Globaler Klimawandel: Neue und stärkere Evidenz

Dieses Briefing Papier enthält zentrale Passagen der Summaries for Policymakers (Zusammenfassungen für Entscheidungsträger) des IPCC Third Assessment Report (Dritter Sachstandsbericht) in deutscher Übersetzung, jeweils gefolgt von einem Germanwatch-Kommentar.

Stand: 24.10.01

Inhalt


Arbeitsweise, Struktur und Berichte des IPCC

Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) wurde im Jahre 1988 durch die UNEP (United Nations Environment Programme) und die WMO (World Meteorological Organisation) gegründet. Im Jahr 1990 präsentierte das IPCC seinen ersten Sachstandsbericht. Daraufhin beauftragte die UN-Vollversammlung ein INC (Intergovernmental Negotiating Committee), die Klimakonvention zu erarbeiten.

Das IPCC ist ein in der Geschichte der Wissenschaft in diesem Umfang bislang einmaliger Versuch, einen weltweiten wissenschaftlichen Konsens zu einem äußerst komplexen Problem zu erarbeiten. Das IPCC behandelt umfassend, interdisziplinär und unter Einbezug von WissenschaftlerInnen aus allen Regionen der Erde die Klimaänderung als große Herausforderung dieses Jahrhunderts. Die Art und Weise, wie in der Wissenschaft Fortschritt als solcher festgestellt wird, ist im Rahmen der Arbeit des IPCC formalisiert. Auf diese Weise ist das IPCC zu der weltweit höchsten Autorität in Klimafragen geworden.

Dies hat im Mai 2001 die Royal Society des Vereinigten Königreichs zusammen mit den führenden wissenschaftlichen Akademien aus 16 weiteren Ländern (u.a. aus Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Kanada, Malaysia und Schweden) in einer gemeinsamen Stellungnahme zur Klimaänderung noch einmal bekräftigt. Sie stellen fest, daß das IPCC die beste wissenschaftliche Quelle von Expertise über die Klimaänderung sei.

Der zweite Sachstandsbericht (Second Assessment Report - SAR) des IPCC wurde im Dezember 1995 verabschiedet. Der am meisten zitierte Satz aus dem SAR lautet:

"The balance of evidence suggests a discernible human influence on global climate."

("Die Abwägung der Erkenntnisse legt einen erkennbaren menschlichen Einfluß auf das globale Klima nahe.")

Die "Genfer Erklärung" ("Geneva Declaration"), verabschiedet auf der zweiten UN-Vertragsstaatenkonferenz in Genf im Juli 1996, übernimmt diesen Satz wie auch andere Aussagen des SAR. Damit war auf dem diplomatischen Parkett der UN-Klimaverhandlungen ein Infrage-Stellen des Themas "Menschenverursachte Klimaänderung" Vergangenheit. Die Staatengemeinschaft akzeptiert, daß das Klima sich ändern wird, und daß die Einflüsse des Menschen dazu beitragen.

Die Arbeit zum Dritten Sachstandsbericht (Third Assessment Report - TAR) begann 1997, nachdem die Struktur der drei Arbeitsgruppen leicht modifiziert (vgl. Abb. 1) und die geographische Verteilung der "Technical Support Units" (TSU) - diese arbeiten den einzelnen Arbeitsgruppen zu - beschlossen worden waren.
 

Struktur des IPCC

für den Third Assessment Report

Drei Arbeitsgruppen (Working Groups = WG):

WG I: Science (Klimawissenschaft)
Sitz der Technical Support Unit: UK

WG II: Impacts and Adaptation (Auswirkungen des Klimawandels)
Sitz der TSU: USA

WG III: Mitigation (Möglichkeiten der Emissionsminderung)
Sitz der TSU: Niederlande 

Abb. 1: Die Struktur des IPCC für den Dritten Sachstandsbericht

Im Januar (in Shanghai, China), im Februar (in Genf, Schweiz) und im März 2001 (in Accra, Ghana) verabschiedeten die drei Arbeitsgruppen des IPCC ihre Berichte für den TAR und diskutierten und verabschiedeten die jeweiligen Zusammenfassungen für die Politiker. Im April 2001 nahm das IPCC dann auf seiner 17. Vollversammlung in Nairobi den Dritten Sachstandsbericht (Third Assessment Report - TAR) formal an - die Berichte der drei Arbeitsgruppen wurden ohne jede Änderung übernommen.

Trotz der die Klimaänderung bestätigenden Erkenntnisse des IPCC und einer nach oben korrigierten Projektion der bis zum Jahr 2100 zu erwartenden Temperaturzunahme hatte sich zwischenzeitlich der US-Präsident Mitte März vom Kyoto-Protokoll losgesagt und den wissenschaftlichen Sachstand zur Klimaänderung in Frage gestellt.

Als Reaktion darauf legte die Royal Society des Vereinigten Königreichs in der oben erwähnten Stellungnahme zur Klimaänderung, in der dem IPCC die Unterstützung zugesichert wird, der Politik nahe, einen kleinen, aber wesentlichen ersten Schritt in Richtung Stabilisierung der atmosphärischen Treibhausgaskonzentrationen zu gehen und das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren.

Auch ein von Präsident Bush eingesetztes Komitee des National Research Council (gemeinsamer Arm der National Academy of Sciences und der National Academy of Engineering) bestätigte Anfang Juni die im TAR gemachten Aussagen des IPCC:

"The committee said the conclusion of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) that the global warming that has occurred in the last 50 years is likely the result of increases in greenhouse gases accurately reflects the current thinking of the scientific community."

("Das Komitee sagt, daß die Folgerung des IPCC, die Klimaerwärmung der letzten 50 Jahre sei wahrscheinlich das Ergebnis der Zunahme der Treibhausgase, den gegenwärtigen Kenntnisstand der Wissenschaftsgemeinde korrekt widerspiegelt.")

Ende September 2001 hat sich die Vollversammlung des IPCC in Wembley bei London getroffen, um einerseits den Synthesis Report (1) (ein Novum) zu verabschieden sowie Beschlüsse über die weitere Arbeit des IPCC zu fällen. Darunter fallen:

a) Das IPCC wird die drei Arbeitsgruppen sowie die Task Force on Inventories (Task Force zu Treibhausgasinventaren) beibehalten.

b) Die Größe des Bureaus des IPCC, das auf der nächsten Plenarsitzung des IPCC im April 2002 gewählt werden soll, bleibt unverändert bei 30 Mitgliedern.

c) Das IPCC wird ein Technical Paper zu Biodiversität und Klimaänderung sowie voraussichtlich eines über Klimaänderung und Nachhaltige Entwicklung erstellen und verschiedene Aktivitäten im Senkenbereich durchführen.

d) Das IPCC wird fortfahren, umfassende Sachstandsberichte zu erstellen. Der vierte (FOAR – Fourth Assessment Report) wird frühestens im Jahr 2006 verabschiedet werden.

