Meldung | 12.12.2003

COP9 - Kurzberichte und Impressionen von den Verhandlungen

Impressionen zur COP 9 im Jahr 2003

In den folgenden Kurzartikeln werden einzelne Aspekte der Verhandlungstage des UN-Klimagipfels in Mailand (1.-12.12.03) herausgegriffen und kommentiert.


Symbolhaft für die gegenwärtige Stimmung im Klimaschutz? (Mo 1.12.)

Just in Mailand angekommen, scheinen die uns begrüßenden Umstände symbolhaft für den 9. Klimagipfel und den internationalen Klimaschutz zu sein: Wir fahren am Sonntag Mittag mit der U-Bahn zum Konferenzzentrum … und kommen kaum in die U-Bahn, so voll ist sie, trotz Schwachverkehrszeit. Erklären sich die bekanntermaßen autoverliebten Italiener mit dem Klimaschutz solidarisch und lassen ihr Automobil zu Ehren COP9 stehen?

Das sieht der Klimaschützer, der in der Stadt als Fußgänger unterwegs ist, sehr erfreut. Scheint sich der gegenüber Änderungen weitgehend resistente Verkehrssektor hin zum Klimaschutz zu bewegen?

Doch der Schein trügt: Schnell erfahren wir, dass ein PKW-Fahrverbot aufgrund zu hoher Luftbelastung mit Schadstoffen besteht. Dies scheint symbolhaft für das Ergreifen von Klimaschutzmaßnahmen zur gegenwärtigen Zeit: Klimaschutz-Argumente allein reichen derzeit selten aus, um Klimapolitik umzusetzen.

Die symbolhaften Impressionen sind jedoch noch nicht beendet. Am Montag Morgen, dem Beginn des 9. Klimagipfels, werden die Konferenzteilnehmer von einem Streik der öffentlichen Verkehrsmittel begrüßt. Das mehr als 6 km entfernte Konferenzzentrum ist weder per ÖPNV noch mit Taxen zu errreichen. Zu Fuß begeben wir uns in Gesellschaft zweier Malayen, die gerade noch tropische Gefilde mit 33 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit hinter sich gelassen haben, im Dezemberregen über eineinhalb Stunden durch das mit Autostaus verstopfte Mailand. Kommen daher viel zu spät zur Eröffnung der COP - erstmals verpassen wir den Auftakt der Klimakonferenz.

Um das Symbolhafte weiter zu treiben, drängt sich ein Vergleich mit einer Tragödie auf: Konnte sich der Klimaschützer gestern noch freuen, dass durch eine anders motivierte Maßnahme drastischer Klimaschutz im Verkehr durchgeführt wurde, schwingt das Pendel heute in die entgegengesetzte Richtung. Durch eine sozial motivierte Maßnahme werden alle, die sich als Nutzer des Öffentlichen Verkehrs klimaschonend verhalten, abgestraft.

Der Vergleich mit den Klimaverhandlungen hinkt allerdings, weil auf dieser Ebene sogar absichtliche, den Klimaschutz hemmende und blockierende Kräfte am Werk sind, um Fortschritte aufzuhalten.

Der weitere Verlauf von COP9 wird zeigen, ob diese Kräfte unterbunden werden können und der symbolhafte Einstieg in die Klimakonferenz nur eine Mär war. Der Streik der öffentlichen Verkehrmittel ist beendet - wir sind guter Hoffnung.

Renate Duckat, Manfred Treber, 1.12.03
 

Erstes U-Boot aufgetaucht (Di 2.12.)

Die visuellen Medien werden durch den Charme ihrer Farben und Bilder auch bei der UN zunehmend hoffähig.

Im Eröffnungsplenum wurden die Delegierten nach den formalen Schritten wie der Wahl des Konferenzpräsidenten und den einleitenden Grußworten regionaler Vertreter begrüßt. Diese waren teilweise mit gemischten Botschaften versehen - man könnte sie wohlmeinend umschreiben als "nicht mit der Wortwahl der Darstellung des aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstandes abgestimmt".

