Am 10. April 2003 sandten Ulrike Mehl, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, und Ulrich Kelber, Berichterstatter zu Klimaschutz der SPD-Fraktion, ein Schreiben an verschiedene Verbände aus. Darin baten sie diese, ihre Vorschläge zum Thema "Klimaschutz in Deutschland 2020" zu unterbreiten, d.h. wie Deutschland die in der Koalitionsvereinbarung formulierte Zielvorgabe, die Treibhausemissionen um 40 Prozent zu senken, verwirklichen kann.
Die Arbeitsgruppe Klima des Forum Umwelt & Entwicklung, in der die deutschen Umwelt- und Entwicklungsverbände ihre Arbeit zum Thema Klimaschutz koordinieren, hat diese Anfrage nun beantwortet. Dr. Manfred Treber (Germanwatch), der gemeinsam mit Bernd Brouns (Wuppertal Institut) die AG Klima koordiniert, hat die Abstimmung der Verbände bei der Erstellung der Antwort durchgeführt.
Die Antwort wird von folgenden Verbänden unterstützt:
BUND (Friends of the Earth Germany)
Deutscher Naturschutzring (DNR)
Forum Umwelt & Entwicklung
Germanwatch
Klima-Bündnis, europäische Geschäftsstelle
klimamarsch
NABU
Verkehrsclub Deutschland (VCD)
WWF Deutschland
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Antwort von Umwelt- und Entwicklungsverbänden
auf den Brief der SPD-MdB Ulrich Kelber und Ulrike Mehl zu "Klimaschutz in Deutschland bis 2020"
Inhalt
- Einleitung
- Europäischer Emissionshandel (Cap & Trade System)
- Ökologische Finanzreform
- Fossile Brennstoffe in der Stromerzeugung
- KWK und Klima
- Erneuerbare Energien
- Energieeffizienz und Klima
- Verkehr
- Sequestrierung
- Eckpunkte Europäischer Energie- und Klimapolitik
- Internationale Klimapolitik
Während die Realität des beginnenden Klimawandels immer mehr deutlicher zutage tritt und auch als politischer Faktor erkannt wird (Flutkatastrophe in Ostdeutschland 2002), sind die internationalen Klimaschutzverhandlungen ins Stocken geraten, und auch die nationale Klimapolitik hat sichtbar an Elan verloren. Es ist inzwischen kaum noch realisierbar, dass Deutschland das überparteilich getragene Klimaschutzziel einer CO2-Reduktion von 25% bis 2005 (gemessen an 1990) erreichen kann. Der boomende Markt für Erneuerbare Energien und die Pionierrolle Deutschlands zeigen jedoch gleichzeitig, dass Klimaschutz nicht nur eine ökologische Notwendigkeit ist, sondern auch ein immer wichtiger werdender Wirtschaftsfaktor. Die von Bundeskanzler Schröder beim Weltgipfel in Johannesburg angekündigte Initiative für Erneuerbare Energien und die daran anschließende Internationale Konferenz in Bonn im Juni 2004 machen deutlich, dass Deutschland auch auf der internationalen Bühne beim Klimaschutz weiterhin eine wichtige Rolle spielt.
Um so wichtiger ist es, dass die nationale Klimapolitik auch nach 2005 ein ehrgeiziges Ziel hat, das über die Vorgaben des Kyoto-Protokolls hinausweist. Eine Reduktionsvorgabe von 40% gegenüber 1990 bis zum Jahr 2020 ist im Koalitionsvertrag vorgesehen, wenn auch unter Bedingungen.
Die von den unterzeichnenden Umwelt- und Entwicklungsverbänden vorgeschlagenen Maßnahmen sind dazu geeignet, dieses Ziel auch ohne die Einschränkung einer europäischen 30%-Zielvorgabe zu erreichen. Sie würden gleichzeitig Investitionsanreize in der Bau- und Verkehrsbranche setzen, zu einem funktionierenden Wettbewerb auf den Energiemärkten beitragen, klimaschädliche Subventionen einsparen, die öffentlichen Verkehrsmittel leistungsfähiger machen und zur Senkung der Lohnnebenkosten beitragen. Voraussetzung dafür ist der politische Wille, diese Maßnahmen auch gegen den Widerstand derjenigen Interessengruppen voranzutreiben, die den Klimaschutz aus kurzsichtigen Erwägungen heraus bremsen.