Eine ausführliche Darstellung der Vorgehensweise des IPCC und seiner Verfahren der Berichtserstellung finden Sie in unserem Briefing Paper "Klima, Politik und Wissenschaft - der internationale Klimaverhandlungsprozeß und der Beitrag der Wissenschaft" (September 2000) unter www.germanwatch.org/rio/bpsb13.htm.
 

Ergebnisse des Third Assessment Report

In den folgenden Abschnitten werden einige Passagen aus der Zusammenfassung für Entscheidungsträger (Summary for Policymakers, SPM) der drei Arbeitsgruppen im - von Germanwatch ins Deutsche übersetzten - Originalton zitiert, jeweils gefolgt von einem Germanwatch-Kommentar.
 

Klimawissenschaft (AG1)

Auszüge aus der Zusammenfassung für Entscheidungsträger
 

Am 20. Januar 2001 verabschiedeten die Delegierten aus ca. 70 Ländern in Shanghai nach dreijähriger Vorbereitungszeit die Zusammenfassung der Arbeitsgruppe I des IPCC zum aktuellen Stand der Klimawissenschaft. Gegenüber dem letzten Bericht ist die für das Jahr 2100 projizierte Erwärmung (1,4 - 5,8 Grad) deutlich höher. Germanwatch bringt Auszüge. 
CO2-Konzentration wahrscheinlich so hoch wie in den letzten 20 Millionen Jahren nicht mehr

"Der globale Mittelwert der bodennahen Lufttemperatur ist im 20. Jahrhundert um etwa 0,6 Grad Celsius gestiegen. (...). Dieser Wert liegt wegen der relativ hohen Temperaturen der letzten Jahre (1995-2000) um etwa 0,15 Grad höher, als im zweiten Sachstandsbericht angegeben wurde. (...)

Weltweit dürften die 90er Jahre das wärmste Jahrzehnt und 1998 das wärmste Jahr seit 1861 sein. Neue Analysen der Proxydaten für die nördliche Hemisphäre deuten darüberhinaus darauf hin, daß der Temperaturanstieg im 20. Jh. wahrscheinlich (2) der größte eines Jahrhunderts in den letzten 1000 Jahren war. (...)

Im Durchschnitt stiegen die täglichen nächtlichen Temperaturminima über der Landmasse zwischen 1950 und 1993 um etwa 0,2 Grad im Jahrzehnt. Diese Rate ist etwa doppelt so hoch wie der Anstieg der Temperaturmaxima am Tage (0,1 Grad pro Jahrzehnt). (...) Der Anstieg der Oberflächentemperatur des Meeres war in diesem Zeitraum etwa halb so groß wie derjenige der durchschnittlichen bodennahen Lufttemperatur. (...)

Satellitendaten zeigen, daß die Schneebedeckung sehr wahrscheinlich um etwa 10 Prozent seit den späten 1960ern abnahm, und Bodenbeobachtungen zeigen, daß die jährliche Dauer der Eisbedeckung der Seen und Flüsse in mittleren und hohen Breiten der nördlichen Hemisphäre während des 20. Jahrhunderts sich sehr wahrscheinlich um etwa zwei Wochen verkürzte.

Es fand ein weitverbreiteter Rückzug von Gebirgsgletschern in nicht-polaren Regionen während des 20. Jahrhunderts statt. (...)

Der globale mittlere Meeresspiegel ist um 0,1 - 0,2 m während des vergangenen Jahrhunderts angestiegen und der Wärmegehalt des Ozeans hat zugenommen.

Änderungen fanden auch bei weiteren wichtigen Aspekten des Klimas statt.

(...) In mittleren und hohen Breiten der Nördlichen Hemisphäre hat die Häufigkeit von Starkniederschlagsereignissen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wahrscheinlich um 2 bis 4 Prozent zugenommen. (...)

Durch den Menschen verursachte Emissionen von Treibhausgasen und Aerosolen werden die Zusammensetzung der Atmosphäre weiter in einer Weise verändern, daß dadurch Veränderungen im Klimasystem zu erwarten sind.

Die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre hat seit 1750 um 31 Prozent zugenommen. Die gegenwärtige CO2-Konzentration wurde in den letzten 420.000 Jahren nicht überschritten und wahrscheinlich auch nicht während der letzten 20 Millionen Jahre. Die gegenwärtige Anstiegsrate ist in den letzten 20.000 Jahren ohne Beispiel.

Etwa Dreiviertel der menschenverursachten CO2-Emissionen der letzten 20 Jahre ist auf die Nutzung fossiler Energieträger zurückzuführen. Änderungen der Landnutzung, insbesondere Entwaldung, sind für den Rest der CO2-Emissionen verantwortlich. (...)

Natürliche Faktoren haben im vergangenen Jahrhundert kleine Beiträge zum Strahlungsantrieb (3) geliefert.

(...) Die kombinierte Änderung des Strahlungsantriebs [Anm.: (+) bedeutet Energiegewinn, (-) Energieverlust ] durch die beiden maßgeblichen natürlichen Faktoren (solare Variationen und vulkanische Aerosole) wird für die letzten zwei und wahrscheinlich die letzten vier Jahrzehnte als abkühlend eingeschätzt.

Das Vertrauen in die Fähigkeiten der Modelle zur Prognose des zukünftigen Klimas ist gestiegen.

(...) Simulationen, die Abschätzungen über den natürlichen und menschengemachten Strahlungsantrieb einbeziehen, reproduzieren die beobachteten großräumigen Änderungen der Oberflächentemperatur während des 20. Jahrhunderts gut. (...)

Die Modellsimulationen von El Nino-Ereignissen, Monsunen und der Nordatlantischen Oszillation ebenso wie von ausgewählten Perioden des vergangenen Klimas haben sich verbessert.

Es gibt nun neue und stärkere Evidenz, daß der Hauptteil der in den letzten 50 Jahren beobachteten Erwärmung menschlichen Aktivitäten zuzuordnen ist.

(...) Neue Abschätzungen der Reaktion des Klimas auf den natürlichen und menschengemachten Strahlungsantrieb wurden vorgenommen, und neue Nachweistechniken angewandt. Die Nachweis- und Zuordnungsstudien erbringen stets Befunde für ein menschengemachtes Signal in den Klimaaufzeichnungen der letzten 35 - 50 Jahre.

Simulationen der Wirkung der natürlichen Antriebselemente alleine (d.h. Wirkung von der Variabilität der solaren Einstrahlung und von Vulkanausbrüchen) erklären nicht die Erwärmung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es gibt Hinweise darauf , daß natürliche Antriebselemente zur beobachteten Erwärmung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beigetragen haben können. (...)

CO2-Emissionen durch die Nutzung fossiler Energieträger werden mit großer Sicherheit prägend für die Entwicklung der atmosphärischen CO2-Konzentration während des 21. Jahrhunderts sein.

