Blogpost | 29.09.2022

Die Ampel auf Abwegen: Drei Gründe, warum der deutsche CO2-Preis nicht eingefroren werden sollte

Kraftwerk mit rauchenden Schornsteinen

Seit dem vergangenen Jahr gibt es in Deutschland einen nationalen CO2-Preis. Eigentlich sollte dieser jedes Jahr ansteigen. Doch angesichts der hohen Energiepreise hat die Bundesregierung nun vorgeschlagen, die geplante Erhöhung auszusetzen. Dieses Vorhaben ist viel zu kurz gedacht – Bundestag und Bundesrat sollten die Pläne stoppen.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, explodierende Gaspreise, steigende Inflationsraten, drohende Rezession – auf den ersten Blick scheint es verständlich, dass die Bundesregierung den Bürger:innen nicht auch noch einen höheren CO2-Preis zumuten will. So schlägt die Ampelregierung als Teil des dritten Entlastungspakets vor, die geplante Erhöhung des CO2-Preises auszusetzen.

Zur Erinnerung: Seit 2021 gibt es in Deutschland einen CO2-Preis für Emissionen aus Straßenverkehr und Wärme. Dieser Preis soll jedes Jahr um einen bereits festgelegten Betrag langsam, aber kontinuierlich steigen. Eigentlich. Denn vor dem Hintergrund der hohen Energiepreise will nun die Bundesregierung das aktuelle Preisniveau einfrieren – ohne dass es eine Diskussion dazu gegeben hätte. Dabei wäre die anstehende Erhöhung des CO2-Preises von 30 auf 35 Euro für die Menschen kaum spürbar, die sozialen Auswirkungen also sehr begrenzt. Der Gaspreis würde sich lediglich um 0,1 Cent pro Kilowattstunde erhöhen, der Preis an der Zapfsäule um 2 bis 3 Cent.

Für den Erfolg der deutschen und europäischen Klimapolitik hingegen ist dieser Plan fatal. Und er offenbart eine klimapolitische Kurzsichtigkeit der Ampel. Die gute Nachricht: Bundestag und Bundesrat können das Vorhaben noch stoppen. Wir nennen drei Gründe, warum sie das tun sollten.

Weniger Verlässlichkeit, weniger Investitionen

Erstens ist die Symbolik des Moratoriums verhängnisvoll. Es sendet das Signal, dass die Bundesregierung Klimaschutz, wenn es hart auf hart kommt, nur halbherzig betreibt. Damit steht die Glaubwürdigkeit der Regierung auf dem Spiel. Am Ende gefährdet die Ampel mit ihrem Wankelmut das Vertrauen von Bürger:innen und Unternehmen in verlässliche Klimapolitik und vorhersehbare Investitionsbedingungen. Ein CO2-Preis mit einem festgelegten Anstieg dient als wichtiger Anreiz für klimaschonendes Verhalten und klimafreundliche Investitionen. Technologien und Verhaltensweisen, die dem Klima schaden, werden durch einen CO2-Preis relativ teurer, Privathaushalte und Unternehmen erhalten einen Anreiz zum Sparen oder für einen Umstieg auf grüne Alternativen. Der vorher festgelegte Anstiegspfad sorgt dafür, dass Menschen und Unternehmen wissen, was auf sie zukommt und wann sich bestimmte Investitionen lohnen.

Wenn die Regierung den CO2-Preis einfriert, verringert sie jetzt und in Zukunft die Bereitschaft, in klimafreundliche Mobilität und Heizungssysteme zu investieren. Gerade haben Hausbesitzer:innen, Autokäufer:innen und Unternehmen begonnen, sich darauf einzustellen, dass Heizen und Autofahren auf lange Sicht kontinuierlich für all jene teurer wird, die noch eine Öl- oder Gasheizung eingebaut oder einen Benziner haben. Doch nun werden sich viele fragen: Wird sich eine neue Wärmepumpe im Vergleich zu meiner alten Gasheizung wirklich auszahlen, wenn im nächsten oder übernächsten Jahr die Gaspreise wieder sinken und nun unklar ist, wie es mit dem CO2-Preis weitergeht?