Einstimmend zu den Klimaverhandlungen wurde dem Publikum sodann vom Gastgeberland Italien ein Film präsentiert, dessen Urheber und Mandat leider unklar blieben. Wurde dieser Film etwa auf Initiative des italienischen Ministerpräsidenten und seiner TV-Sparte produziert, der bekanntermaßen US-Freund ist und auf diese Weise seine Verbundenheit mit den Klimaskeptikern bekundet? Oder sogar von Donald Pearlman, dem Strippenzieher der fossilen Lobby, der die Delegierten nun auch auf mediale Weise einlullen will?

Künstlerisch reizvoll visualisiert konnte sich der vier-minütige Film allerdings nicht dem Vorwurf des Green Wash entziehen. Enthielt er doch keine einzige problematisierende Aussage über den Klimawandel, sondern stellte - mehrfach in einer unzutreffenden, sogar falschen Weise - Zusammenhänge dar, die eher künstlerischen Assoziationen denn wissenschaftlichem Verständnis entsprungen sind. Als Beispiel dafür diene die Aussage "the climate that produces our energy". Die menschgemachte Klimaänderung und deren vielfältige Konsequenzen, weswegen Tausende von Delegierten sowie Vertretern aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft nach Mailand gekommen sind, wurde so gut wie nicht erwähnt. Vielmehr wurden Schlagworte wie 'Freedom', 'Technology'oder 'History' in einer bedeutungsschwangeren, durchaus hübsch visualisierten Art und Weise mit dem Klima verbunden. Ob den Delegierten der Ernst der Lage und die ins Stocken geratenen Verhandlungen auf diese Weise deutlich gemacht wurden, ist fraglich.

Bleibt zu hoffen, dass sich diese problemverleugnende Denke auf den Film beschränkt und nicht in die Verhandlungen überschwappt.

Manfred Treber, 2.12.03
 

Rahmenprogramm (Do 4.12.)

Im Rahmenprogramm wurden in den ersten drei Tagen des Klimagipfels für den Klimaschutz substantiellere Inhalte vermittelt als bei den Verhandlungen, die erst am vierten Tag Fahrt aufnahmen - ob in die richtige Richtung, wird sich noch zeigen.

Die gemeinsame Veranstaltung der weltweiten Verbände des Eisenbahnwesens (UIC), des Öffentlichen Verkehrs (UITP), der Eisenbahnindustrie (UNIFE), auf der auch die Weltbank und andere auftraten, gab dabei ein Beispiel ab, wie man es nicht machen sollte. Wahrhaft acht Personen saßen auf der etwas über einstündigen Veranstaltung auf dem Podium wie die Spatzen auf der Stange. Und stimmten darin überein, dass sie zwar die Lösungen für Klimaschutz im Verkehr anbieten würden, sich allerdings wegen der erwarteten Zunahme der Motorisierung und abnehmender Staatshaushalte weltweit nicht nur auf schrumpfende Marktanteile, sondern teilweise sogar auf absolute zurückgehende Nachfrage einstellen müssten. Was ist die Botschaft?

Da gab ein kanadischer Film über den Klimawandel in der Arktis ein anderes Bild, weil er sinnlich Betroffenheit aufkommen ließ. Viel zu selten wird ja noch für die Verhandler, aber auch für die Öffentlichkeit deutlich, worum es eigentlich geht: einen gefährlichen Klimawandel für die großen Teile der Menschheit und die Natur, in die wir eingebettet sind, zu vermeiden. Der Film ging von der Betroffenheit der Natur aus. Wegen der Erwärmung schmilzt Treibeis ab, das für die Art der Ernährung der Eisbären essentiell ist. Schon heute bekommen einzelne Bären, die im Film so spielerisch über die Eisschollen sprangen und tollten, sich ins Eiswasser stürzten und wieder auftauchten, wegen der kürzeren Zeit der Nahrungsaufnahme Schwierigkeiten. Glücklicherweise sind sie Analphabeten, denn so können sie nicht die Studien zum arktischen Klimawandel lesen, die ohne eine wirksame globale Umkehr zum Klimawandel wegen des Rückgangs des Polareises keine Lebensgrundlage für die Eisbären mehr sehen.