Der Anteil der in den Ozeanen und vom Land aufgenommenen menschenverursachten CO2-Emissionen wird mit der Zunahme der CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre abnehmen. (...)

Veränderte Landnutzungen können die atmosphärischen CO2-Konzentrationen beeinflussen. Wenn hypothetisch der gesamte Kohlenstoff, der durch die historischen Landnutzungsänderungen freigesetzt wurde, im Laufe des Jahrhunderts wieder (etwa durch Wiederaufforstung) in die irdische Biosphäre eingebunden werden könnte, würden die CO2-Konzentrationen um 40 bis 70 ppm sinken. [Anm.: Gemeint ist hier eine Verminderung des Anstiegs um 40-70 ppm. Alle hier diskutierten Szenarien (siehe folgender Absatz) führen in jedem Fall zu einem starken Anstieg der CO2-Konzentrationen.]

(...) Modelle des Kohlenstoffkreislaufs deuten darauf hin, daß es zur Stabilisierung der atmosphärischen CO2-Konzentrationen bei 450, 650 oder 1000 ppm erforderlich wäre, die weltweiten menschenverursachten CO2-Emissionen unter ihren Wert von 1990 innerhalb einiger Jahrzehnte, bzw. eines Jahrhunderts oder zweier Jahrhunderte zu senken. Und daß sie danach kontinuierlich weiter gesenkt werden und schließlich auf einen sehr kleinen Teil der gegenwärtigen Emissionen zurückgehen müßten. [Anm.: Die CO2-Konzentration im Jahr 2000 lag bei 368 ppm, vor Beginn der Industrialisierung bei 280 ppm.]

(...) Alle SRES-Illustrationsszenarien führen zu einem Anstieg des durchschnittlichen weltweiten Strahlungsantriebs durch Treibhausgase im 21. Jahrhundert, wobei der Beitrag durch CO2 von knapp mehr als der Hälfte auf ungefähr drei Viertel zunehmen wird. [Anm.: Das IPCC entwickelte einen Satz von weltweiten Nicht-Interventionsszenarien, die bis ins Jahr 2100 reichen. Sie ersetzen die vom IPCC vorher benutzten Szenarien IS92 und sind in einem Sonderbericht (Special Report on Emissions Scenarios, SRES) dargestellt.]

(...) Die weltweit gemittelte bodennahe Lufttemperatur wird nach den Projektionen um 1,4 bis 5,8 Grad zwischen 1990 und 2100 zunehmen. Diese Ergebnisse berücksichtigen die ganze Bandbreite der 35 SRES-Szenarien und eine Anzahl von Klimamodellen.

Die projizierten Temperaturzunahmen sind größer als im Zweiten Sachstandsbericht (1995), als sie auf den sechs IS92 Szenarien basierend bei 1,0 bis 3,5 Grad lagen.

Die projizierte Erwärmungsrate ist viel größer als die beobachteten Änderungen während des 20. Jahrhunderts, und es ist sehr wahrscheinlich, daß dies zumindest für die letzten 10.000 Jahre einmalig ist (...).

Gemäß den jüngsten weltweiten Modellsimulationen ist es sehr wahrscheinlich, daß sich praktisch alle Landflächen stärker erwärmen als das weltweite Temperaturmittel, insbesondere die Landflächen in nördlichen höheren Breiten in der kalten Jahreszeit. Besonders bemerkenswert ist dabei die Erwärmung der nördlichen Regionen Nordamerikas und des nördlichen und zentralen Asiens, welche die weltweite durchschnittliche Erwärmung in jedem Modell um mehr als 40 Prozent übersteigt. (...)

Für einige andere Extremereignisse, von denen viele wichtige Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft haben könnten, gibt es gegenwärtig ungenügende Informationen, um neuere Trends zu beurteilen, und Klimamodelle haben noch nicht die räumliche Auflösung, um verläßliche Projektionen machen zu können. Beispielsweise werden sehr kleinräumige Phänomene wie Gewitter, Tornados, Hagel und Blitz in Klimamodellen nicht simuliert. (...)

Die meisten Modelle zeigen eine Abschwächung der ozeanischen thermohalinen Zirkulation, die zu einer Abnahme des Wärmetransports in höhere Breiten der nördlichen Hemisphäre führt. (...) Die gegenwärtigen Modellprojektionen zeigen keinen vollständigen Zusammenbruch der thermohalinen Zirkulation bis 2100. Nach 2100 könnte die thermohaline Zirkulation vollständig und möglicherweise irreversibel in einer Hemisphäre zusammenbrechen, wenn die Änderung des Strahlungsantriebs groß genug ist und lange genug anhält. (...)

Die Schneebedeckung der nördlichen Hemisphäre und die Ausdehnung des Meereseises nehmen nach den Projektionen weiter ab.

Für Gletscher und Eisschilde wird ein ausgedehnter Rückzug während des 21. Jahrhunderts projiziert. (...)

Die durchschnittliche weltweite Zunahme der bodennahen Temperatur und der wegen der thermischen Expansion des Ozeans steigende Meeresspiegel setzen sich gemäß den Projektionen über Hunderte von Jahren nach der Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen (selbst auf heutigem Niveau) wegen des langen Zeitraums, die der tiefe Ozean benötigt, um auf Klimaänderung zu reagieren . (...)

Die Eisbedeckung wird weiter auf die Erwärmung reagieren und selbst Tausende von Jahren, nachdem sich das Klima stabilisiert hat, zum Meeresspiegelanstieg beitragen. (...) Modellrechnungen zeigen bei einer über Jahrtausende anhaltenden Temperaturerhöhung von 3 Grad ein vollständiges Abschmelzen des Grönlandeises mit einem Meeresspiegelanstieg von 7 Metern.

Aktuelle Modelle über die Eisdynamik legen nahe, daß der Westantarktische Eisschild in den nächsten 1000 Jahren bis zu 3 Meter zum Meeresspiegelanstieg beitragen könnte. Jedoch sind solche Ergebnisse sehr von Modellannahmen für die Klimaänderungsszenarien, von der Eisdynamik und anderen Faktoren abhängig."

Kommentar von Germanwatch

Die Arbeitsgruppe I des IPCC bestätigt und verstärkt die Aussagen des Zweiten Sachstandsberichts zum zukünftigen Klimawandel. Sie stellt fest, daß sich der wissenschaftliche Kenntnisstand zur menschgemachten Klimaänderung weiter gefestigt hat. Die Arbeitsgruppe I hat neue Szenarien, die im Sonderbericht "Emissions Scenarios" (SRES) detailliert dargestellt sind und keine Klimaschutzmaßnahmen beinhalten, zur Abschätzung der Entwicklung des Klimas bis zum Jahr 2100 benutzt. Die sich aus den kumulierten Treibhausgasemissionen bis 2100 ergebenden Auswirkungen auf die klimatischen Parameter (z.B. Weltmitteltemperatur, Niederschläge, Meeresspiegelanstieg) wurden so berechnet. Der Hauptteil der in den letzten 50 Jahren beobachteten Erwärmung ist menschlichen Aktivitäten zuzuordnen.

