Deutsches Klimaschutzgesetz als zentraler internationaler Beitrag

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Deutsches Klimaschutzgesetz als zentraler internationaler Beitrag

Koalitions- und Klimaverhandlungen verknüpfen
Weitblick-Bild: Leitartikel

Nicht nur Strände gehen verloren, wenn der Meeresspiegel ansteigt. Viele Menschen leben am und vom Meer und bekommen durch die Folgen des Klimawandels ihre Lebensgrundlage entzogen.


Der Weltklimarat IPCC hat den ersten Teil seines neuen Berichtes vorgelegt. Drei Botschaften ragen heraus.
Erstens: Mit mehr als 95-prozentiger Sicherheit ist der Mensch der dominante Treiber des beobachteten Klimawandels. In der Medizin ist das die Schwelle, bei der ein Nichthandeln des Arztes zum Kunstfehler wird. Für die Politik würde Nichthandeln Führungsversagen bedeuten.
Zweitens: Das Großexperiment, das wir durch den Klimawandel an Mensch und Mitwelt vornehmen, bezieht sich nicht nur auf das Klima. Wir ändern auch das Erdsystem Ozeane dramatisch. Die Meeresspiegel steigen, die Ozeane werden wärmer und sauerer – ein hochriskantes Spiel mit unabsehbaren Konsequenzen für Nahrungsmittelketten und Artenvielfalt.
Drittens: Noch ist es möglich, den Klimawandel auf weniger als zwei Grad Temperaturanstieg im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, um die größten Risiken zu vermeiden. Aber mit jedem verlorenen Jahr wird dieses Ziel schwieriger und kostspieliger. 

Vor diesem Hintergrund beginnt mit dem Klimagipfel in Warschau ab dem 11. November die heiße Phase der Verhandlungen, die 2015 in Paris in ein globales Klimaabkommen münden sollen. Es ist delikat, dass der Klimagipfel in Polen – dem größten klimapolitischen Bremser der EU – stattfindet. Es gilt, diesen Gipfel für den Druck anderer Regierungen und der Zivilgesellschaft zu nutzen, aber auch für konstruktive Vorschläge, wie die polnische Blockade zu überwinden ist. 

Konstruktiv kann der Verhandlungspfad von Warschau über Lima (2014) nach Paris (2015) nur sein, wenn die Staaten das Verhandeln durch entschiedenes Handeln zuhause und intelligente Vorreiterallianzen ergänzen. Erst dieser Dreiklang kann die notwendige Dynamik erzeugen. Ganz Europa wartet derzeit darauf, dass die deutschen Koalitionsvereinbarungen nach zwei Jahren des Zögerns und der klimapolitischen Rückschritte den Weg dazu in Deutschland und der EU frei machen. Sprechen sich die künftigen RegierungsvertreterInnen für ein Klimaschutzgesetz aus, durch das die bei der Energiewende versprochenen Ziele für Klimaschutz, Erneuerbare Energien und Energieeffizienz verbindlich werden? Ein deutsches Klimaschutzgesetz würde international und EU-weit viel Aufmerksamkeit erzeugen und dadurch auch der EU den Weg für ein ehrgeizigeres Auftreten ebnen. Denn beim EU-Gipfel im März bzw. Juni 2014 geht es darum, ambitionierte und verbindliche Ziele für die Treibhausgasreduktion (55 % gegenüber 1990), für Erneuerbare Energien (45 % Anteil am Energiemix) und Energieeffizienz (35-pro-zentige Reduktion des Primärenergieverbrauchs gegenüber 2005) bis 2030 durchzusetzen. Die Bundesregierung braucht hier endlich eine Position für drei ambitionierte und verbindliche Ziele. Wenn Deutschland aufhört zu bremsen, dann kann die EU im Frühjahr 2014 nachziehen.

Die SPD hat in ihrem Wahlprogramm ein deutsches Klimaschutzgesetz versprochen. Die deutschen Umwelt- und Entwicklungsverbände und die von einer breiten gesellschaftlichen Koalition getragene „klima-allianz” erwarten, dass die SPD dieses zu einem Knackpunkt der Koalitionsverhandlungen macht. Zahlreiche Unternehmen warten auf Investitionssicherheit durch klimapolitische Rahmensetzung.

Ein solches Klimaschutzgesetz würde es der Bundesregierung auch erlauben, eine internationale Vorreiterallianz anzuführen. Diese sollte die Bereitschaft zu Ambition als Bedingung haben. Die Mitglieder sollten sich wechselseitig wirtschaftlich und technisch unterstützen und gemeinsame Forschungsprojekte vorantreiben, um so Handeln und Verhandeln zu unterstützen. So organisiert und mit klarer Vision und eindeutigem Ziel versehen, könnte der von der Bundesregierung ins Leben gerufene „Club der Energiewende-Staaten“ eine solche Allianz werden (siehe: Mit Vorreiterallianzen den internationalen Klimaschutz beleben).

Ein „Ja“ zum Klimaschutzgesetz wäre auch Rückenwind für ein zentrales Ziel des Klimagipfels in Warschau: Dort sollen die Staaten formal aufgefordert werden, bis zum September 2014 verschärfte kurzfristige Klimaziele (bis 2020) und ambitionierte Klimaziele bis 2030 vorzulegen. Die Regierungschefs sollen Vorschläge dazu im September 2014 bei der UN-Generalversammlung präsentieren. Deutschland könnte hier das Klimaschutzgesetz präsentieren. 

Derzeit übernehmen Deutschland und die EU eine ungewohnte Verzögerungsrolle in der internationalen Klimapolitik. Kaum zu glauben, aber wahr: in den USA und China gibt es im Moment mehr klimapolitische Dynamik. Ein Klimaschutzgesetz und ambitionierte EU-Klima- und Energieziele würden es der EU erlauben, gemeinsam mit den besonders betroffenen Staaten und anderen Vorreitern diese zaghafte Dynamik in den USA und China weiter zu befeuern.

Eine wieder ambitionierte EU könnte sich mit den kleinen Inselstaaten und den besonders verletzlichen armen Ländern strategisch abstimmen. Das würde allerdings auch bedeuten, bei dem Thema der Bewältigung der Schäden des Klimawandels („Loss and Damage“) nicht nur zu wissen, was man nicht will (nämlich keine Kompensation zu zahlen). Sondern eben auch konstruktive Vorschläge dazu vorzulegen. Etwa eine Initiative für Frühwarnsysteme gegenüber den großen Kipp-Punkten des Erdsystems, wie z. B. das Umkippen des Regenwaldes oder des Monsun-Regimes. Oder eine Ko-Finanzierung von Versicherungssystemen für diejenigen, die sich keine Versicherung leisten können. Die neue Bundesregierung hat die Chance, eine wichtige Rolle zu spielen und den Klimawandel, das Großexperiment mit der Menschheit, einzudämmen. Sie sollte sie nutzen.

Christoph Bals und Sönke Kreft

 

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