Blogpost | 26/10/2017 - 10:29

Der lange Weg zur Umsetzung der Africa Renewable Energy Initiative

Blog-Beitrag von Lutz Weischer und Jens Klawitter, Oktober 2017
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2015 wurde die Africa Renewable Energy Initative mit ehrgeizigen Zielen gegründet, um allen AfrikanerInnen Zugang zu erneuerbaren Energien zu schaffen. Verschiedene Geber haben finanzielle Unterstützung für die Ziele zugesagt, darunter Deutschland mit 3 Milliarden Euro. Seitdem ist viel Zeit vergangen, vor allem zur Klärung der Struktur und Arbeitsweise der Initiative. Jetzt muss endlich die Umsetzung starten. Denn die Initiative hat großes Potential und genießt weiter starke Unterstützung von afrikanischen Entscheidungsträgern, der Zivilgesellschaft und bei Geberländern. Administrative Fragen sollten eine schnelle Umsetzung jetzt nicht weiter verzögern.


Ein inspirierender Start

Die Africa Renewable Energy Initiative (AREI) wurde von afrikanischen Institutionen vor etwa zwei Jahren gestartet (siehe Box). 

Die „Africa Renewable Energy Initiative“

Unter der Vielzahl von Initiativen, die im Themenfeld Energie und Entwicklung auf dem afrikanischen Kontinent aktiv sind, sticht die Africa Renewable Energy Initiative (AREI) besonders hervor. Die Initiative wurde im Jahr 2015 beim G7-Gipfel in Schloss Elmau von der Afrikanischen Union vorgestellt und von den G7-Staaten unterstützt und beim Klimagipfel in Paris (COP 21) offiziell gestartet. Die Initiative soll bis 2020 zehn GW (Gigawatt) zusätzliche  erneuerbare Energien in Afrika unterstützen und bis 2030 sogar 300 GW. Letzteres entspricht der Verdopplung der gesamten bisher vorhandenen Stromerzeugungskapazität auf dem Kontinent. Die Initiative soll der lokalen Bevölkerung zugutekommen und den Energiezugang verbessern. Sie hat das Potential, ein Leuchtturm für die Umsetzung der Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens auf dem afrikanischen Kontinent zu werden. Das hat drei Gründe:

Erstens wird in den Gründungsdokumenten der Initiative eine systemische Perspektive eingenommen: Es geht nicht um eine Aneinanderreihung einzelner Projekte, sondern eine Transformation der Energiesysteme. Zweitens ist die Initiativen von AfrikanerInnen entwickelt worden und wird von afrikanischen Institutionen, wie der Kommission der Afrikanischen Union, verantwortet und unterstützt. Drittens verfolgt die AREI ambitionierte Ziele, die Entwicklung und Klimaschutz zusammenbringen und mittelfristig allen AfrikanerInnen den Zugang zu sauberer und moderner Energie ermöglichen sollen. Somit trägt die Initiative direkt zur Erfüllung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals) Nummer 7 (nachhaltige und moderne Energie für alle) und 13 (Bekämpfung des Klimawandels) bei.

Die Initiative soll aus verschiedenen Finanzierungsquellen unterstützt werden, etwa einem eigenen AREI-Treuhandfonds, multilateralen Mitteln der Entwicklungsbanken und des Grünen Klimafonds sowie aus der bilateralen Zusammenarbeit. Bei AREI geht es nicht in erster Linie um einen neuen Fonds, sondern um die bessere Koordinierung verschiedener Finanzflüsse. Eine wichtige Aufgabe der Entscheidungsgremien der Initiative ist daher nicht  die Bewilligung der Finanzierung von Projekten und Programmen, sondern die Anerkennung von Vorhaben, die beispielsweise bilateral finanziert werden, als offizielle AREI-Vorhaben, die den Zielen und Kriterien der Initiative entsprechen. Solche Vorhaben dürfen dann mitgezählt werden, wenn überprüft wird, ob die Ziele von AREI erreicht wurden. Deutschland, Frankreich, die EU-Kommission und andere Geber  haben in Paris finanzielle Unterstützung für die Initiative und ihre Ziele in Höhe von mindestens zehn Milliarden Dollar zugesagt. Ein Leitungsgremium (Board of Directors) der Initiative wurde von der Afrikanischen Union benannt und ein kleines Team von Experten, die sogenannte unabhängige Umsetzungseinheit (Independent Delivery Unit, IDU) wurde beauftragt, die Initiative voranzutreiben. Seitdem erarbeitete die IDU insbesondere im Jahr 2016 eine Reihe von Konzeptpapieren (z.B. das Framework-Dokument, Kriterienvorschläge zur Bewilligung von Projekten und Programmen, sowie einen vorläufigen Arbeitsplan) und auch die internationalen Geber bekräftigten ihre Unterstützung beispielsweise anlässlich des G20-Gipfels 2017 in Hamburg. Rasch formierte sich auch die afrikanische und internationale Zivilgesellschaft zur Unterstützung und Begleitung der Initiative, da die übergreifenden Ziele – nachhaltige Entwicklung durch universellen Zugang zu Energie und die Entwicklung eines modernen Energiesystem, das auf Erneuerbaren Energien beruht – als sehr positiv aufgefasst wurden.