Der Temperaturanstieg liegt deutlich höher als vorher projiziert (1,4 bis 5,8 Grad gegenüber 1,0 bis 3,5 Grad im SAR). Ein wesentlicher Grund für die Korrektur nach oben besteht in den zukünftig voraussichtlich geringeren Schwefeldioxidemissionen in Ostasien (vor allem China und Indien). Man erwartet, daß Maßnahmen zur Verbesserung der lokalen Luftqualität in diesen Ländern ergriffen werden, und sich damit die Schwefeldioxidemissionen, die global eine Abkühlung bewirken, verringern. Außerdem wird in einigen Emissionsszenarien von höheren kumulierten CO2-Emissionen ausgegangen als in den dem SAR zugrundeliegenden Szenarien.

Die bereits beobachtete Geschwindigkeit der Erwärmung nimmt zu (die letzten fünf Jahre waren außergewöhnlich warm), in den letzten 20.000 Jahren war sie ohne Beispiel. Das Außergewöhnliche der atmosphärischen Situation, in der wir uns befinden, wird durch neue Erkenntnisse unterstrichen: das letzte Jahrzehnt war möglicherweise das wärmste im letzten Jahrtausend; die heutigen CO2-Konzentrationen sind so hoch wie sie in den letzten 420.000 Jahren, wahrscheinlich sogar in den letzten 20 Millionen Jahren, nicht gewesen sind.

Die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten von großräumigen Irreversibilitäten durch die Klimaänderung wird höher eingeschätzt als zuvor. Beispielsweise wird ein Meeresspiegelanstieg um bis zu 3 Meter in tausend Jahren erwartet - selbst bei relativ geringen Temperaturzunahmen um drei Grad Celsius.

Das Eintreten von Irreversibilitäten wird bei einer Stabilisierung der atmosphärischen CO2-Konzentrationen unterhalb von 450 ppm weitgehend ausgeschlossen. Dies erfordert eine Absenkung der Emissionen unter ihren Wert von 1990 innerhalb einiger Jahrzehnte und langfristig auf einen sehr kleinen Teil dieses Wertes.

Diese Aussagen zur Konzentration, bei der stabilisiert werden soll, sind nach Auffassung von Germanwatch zentraler Ausgangspunkt für die Diskussion zur Konkretisierung von Art. 2 der Klimarahmenkonvention (d.h. für die Festlegung, was "dangerous interference" bedeutet), die nach dem erfolgreichen Abschluß von COP 6b und einem folgenden Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls beginnen wird. In der auch von den USA ratifizierten UN-Klimarahmenkonvention verpflichteten sich die Staaten, den globalen Klimawandel auf ein "ungefährliches" Niveau zu begrenzen. Die - politisch vorzunehmende - Entscheidung, welches Niveau als "gefährlich" einzustufen ist, steht noch aus.
 

Auswirkungen der Klimaänderung (AG2)

Auszüge aus der Zusammenfassung für Entscheidungsträger
 

Am 17. Februar 2001 verabschiedeten die Delegierten aus ca. 100 Ländern in Genf nach vierjähriger Vorbereitungszeit die Zusammenfassung der Arbeitsgruppe II des IPCC über die Auswirkungen der Klimaänderung für den dritten Sachstandsbericht des IPCC. Demzufolge sind die Armen am verwundbarsten hinsichtlich der auf uns zukommenden Klimaänderung, und sie haben zudem noch die geringste Kapazität, sich anzupassen. Germanwatch bringt Auszüge. 
Arme am verwundbarsten gegenüber der auf uns zukommenden Klimaänderung

"Vorhandene Beobachtungsbefunde weisen darauf hin, daß regionale Änderungen des Klimas, insbesondere Temperaturerhöhungen, bereits jetzt unterschiedliche physikalische und biologische Systeme in verschiedenen Teilen der Welt betroffen haben. Zu den Beispielen beobachteter Änderungen zählen das Schrumpfen der Gletscher, das Auftauen des Permafrost, späteres Einfrieren und früheres Aufbrechen des Eises auf Flüssen und Seen, Verlängerung der Vegetationsphasen in Regionen mittlerer und hoher Breiten, Verschiebungen der Lebensräume von Pflanzen und Tieren in Richtung der Pole und größere Höhen, Abnahme einiger Pflanzen- und Tierpopulationen, früheres Blühen von Bäumen, veränderte Insektenausbreitung und Brutverhalten von Vögeln.

(...) Die Wahrscheinlichkeit, daß die beobachteten Änderungen (...) allein zufällig auftreten könnten, ist vernachlässigbar. In vielen Regionen der Welt können die mit Niederschlägen verbundenen Auswirkungen wichtig werden.

(...) Demnach gibt es eine hohe Verläßlichkeit, daß die jüngsten regionalen Temperaturänderungen wahrnehmbare Auswirkungen auf viele physikalische und biologische Systeme haben.

(...) Es wird zunehmend klarer, daß in einigen Regionen soziale und ökonomische Systeme durch häufigere Fluten und Dürren betroffen sind.

Natürliche Systeme sind verwundbar gegenüber Klimaänderungen, und einige werden irreversibel geschädigt werden.

Natürliche Systeme können gegenüber der Klimaänderung wegen ihrer beschränkten Anpassungsfähigkeit besonders verwundbar sein, und einige dieser Systeme können signifikanten und unumkehrbaren Schaden erfahren. Zu gefährdeten natürlichen Systemen zählen Gletscher, Korallenriffe und Atolle, Mangroven, boreale und tropische Wälder, polare und alpine Ökosysteme, Feuchtgebiete in Prärien und die verbliebenen natürlichen Weiden. Während einige Arten im Bestand und an Ausbreitung zunehmen werden, wird die Klimaänderung die existierenden Risiken des Aussterbens von einigen stärker verwundbaren Arten sowie den Verlust der Biodiversität steigern. Es wird davon ausgegangen, daß die geographische Verbreitung von Schaden und Verlust sowie die Zahl der betroffenen Systeme mit der Größenordnung und der Rate der Klimaänderung zunimmt. (...)

Projizierte schädliche Auswirkungen entsprechend den Modellen und anderen Studien beinhalten:

  • Eine generelle Verminderung potentieller Ernteerträge in den meisten tropischen und subtropischen Regionen für die meisten projizierten Temperaturzunahmen
  • Eine generelle Verminderung der potentiellen Ernteerträge in den meisten Regionen in mittleren Breiten bei Zunahmen der Jahresmitteltemperatur von mehr als einige wenige Grad Celsius.
  • Abnehmende Wasserverfügbarkeit für die Bevölkerung in vielen Regionen mit Wasserknappheit, insbesondere in den Subtropen.
  • Eine Zunahme der Zahl der Menschen, die Krankheiten ausgesetzt sind, die von Vektoren (z.B. Malaria) und über das Wasser (z.B. Cholera) übertragen werden, sowie eine Zunahme der Sterblichkeit durch Hitzestreß.
  • Eine weitverbreitete Zunahme des Risikos von Überflutungen für viele menschliche Siedlungen (mehrere zehn Millionen Bewohner in Siedlungen untersucht) durch zunehmende Starkniederschlagsereignisse und Meeresspiegelanstieg
  • Zunehmender Energiebedarf für die Kühlung von Räumen aufgrund höherer Sommertemperaturen.