CO2-Preis fördert Friedensbemühungen und Klimaschutz

Zweitens sinkt durch die ausbleibende Preiserhöhung ganz konkret der Anreiz, den Verbrauch von Öl und Gas zu verringern. Und das zu einer Zeit, in der Energiesparen, der Umstieg auf Erneuerbare Energien und der Wechsel zu alternativen Mobilitätsformen so wichtig sind wie vielleicht nie zuvor. Jeder eingesparte Liter Benzin senkt schließlich den Ölpreis auf den Weltmärkten, verringert die Einnahmen des russischen Staatshaushalts, verkleinert Putins Kriegskasse. Das geplante Moratorium jedoch begünstigt einen höheren Verbrauch von fossilem Öl und Gas und spielt so dem russischen Regime in die Hände. Putin kann damit den Krieg gegen die Ukraine länger finanzieren. Dabei sollten wir nun Fahrradfahren für den Frieden, Bahnfahren für den Frieden, Häuser dämmen für den Frieden.

Ein höherer Verbrauch von Öl und Gas ist auch aus klimapolitischer Sicht folgenschwer: Das aktuelle Jahrzehnt entscheidet darüber, ob wir rechtzeitig klimaneutral werden oder nicht. Die maßgeblichen Weichen werden jetzt gestellt. Ob es um Wärmepumpen oder Wärmedämmung geht, um Elektroautos oder den öffentlichen Nahverkehr – ohne ein klares und zuverlässiges CO2-Preissignal ist die Transformation nur schwer zu schaffen.

Europäischer Emissionshandel gefährdet

Drittens ist das geplante Moratorium international ein fatales Signal: Andere Länder beobachten die Wirtschaftsmacht Deutschland ganz genau und interpretieren den Schritt als Klimaschutz-Rückzieher. Nicht unwahrscheinlich, dass sich andere Regierungen Deutschland als Vorbild nehmen und ihre Klimaschutzinstrumente ebenfalls abschwächen.

Und auch ganz greifbare, direkte Folgen für die EU-Klimapolitik sind zu befürchten. Auf europäischer Ebene sind die Verhandlungen zur Einführung eines neuen Emissionshandels für Gebäude und Verkehr in die heiße Phase eingetreten. Bald könnte es einen europäischen CO2-Preis fürs Tanken und Heizen geben. Doch im EU-Parlament und in vielen Mitgliedstaaten gibt es noch erhebliche Vorbehalte gegenüber dem Instrument. Deutschland war bislang einer der stärksten Befürworter des neuen Emissionshandels, doch nun bröckelt für alle in der EU gut sichtbar auch hierzulande die Unterstützung für einen verlässlichen CO2-Preis. Im EU-Parlament und in den skeptischen Mitgliedstaaten wird die veränderte Haltung der Bundesregierung deutlich wahrgenommen - und könnte nun den Todesstoß für das neue Instrument bedeuten. Für die Erfolgsaussichten der Klimazielerreichung in der EU wäre das ein herber Rückschlag.

Klimageld statt CO2-Moratorium

Fazit: Bereits in der ersten Krise beschädigt die Bundesregierung eines ihrer wichtigsten Klimaschutz-Instrumente. Das geplante Einfrieren des CO2-Preises zeigt die Mutlosigkeit der Ampel beim Klimaschutz und ist gerade jetzt der falsche Schritt. Was wir brauchen, ist ein verlässlicher Anstieg des CO2-Preises, gekoppelt mit einem starken sozialen Ausgleichsmechanismus.

Konkret bedeutet das: Die Bundesregierung sollte das jährliche Anheben des CO2-Preises wie geplant umsetzen und Anfang 2023 das im Koalitionsvertrag angekündigte Klimageld einführen. Das Klimageld („Klimaprämie“) wirkt stark progressiv und entlastet vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen. Es kann direkt aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung finanziert werden. Das Einfrieren des CO2-Preises würde dagegen einen Verzicht auf Einnahmen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro bedeuten. Geld, das in die Klimaprämie fließen könnte und sollte – für sozialverträglichen Klimaschutz, von dem am Ende alle profitieren. Die Bundesregierung sollte nun vordringlich die Voraussetzungen für die Auszahlung der Prämie schaffen und durch eine schnelle Einführung des Klimagelds dafür sorgen, dass Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit Hand in Hand gehen.

Ansprechpersonen

Echter Name

Bereichsleiter Deutsche und Europäische Klimapolitik