In einen anderen side event gerate ich auf Zuruf. Bei der Verleihung des Fossil of the Day fragt ein Unternehmensvertreter, ob nicht zufällig ein Flugverkehrsexperte der NRO anwesend sei. So werde ich von ihm gebeten, um die Ecke in ihren event zu kommen, weil auch ein Lufthansa-Vertreter vortrage. Doch zuerst ist die Präsentation von SCJohnson (Putzmittelhersteller aus den USA) dran. Sie sind Teil einer US-Initiative, die sich dem Klimaproblem stellt. Herr Johnson (5. Generation nach dem Firmengründer) stellt dar, wie durch Nutzung von Deponiegas in einem eigens gebauten Kraftwerk (mit 3200 kW Leistung) Emissionen gesenkt werden können. Allein dadurch wurde das Ziel der Unternehmensinitiative zu fast einem Viertel erreicht. Beeindruckend. Oder? Ich stelle die Frage, wie groß denn die Emissionsreduktion angesichts den Emissionen der USA zu bewerten wären: Durch ein Kraftwerk von 3,2 MW Leistung würden die Ziele der Initiative merkbar angegangen, die sich in einem Staat befindet, der eine Kraftwerkskapazität von mehreren 100.000 MW aufweist. Doch ich sollte mich ja zum Flugverkehr äußern. Die Präsentation der Lufthansa stellt den erreichten technischen Fortschritt bei der Treibstoffeinsparung dar und geht auf wissenschaftliche Messungen zu Kondensstreifen ein. So ist es für mich ein Leichtes, angesichts des projizierten Emissionswachstums darzulegen, dass der technische Fortschritt alleine keine hinreichende Antwort der Branche auf das Klimaproblem ist. Diese Branche, die entsprechend Studien aus dem Finanzsektor zu den Branchen zählt, die in ihren wirtschaftlichen Zukunftsaussichten am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Was würde sie denn proaktiv unternehmen, um weniger verwundbar zu sein? Da keine überzeugende Antwort kommt, bringe ich sie in meiner Replik: Flugtickets anbieten, die die Kosten des Emissionsausgleichs zur Schadensbegrenzung beinhaltet. Soll heißen, dass durch das von einem moderaten Aufschlag auf den heutigen Ticketpreis geschöpfte Mittelaufkommen seriöse Projekte durchgeführt werden, die Emissionen an anderer Stelle in der Höhe senken, wie sie durch den Flug freigesetzt werden.

Nur im Nachtrag ist das Abendkonzert - ein Gospel-Chor aus den USA - der Erwähnung wert, wozu der italienische Umweltminister und die Region Lombardei die Delegierten eingeladen hatten. Wenn man schon in Italien ist, werden im kulturellen Rahmenprogramm, in dem sich jeweils das Gastgeberland stolz darstellt (so war es jedenfalls bisher immer: von Kyoto über Buenos Aires und Marrakesch nach Delhi), selbstverständlich die herzlichen Verbindungen zum großen Bruder dokumentiert. Man soll ja nicht auf falsche Gedanken (Unabhängigkeit oder so) kommen. Schon in der Eröffnungsrede des Gipfels, hatte die italienische Regierung darauf hingewiesen, dass sich der Mailänder Klimagipfel auf die Fragen, die einigen, nicht auf die, die spalten, konzentrieren solle. Die US-Delegation zitiert dies nun bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten - sei es bei Sideevents, im Plenum oder in Einzelgesprächen. Gemeint ist damit vor allem: man solle sich statt ums Handeln ums Forschen kümmern, damit man dann irgendwann handeln könne.

Manfred Treber und Christoph Bals, 4.12.03
 

Spieltheorie pur, wenn's um Wichtiges geht (Fr 5.12.)

Die dem SBSTA zugeordnete Kontaktgruppe zum TAR traf sich am Freitag bereits zum dritten Mal (sie berät darüber, wie die wissenschaftlichen Ergebnisse des TAR - so die Abkürzung für den im Jahr 2001 verabschiedeten Dritten Sachstandsbericht des IPCC - durch die Klimaverhandlungen wahr- und aufgenommen werden). Sie wird geleitet vom Vorsitzenden des SBSTA, Halldor Thorgeirsson, höchstpersönlich, was zeigt, dass sie eine der wichtigsten Inhalte des SBSTA behandelt.

