Gibt es ein Protokoll? | Ist es in Kyoto überhaupt zum Abschluß eines Klimaschutzprotokolls gekommen? Ja. Aber die Verhandlungen waren nahe am Scheitern. |
Reduktionszahlen, Welche Gase? | Welche Reduktionszahlen werden in Kyoto beschlossen? Die Industrieländer (Annex-I-Staaten) sollen gemeinsam bis zur ersten Verpflichtungsperiode 2008-2012 den Ausstoß der Treibhausgase Kohlendioxid, Methan, Distickstoffoxid, HFC, PFC und SF6 um fünf Prozent gegenüber 1990 verringern. Dabei wird für den ersten Korb (Kohlendioxid, Methan, Distickstoffoxid) das Basisjahr 1990 (Ausnahmen für Länder im Übergang zur Marktwirtschaft) zugrundegelegt, für den zweiten Korb HFC, PFC und SF6 gilt hingegen das Basisjahr 1995. Die Gase der beiden Körbe sind auf der Grundlage des Treibhausgaspotentials (GWP) miteinander verrechenbar. Für die EU bedeutet das 8 Prozent, für die USA 7 Prozent, für Japan 6 Prozent, für Rußland 0 Prozent an Reduktion. Eine Steigerung der Emissionen ist Island (10 Prozent), Australien (8 Prozent) und Norwegen (1 Prozent) wegen besonderer Gründe zugestanden worden. Diese Ziele reichen nicht, um auf einen Pfad zu gelangen, der - wie in der Konvention vorgegeben - geeignet ist, Schaden von Mensch und Natur abzuwenden. Wegen der vielen Ungewißheiten über die Größe der Schlupflöcher ist noch nicht absehbar, in welchem Ausmaß sie der Industrie und den Investoren ein deutliches Signal geben, daß das fossile Zeitalter sich dem Ende zuneigt und das der Energieeffizienz und Solaren Energieträger begonnen hat. Immerhin soll, wie der Vorsitzende der Klimaverhandlungen, Raúl Estrada Oyuela, nach Verabschiedung des Protokolls - allerdings ohne die Berücksichtigung der Schlupflöcher - vorrechnete, durch dieses bis zum Jahr 2010 eine Verminderung der Treibhausgasemissionen der Industrieländer um 30 Prozent gegenüber der Fortsetzung des Status Quo ohne Protokoll erreicht werden. |
Ziel- und Basisjahr | Für welches Zieljahr sollten erste Verpflichtungen gelten? Welches Basisjahr wird zugrundeliegen? Basisjahr ist 1990. Die Länder im Übergang zur Marktwirtschaft erhalten ein flexibles Basisjahr, das zu Beginn festgelegt werden muß bzw. bereits festgelegt ist. Die erste Verpflichtungsperiode (commitment period) ist leider erst auf 2008-2012 festgelegt worden, wie die USA ursprünglich vorgeschlagen hatten. Damit konnte das gewünschte frühe Ziel im für Politik und Wirtschaft relevanten Rahmen (2003-2007) von der EU und G77 plus China nicht erreicht werden. Es wurde lediglich eine Sollbestimmung aufgenommen, daß bis zum Jahr 2005 ein vorzeigbarer Fortschritt auf dem Weg zum Klimaziel erreicht sein soll. |
Policies and Measures | Werden neben Reduktionszielen auch Politiken und Maßnahmen zur Treibhausgasreduzierung vorgeschrieben? Hier ist in Artikel 2 des Protokolls vor der Aufzählung der Bereiche, in denen Politiken und Maßnahmen ergriffen werden sollen, die schwache und unverbindliche Formulierung "such as" gewählt worden: Maßnahmen haben also nur Vorschlagscharakter. Eine erfreuliche Ausnahme betrifft die Emissionen vom internationalen Luft- und Seeverkehr. Es wurde ein (relativ schwach formulierter) Auftrag an die Annex-I-Länder erteilt, in Zusammenarbeit mit der Internationalen Luftverkehrs- (ICAO) und der Internationalen Seeverkehrsorganisation (IMO) auf die Begrenzung und Verringerung der entsprechenden Treibhausgasemissionen hinzuwirken. |
Welche Staaten? | Wie, wann und welche Entwicklungsländer? Diese Frage rückte wie erwartet zum Abschluß der Verhandlungen ins Zentrum. Durch die Einrichtung eines Clean Development Mechanism, der bei technischen (quasi) Joint Implementation-Projekten Einzahlungen erhält, ist ein Artikel in das Protokoll eingeführt, der den Entwicklungsländern eine Gegenleistung für eine gewisse Bereitschaft zu aussagekräftigen Verpflichtungen ("meaningful commitments") anbietet. Der Versuch, zumindest die Möglichkeit freiwilliger, aber dann verbindlicher Verpflichtungen für Entwicklungsländer im Protokoll festzuschreiben, scheiterte aber am Widerstand eines Teils der Entwicklungsländer. Das Kyotoer Protokoll enthält also ausschließlich Emissionsbegrenzungs-Verpflichtungen für Industrieländer. |