Verstimmungen in Conakry

Dass jedoch auch einige Differenzen zwischen den verschiedenen Beteiligten bestanden, zeigte sich während des zweiten Treffens des Leitungsgremiums der AREI in Conakry (Guinea) am 4. März 2017. Das Leitungsgremium hatte zu diesem Zeitpunkt 9 stimmberechtigte Mitglieder (5 afrikanische Staats- bzw. Regierungschefs, 2 afrikanische Institutionen – die Kommission der Afrikanischen Union und die Afrikanische Entwicklungsbank - und 2 Vertreter nicht-afrikanischer Geber, nämlich die Europäische Kommission und Frankreich). Auf diesem Treffen kam es zu einem Zerwürfnis zwischen Youba Sokona, dem damaligen Leiter der IDU, der bis dahin als eine treibende Kraft hinter der Initiative bezeichnet werden kann und maßgeblich an ihrer Ausgestaltung beteiligt war, und dem Leitungsgremium. Letztlich trat Sokona von seinem Posten zurück. Die genauen Ursachen für dieses Zerwürfnis lassen sich von außen schwer nachzuvollziehen, auch weil zu diesem Zeitpunkt keine zivilgesellschaftlichen Beobachter bei Treffen der AREI vorgesehen waren. Es wird jedoch berichtet, dass der Streit sich vor allem an einer Liste von 19 Projekten entzündet haben soll, die auf der Sitzung als AREI-Projekte anerkannt wurden. Diese 19 Projekte wurden von der Europäischen Kommission vorgeschlagen. Die IDU hatte keine Möglichkeit, die Projekte vor der Entscheidung anhand der vorgesehenen AREI-Kriterien zu prüfen. Es wurde kritisiert, dass insbesondere Frankreich und die EU-Kommission auf diese Projekte gedrängt haben sollen und damit die afrikanische "Ownership" geschwächt worden sei. Die Ereignisse wurde von der Afrikanischen Zivilgesellschaft sehr kritisch aufgefasst und hatte negative Schlagzeilen in der internationalen Presse zur Folge. 

Nach der Sitzung in Conakry stand die Initiative vor zwei großen Herausforderungen:  Zum einen war die IDU - und damit die ganze Initiative -  durch den Abgang von Sokona führungslos und kaum handlungsfähig. Auf der anderen Seite hatte das Treffen gezeigt, dass es noch erheblichen Klärungsbedarf innerhalb der Initiative gab, was Entscheidungsfindungsstrukturen, –prozesse und -regeln anbelangte, die im sog. "Governing Instrument" festgehalten werden sollten.  Dies beinhaltet die Zuständigkeiten der verschiedenen AREI-Gremien – also des Leitungsgremium, des Technischen Komitees und der IDU, die Aufgabenteilung zwischen Ihnen und den Prozess der Anerkennung von AREI-Projekten und Programmen.

Neue Impulse und Fortschritte

Seitdem ist einiges passiert. Zunächst wurde eilig ein neuer vorübergehender Leiter der IDU gesucht und mit Seyni Nafo, Vorsitzender der Gruppe der afrikanischen Klimaverhandlungsführer, auch gefunden. Wohl auch als Reaktion auf die Kritik aus der Zivilgesellschaft haben Frankreich und die EU-Kommission erklärt, auf ihre Stimmrechte im Leitungsgremium zu verzichten und nur als beobachtende Mitglieder mitarbeiten zu wollen.

