Pressemitteilung | 20.10.2022

Energiepreiskrise verstärkt Druck auf G20: Turbo für Erneuerbare und Energieeffizienz nötig

Neuer Report: Energiepreiskrise treibt Subventionen für fossile Energien in neue Rekordhöhen / Anteil Erneuerbarer Energien wächst - aber nicht schnell genug / Pro-Kopf-Emissionen in Deutschland binnen fünf Jahren um 12 Prozent gesunken, aber noch über G20-Durchschnitt
Pressemitteilung

Bonn/Berlin (20. Okt. 2022). Trotz Fortschritten bei Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz drohen sich die G20-Staaten in die falsche Richtung zu bewegen: Rekord-Subventionen für fossile Energien und Infrastruktur im Zuge der Energiepreiskrise erschweren das Erreichen der gesetzten Klimaziele, so eine der Kernaussagen des heute erschienenen Berichts von Climate Transparency. Das Netzwerk besteht aus 16 Denkfabriken und Organisationen aus 14 G20-Staaten, darunter die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch.



Der jährlich erscheinende Report verzeichnet einen rasanten Anstieg der fossilen Subventionen: Sie wuchsen schon von 2020 bis 2021 um fast 30 Prozent auf zuletzt rund 190 Milliarden US-Dollar. „In diesem Jahr sehen wir nun nochmal massiv wachsende Investitionen in fossile Infrastruktur. Gleichzeitig machen die G20-Staaten zwar auch Fortschritte bei Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz – diese sind aber nicht so groß, wie sie sein müssten. Wir drohen, uns von den Klimazielen der Staaten für 2030 zu entfernen, statt ihnen näher zu kommen“, konstatiert Jan Burck von Germanwatch, einer der Autoren des Reports.



Dabei ist zu beachten, dass auch die selbst gesetzten Klimaziele der Staaten noch nicht ausreichen. „Kein G20-Mitglied hat sich bisher Ziele gesetzt, die mit dem 1,5 Grad-Limit kompatibel wären. Umso wichtiger ist es nun, zum einen schnell deutlich mehr Investitionen in Erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu lenken. Zum anderen müssen die fossilen Investitionen, die sich nicht mehr stoppen lassen, so gestaltet werden, dass sie einen zügigen Übergang von fossiler zu klimaneutraler Nutzung ermöglichen“, so Burck weiter.



Deutschland bei Ausbau der Erneuerbaren nur knapp über EU-Schnitt



Die Erneuerbaren Energien sind G20-weit weiterhin auf dem Vormarsch. Die Wachstumsraten sind allerdings in den Staaten sehr unterschiedlich und insgesamt zu niedrig. Der Anteil der Erneuerbaren am Energiemix liegt im G20-Schnitt bei 10,5 Prozent (2021). Zum Vergleich: Vier Jahre zuvor waren es 9,1 Prozent. In allen G20-Ländern wurden die Erneuerbaren ausgebaut. Der Anteil im jeweiligen Energiemix wuchs am stärksten in Indonesien (plus 7,8 Prozent seit 2017), am wenigsten in Saudi-Arabien, wo der Anstieg mit 0,1 Prozent im kaum messbaren Bereich lag. Deutschland liegt in diesem Ausbau-Ranking mit plus 3 Prozent (2017-2021) nur knapp über dem EU-Schnitt auf Platz vier.



Nach einem G20-weiten Einbruch der CO2-Emissionen im ersten Corona-Jahr 2020 um 4,9 Prozent, wuchsen sie 2021 wieder stark um 5,9 Prozent. Notwendig wäre weltweit nahezu eine Halbierung der Emissionen bis 2030, um die Pariser Klimaziele einhalten zu können. „Die G20 haben eine besondere Verantwortung, weil sie aktuell für 75 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich sind. Die G20 haben also keine Zeit mehr zu verlieren: Das Zeitfenster für die Begrenzung auf 1,5 Grad Erderhitzung wird sich schon in den kommenden Jahren schließen, wenn die weltweiten Emissionen nicht nun beginnen rasch und stabil zu sinken“, betont Thea Uhlich von Germanwatch.



Deutschland im Vergleich: Gut bei Energieintensität der Wirtschaft – schwach im Verkehr



Bei der Reduktion der Treibhausgas-Emissionen pro Kopf gehörte Deutschland zu den führenden G20-Nationen. Diese sanken um 11,9 Prozent im Vergleich von 2019 gegenüber 2015. Allerdings sind die deutschen Emissionen pro Einwohner:in damit immer noch höher als der G20-Durchschnitt (9,6 gegenüber 7,5 Tonnen CO2-Äquivalente). Der Climate Transparency-Report bewertet die Fortschritte der G20-Staaten auch im Vergleich zueinander. Gut schneidet Deutschland vor allem bei der Energieintensität in der Wirtschaft ab. Vergleicht man, wieviel Energie hierzulande pro Einheit im Bruttoinlandsprodukt verbraucht wird, liegt Deutschland sowohl beim aktuellen Niveau als auch beim Rückgang der Energieintensität deutlich besser als der G20-Schnitt.



