 2030 hingegen keine weiteren Maßnahmen ergriffen, begrenzen die vorliegenden INDCs den Temperaturanstieg voraussichtlich nur auf 3,5°C.
Schlüsselfrage für das Pariser Abkommen: Nachbesserung der Ambitionen
Elmar Kriegler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung übersetzt diese Lücke in die Notwendigkeit, die INDCs nachzubessern und weitere Handlungen vor 2030 zu ergreifen: "Der Übergang vom Level der INDCs zur Umsetzung des 2°C-Limits würde abrupte und sehr zügige Veränderungen im Energiesystem nach 2030 verlangen." Der Bedarf solcher störender und vermutlich kostspieliger Änderungen würde es wenig wahrscheinlich machen, das 2°C-Limit einzuhalten. Ein funktionierender Ambitionsmechanismus ist daher entscheidend für den Erfolg des Pariser Abkommens. Eine erste Nachbesserungsrunde muss schon vor Inkrafttreten des Pariser Abkommens im Jahr 2020 erfolgen, entweder durch gesteigerte Ziele oder das Ergreifen zusätzlicher Maßnahmen sowie verstärkte Bereitstellung finanzieller Ressourcen und Technologien und Unterstützung im Erfahrungsaufbau für Entwicklungsländer. Während der Umsetzungsphase des Pariser Abkommens muss eine stetige Steigerung der Ambitionen ohne rückläufige Tendenzen gewährleistet werden, die auf Grundlage aktueller wissenschaftlicher und gerechtigkeitsbasierter Einschätzungen basiert und durch einen stabilen Transparenzrahmen (MRV) ermöglicht wird. Mechanismen müssen etabliert werden, um zusätzlichem Minderungspotenzial, formuliert z.B. in den vorbehaltlichen Abschnitten der INDCs, mit der notwendigen Unterstützung zu begegnen.
Nächste Herausforderung: Umsetzung
Die Diskussion des INDC Forums zur Umsetzung und Übertreffens der INDCs, betonte das Auslaufen der Subventionen für fossile Brennstoffe und angemessene Kohlenstoffpreise als unterstützende Werkzeuge. Zusätzlich gab es einen klaren Aufruf für internationale finanzielle Unterstützung und eine Verlagerung der Billionen (shifting the trillions) zugunsten klimafreundlicher und transformativer Investitionen. Außerdem schlugen Teilnehmer ernsthafte technologische Zusammenarbeit mit gemeinsamer Forschung und Entwicklung (R&D) vor.
Die Notwendigkeit der Förderung von Handlungskompetenzen (capacity building)wurde noch nie zuvor so klar artikuliert. Die Aufgabe der Vorbereitung der INDCs hat die Erfordernis, die Möglichkeiten der Entwicklungsländer hinsichtlich wissenschaftlicher Analysen, Planungen und Politikgestaltung zur Vorbereitung solider Klimaschutzpläne zu verbessern, deutlich vor Augen geführt. Beginnend in 2016, werden die Versuche, die Aktionspläne für die Umsetzungsphase zu präzisieren, weiteren Kapazitätsbedarf offenlegen. Für die vollständige Implementierung der bekanntgegebenen INDCs, muss die Förderung von Handlungskompetenzen ernst genommen werden.
Schlussfolgerungen der Minister für Paris
In der Ministersitzung am 2. Tag des INDC Forums spiegelte sich die Diskussion in einer klaren Aufforderung für höhere Ambitionen, gerade vonseiten der Teilnehmer der afrikanischen Länder und der kleinen Inselstaaten, wider. Europäische und südamerikanische Länder betonten zum wiederholt die Notwendigkeit (i) eines Langfristziels, (ii) eines Ambitionsmechanismus, (iii) eines Transparenzrahmens und natürlich (iv) finanzieller und sonstiger Mittel der Implementierung, um die Anstrengungen zu unterstützen. Einige Staaten drückten zudem ihre Enttäuschung darüber aus, dass Anpassung in der Debatte stark vernachlässigt wird.
Die Herausforderung ist nun sicherzustellen, dass diese kritischen wissenschaftlichen Einschätzungen, die positive Stimmung und die konstruktiven Ideen für Lösungsansätze auf Länderebene wie auch im UNFCCC Prozess, ihren Weg in die Diskussionen der Pre-COP Mitte November in Paris und weiter in die Verhandlungen der COP finden.
- Mit finanzieller Unterstützung der Stiftung Mercator. Für den Inhalt ist alleine Germanwatch verantwortlich. -
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