In der zweiten Sitzung der Kontaktgruppe hatte er ein Entwurfspapier vorgelegt, das aus einem recht ausführlichen Entwurf einer Entscheidung der COP sowie einer kürzeren Schlussfolgerung des SBSTA bestand. Es geht darum, dass sich die Verhandlungen unter anderem mit den wissenschaftlichen, technischen und sozio-ökonomischen Aspekten der Folgen der sowie um Anpassung an die Klimaänderung und um Emissionsminderung befassen sollen und dabei die Ergebnisse des TAR berücksichtigen sollen. In dieser Sitzung zeigte sich - nicht ganz unerwartet - eine weitgehende diametrale Positionierung wichtiger Akteure ab: die Entwicklungsländer (G77&China), vertreten durch Malaysia, sprachen sich gegen jedwede COP-Entscheidung zum TAR aus. China und Indien meldeten sich zusätzlich in dieser Richtung zu Wort und wurden im Tonfall noch verschärft durch Saudi-Arabien, das sich sehr apodiktisch ausdrückte. Auf der anderen Seite wollten eine selten breite Mischung von Staaten bestehend aus EU, Kanada, der Schweiz, Australien, Norwegen, Japan, Neuseeland und Russland unbedingt eine COP-Entscheidung. Keine leichte Aufgabe für den Vorsitzenden, eine Lösung zu finden.

So warten zu Beginn der dritten Sitzung alle gespannt auf ein neues Entwurfspapier des Vorsitzenden. Doch nichts Neues wird ausgegeben. Er kommt verspätet, weil er im Plenum der COP ein Statement abgeben musste, und beginnt mit seinem positiven Resümee der Nachtreffen mit Vertretern der Regionen nach der Sitzung des Vortages: sie wären sehr fruchtbar gewesen, zeigten sie doch den allgemein herrschenden Willen voranzukommen und sich nicht nur auf prozedurale Fragen zu beschränken. Es hätte den Wunsch nach einem breiten Einbezug gegeben, aber auch die Befürchtung, die Kontrolle zu verlieren. Es gäbe auf jeden Fall den Wunsch nach einer vollen Teilnahme aller Vertragsstaaten. Alle hätten darin übereingestimmt, dass es eine sehr wichtige Diskussion gewesen wäre. Er wolle keinen neuen Prozess starten. Man solle nicht in Details gehen und auch keine absolute Sicherheit verlangen. Sodann fordert er die Staaten auf sich zu äußern.

Das tun sie fast eine Stunde lang, wobei die meisten Aussagen nicht so griffig waren wie die einleitenden Worte des Vorsitzenden und sich verschließen, hier wiedergegeben zu werden.

Nach diesem Austausch, der für den Beobachter bei weitem nicht soviel zusätzliche Erkenntnis brachte wie normales Stochern im Nebel und der viele Anklänge an modernes Theater in sich trug, ist die Zeit der Kontaktgruppe weitgehend abgelaufen. Halldor setzt ein schelmisches Gesicht auf und zieht einen Papierstapel unter dem Tisch hervor: Er hätte einen neuen Entwurf geschrieben, den er nunmehr verteilt. Für den folgenden Tag hätte er für vorzügliche Arbeitsbedingungen gesorgt. Ab 10 Uhr wäre für den Rest des Tages ein Raum gebucht, wo er sei und die Staaten einlädt, zu ihm zu kommen. Um 16 Uhr solle die nächste Sitzung der Kontaktgruppe stattfinden.

Manfred Treber, 5.12.03
 

Die letzte Sitzung von Halldor Thorgeirsson als SBSTA-Vorsitzenden (Mi 10.12.)

Die letzte Sitzung des wissenschaftlich-technischen Nebenorgans SBSTA auf COP9 fand am Dienstag Abend statt. Sie begann nicht wie vorgesehen um 20 Uhr, sondern um Viertel nach Neun. Der Vorsitzende Halldor Thorgeirsson hatte es geschafft, dass bei seiner letzten Sitzung nach zwei Jahren Amtszeit für alle Tagesordnungspunkte Beschlussvorlagen ausgefertigt worden waren. Sie wurden meist reibungslos vom Plenum angenommen.