Besonders schwach ist Deutschlands Abschneiden hingegen im Verkehrssektor: Auf jede Person entfallen im Schnitt 2,4 Tonnen Emissionen pro Jahr allein aus dem Verkehr, das ist fast doppelt so hoch wie der G20-Schnitt. „Besonders problematisch ist der Anstieg der Pro-Kopf-Emissionen in Deutschland beim Flugverkehr“, betont Burck. „Ein Plus von 16 Prozent im Fünf-Jahres-Trend schon vor Corona allein an deutschen Flughäfen – das zeigt, wie groß unser Problem in dem Bereich gerade wird.“ Auch auf G20-Ebene sah es mit plus 22 Prozent vor Corona nicht besser aus. Jacob Rohm, Experte für klimafreundliche Mobilität bei Germanwatch: „Die Zahlen unterstreichen, dass die Regierungen dringend die volle Erwärmungswirkung des Flugverkehrs - nicht nur die CO2-Emissionen - erfassen und mit einem Preis versehen sollten. Jeder Verkehrsträger muss für seine Klimakosten aufkommen, auch damit wir klimafreundliche Mobilität wie das Klimaticket und den massiven Ausbau der Bahninfrastruktur finanzieren können."



Extremwetter: Deutlich mehr Hitzewellen auch in Deutschland

Der Report betrachtet auch die notwendigen Anpassungsmaßnahmen an Wetterextreme, wie zum Beispiel zunehmende Hitzewellen. Der IPCC stellt fest, dass es unvermeidbare und schwere Schäden für Natur und Menschen geben wird, selbst wenn die globale Erwärmung auf 1,5 °C begrenzt werden kann. Zwischen 2017 und 2021 lag der Anstieg der durchschnittlichen Sommertemperaturen allein in Deutschland bereits bei 1,6°C. Etwa 90 % der Fläche Deutschlands sind Dürreperioden und Hitzewellen ausgesetzt, die die Land- und Forstwirtschaft stark beeinträchtigen. Zudem verstädtert die Bevölkerung zunehmend, was durch Überschwemmungen in Flusseinzugsgebieten noch verstärkt werden könnte. Menschen, die in städtische Gebiete ziehen, sind jedoch einem größeren Risiko von Hitzestress ausgesetzt, der durch den städtischen Wärmeinseleffekt verursacht wird. „Nicht nur die zunehmenden Hitzewellen und Dürren, auch die Waldbrände und Flutereignisse deuten an, vor welch gewaltigen Herausforderungen wir stehen. Schon hier in Deutschland stehen wir bei der Klimaanpassung vor sehr großen Aufgaben, aber noch viel mehr in vielen Ländern des globalen Südens“, betont Jan Burck.



Bei der Unterstützung des globalen Südens in Klimaschutz und –anpassung gibt die G20 ebenfalls kein gutes Bild ab: Das Versprechen der Industrienationen insgesamt lautete 100 Milliarden US-Dollar jährlich ab 2020. Ein fairer Anteil der neun G20-Mitglieder, die zu den Gebern gehören, an diesen 100 Milliarden läge nach Angaben des Reports bei 87 Milliarden jährlich. Während einige – wie etwa Frankreich, Japan und Deutschland – individuell ihren fairen Anteil daran leisten, sind die anderen im Rückstand, so dass das Gesamtziel nicht erreicht wurde. Tatsächlich übersteigt der Bedarf der Entwicklungsländer die 100 Milliarden zudem um ein Vielfaches. Als ersten Schritt sollte Deutschland seine Klimafinanzierung aus Haushaltsgeldern bis 2025 auf 8-10 Milliarden Euro erhöhen, fordert Germanwatch.



Hintergrund



Climate Transparency ist eine internationale Partnerschaft, die Expert:innen von 16 Forschungsorganisationen und NGOs aus 14 G20-Ländern zusammenbringt. Aus Deutschland ist unter anderem Germanwatch Teil des Netzwerks.

Der Climate Transparency-Report ist der weltweit umfassendste jährliche Bericht über die Klimamaßnahmen der G20-Länder und ihren Übergang zu einer Null-Emissions-Wirtschaft. Die unabhängige, vergleichende Bewertung stützt sich auf die neueste Analyse international renommierter Datensätze wie die der OECD, der Weltbank, Climate Action Tracker und der IEA, sowie auf qualitative Daten von führenden Expert:innen auf diesem Gebiet. Die Analyse umfasst über 100 Indikatoren für Klimaanpassung, -risiken, -schutz und -finanzierung, die mit globalen 1,5°C-Benchmarks verglichen werden. Sie will sowohl gute Strategien als auch Schwächen transparent machen. Der Report wird durch ausführliche Länderberichte ergänzt. Dies ist die achte Ausgabe des Reports.