Meldung | 20/11/2015 - 13:50

Gipfelaussichten

Paris als Symbol für Kooperation – nicht Hass und Zerstörung
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Nach vier Jahren Vorverhandlungen startet nun am 30. November der Klimagipfel in Paris. Das geplante Pariser Abkommen soll Spielfeld und Regeln für die internationale Klimapolitik der nächsten Jahrzehnte abstecken. Anders als sonst üblich, haben die Staats- und RegierungschefInnen gleich am ersten Tag ihren großen Auftritt. Sie müssen Richtungsentscheidungen verkünden, damit die VerhandlerInnen auf dieser Grundlage den politischen Konsens in eine Rechtssprache gießen können. 

Schon als Vorgriff auf Paris haben über 160 Staaten ihre Klimaschutzziele für das Abkommen vorgestellt – deutlich mehr Staaten als 2009 beim Klimagipfel in Kopenhagen. Fast 90 Prozent der globalen Emissionen sind durch diese Ziele abgedeckt. In vielen Entwicklungsländern bedeutete die Erarbeitung dieser Ziele, dass RegierungschefInnen erstmals überhaupt Klimaschutz (aber auch die Folgenbewältigung des Klimawandels) ernsthaft betrachtet haben. Paris zeigt also schon jetzt eine erhebliche Wirkung. 
 
Zugleich gilt es, sich über die zwar wichtige, aber begrenzte Rolle der Klimagipfel klar zu sein. Dazu ein Vergleich aus dem Sport. Ronaldo soll einmal gesagt haben: Ein Fußballer hat zwei Aufgaben. Erstens den Ball zum Strafraum zu bringen. Und dann zweitens ein Tor zu schießen. Die Aufgabe der Klimagipfel ist es, den Ball zum Strafraum zu bringen. Die Tore schießen müssen die nationalen Regierungen, die Investoren und die Zivilgesellschaft vor Ort. Kein internationaler Gipfel kann einfach Beschlüsse für den Ausstieg aus Kohle und Teersand oder eine Energiewende treffen, diesen müssen vielmehr nationale Debatten und Entscheidungen zugrunde liegen. Der Klimagipfel kann die Chance dafür deutlich erhöhen. Und das ist auch dringend notwendig. Denn selbst wenn alle Pariser Klimaversprechen umgesetzt werden, lägen die globalen Emissionen 2030 noch immer mehr als ein Drittel über dem Niveau, das mit dem Zwei-Grad-Limit vereinbar wäre. Erfolgsmaßstab von Paris wird sein, ob durch das Abkommen in Zukunft mehr Dynamik entsteht, als sich die Staaten derzeit zu versprechen trauen. 
 

Beschlüsse, die Dynamik steigern

Kann es gelingen, im Abkommen das Zwei-Grad-Limit in ein konkretes Ausstiegsziel aus Kohle, Öl und Gas zu übersetzen? Werden die Klimaschutzziele als Minimalziele verstanden und die Länder im Abkommen verpflichtet, sie alle fünf Jahre zu verschärfen, ausgerichtet am Limit von 2 °C, wenn nicht 1,5 °C, und weiteren Gerechtigkeitskriterien? Gibt es ein Regelwerk, das Transparenz, Vergleichbarkeit und Überprüfung  von Klimaschutz in den Ländern erlaubt? Gibt es die Verpflichtung, regelmäßig ausreichend Geld für transformative Pläne für ambitionierten Klimaschutz und Anpassung zur Verfügung zu stellen? Gibt es ein globales Anpassungsziel, das die Verpflichtung für den Schutz und die Unterstützung der besonders Betroffenen des Klimawandels international verankert? Gelingt es, die notwendige Unterstützung zu organisieren, um die inzwischen nicht mehr wegdiskutierbaren Klimaschäden zu bewältigen? Zentral ist auch: Wie wird die Klimapolitik der nächsten fünf Jahre – bevor das neue Abkommen 2020 in Kraft tritt – organisiert? Es braucht schon 2018/19 einen ersten konzertierten Anlauf, die Ziele für 2025 zu verschärfen und einen weiteren Zuwachs der Klimafinanzierung zu initiieren. 
 
