Pressemitteilung | 07.02.2018

Koalitionsvertrag darf sich nicht als ungedeckter Scheck entpuppen

Germanwatch begrüßt klares Bekenntnis zu nachhaltiger Entwicklung und Klimaschutz - kritisiert aber fehlenden Mut, die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung zu beschließen
Pressemitteilung

Berlin/Bonn (7. Feb. 2018). CDU, CSU und SPD erheben die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung und die Pariser Klimaziele zum Leitprinzip des Regierungshandelns - aber sie versäumen die Chance, die Ernsthaftigkeit mit klaren Rahmensetzungen zu untermauern, da zentrale Umsetzungsmaßnahmen erst nächstes Jahr beschlossen werden sollen. Dieses zwiespältige Fazit zieht die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch zu den Klima-, Menschenrechts-, Agrar- und Entwicklungsthemen im Koalitionsvertrag. "Gerade haben die Koalitionspartner eingeräumt, dass die Klimaziele für 2020 nicht rechtzeitig erreicht werden. Da verkünden sie die nächsten Ziele und lassen bewusst die Frage offen, ob der Scheck diesmal gedeckt ist. Das ist ein riskantes Spiel mit der eigenen Glaubwürdigkeit", sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. "Es ist gut, dass die Klimaziele gesetzlich verankert werden sollen. Zugleich scheut die neue Regierung aber eine klare Ansage für den notwendigen  CO2-Preis, ohne den sich die Ziele nicht erreichen lassen. Sie kündigt auch nicht die kurzfristige Stilllegung der schmutzigsten Kohlekraftwerke an, die notwendig wäre, um die Lücke zum Klimaziel für 2020 wenigstens zum guten Teil zu schließen."

Der Koalitionsvertrag liefert aus Sicht von Germanwatch das Drehbuch für eine grundlegende gesellschaftliche Debatte in den nächsten Monaten: Sollen Klimaziele nur verkündet oder auch umgesetzt werden? Wird ein Datum für den Ausstieg aus der Kohle gesetzt, das zu den Klimazielen passt? Wird gemeinsam mit Frankreich der notwendige CO2-Mindestpreis für alle Sektoren vorangetrieben?

Christoph Bals: "Man kann nicht für den Verkehrsbereich das ambitionierte Ziel setzen, die Emissionen um 40 bis 42 Prozent bis 2030 zu reduzieren und zugleich für die Umsetzung des aktuellen Bundesverkehrswegeplans massive Investitionen in Straßen ankündigen. Das steht klar im Widerspruch zu den Pariser Klimazielen. Ähnlich verhält es sich in der Landwirtschaft: Ohne Vorschläge für Klimaschutz in der Tierhaltung, die für drei Viertel der landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, kommt man auch in diesem Sektor nicht weiter. Man kann nicht Kommissionen einsetzen, um neue Regulierungen zu beschließen - und zugleich ankündigen, dass für jede neue Regulierung eine bestehende beseitigt werden soll."

Auch bei der Bildung fehlen konkrete Ansätze zur Umsetzung. Sie ist zwar als Schlüsselthema benannt, doch es fehlen Maßnahmen, Bildung in allen Bereichen entsprechend der Agenda 2030 als Treiber für nachhaltige Entwicklung weiterzuentwickeln.

Germanwatch begrüßt die Ankündigung einer "entschlossenen und substanziellen Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs- und Menschenrechtspolitik aus einem Guss", die sich klar an der Agenda 2030 orientieren soll. Zu Recht werde darauf hingewiesen, dass sich in den kommenden Jahren entscheiden wird, "welche Standards und Regeln in Handel, Klima- und Energiepolitik  die internationale Ordnung prägen werden". Bals: "Wenn die Regierung den strategischen Störmanövern der US-Regierung und der Langfriststrategie Chinas konstruktiv begegnen will, dann muss sie gemeinsam mit Frankreich und der gesamten EU klare Zeichen für die Umsetzung der Menschenrechte und des Klimaschutzes setzen. Als größter Nutzer der Kohle in Europa ist Deutschland schlecht aufgestellt für die Auseinandersetzung mit Trump, der Kohle zum Klimaschutzinstrument umdefinieren will. Die Bundesregierung muss 2020 ein Gesetz mit menschenrechtlichen Regeln für Unternehmen beschließen. Nur so kann sie glaubwürdig auf die regelbasierte internationale Ordnung drängen und die notwendigen internationalen Allianzen aufbauen."