Laut einem neuen Vorschlag für das „Governing Instrument“ sind nur noch fünf stimmberechtigte Mitglieder im Leitungsgremium vorgesehen, nämlich je ein Staats- oder Regierungschef für die fünf afrikanischen Regionen. Neben den Gebern sollen auch afrikanische Institutionen, wie z.B. die Kommission der Afrikanischen Union und die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB), nur noch Beobachterstatus erhalten. Damit ist die AfDB nicht einverstanden und droht mit einem Rückzug aus der Initiative. Die Bank erfüllt derzeit verschiedene Funktionen innerhalb der AREI. Sie gibt der IDU  – ganz praktisch – ein „zu Hause“ (sie ist der „Host“). Dies bezieht sich z.B. auf Räumlichkeiten in denen die Mitarbeiter der IDU arbeiten können und die Verwaltung von Geldern, die die Geber für den Betrieb der IDU zur Verfügung stellen. Darüber hinaus sollte die Bank auch einen Treuhandfonds (AREI Trust Fund) verwalten, in den Geber für Projekte im Rahmen der AREI einzahlen können. Bislang bevorzugen es aber alle Geber, Projekte und Programme über ihre bestehende bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit afrikanischen Ländern abzuwickeln und als AREI-Beitrag anerkennen zu lassen. Der Treuhandfonds wird derzeit nicht genutzt, die Treuhänderfunktion der AfDB hat also gerade wenig praktische Relevanz.

Ein Rückzug der AfDB hätte zunächst wohl vor allem praktische Implikationen, da für die Initiative ein neuer Host gefunden werden müsste. Die Forderung der AfDB nach einem Stimmrecht im Leitungsgremium wird von der Zivilgesellschaft kritisch beäugt, da es keine gängige Praxis ist, dass ein Host oder Treuhänder auch Stimmrecht besitzt. Im Gegenteil: Hier könnten sogar Interessenkonflikte drohen. Es wird auch bezweifelt, ob die AfDB tatsächlich der am besten geeignete Host für die Initiative ist, da die Bank immer wieder auch fossile Energieerzeugung und umstrittene Projekte wie Großstaudämme gefördert hat. Ob die AfDB daher wirklich hinter der Vision von AREI steht, hinterfragen viele zivilgesellschaftliche Beobachter - umso mehr seit die Bank in einer neue Vereinbarung mit Japan vor wenigen Monaten vereinbart hat, weiter konventionelle Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen in Afrika zu finanzieren.

Beim letzten Treffen des Leitungsgremiums, das am 22.9.2017 in New York während der Generalversammlung der Vereinten Nationen stattfand, wurden wichtige Fortschritte erreicht, die die Initiative wieder arbeitsfähig machen. Dabei wurde eine zentrale Forderung der Zivilgesellschaft umgesetzt: Zivilgesellschaftliche Beobachter sind jetzt während der Sitzungen zugelassen. Das „Governing Instrument“ wurden vorläufig vom Leitungsgremium angenommen. Da jedoch einige Mitglieder des Leitungsgremiums Bedenken äußerten oder nicht anwesend waren, steht es noch unter Vorbehalt und wird wahrscheinlich auf der nächsten Sitzung weiter überarbeitet und in eine endgültige Fassung gebracht werden. Die AfDB wird in diesem Dokument nur noch am Rande mit einer Fußnote erwähnt. Die Formulierungen zum zukünftigen Treuhänder und/oder Host der Initiative sind so gestaltet, dass es zunächst noch offen bleibt, welche Institution(en) in Frage kommt/kommen. Es wird nur festgehalten, dass das Leitungsgremium einen Treuhänder  berufen und einen IDU-Host festlegen soll, der der IDU ein unabhängiges Arbeiten gewährleistet. Das bedeutet, dass prinzipiell die AfDB weiterhin diese Aufgaben übernehmen könnte, aber auch andere Institutionen ausgewählt werden könnten.

Auch die drei verschiedenen Arbeitsweisen der AREI werden im „Governing Instrument“ näher beschrieben.

1.  Die IDU soll Aktivitäten durchführen, die im AREI Action Plan benannt werden, insbesondere zur Wissensgenerierung, Kapazitätsaufbau und Zusammenarbeit mit afrikanischen Regierungen und anderen Stakeholdern, z.B. zur Erarbeitung von Projekten, Programmen, nationalen Aktionsplänen und Langzeitzielen. Die IDU soll praktisch eine Plattform zur Kooperation und zum Austausch von Erfahrungen im Bereich Erneuerbarer Energien auf dem afrikanischen Kontinent werden.

2.  Projekte und Programme sollen als AREI-konform angesehen werden, wenn sie von der Initiative überprüft wurden und den AREI-Kriterien entsprechen. Die Finanzierung für AREI-anerkannte Projekte / Programme kann von Nationalstaaten, dem Privatsektor, den Zivilgesellschaft oder nationalen / internationalen Institutionen kommen.