Projizierte vorteilhafte Auswirkungen entsprechend den Modellen und anderen Studien beinhalten:

  • Zunehmende potentielle Ernteerträge in einigen Regionen in mittleren Breiten bei Temperatursteigerungen von weniger als einige wenige Grad
  • Eine potentielle Zunahme des weltweiten Holzangebots aus angemessen behandelten Wäldern
  • Zunehmende Wasserverfügbarkeit für die Bevölkerung in einigen Regionen mit Wasserknappheit, z.B. in Teilen Südostasiens
  • Verminderte Mortalität im Winter in mittleren und hohen Breiten
  • Verminderter Energiebedarf für die Raumwärme aufgrund höherer Wintertemperaturen.

(...) Für das 21. Jahrhundert projizierte Klimaänderungen haben das Potential, in Zukunft zu großräumigen und möglicherweise unumkehrbaren Veränderungen in Systemen der Erde zu führen, deren Auswirkungen kontinentale und globale Größenordnungen erreichen. (...) Zu den Beispielen zählen die signifikante Verlangsamung der ozeanischen Zirkulation, die warmes Wasser in den Nordatlantik führt, große Reduktionen der Grönländischen und Westantarktischen Eisschilde, beschleunigte weltweite Erwärmung aufgrund Rückkopplungen des Kohlenstoffkreislaufs in der terrestrischen Biosphäre sowie Entweichen von terrestrischem Kohlenstoff aus Permafrost-Regionen und Methanhydraten aus Küstensedimenten. Die Wahrscheinlichkeit von vielen dieser Änderungen in irdischen Systemen istunklar, aber sie ist vermutlich sehr niedrig; jedoch wird erwartet, daß die Wahrscheinlichkeit mit der Rate, der Größenordnung und der Dauer der Klimaänderung zunimmt.

Wenn diese Änderungen in irdischen Systemen eintreten sollten, würden ihre Auswirkungen weit verbreitet und dauerhaft sein. Beispielsweise würde eine signifikante Verlangsamung der ozeanischen thermohalinen Zirkulation den Sauerstoffgehalt des Tiefenwassers, die Kohlenstoff-Senkenkapazität der Ozeane und marine Ökosysteme beeinflussen und die Erwärmung über Teilen von Europa vermindern. Der Zerfall des Westantarktischen Eisschildes oder das Schmelzen des Grönländischen Eisschildes könnte den weltweiten Meeresspiegel in den nächsten 1.000 Jahren jeweils um 3 Meter ansteigen lassen, viele Inseln überfluten und ausgedehnte Küstenbereiche überschwemmen. (...)

Das Ergreifen von Anpassungsmaßnahmen ist eine notwendige Strategie auf allen Ebenen, um Anstrengungen zur Verminderung der Treibhausgasemissionen zu ergänzen.

(...) Die Fähigkeit von menschlichen Systemen zur Anpassung hängt von Faktoren wie Reichtum, Technologien, Bildung, Information, Fähigkeiten, Infrastruktur, Ressourcenzugang und Managementfähigkeiten ab. Für Industrieländer und Entwicklungsländer gibt es Potentiale, um ihre Anpassungsfähigkeiten zu erhöhen und/oder zu erwerben. Die Bevölkerung und die Gesellschaften sind sehr unterschiedlich mit den notwendigen Eigenschaften ausgestattet, und die Entwicklungsländer, insbesondere die am wenigsten entwickelten Länder, sind allgemein in dieser Hinsicht am ärmsten dran. Folgend haben sie weniger Kapazitäten, sich anzupassen. Sie sind verwundbarer gegenüber Schäden durch die Klimaänderung, genauso, wie sie bereits gegenüber anderen Streßfaktoren verwundbarer sind. Dies gilt insbesondere für die ärmsten Menschen. (...)

Nutzen und Kosten von Auswirkungen der Klimaänderung wurden in monetären Einheiten geschätzt und auf nationaler, regionaler und globaler Ebene aggregiert. Diese Schätzungen schließen generell die Wirkungen der Änderungen der Klimavariabilität und der Wetterextreme aus, beziehen die Wirkungen verschiedener Erwärmungsraten gar nicht und die Auswirkungen auf Güter und Dienstleistungen, die nicht auf Märkten gehandelt werden, nur teilweise ein. Diese Auslassungen resultieren wahrscheinlich in einem Unterschätzen der wirtschaftlichen Verluste und einem Überschätzen der wirtschaftlichen Gewinne. Abschätzungen von aggregierten Auswirkungen sind kontrovers, da sie die Gewinne für einige behandeln, als ob dies die Verluste für andere ausgleichen würde, und da die Gewichtung, die zum Aggregieren zwischen Individuen benutzt wird, notwendigerweise subjektiv ist.

Ungeachtet der obigen Begrenzung bewirkt die Zunahme der Weltmitteltemperatur wirtschaftliche Netto-Verluste in vielen Entwicklungsländern für alle untersuchten Werte der Erwärmung (geringe Verläßlichkeit), und die Verluste würden größer im Ausmaß, je stärker die Erwärmung ausfiele (mittlere Verläßlichkeit). Demgegenüber würde eine Erhöhung der Weltmitteltemperatur bis zu einigen wenigen Grad eine Mischung von wirtschaftlichen Gewinnen und Verlusten in Industrieländern nach sich ziehen (niedrige Verläßlichkeit), wobei die wirtschaftlichen Verluste bei stärkeren Temperaturerhöhungen größer werden (mittlere Verläßlichkeit). Die projizierte Verteilung wirtschaftlicher Auswirkungen stellt sich so dar, daß die Disparität (Kluft) des Wohlbefindens zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zunimmt, mit zunehmender Disparität bei höheren vorausgesagten Temperaturzunahmen. (...)

Mehr Menschen werden durch die Klimaänderung geschädigt, als davon profitieren - selbst für Temperaturzunahmen geringer als einige wenige Grad. (..)

Die erwarteten Wirkungen der Klimaänderung sind in Entwicklungsländern am größten (...)."

Kommentar von Germanwatch

Die Klimaänderung ist nicht nur in den Meßdaten der Klimaforscher abstrakt feststellbar, sondern bereits heute sind physikalische und biologische Systeme von der Klimaänderung betroffen (z.B. Rückgang von Gletschern, Ausbleichen von Korallenriffen, Veränderung der Vegetationszeiten, Störung der Lebensräume von Pflanzen und Tieren). Sie ist also ein Faktum. Die Wahrscheinlichkeit, daß dies zufällig auftritt, ist vernachlässigbar.

