Für die Renaissance des europäischen Bahnverkehrs

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Was Deutschland jetzt tun sollte

Für die EU ist die Verlagerung des Luft- und Straßenverkehrs auf die Schiene ein wichtiger Hebel zur Erreichung ihrer Klimaziele. Allerdings ist die Bahn über Jahrzehnte hinweg eher stiefmütterlich behandelt worden. Es wurde zu wenig investiert, gleichzeitig sind viele internationale Verbindungen eingestellt worden. Im Ergebnis gleicht Europa heute eher einem Flickenteppich aus nationalen Netzen als einem geeinten Kontinent. Europa braucht schnellere und häufigere Direktverbindung zwischen Metropolen, ein Nachtzugnetz für größere Distanzen, einfache Buchungsmöglichkeiten, eine Ankunftsgarantie bei Auslandsreisen sowie faire Preise. Kurzum: Wir brauchen ein attraktives und wahrhaft europäisches Bahnsystem.

Das Europäische Jahr der Schiene 2021 sollte zum Wendepunkt werden, um dem europäischen Bahnverkehr zu einer Renaissance zu verhelfen. Deutschland kommt dabei sowohl aufgrund seiner geographischen Lage als auch seiner Größe eine Schlüsselrolle zu. Vor diesem Hintergrund sollte die Bundesregierung die folgenden Schritte ergreifen:

  1. Zielfahrplan Europatakt entwickeln: Der Deutschlandtakt und die Idee einer Wiederbelebung des Trans-Europ-Expresses sind wichtige Schritte hin zu einem europäischeren Bahnnetz. Ein echter Europatakt braucht allerdings weitere Langläufer-Strecken mit Tag- und Nachtzügen, aber auch kürzere Verbindungen im Stundentakt sowie eine gut vertaktete Anbindung an den Regionalverkehr. Deutschland sollte hier zur treibenden Kraft in Europa werden.
  2. Verantwortung für internationale Verbindungen übernehmen: Züge grenzüberschreitend fahren zu lassen ist mit höheren Kosten und mehr Aufwand verbunden als der Betrieb rein nationaler Verbindungen. Fast alle EU-Mitgliedsstaaten schließen Verkehrsverträge mit Bahnunternehmen ab, um Angebote auf der Schiene zu garantieren, auch wenn sie nicht attraktiv sind. Das ist hierzulande immer noch nicht möglich: Deutschland ist das einzige EU-Land ohne nationalen Aufgabenträger für den Fernverkehr.
  3. Die Kosten für die Verkehrswende fair verteilen: Die Bahn hat im Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern nur dann eine Chance, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Solange sich an der Grundstruktur nichts ändert, sind alle anderen Maßnahmen nicht mehr als Nothilfen. Seit Jahrzehnten wird die Bahn in Deutschland benachteiligt – sowohl steuerlich als auch bei der Zuteilung von Infrastrukturgeldern. Um mehr Anreize für den Betrieb internationaler Verbindungen zu schaffen, müssen die Trassenpreise in Deutschland auf die Höhe der direkten Kosten begrenzt werden.
  4. Nadelöhre in der Infrastruktur ausbauen: Um Kapazitäten für mehr europäische Verbindungen zu schaffen, muss der Bund in den kommenden Jahren deutlich mehr Gelder als bisher für die Schiene bereitstellen. Insbesondere müssen Elektrifizierungslücken an Grenzen geschlossen, die Umstellung auf das europäische Signalsystem beschleunigt und die Ausbaumaßnahmen für den Deutschlandtakt umgesetzt werden.
  5. Eine Investitionsinitiative ‚Züge für Europa‘ starten: Um international fahren zu können, müssen Züge interoperabel, d. h. mit mehreren Signal- und Stromsystemen ausgestattet sein. Weil dies mit entsprechenden Mehrkosten verbunden ist, könnte Deutschland einen staatlich geförderten Fahrzeugpool aufbauen, oder den Kauf von interoperablen Zügen und Nachtzügen bezuschussen.
  6. Daten für den europaweiten Fahrkartenverkauf verfügbar machen: Europaweite Verbindungen müssen einfach und reibungslos buchbar sein. Deshalb müssen Bahnunternehmen dazu verpflichtet werden, Echtzeit-Daten und Fahrkarten-Daten offen zu teilen.

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Publikationstyp
Papier