Der wichtigste Beschluss war wohl die Vorlage zur Behandlung der Senken im CDM, die von den Co-Chairs Karsten Sach und Thelmar Krug in einer nachtfüllenden Arbeitsgruppensitzung zum Konsens geführt worden war. Damit ist der Clean Development Mechanismus (CDM) operationalisiert (wenn die COP, was als Formsache gesehen wird, den Vorschlag des SBSTA am Freitag übernimmt). Und damit ist die letzte größere offene Frage zur Operationalisierung des Kyoto-Protokolls beantwortet.

Die andere wichtige von SBSTA behandelte Frage wies in die Zukunft des Verhandlungsprozesses: Wie sollten die neuen Ergebnisse des Dritten Sachstandsberichts des IPCC verarbeitet werden (mit der denkbaren Konsequenz verstärkten Klimaschutzes)? Hier verabschiedete der SBSTA einen Vorschlag für eine Entscheidung der COP, die so inhaltsleer ist, dass maßgebliche Delegierte darin keinen Fortschritt sehen: dem SBSTA wird darin lediglich aufgetragen, in der nächsten Sitzung im Juni in Bonn mit Arbeiten über wissenschaftliche, technische und sozio-ökonomische Aspekte von Anpassungsmaßnahmen im Klimaschutz und zu Emissionsminderung zu beginnen. Wird das reichen, um genügend Impetus zu haben, das Thema auch unter einem möglicherweise weniger begnadeten und willigen SBSTA-Vorsitzenden voranzutreiben?

Überhaupt keinen Fortschritt gab es zum Thema der Emissionen aus internationalem Luft- und Seeverkehr. Die SBSTA vorgelegte Beschlussvorlage war vollständig mit eckigen Klammern (d.h. noch zu diskutierenden Textvorschlägen) versehen, was bedeutet, dass trotz nächtelanger Sitzungen kein Konsens erzielt werden konnte. Überraschend hält sich Saudi-Arabien im SBSTA-Plenary mit der Fortsetzung seiner Blockadepolitik zurück, so dass wenigstens diese Passagen ohne Änderung angenommen wurden. Da sie weitgehend nichtssagend sind, kann nicht gefolgert warden, dass die Saudis klein beigaben: Neben einem Fortgang des Informationsaustauschs darüber wurde lediglich festgehalten, dass SBSTA im Juni des übernächsten Jahres, also 2005, erneut die Frage des Einbezugs der diesbezüglichen Emissionen in die Inventare angehen wird (zur Kenntnis: im Jahr 1996 wurde diese Frage von SBSTA bereits ausführlich behandelt).

Um halb elf Uhr war alles abgearbeitet. Seiner Leistung angemessen, melden sich acht Länder nacheinander zu Wort, um Halldor für seinen Einsatz und seine durch unermüdliche Arbeit möglich gewordenen Erfolge zu danken. Ein Applaus aller beendete die Sitzung. Nun galt es, auf den Beginn der SBI-Sitzung zu warten.

Manfred Treber, 10.12.03
 

Fossil des Tages für den Gastgeber Italien (Mi 10.12.)

Während jedes Verhandlungstags verleihen die weltweiten Umwelt- und Entwicklungsverbände gemeinsam die Auszeichnung "Fossil des Tages" an dasjenige Land, das den negativsten Einfluss in Sachen Klimaschutz ausgeübt hat. Italien als COP9-Gastgeber hätte wahrlich ein Sonder-"Fossil des Tages" verdient. Nicht, weil den mehreren Tausend Gästen aus allen Erdteilen - entgegen den Gepflogenheiten auf allen anderen Klimagipfeln - überhaupt keine Angebote für Exkursionen noch für größere kulturelle Veranstaltungen noch für Empfänge mit einer Einführung in die regionale Küche geboten wurden. Mangelnde Gastfreundschaft ist für die Fossil-Verleihung wegen des fehlenden Bezugs zum Klimaschutz kein Kritierium.

