Ich kaufe, also bin ich

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Ich kaufe, also bin ich

Wie die Obsoleszenz eine neue VerbraucherInnengeneration prägt

 
Das so genannte Phoebus-Glühbirnen-Kartell, ein Zusammenschluss international führender Glühbirnenhersteller, beschloss bereits 1924 die gezielte Verringerung der Lebensdauer von Glühbirnen von 2.500 Stunden Brenndauer auf 1.000 Stunden. Das sollte die Verkaufzahlen ankurbeln. Somit erhielt die „geplante Obsoleszenz“, der vorsätzliche Verschleiß von Produkten, schon früh Einzug in die Produktgestaltung.

Leider ist dies kein Problem des vergangenen Jahrhunderts. Auch heute noch forcieren Hersteller kürzere Nutzungszyklen – z. B. durch den Einbau von Sollbruchstellen oder von Rohstoffen verminderter Qualität. Ein geplanter Vorsatz der Hersteller ist dabei nur schwer nachweisbar. Fakt ist jedoch, dass der verkürzte Nutzerzyklus die Menge an Abfall steigert und somit Ressourcen verschwendet werden.

Die „geplante Obsoleszenz“ umfasst unterschiedliche Arten des geplanten Verschleißes: die absichtlich geringere Leistungsfähigkeit von Produkten und die Irreparabilität– wie gelötete oder verklebte Akkus in Elektrogeräten – bezeichnen die werkstoffliche Obsoleszenz. Die Veralterung von Geräten aufgrund von fehlenden Softwareupdates und/oder Ersatzteilen fällt hingegen unter die Begrifflichkeit der funktionalen Obsoleszenz.

Obsoleszenz zu unterbinden ist keine leichte Aufgabe, zumal die nötigen Beweise oft fehlen. Die Politik kann jedoch nötige Rahmenbedingungen gegen den vorsätzlichen Verschleiß schaffen. Eine Erweiterung der Gewährleistungsfrist auf drei Jahre könnte z. B. den Anreiz erhöhen, lang haltbare Produkte herzustellen, da andernfalls hohe Kosten für Reparatur oder Ersatzgeräte auf die Hersteller zukämen. Eine gesetzliche Vorgabe zur Ersatzteilversorgung oder Bereitstellung von Reparaturanleitungen bieten überdies die Chance einer längeren Nutzung.

Noch viel schwieriger ist es mit dem subjektiven Produktverschleiß, den perfide Marketingstrategien verursachen. Mit dem Slogan „Jedes Jahr ein neues Handy“ suggeriert die neue Vodafone-Werbung den KundInnen, dass ein Smartphone bereits nach einem Jahr veraltet ist und ersetzt werden sollte. Diese Form der Werbestrategie spiegelt das Wesen der psychischen Obsoleszenz wider. Sie greift im Vergleich zu den anderen Obsoleszenzen gezielt in die Verbraucherwahrnehmung ein. Die Hersteller nutzen dabei bewusst den Wunsch nach Gruppenzugehörigkeit und Status in der Gesellschaft aus und verbinden den Kauf eines neuen Smartphones mit der individuellen Identitätsfindung: Ich kaufe, also bin ich.

Doch wie entkommen wir dieser Modefalle? Ein öffentlicher Diskurs, der die Anforderungen an die Produktqualität neu definiert, ist sicher von Nöten. Diesen fordert zum Beispiel der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss in seiner Initiativstellungnahme vom 17. Oktober 2013: „Lebensdauer von Industrieprodukten und Verbraucherinformation zugunsten eines neuen Vertrauens“ (www.kurzlink.de/EWSA171013). Damit positionierte er sich klar gegen die Obsoleszenz als Marketing- und Verkaufsstrategie.
 

Joyce-Ann Syhre