Gute Chancen für eine ambitionierte Nachbesserung der Ziele im Jahr 2018/19 gibt es aber nur, wenn in der Zwischenzeit Staaten und Zivilgesellschaft viele Tore für den Klimaschutz schießen. Ein paar Beispiele: In Deutschland muss der Ausstieg aus der Kohle festgeklopft werden. Eine bilaterale Kooperation von Deutschland und Indien könnte einen wichtigen Beitrag leisten, damit dieses für die weitere Klimaentwicklung entscheidende Land immer mehr in Sonne und Wind, aber immer weniger in Kohle investiert. Es gilt, nach Paris eine Vorreiterinitiative von Staaten auf den Weg zu bringen, die bei der Umsetzung von Energiewenden kooperieren, um einen Teil der Emissionslücke zum Zwei-Grad-Pfad zu schließen.
 

Druck für ehrgeizige Vereinbarungen vonnöten

Der Ausgang der Konferenz in Paris ist offen. Selbst ein Scheitern ist nicht völlig auszuschließen. Auf jeden Fall aber sind noch unterschiedlich anspruchsvolle Vereinbarungen möglich. Zieht die Pariser Präsidentschaft wegen unzureichender Fortschritte bei den Verhandlungen ein vor allem mit den USA und China abgestimmtes Papier aus der Tasche, wird  dies wohl auf einen weniger anspruchsvollen Konsens hinauslaufen. 
 
Der Druck der progressiveren Akteure – etwa von Inselstaaten, armen Ländern, aber auch einigen Industriestaaten – fiele dann unter den Tisch. Aber immer nur, wenn sich diese Staaten – getragen von zivilgesellschaftlichem Schwung – auf konkrete Forderungen verständigen konnten und Bremserstaaten unter Druck setzten, gab es wichtige Durchbrüche bei Klimagipfeln. Zentrale Aufgabe Deutschlands ist es, solche anspruchsvollen gemeinsamen Positionen schon im Vorfeld in bilateralen Gesprächen auszuloten. Es geht erstens um ein stark formuliertes Langfristziel und ehrgeizige Regeln für die Nachbesserung von Klimazielen im Fünf-Jahres-Rhythmus. Zweitens sind solche regelmäßigen Runden auch für verlässliche und ambitionierte Finanzierungszusagen für ehrgeizige Klimaschutz- und Anpassungspläne zu vereinbaren. Drittens geht es darum, die Bewältigung von Klimaschäden und -verlusten wirksam im Abkommen zu verankern. 
 
Von großer weltpolitischer Bedeutung ist, ob eine neue Form der Differenzierung der Staaten im Abkommen gelingt. Es ist klar: da inzwischen 30 Prozent der Menschen, welche die höchsten Emissionen verantworten, in Schwellenländern leben, ist die einfache Kategorisierung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern nicht mehr zielführend. Verantwortung muss weiter gefasst werden, Klimaschutzregeln müssen allgemein gelten. Ein schwacher Minimalkonsens könnte das Ergebnis einer reinen Selbsteinschätzung der Länder sein – Klimaschutz und Klimaregeln gemäß nationaler Eigeninteressen. Besser wäre es, wenn Länder begründen müssten, dass ihr Beitrag fair ist – gemessen an den Erfordernissen der Klimawissenschaft und an Gerechtigkeitskriterien. 
 

Trendwende verstetigen

Im Vorfeld von Paris gibt es in der realen Welt hoffnungsvolle Zeichen. Bereits mehr als die Hälfte der Investitionen für den Stromsektor geht weltweit in den Bereich Erneuerbare Energien. Kohle und Teersand kommen in vielen Ländern unter Druck. Die globalen CO2-Emissionen sind in den letzten Jahren deutlich weniger gestiegen als im ersten – für den Klimaschutz verlorenen – Jahrzehnt dieses Jahrtausends. Der Klimagipfel in Paris kann aus diesen vorsichtigen Anzeichen eine wirkliche Trendwende machen. Dies würde es den nationalen Regierungen erlauben, die notwendigen nächsten Schritte zu gehen – wenn wir als Zivilgesellschaft ausreichend und intelligent Druck machen. 
 


- Dieser Artikel erscheint ebenfalls in der kommenden Ausgabe des Weitblick 3-2015 -


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