Kohle oder Klimaschutz, das ist hier die Frage

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Kohle oder Klimaschutz, das ist hier die Frage

Mit dem Klimabeitrag die richtigen Investitionssignale geben
Weitblick-Bild 1/15: Anti-Kohle-Kette April 2015

Vorstandsmitglied Sven Harmeling (links) und Teamleiter Lutz Weischer setzen ein Zeichen bei der Anti-Kohle-Kette am 25. April 2015 am Braunkohletagebau Garzweiler. Foto: Xing Fu-Bertaux

 
Die Bundesregierung muss sich entscheiden: Entweder kippt das deutsche Klimaziel – 40 Prozent weniger CO2 bis 2020 gegenüber 1990 – oder sie muss die Verstromung von Braunkohle deutlich reduzieren.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat daher Ende März ein Instrument vorgeschlagen, um den Strom aus den ältesten und emissionsintensivsten Braunkohlekraftwerken zu begrenzen. Um diesen sogenannten Klimabeitrag ist eine heftige Diskussion entbrannt. Kraftwerksbetreiber, Bundesländer mit hohem Kohle-Anteil, Gewerkschaften wie die IG BCE und Teile der CDU und SPD laufen Sturm dagegen.

Es ist schon erstaunlich. Diese 2007 beschlossenen Klimaschutzziele wurden von allen nachfolgenden Regierungen bestätigt. Wer den Dreisatz beherrscht, kann auf einem Bierdeckel ausrechnen, dass dies eine Reduktion der Kohleverstromung bedeutet. Viel Zeit also für Energieversorger, um ihre Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln, für Bundes- und Landesregierungen, um den ökologischen Strukturwandel in den Regionen sozial zu flankieren, und für die Gewerkschaften, um den Prozess konstruktiv mitzugestalten.

Auf den zweiten Blick ist die Empörung nicht ganz so erstaunlich. Bei einer Politik, die Klimaschutzziele nur postuliert, die zulässt, dass ein Europäischer Emissionshandel voller Schlupflöcher keine Lenkungswirkung mehr entfaltet, fehlt das klare Investitionssignal.

Den Kurs neu ausrichten …

Die große Koalition hat nach langer Diskussion angekündigt, damit Schluss zu machen. Sie hat am 3. Dezember 2014 mit dem Klimaschutzprogramm ein Maßnahmenbündel präsentiert. Dieses soll die hässliche (noch sehr optimistisch berechnete) Klimaschutzlücke von fünf bis acht Prozentpunkten bis 2020 sektorübergreifend schließen. Insbesondere bei der Energieeffizienz und im Bereich der Stromerzeugung klaffen die größten Lücken.
Gerade die ältesten, unflexibelsten, längst abgeschriebenen Braunkohlekraftwerke sind aufgrund hoher Gaspreise und niedriger Preise für CO2-Zertifikate wieder rentabel. Sie pusten am meisten CO2 pro Energieeinheit in die Luft, während teils nagelneue, deutlich emissionsärmere und flexiblere Gaskraftwerke eingemottet werden.

Der von Sigmar Gabriel vorgestellte Klimabeitrag sieht nun vor, dass Kraftwerke, die älter als 20 Jahre sind, Jahr für Jahr weniger CO2 ausstoßen dürfen – oder eben eine Abgabe von rund 20 Euro pro zusätzlich ausgestoßener Tonne CO2 zahlen müssen. Diese Zahlung soll in Form von stillzulegenden Emissionszertifikaten getätigt werden. Ohne diese clevere Regelung könnten in Deutschland eingesparte Emissionen im Rahmen des Emissionshandels in anderen EU-Staaten zusätzlich ausgestoßen werden. Obwohl technologieneutral, betrifft dieses Instrument fast ausschließlich alte Braunkohleblöcke – also die größten Emittenten. Den restlichen Kraftwerken hilft es, wieder Geld zu verdienen.

… und dem Gegenwind standhalten

Die Braunkohlelobby stellt die Pläne als Angriff auf den Industriestandort Deutschland dar und warnt vor dem Verlust von 100.000 Arbeitsplätzen. Sie verschweigt, dass der Klimabeitrag nur für 10 Prozent der fossilen Kraftwerke relevant ist und in der gesamten Kohlewirtschaft gerade einmal 21.000 Beschäftigte arbeiten. Aber auch die Unterstützer melden sich zu Wort. Ende April zum Beispiel haben 75 Stadtwerke einen Brief an Sigmar Gabriel geschrieben, in dem sie die Klimaabgabe unterstützen.

Von der Standhaftigkeit der Bundesregierung hängt jetzt viel ab. Knickt sie vor der fossilen Lobby ein, wird Deutschland sein Klimaschutzziel verfehlen. Ohne ein wirksames Instrument zur Verringerung der Braunkohle verliert Deutschland seine Glaubwürdigkeit in den europäischen und internationalen Verhandlungen. Es würde zum Stubentiger des Klimaschutzes.
  

Tobias Pforte-von Randow

Eine ausführliche Analyse des Klimabeitrags von WWF und Germanwatch finden sie unter:
www.germanwatch.org/de/10151