2. Europäischer Emissionshandel (Cap & Trade System)
Mit dem gemeinsamen Standpunkt des Umweltministerrates am 09.12.02 für ein EU-weites Cap & Trade System wurde eine wichtige Weichenstellung hin zu einem Europa mit anspruchsvollen, absoluten Emissionsreduktionen vorgenommen. Die Umweltverbände haben diese Entscheidung einhellig begrüßt. Ob das noch zu etablierende System aber tatsächlich zu den angestrebten absoluten und ehrgeizigen Emissionsbegrenzungen führen wird, hängt entscheidend davon ab,
- wie das neue Instrument mit zentralen anderen klimapolitischen Instrumenten verknüpft wird
- und welche Rahmenbedingungen für den Nationalen Allokationsplan geschaffen werden.
Die Umwelt- und Entwicklungsverbände (folgend NRO genannt) plädieren bei den genannten Problemkreisen auf folgende Regelungen:
Verbindung zu anderen klimapolitischen Instrumenten:
- Freiwillige Selbstverpflichtung/KWK-Vereinbarung der Industrie:Die Industrie hat in diesen Selbstverpflichtungen Emissionsreduktionen von 45 Mio t bis 2010 zugesagt. Auf diese Zielgröße muss die Industrie auch unter dem Cap & Trade-System verpflichtet werden.
- Ökosteuer: Die hohen Ökosteuerermäßigungen für das produzierende Gewerbe sollen nur noch solche Anlagen erhalten, die im Emissionshandelssystem integriert sind.
- Erneuerbare Energien Gesetz (EEG): Emissionshandel und EEG sind komplementäre Instrumente. Es liegen keine überlagernden Effekte vor. Das EEG setzt auf die langfristige Etablierung von erneuerbaren Energien im Markt und verfolgt damit eine gezielte Innovationspolitik. Das Cap & Trade-System zielt auf die Erschließung von Emissionsreduktionen unter der Maßgabe der Kostenminimierung. Eine Veränderung des EEG ist mit der Einführung des Cap & Trade-Systems weder erforderlich noch wünschenswert.
- KWK-Gesetz: Zwischen dem KWK-Gesetz und dem Cap & Trade-System gibt es keine Überlagerungen, da das KWK-Gesetz darauf abzielt, in einer bestimmten Marktkonstellation einen ruinösen Wettbewerb zu Lasten eines effizienten klimapolitischen Instrumentes temporär zu überwinden.
Um das Cap & Trade-System als kosteneffizientes Klimaschutzinstrument zu etablieren, das die Internalisierung externer Kosten wirklich vorantreibt, müssen folgende Aspekte bei der Setzung der Rahmenbedingungen umgesetzt werden:
- Wichtigster Meilenstein ist die Formulierung von ehrgeizigen "caps", die auch einen Reduktionspfad der klimaschädlichen Treibhausgase über 2012 hinaus, d.h zunächst bis 2020 weisen müssen. Für Deutschland ist hierbei das 40%-Ziel eine angemessene Zielmarke.
- Ein sinnvolles Verfahren zur Zuteilung (Allokation) auf Anlagenebene ist das Benchmarkingverfahren, das sich an Branchenzielen ausrichtet. Für den Stromsektor wird ein brennstoffdifferenziertes Benchmarking strikt abgelehnt. Ein solcher Ansatz würde den Anreiz eines (fossilen) Brennstoffwechsels zunichte machen und damit kategorisch die Erschließung der größten Einsparpotenziale verhindern. Dies würde das System erheblich ineffizienter werden lassen und damit die Zertifikatspreise deutlich erhöhen.