Durch die Klimaänderung werden einige natürliche Systeme irreversibel geschädigt werden - umso stärker, je höher die Temperaturzunahme wird. Die Schäden durch die Klimaänderung werden die zu erwarteten Nutzen weit überwiegen. Zu beachten ist dabei, daß die Schäden vermehrt in Entwicklungsländern auftreten werden, deren Wirtschaftskraft relativ gering ist, so daß die Folgen von den betroffenen Gesellschaften schwer abgefedert werden können. Auch werden durch die gewählte Methodik der Schadensbewertung vornehmlich ökonomisch ausdrückbare Größen (d.h. vor allem Markttransaktionen) dargestellt, wodurch die Sichtweise der westlichen Industrieländer übergestülpt wird. Dieses Verfahren überbewertet die Auswirkungen in Industrieländern, während diejenigen in Entwicklungsländern teilweise nicht einbezogen bzw. unterbewertet werden.

Besonders fragwürdig wird es, wenn die Effekte weltweit aggregiert werden, d.h. wenn Auswirkungen in einer Region (etwa Vorteile, die vornehmlich in Industrieländern auftreten werden) Auswirkungen in anderen (etwa Nachteile, die vornehmlich durch die hohe Verwundbarkeit in Entwicklungsländern festzustellen sind) teilweise ausgleichen. Die Folge davon kann sein, daß die wahrgenommenen Schäden gering sind, weil die Verursacher im Norden möglicherweise sogar anfänglich von der Klimaänderung profitieren, und die Schäden der Opfer im Süden, die nicht einmal von der Methodik vollständig erfaßt werden, nicht im vollen Umfang quantifiziert sind.

Insgesamt werden mehr Menschen von der Klimaänderung geschädigt, als davon profitieren werden. Die Kluft des Wohlbefindens zwischen Industrie- und Entwicklungsländern wird durch sie vergrößert.

Gerade weil die Klimaänderung schon jetzt feststellbar ist, ist es zusätzlich zu den Maßnahmen zur Verminderung der Treibhausgasemissionen unabdingbar, bereits jetzt Anpassungsmaßnahmen insbesondere in Ländern durchzuführen, die verwundbar gegenüber der Klimaänderung sind. Es gilt, am Verursacherprinzip orientierte Mechanismen zu entwickeln, um eine stringente Anpassungsstrategie für die besonders betroffenen Regionen finanzieren und durchführen zu können.
 

Möglichkeiten der Emissionsminderung (AG3)

Auszüge aus der Zusammenfassung für Entscheidungsträger
 

Am 3. März 2001 verabschiedeten die Länderdelegierten in Accra (Ghana) nach mehrjähriger Vorbereitungszeit die Zusammenfassung der Arbeitsgruppe III ("Mitigation") des IPCC für den dritten Sachstandsbericht des IPCC. Die AG III untersuchte die Möglichkeiten, wie Treibhausgasemissionen vermindert werden können. Demzufolge liegen weltweit immense Reduktionspotentiale vor, deren Erschließung mit Gewinn oder zu niedrigen Kosten mittelfristig bis 2020 etwa die Hälfte der im Jahr 1990 ausgestoßenen Emissionen vermeiden kann. Germanwatch bringt Auszüge. 
Emissionen viel kostengünstiger vermeidbar als erwartet

"Die Klimaänderung ist ein Problem mit einzigartigen Charakteristiken. Sie ist weltweit, wirkt langfristig (bis zu einigen Jahrhunderten) und bezieht komplexe Interaktionen zwischen klimatischen, ökologischen, ökonomischen, institutionellen, sozialen und technologischen Prozessen ein. Dies könnte signifikante internationale und intergenerationelle Auswirkungen im Kontext breiterer gesellschaftlicher Ziele wie etwa Gerechtigkeit und Nachhaltige Entwicklung haben. (...)

Entwicklungspfade, die zu niedrigen Emissionen führen, hängen von einer großen Bandbreite politischer Entscheidungen ab und erfordern wesentliche Politikwechsel in anderen Bereichen als Klimaschutz. (...)

Klimaschutzpolitiken können eine Nachhaltige Entwicklung unterstützen, wenn sie mit breiteren gesellschaftlichen Zielen vereinbar sind. Einige Politiken zur Verminderung der Treibhausgasemissionen könnten ausgiebigen Nutzen in Feldern außerhalb des Klimaschutzes erzielen: beispielsweise können sie Gesundheitsprobleme vermindern; die Beschäftigung erhöhen; negative Umweltfolgen (wie Luftverschmutzung) mindern; Wälder, den Boden und Grundwasserreservoire schützen und stärken; solche Subventionen und Steuern abbauen, die die Treihausgasemissionen erhöhen; und den Wandel und die Verbreitung von Technologien anstoßen, die zu breiteren Zielen der Nachhaltigen Entwicklung beitragen. Gleichermaßen können Entwicklungspfade, die Zielen der Nachhaltigen Entwicklung genügen, mit niedrigeren Treibhausgasemissionen verbunden sein. (...)

Die Herausforderung beim Angehen der Klimaänderung berührt einen bedeutenden Aspekt der Gleichheit, nämlich das Ausmaß, in welchem die Auswirkungen der Klimaänderung oder die Politiken zur Verminderung der Emissionen Ungleichheiten sowohl innerhalb von Nationen und Regionen als auch unter diesen schafft oder verschärft.

Niedrig-Emissionsszenarien erfordern verschiedene Muster bei der Entwicklung der Energieressourcen. (...) Fossile Energieressourcen [sind] im Übermaß vorhanden, so daß sie die Kohlendioxidemissionen im 21. Jahrhundert nicht begrenzen werden. Jedoch sind die Kohlenstoffmengen in nachgewiesenen konventionellen Öl- und Gasreserven - anders als bei den relativ großen Kohlevorkommen und den unkonventionellen Öl- und Gaslagerstätten - viel geringer als die kumulierten Kohlendioxidemissionen, die mit CO2-Stabilisierungszielen von 450 ppm oder mehr verbunden sind. (...) Diese Ressourcendaten können einen Wechsel des Energiemixes sowie die Einführung neuer Energiequellen im 21. Jahrhundert implizieren. Die Wahl des Energiemixes und die damit verbundenen Investitionen werden bestimmen, ob, - und falls ja - in welcher Höhe Treibhausgaskonzentrationen stabilisiert werden können. Gegenwärtig sind die meisten dieser Investitionen in Richtung Entdeckung und Entwicklung von mehr konventionellen und unkonventionellen fossilen Ressourcen gerichtet. (...)