Vielmehr ist COP9 eine von Italien vollständig verpasste Chance zum Informieren der italienischen Öffentlichkeit über die Herausforderung der menschgemachten Klimaänderung und die Notwendigkeit des Ergreifens von Klimaschutzmaßnahmen.

Waren in Kyoto oder Marrakesch oder Neu Delhi zum Klimagipfel verbreitet Plakate in der Stadt aufgehängt worden, wurden Postkarten hergestellt oder Aushänge in der U-Bahn gefertigt, um die Einwohner auf den Klimagipfel einzustimmen. In Kyoto wurden sogar tausende Taschen aus Stoffresten in ehrenamtlicher Arbeit genäht und an die Konferenzteilnehmer verteilt. Ein Klimagipfel ist eine sonst sich selten bietende Gelegenheit, um PR für Klimaschutz zu machen.

Nichts davon in Mailand. Der Klimagipfel findet scheinbar auf einem anderen Stern unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Wie stellt sich die italienische Regierung vor, der Bevölkerung das Anliegen des Klimaschutzes nahe zu bringen (dazu hat sie sich laut Art 6 der Klimarahmenkonvention verpflichtet), wenn sie selbst diese Gelegenheit verpasst?

Übrigens: Schon am Montag hat Climate Action Network ein "Fossil of the Day" an Italien verliehen. Gründe dafür sind zu finden unter www.fossil-of-the-day.org.

Manfred Treber, 10.12.03
 

SBI ringt um Klimaschutzfonds (Do 11.12.)

An sich sollte das Nebenorgan SBI, wie die Vorsitzende Daniela Stoycheva eingangs des Treffens vorgestern sagte, seine letzte Sitzung am Dienstag haben. So war nicht überraschend, dass die letzte Sitzung erst spätabends begann. Überraschender war hingegen, dass sie nicht lange andauerte. Die Kontaktgruppen hätten noch die Nacht über zum Weiterverhandeln Zeit. Am Mittwoch begann dann die SBI-Sitzung fast über eine Stunde verspätet gegen 23.30 Uhr mit dem Verteilen neuer Dokumente. Der Argentinier Estrada wählt in der ersten Wortmeldung starke Worte. COP9 würde als derjenige Gipfel in Erinnerung bleiben, der keinen einzigen Schritt für die Anliegen der am wenigsten entwickelten Länder (LDC) getan hätte. Der Vorstellung der Ergebnisse der Kontaktgruppe folgt ein "Aufstand der Machtlosen". Tansania, Uganda, Senegal und Mauretanien verweigern ihre Zustimmung zum in der Kontaktgruppe gefunden Konsens, der im wesentlichen ein Vertagen beinhaltete. Nach längerem ergebnislosen Austausch unterbricht die Vorsitzende die Sitzung. Die Interessierten mögen sich zu ihr begeben. Nach nicht zu langer Unterbrechung liest sie neuen Text vor, und eine weitere Vorlage wird nicht vom SBI beschlossen, sondern an die COP weitergeleitet.

Doch dies war nicht der einzige Konflikt in SBI. Es spitzt sich zu, als es um den Special Climate Change Fund geht - so heißt einer der drei mit den Bonn Agreements und in den Marrakesh Accords ins Leben gerufenen Fonds. Ein Beschluss dazu wird von mir neben der Einigung in SBSTA zu den Senken im CDM und zum Vorgehen mit dem TAR als wichtigstes Ergebnis von COP9 wahrgenommen. Doch auch hier gab es keine Einigung. Die EU und andere Indutrieländer wollten auf jeden Fall verhindern, dass mit den Mitteln dieses Fonds Maßnahmen in (reichen) OPEC-Ländern zur wirtschaftlichen Umstrukturierung durchgeführt werden. Das war inhaltlich nicht gewollt. Aber auch zu Hause wären die Finanzminister nicht zu überzeugen, den Fonds aufzufüllen, falls die Mittel teilweise nach Saudi Arabien flössen. Die Folge wäre demnach ein leerer Fonds. Doch G77 konnte nicht gespalten werden und empörten sich lautstark mit harten Worten, dass sich die Industrieländer verweigerten und damit die Ergebnisse von Bonn und Marrakesch missachten würden. Eine so schlechte Stimmung hatte COP9 noch kaum erlebt, obwohl beschlossen wurde, den Text gleichermaßen an den COP-Präsidenten weiterzuleiten, so dass die COP eine Lösung dazu noch finden können soll.