3.  Der Treuhandfond soll weiter ausgebaut werden. Prinzipiell soll in den Treuhandfond jegliche Institution einzahlen können, sowie sie vom Leitungsgremium anerkannt wurde. Projekte und Programme afrikanischer Länder und Institutionen, aber auch vom Privatsektor oder der Zivilgesellschaft, sollen dann aus diesem Fond finanziert werden solange sie im Einklang mit den Zielen und Kriterien der Initiative sind. Ein besonderes Augenmerk soll auf Länder gelegt werden, in denen bislang der Ausbau von Erneuerbaren Energien kaum vorankommt. Diese Art der Finanzierung – quasi „aus einem Topf“ – würde für die Initiative wesentlich mehr Handlungsspielraum erlauben, da besser strategisch  agiert werden könnte. Die genaue Funktionsweise des Treuhandfonds soll auf Grundlage von Vorschlägen der IDU und des Technischen Komitees erarbeitet werden. Das größte Problem dürfte aber darstellen, dass bislang keiner der Geber Bereitschaft hat erkennen lassen, in einen solchen Fonds einzuzahlen.

Außerdem hat die IDU einen weiteren Arbeitsplan und eine Budget vorgelegt, die vom Leitungsgremium angenommen wurden.

Zwei Fragen müssen jetzt möglichst schnell geklärt werden:

Erstens müssen die Strukturen und Prozesse innerhalb der Initiative finalisiert werden. Dies beinhaltet auch die offene Frage zur neuen „Heimat“ der Initiative, falls die AfDB nicht mehr bereit sein sollte, die AREI zu „hosten", sowie noch offene Fragen zur Konkretisierung der Kriterien. Die AREI hat viel wertvolle Zeit mit diesen Fragen verbracht. Die Zeit drängt, wenn bis 2020 zehn GW zusätzlicher erneuerbarer Erzeugungskapazität geschaffen werden sollen - und zwar in einer Weise, die eine echte Energiewende in Afrika auslöst, sodass bis 2030 300 GW zusätzlicher erneuerbarer Kapazität entstehen.

Zweitens sollte ein geeigneter Weg gefunden werden, eine bessere Balance zwischen konkreten Erneuerbare-Energien-Projekten (d.h. dem Bau von Kraftwerken) und  unterstützenden Programmen (gemeint sind damit politische, regulatorische und finanzielle Instrumente zur Förderung von Erneuerbaren Energien) zu finden. Einzelne Projekte sind definitiv weiterhin nötig. Jedoch kann nur ein systemischer, transformativer Ansatz den benötigten Schwung zur erfolgreichen Umsetzung der Ziele der Initiative schaffen. Dabei sollten auch gezielt Programme umgesetzt werden, die der Förderung von dezentralen, kleineren Projekten in ländlichen Regionen dienen.

Deutsche Nichtregierungsorganisationen unterstützen die afrikanische Zivilgesellschaft bei ihrem Einsatz für eine menschenrechtsbasierte, klimakompatible und nachhaltige Umsetzung der AREI. Sie setzten sich dafür ein, dass die Forderungen und Positionen der afrikanischen Zivilgesellschaft insbesondere bei deutschen Entscheidungsträgern Gehör finden. Deutschland trägt als einer der größten Geber der Initiative eine besondere Verantwortung, sicherzustellen, dass Projekte und Programme innerhalb der AREI auch wirklich zum Klimaschutz und zur nachhaltigen Entwicklung beitragen. Jetzt, wo die Umsetzung der Initiative beginnt, muss gegenüber der Bundesregierung, aber auch der EU-Kommission, darauf gedrängt werden, dass transparent und nachvollziehbar dargelegt wird, welche finanzielle Unterstützung für AREI angerechnet wird und dass dabei nur solche Vorhaben mitgezählt sind, die mit den anspruchsvollen Kriterien der Initiative kompatibel sind und direkt oder indirekt zu neuer und zusätzlicher Erneuerbaren-Energien-Kapazität auf dem Kontinent führen. Um die zivilgesellschaftliche Begleitung der Initiative zu verbessern, organisieren zum Beispiel Germanwatch und Brot für die Welt auch Workshops und Treffen, die zur Vernetzung der afrikanischen und internationalen Zivilgesellschaft dienen und sind im ständigen Austausch mit afrikanischen Partnerorganisationen wie der Pan African Climate Justice Alliance oder der African Coalition for Sustainable Energy and Access. 


Mit finanzieller Unterstützung von Brot für die Welt. Für den Inhalt trägt Germanwatch die Verantwortung.

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