Seit dem 2. Sachstandsbericht im Jahr 1995 wurde signifikanter technischer Fortschritt in Bezug auf Treibhausgasemissionsreduktionen erzielt. Er stellte sich schneller als erwartet ein. Fortschritte wurden in einer großen Spannbreite von Technologien in verschiedenen Entwicklungsstadien erzielt, z.B. die Markteinführung von Windkraftanlagen, die schnelle Eliminierung von gasförmigen industriellen Nebenprodukten wie N2O aus der Adipinsäureherstellung oder fluorierte Kohlenwasserstoffe bei der Aluminiumherstellung, effiziente Hybridfahrzeuge, der Fortschritt der Brennstoffzellentechnologie und die Demonstration unterirdischer CO2-Lagerung. Technologische Optionen zur Emissionsminderung beinhalten erhöhte Effizienz von Geräten beim Endverbraucher und von Energieumwandlungstechniken, den Umstieg zu weniger kohlenstoffreichen und erneuerbaren Energien, Nullemissionstechnologien, verbessertem Energiemanagement, die Verminderung von industriellen Nebenprodukt- und Prozeßgasemissionen sowie die Kohlenstoffixierung und -lagerung.

(...) Hunderte von Techniken und Praktiken für effiziente Endenergienutzung in Gebäuden, im Verkehr und im produzierenden Gewerbe machen die Hälfte des Reduktionspotentials bis 2010 / 2020 aus.

Zumindest bis zum Jahr 2020 werden Energieversorgung und -umwandlung durch relativ preisgünstige und im großen Ausmaß vorhandene fossile Brennstoffe dominiert bleiben. Erdgas wird dort, wo der Transport wirtschaftlich durchgeführt werden kann, eine wichtige Rolle bei der Emissionsreduktion einnehmen, wie auch die Verbesserung der Umwandlungseffizienz, eine verstärkte Nutzung kombinierter Gas- und Dampfturbinenprozesse und/oder der Kraft-Wärme-Kopplung.

Kohlenstoffarme Energieversorgungssysteme können einen wichtigen Beitrag liefern: mit der Nutzung von Biomasse aus der Forstwirtschaft und von landwirtschaftlichen Nebenprodukten, von kommunalen und industriellen Abfällen zur Energienutzung, von speziellen Biomasseplantagen dort, wo passende Flächen und Wasser vorhanden sind, von Methan aus Deponien, von Wind- und Wasserkraft, sowie von der Nutzung und der Nutzungsdauerverlängerung von Kernkraftwerken. (...)

Die Hälfte der potentiellen Emissionsreduktionen bis zum Jahr 2020 können mit direktem Nutzen (eingesparte Energie) erzielt werden, welche die direkten Kosten (Nettokapital-, Betriebs- und Unterhaltungskosten) übersteigen, und die andere Hälfte mit direkten Nettokosten von bis zu 100 US $ pro t C-Äquivalent (zu 1998er Preisen). Diese Kostenabschätzungen sind abgeleitet unter der Verwendung von Diskontierungsraten von 5 bis 12 Prozent, die mit den Diskontierungsraten des öffentlichen Sektors konsistent sind. (...)

Wälder, landwirtschaftlich genutzte Ländereien und andere terrestrische Ökosysteme bieten ein signifikantes Potential zur Verminderung der Kohlenstoffreisetzung. Wenngleich nicht notwendigerweise dauerhaft, ermöglicht das Bewahren und das Binden von Kohlenstoff einen Zeitgewinn, um andere Optionen zu entwickeln und zu implementieren. Das Mindern der Kohlenstoffreisetzung kann über drei verschiedene Strategien erfolgen: a) Bewahren von existierenden Kohlenstoffbeständen, b) Sequestrierung (Bindung) durch eine Erhöhung der Größe der Kohlenstoffbestände, c) Substitution durch nachhaltig erzeugte biologische Produkte, z.B. Holz statt energieintensiver Baustoffe und Biomasse statt fossile Brennstoffe. Der Erhalt bedrohter Kohlenstoffbestände kann helfen, Emissionen zu vermeiden, wenn "Leakage" [d.h. das buchhalterische Nicht-Erfassen von realen Emissionen, Anm. Germanwatch] verhindert werden kann. Der Erhalt kann nur dann dauerhaft sein, wenn die sozio-ökonomischen Antriebskräfte für Entwaldung und andere Verluste von Kohlenstoffbeständen angegangen werden können. Die Sequestration spiegelt die biologische Dynamik von Wachstum wider, das oft langsam beginnt, ein Maximum durchschreitet und dann über Jahrzehnte oder Jahrhunderte zurückgeht.

Erhalt und Sequestration resultieren in größeren Kohlenstoffbeständen, aber sie können zu höheren zukünftigen Emissionen führen, wenn diese Ökosysteme über natürliche oder direkte/indirekte vom Menschen verursachte Störungen stark gestört werden. (...) Wenn man den Wettbewerb um die Landnutzung und die Aussagen des zweiten Sachstandsberichts und des Sonderberichts über Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Wälder in Betracht zieht, bewegt sich das geschätzte Potential biologischer Vermeidungspotentiale in der Größenordnung von 100 Gt C (kumuliert), was, wenn auch substantielle Unsicherheiten mit dieser Schätzung verbunden sind, bis zum Jahr 2050 äquivalent mit etwa 10 bis 20 Prozent der potentiellen Emissionen fossiler Energieträger in diesem Zeitraum ist. (...) Das größte biologische Potential zur Vermeidung von Kohlenstofffreisetzung in die Atmosphäre befindet sich in subtropischen und tropischen Regionen. Bis heute bekannte Kostenschätzungen einer biologischen Vermeidung schwanken signifikant von 0,1 US$/tC bis zu 20 US$/tC in verschiedenen tropischen Ländern und von 20 US$/tC bis zu 100 US$/tC in nicht-tropischen Ländern. (...)

Es gibt nicht den einen Pfad hin zu einer Niedrigemissions-Zukunft. Länder und Regionen müssen ihren eigenen Pfad auswählen. Die meisten Modellergebnisse deuten darauf hin, daß mit bekannten technologischen Optionen eine große Spannbreite atmosphärischer CO2-Stabilisierungswerte wie 550 ppm, 450 ppm oder niedriger in den nächsten 100 Jahren oder später erreicht werden kann. (...) Technische Verbesserungen und Technologietransfer spielen eine kritische Rolle bei den in diesem Bericht untersuchten Stabilisierungsszenarien. Jedoch liefert keine Technologie-Option alleine die Emissionsreduktionen, die notwendig sind. (...)

Zwischen Ländern und Sektoren koordiniertes Handeln kann dabei helfen, die Kosten der Emissionsreduktion zu mindern (...).

Die relevante Frage ist nicht 'was ist der beste Weg für die nächsten 100 Jahre', sondern eher 'was ist der beste Weg für die kurzfristige Zukunft angesichts der erwarteten langfristigen Klimaänderungen und der damit verbundenen Unsicherheiten'."