>> Siehe hierzu auch unseren Beitrag "Agree on SCCF at COP9" in der heutigen Ausgabe von ECO [PDF, 90KB]

Manfred Treber, 11.12.03
 

Estradas Husarenstück zum Abschluss (Fr 12.12.)

Der letzte Tag der Klimaverhandlungen bringt wie immer das Fällen - man sollte besser sagen: zumeist Abnicken - der Entscheidungen durch das Plenum.

Schon am Nachmittag war zum Special Climate Change Fund Konsens erzielt worden. Allerdings muss hier durch weitere Verhandlungen noch geklärt werden, ob ausgeschlossen werden kann, dass Saudi Arabien und andere Ölländer wegen ihres verringerten Ölverkaufs Unterstützungszahlungen erhalten werden. Nur wenn das gelingt, ist verständlicherweise damit zu rechnen, dass die Industrieländer in diesen freiwilligen Topf tatsächlich einzahlen. Abschließend blieb noch der Tagesordnungspunkt mit Angelegenheiten der am wenigsten entwickelten Länder (LDC), darunter auch die Ausführungsbestimmungen des LDC-Fonds, offen.

Der COP-Präsident Persanyi teilt mit, es würde dazu noch in einer Kontaktgruppe verhandelt. Und stellt sein Problem dar: er hätte sein Gepäck bereits hier und müsse bald zum Flugzeug. Die Sitzungsleitung würde er gerne an einen Vizepräsidenten aus Burkina Faso übergeben und sodann weggehen.

Doch die Rechnung hat er nicht mit dem Argentinier Estrada gemacht. Dieser ergreift - als einfacher Delegierter - aus dem Plenum mehrfach vehement das Wort und argumentiert, so ginge das nicht. Er würde sich jetzt hier für die Belange der LDC einsetzen, deren Anliegen durchzufallen drohten. Wenn die Kontaktgruppe einfach so weiterverhandeln würde, käme kein Ergebnis zustande. Er stellt sich zwei Handlungsmöglichkeiten für den COP-Präsidenten vor: Entweder müsse man die Unterhändler holen und sie ihre Argumente vor der COP unter derem Druck darstellen lassen. Oder die COP könne bis zum Juni unterbrochen werden, so dass dann dort der Beschluss zu LDC in einer letzten Sitzung der COP 9 gefällt würde.

Durch solch heftiges Plädoyer und die Macht der Argumente lässt sich COP Präsident Persanyi erweichen. Er würde in die Kontaktgruppe gehen und sie zum Konsens drängen oder die Gruppe in einer halben Stunde zur COP bringen. Unterbrechung der Sitzung für eine gute halbe Stunde bis 18.30 Uhr. Als die Sitzung wieder eröffnet wird, beginnt Persanyi mit der Aussage, man hätte ein Ergebnis erzielt. Er lässt den nicht ganz kurzen Text über die Durchführungsbestimmungen des LDC-Fonds vorlesen und ihn gleich vom Plenum annehmen (auch das ist eine extreme Seltenheit, dass die Staaten einem Beschluss zustimmen, für den keine gedruckte Vorlage auf dem Tisch liegt). Eines ist sicher: Hätte die Kontaktgruppe nur unter sich weiterverhandelt, müssten die ärmsten Länder noch ein Jahr länger auf eine Entscheidung warten. Allerdings ist dennoch nicht sicher, ob Estrada den LCD tatsächlich einen Gefallen gemacht hat. Denn so wie der Fonds jetzt strukturiert ist, dürfte die (freiwillige!) Einzahlungsbereitschaft der Industrieländer begrenzt bleiben.


Autoren: Manfred Treber und Christoph Bals

Zuletzt geändert