Pressemitteilung | 19.06.2012

Das Ergebnis von Rio

Die Kluft zwischen wachsenden Problemen und geringer Handlungsfähigkeit
Pressemitteilung

Rio, 19.06.2012: Heute haben sich beim Nachhaltigkeitsgipfel in Rio die Staaten auf das Abschlussdokument geeinigt. Ohne Änderung nahmen sie den Text der brasilianischen Verhandlungsdelegation an. Es ist davon auszugehen, dass er ohne weitere Verhandlungen und Änderungen von den Regierungschefs, die Ende der Woche nach Rio kommen, angenommen wird.

"Die Krisen um das Klima, um Ernährung, um Wasser verschärfen sich. Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst in fast allen Staaten. Dieser Gipfel bringt nicht das notwendige Ergebnis, um den sich zuspitzenden Krisen wirkungsvoll zu begegnen. Aber er hat auch gezeigt, dass derzeit nicht mehr möglich ist", kommentiert Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. "Weder Rio - noch der parallel laufende G20-Gipfel zeigen die notwendige Handlungsfähigkeit der Staatengemeinschaft."

"Das Ergebnis des Gipfels zeigt, dass die USA bei Nachhaltigkeitsfragen international nicht handlungsfähig sind. Das Gerangel zwischen absteigenden Großmächten - USA und EU - und aufsteigenden Weltmächten - etwa China, Indien, Brasilien, macht konstruktives Verhandeln um die Sache kaum möglich. Stattdessen wird vor allem darum gerungen, wie "gemeinsame aber differenzierte Verantwortung" neu zu interpretieren ist. Die Verhandlungsmacht der EU ist durch die geopolitischen Verschiebungen und die Finanzkrise deutlich geschwächt."

Germanwatch sieht angesichts dieser Situation den Bedarf, vor den nächsten UN-Klimaverhandlungen die Strategie der EU und insbesondere den notwendigen Aufbau von Vorreiterallianzen neu zu bewerten.

"Es geht nun einerseits darum, das Beste aus dem zu machen, was bei diesem Gipfel trotz allem erreicht wurde. Etwa aus dem Prozess für Nachhaltigkeitsziele und aus der Stärkung der Institutionen, die diese umsetzen sollen. Es gilt den Paradigmenwechsel hin zur grünen Wirtschaft mit klaren Kriterien zu unterfüttern, damit hier nicht nur die Fassade grün gestrichen wird.
Andererseits aber gilt es Koalitionen mit Staaten aufzubauen, die bereit sind, weit über den Minimalkonsens von Rio hinauszugehen. Die konstruktiven Minister und Regierungschefs können in Rio ab Mittwoch eine Koalition für ein Implementierungsabkommen für den Schutz der Meere schmieden. Auch ist noch offen, ob die beschlossene Aufwertung des Umweltprogramms der UN einen griffigen Namen erhält. Die Gruppe der afrikanischen Länder hat, unterstützt von der EU, bereits den Aufschlag dazu gemacht. Darüber hinaus könnten viele Regierungschefs deutlich machen, welche nachprüfbaren Nachhaltigkeitsziele sie bis 2015 für Industrie- und Entwicklungsländer beschließen wollen."

Folgende Fortschritte, auf denen aufgebaut werden muss, sind in dem vorläufig verabschiedeten Dokument enthalten:

Ziele:

  • Ein Verhandlungsprozess für Nachhaltigkeitsziele wurde gestartet. Sie sollen 2015 zeitgleich mit den Millenniumszielen zur Armutsbekämpfung verabschiedet werden. (Para 245ff)
  • Es wurde anerkannt, dass das Bruttosozialprodukt als Wohlstandsindikator nicht ausreicht und ein Prozess zur Erarbeitung für ergänzende Kriterien gestartet. (Para 38)
  • Im Klimabereich wurde das 1,5 bis 2 Grad-Limit bestätigt - und die große Lücke anerkannt, die derzeit zwischen den Verpflichtungen der Staaten und diesem Limit klafft. Dies legt eine gute Grundlage für die kommenden Klimaverhandlungen. (Para 191)
  • Der Bezug zu Menschenrechten, insbesondere auch zum Recht auf Nahrung, wurde bekräftigt. (Para 8)
  • Auch Bundesländer, Städte, Unternehmen und Verbände können ihre freiwilligen Ziele in ein neues Register eintragen. (Para 283) Dies kann zeigen, dass manche Regierungen deutlich mehr tun können, als sie bisher dazu bereit sind.


Grüne und Faire Wirtschaft

  • Die Wirtschaft wird sich von jetzt an weltweit mehr als bisher rechtfertigen müssen, ob ihr Handeln grün und fair genug ist. Dieser Gipfel hat das Paradigma von der braunen hin zur "green economy" verschoben. Dies kann sich etwa bei Weltbank, OECD, IEA usw. auswirken.
  • Ein neues Zehnjahresprogramm für "Nachhaltige Produktion und nachhaltigen Konsum" wurde beschlossen.


Institutionen:

  • Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) wurde unter anderem durch die Mitgliedschaft aller Staaten und stabilere Finanzierung sowie neue Handlungskompetenzen aufgewertet. Es kann in Zukunft mit mehr Gewicht für die Umweltziele auftreten. (Para 88)
  • Die völlig zahnlose Kommission für Nachhaltige Entwicklung (CSD) wird zu einem hochkarätigeren Forum ("High Level") aufgewertet. (Para 84).
  • Der Committee on World Food Security wird der Rücken gestärkt, in den Staaten Assessments über nachhaltige Landwirtschaft und Ernährungssicherung durchzuführen. (Para 115)

 

Für Rückfragen und Interviewwünsche wenden Sie sich bitte an:

  • Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer: +55 21 80795499, bals@germanwatch.org
  • Larissa Neubauer, Pressereferentin, +49 151 252 11072, neubauer@germanwatch.org