Kommentar von Germanwatch

Ein großer Wissensfortschritt des IPCC hat sich bereits in Ansätzen beim Sonderbericht über die Emissionsszenarien niedergeschlagen. Er liegt darin, daß nicht die Klimapolitik allein für die Emissionsentwicklung ausschlaggebend ist, sondern daß klimafreundliche Entwicklungspfade von einer Bandbreite politischer Entscheidungen abhängen, bei denen in der Regel Belange des Klimaschutzes keine herausragende Bedeutung spielen. Jedoch ist festzustellen, daß es bei einem Verfolgen der vielfältigen Ziele Nachhaltiger Entwicklung (u.a. Berücksichtigung von Gerechtigkeitsgrundsätzen ["Equity"] sowohl im nationalen als auch internationalen Kontext) viel leichter fällt, eine klimaverträgliche Entwicklung zu erhalten, als wenn Denken und politisches Handeln ganz überwiegend an der ökonomischen Logik orientiert sind.

Die stark unterschiedlichen Kosten des Klimaschutzes bei verschiedenen gesellschaftlichen Entwicklungen des Globus, die im TAR - unter Einschluß von Klimaschutz - durchgerechnet wurden, zeigen diesen Zusammenhang anschaulich: So verursacht eine Stabilisierung der CO2-Konzentration bei 450 ppm bei den einen gleich hohe Kosten wie bei anderen eine Stabilisierung bei 750 ppm!

Jedoch: Es gibt nicht "den einzigen Königsweg" für die einzelnen Länder hin zum Klimaschutz. Jedes Land kann sich seinen für seine Situation passenden Pfad auswählen.

Das IPCC stellt fest, daß fossile Energieressourcen (vor allem Kohle) im Übermaß vorhanden sind - viel mehr als die Atmosphäre ohne ausgeprägte Klimaänderung verkraftet. Die Verfügbarkeit preiswerten Mineralöls und von Erdgas ist allerdings so gering, daß selbst ein angestrebtes Stabilisierungsszenario von 450 ppm ihre vollständige Nutzung erlauben würde.

Seit der Verabschiedung des Zweiten Sachstandsberichts vor sechs Jahren hat sich der technische Fortschritt hinsichtlich Technologien der Emissionsminderung schneller entwickelt, als damals vorhergesagt wurde. Dementsprechend gibt es eine große Anzahl emissionsmindernder Techniken für die Sektoren Energienutzung in Gebäuden, Verkehr und Produzierendes Gewerbe, deren Einsatz zu einer drastischen Emissionsreduktion führen würde. Die dabei auftretenden Zusatzkosten sind anfangs negativ (d.h. die Maßnahme ist profitabel) und danach gering.

Der Einsatz von Senken zur Emissionsminderung (etwa das Anlegen von Wäldern) kann zeitlich befristet wirksam sein, doch das Potential ist bis zum Jahr 2050 auf 10 bis 20 Prozent der projizierten Emissionen durch fossile Energieträger in diesem Zeitraum beschränkt.

Es ist entscheidend für die weitere Entwicklung, daß klimaverträgliche und generell risikoarme Wege zur Versorgungssicherung aufgezeigt werden. Die in Europa weit verbreitete Ablehnung der Atomenergie und der teilweise daraus resultierende Ausstieg aus dieser Technologie, der Rückgang der britischen Gasförderung, der weltweite Preisanstieg für Erdöl und Erdgas, die Energiekrise in Kalifornien, sowie der Kampf um den Zugang zu Erdölressourcen in Tschetschenien liefern die Grundlage für eine neue geopolitische Debatte um Versorgungssicherheit. Nur wenn es gelingt, plausible Pfade der gesellschaftlichen Entwicklung aufzuzeigen, wie durch Energieeffizienz und Erneuerbare Energieträger die Versorgungssicherheit zu gewährleisten ist, läßt sich diese Debatte konstruktiv für den Klimaschutz und gegen andere Risikotechnologien wenden. Die neuen Analysen des IPCC über das Wachstumspotential bei kostengünstigen effizienten und erneuerbaren Energieträgern gibt Hoffnung, daß sich die Herausforderungen von Klimaschutz und Versorgungssicherheit vereinen lassen - die richtige Rahmensetzung vorausgesetzt.
 

Abkürzungen
 

IPCCIntergovernmental Panel on Climate Change
ppmParts per Million (eine Einheit für die Konzentration)
SARSecond Assessment Report (Zweiter Sachstandsbericht des IPCC)
SPMSummary for Policymakers (Zusammenfassung für Entscheidungsträger)
SRESSpecial Report on Emissions Scenarios (IPCC-Sonderbericht über Emissionsszenarien)
TARThird Assessment Report (Dritter Sachstandsbericht des IPCC)
TSUTechnical Support Unit (Einrichtung, die einer IPCC-Arbeitsgruppe zuarbeitet)
WGWorking Group (Arbeitsgruppe)

Fußnoten

  1. Der "Synthesis Report" (SynRep) ist der letzte Bericht des IPCC im Rahmen des TAR. Er faßt die Ergebnisse der drei Arbeitsgruppen in einem Dokument zusammen. Auf diese Weise werden die Aussagen der AGs kohärent zusammengebracht. Der SynRep ist so aufgebaut, daß er die Antworten auf neun vorher von Entscheidungsträgern gestellte Fragen zum Klimaproblem liefert.
  2. In dieser Zusammenfassung für Entscheidungsträger (...) sind folgende Worte benutzt worden, um Sicherheiten auszudrücken: praktisch sicher (mehr als 99 Prozent Wahrscheinlichkeit, daß das zutrifft), sehr wahrscheinlich (90 - 99 % Wahrscheinlichkeit), wahrscheinlich (66 - 90 %), unwahrscheinlich (10 - 33 %), sehr unwahrscheinlich (1 - 10 %) und außergewöhnlich unwahrscheinlich (weniger als 1 % Wahrscheinlichkeit).
  3. Der Strahlungsantrieb ist ein Maß für die Wirkung eines Klimafaktors auf die Veränderung der Bilanz zwischen der eintreffenden und ausgehenden Energie im System Erde-Atmosphäre. Er wird in Watt pro Quadratmeter ausgedrückt.

  4.  


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Dieses Projekt wird finanziell vom Bundesumweltministerium und vom Umweltbundesamt gefördert. Die Förderer übernehmen keine Gewähr für die Richtigkeit, die Genauigkeit und Vollständigkeit der Angaben sowie für die Beachtung privater Rechte Dritter. Die geäußerten Ansichten und Meinungen müssen nicht mit denen der Förderer übereinstimmen.
 

Briefing Papier über den dritten Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Die Ergebnisse des Sachstandsberichts zum Thema Klimawissenschaft, Auswirkung der Klimaänderung und Möglichkeiten der Emissionsminderung werden kurz dargestellt und von Germanwatch kommentiert.

Autor:innen
M. Treber, C. Bals, K. Milke, G. Kier
Publikationsdatum
Seitenanzahl
15
Bestellnummer
01-2-06
ISBN
3-9806280-8-6
Schutzgebühr
5.00 EUR

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