Emissions Trading | Dürfen Annex-I-Länder Emissionsreduktionen von anderen Ländern aufkaufen? Emissions Trading ist im Protokoll verankert. Alle näheren Ausführungsbestimmungen wurden von einer Gruppe von Entwicklungsländern aus dem Protokoll gekippt. Positiv ist, daß das sog. "Borrowing", das Nutzen von Emissionen künftiger Verpflichtungsperioden, ausgeschlossen sein wird. Das "Banking" ist erlaubt: Ein Land, das in einer Verpflichtungsperiode mehr erreicht als vorgeschrieben, bekommt auf Wunsch dieses Plus in der nächsten Verpflichtungsperiode gutgeschrieben. Positiv ist, daß die "superheated air" nach gegenwärtigem Stand ausgeschlossen ist. Als superheated air werden Emissionsreduktionen der osteuropäischen Länder bezeichnet, die, da schon vor der ersten Verpflichtungsperiode verringert und "angespart", in den Handel gebracht werden sollten. Sehr negativ ist allerdings, daß die sog. "hot air" - das etwas kleinere Schlupfloch - nicht ausgeschlossen ist. Unter hot air versteht man Emissionsreduktionen, die - vor allem in osteuropäischen Ländern - ohne zusätzliche Maßnahmen erreicht werden und an andere Länder im Rahmen des emissions trading verkauft werden können. Der Einbezug könnte bedeuten, daß mindestens etwa 2 Prozent der beschlossenen Emissionsreduktionen für Annex-I-Länder keine realen Verringerungen des Treibhausgas-Ausstoßes bringen, sondern nur auf dem Papier existieren. |
Net Approach vs. Gross Approach | Werden CO2-Senken in die Berechnungen einbezogen? Leider werden trotz ungeklärter Methodologie CO2-Senken mit in das Protokoll miteinbezogen. Immerhin werden sie auf drei Möglichkeiten begrenzt: Wiederaufforstung (Reforestation), Erweiterung von Wäldern (Afforestation) und Abholzung (Deforestation). Dies begrenzt den Schaden. Wie groß das Schlupfloch ist, wird sich erst ab 1998 entscheiden, wenn weitere Details geregelt sind und vor allem der Begriff Deforestation eindeutig definiert ist. |
Differenzierung | Sollten für alle Industriestaaten dieselben Reduktionsverpflichtungen gelten? Es hat sich abgezeichnet, daß ohne eine Differenzierung (siehe oben, Reduktionsziele) kein Abschluß mit Reduktionszahlen erreichbar wäre. Vorteil der jetzigen Regelung ist das in den Augen von vielen Industrieländern relativ hohe Gesamtziel für Annex-I-Länder (5 Prozent Reduktion). Nachteil ist, daß die Differenzierung nicht nach nachvollziehbaren Kriterien erfolgt, sondern sozusagen nach der Gutwilligkeit der jeweiligen Partei in den Verhandlungen. Deshalb sollte diese Art der Differenzierung auf die erste Verpflichtungsperiode begrenzt bleiben. |
Joint Implementation | Dürfen Reduktionsverpflichtungen auch von zwei Ländern gemeinsam implementiert werden? Joint Implementation Projekte mit Entwicklungsländern sind nicht vorgesehen. Allerdings sind Quasi-Joint-Implementation-Projekte - im Rahmen des Clean Development Mechanismus - vorgesehen. Uns scheint die gewählte Formulierung (certified emission reductions) in Artikel 13.3(a) die Anrechnung von Senken nicht zuzulassen. Dies wäre sehr vorteilhaft, da damit die methodologisch unklaren Senken zumindest in diesem Bereich ausgeschlossen und wirklich Technologietransfer ins Zentrum rücken würde. (Dies bedarf aber noch weiterer Abklärung, da die Formulierung interpretationsbedürftig ist). |
Non-Compliance-Mechanismus | Wie wird die Einhaltung der Verpflichtungen gewährleistet? Die Errichtung eines Non-compliance-Mechanismus, der dem Protokoll Zähne gibt, wird auf die erste Vertragsstaatenkonferenz nach Ratifizierung des Protokolls durch genügend viele Parteien und damit Inkrafttreten des Protokolls verschoben. |
Review-Prozeß | Wie schnell kann nachgebessert werden? Spätestens im Jahr 2005 sollen Reduktionsziele für weitere Verpflichtungsperioden beschlossen werden. Zwei Jahre nach Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls könnte auch dieses nachgebessert werden. |
Inkrafttreten des Protokolls | Unter welchen Bedingungen tritt das Protokoll in Kraft? Mindestens 55 Länder - etwa ein Drittel der Vertragsparteien - müssen dazu das Protokoll unterzeichnen. Und 55 Prozent der CO2-Emissionen der Annex-I-Länder von 1990 müssen repräsentiert sein. Damit ist dem US-Senat zwar kein Vetorecht eingeräumt (die USA hat einen Anteil von 34 Prozent an diesen Industrieländer-Emissionen), aber doch eine recht hohe Meßlatte angelegt. |
Das Papier fasst die zentralen Inhalte des Klimaschutz-Protokolls zusammen, wobei die wissenschaftliche Perspektive im Vordergrund steht.