- Early action: Diejenigen Unternehmen, die schon sehr früh in Klimaschutzmaßnahmen investiert haben, dürfen dafür heute nicht durch Schlechterstellung bestraft werden. Nachweisbare Klimaschutzinvestitionen seit 1990 sollen deshalb anerkannt werden. Allerdings darf die Gesamtmenge der insgesamt ausgegebenen Zertifikate dadurch nicht erhöht werden. Eine "Sozialisierung" der frühen Anstrengungen für alle dem Cap-and-Trade System unterworfenen Anlagen lehnen die NRO ab.
- Newcomer: Neue Marktteilnehmer dürfen bei der Zuteilung der Zertifikate nicht schlechter gestellt werden als schon aktive Marktteilnehmer.
- Die CO2-Minderung durch effiziente KWK-Anlagen soll im Rahmen der Zuteilung honoriert werden.
- CDM/JI: Die Einbeziehung der projektbasierten Mechanismen im Rahmen einer zweiten EU-Richtlinie wird von den NRO insgesamt kritisch gesehen. Während einige Umweltverbände Zertifikate aus diesen Projekten im Rahmen des europäischen Emissionshandels bis 2012 ablehnen, ist für einen anderen Teil die Anerkennung der Zertifikate nur denkbar, wenn sie gemäß den "Golden Standards" akquiriert werden. Insbesondere wäre unakzeptabel, wenn Senkenprojekte, große Wasserkraftwerke sowie Kohlekraftwerke als "Klimaschutzprojekte" Kredite im Rahmen des CDM bzw. JI generieren könnten. Auch muss sichergestellt sein, dass die entsprechenden Projekte ohne CDM/JI nicht stattgefunden hätten (Zusätzlichkeit).
- Da durch den Einbezug des projektbasierten Emissionshandels die Erfüllung der Treibhausgasziele kostengünstiger als (noch zum Zeitpunkt der Koalitionsvereinbarung) erwartet wird, sollte dies dazu führen, dass die Bundesregierung, wie von beiden Regierungsfraktionen im Wahlkampf besprochen, das 40-Prozent Reduktionsziel (gegenüber 1990) bis 2020 in den nächsten Monaten verbindlich akzeptiert.
3. Ökologische Finanzreform
Mit dem Einstieg in die ökologische Steuerreform in den Jahren 1999 - 2003 wurden wichtige erste Schritte unternommen, um das Steuer- und Finanzsystem in Deutschland stärker an ökologischen Zielen auszurichten. Die NRO unterstützen die grundsätzliche Ausrichtung der ökologischen Steuerreform mit einer breiten Bemessungsgrundlage im Bereich der Energie- und Kraftstoffsteuern, jährlichen Erhöhungsschritten und dem Prinzip der Aufkommensneutralität. Die bisherigen Ökosteuerstufen waren äußerst moderat bemessen und konnten deshalb auch nur begrenzte ökologische Lenkungswirkung entfalten. In Verbindung mit den steigenden Rohölpreisen in den Jahren 2000/2001 zeigte sich aber, dass steigende Kraftstoffpreise den Kraftstoffverbrauch auf Dauer senken.
Wir fordern die Bundesregierung daher auf, die Ökosteuern über 2004 hinaus weiter zu erhöhen. Die nächsten Ökosteuer-Stufen sollten noch im Herbst 2003 vorab gesetzlich für die Jahre 2004 - 2008 verankert werden. Außerdem muss die ökologische Steuerreform durch die Spitzen der Bundesregierung und Fraktionen einheitlicher und überzeugender in der Öffentlichkeit vermittelt werden. Im einzelnen fordern wir von der Bundesregierung im Rahmen des bisherigen Ökosteuer-Konzeptes:
- Jährliche Anhebung der Mineralölsteuern um mindestens 5 Cents/Liter vorab gesetzlich geregelt. Je nach Rohölpreisentwicklung und Entwicklung der Mineralölsteuern in den Nachbarländern könnten die Mineralölsteuern über die 5 Cents Mindeststeigerung um weitere 5 - 10 Cents/Liter angehoben werden. Die Automobilhersteller müssen öffentlich dazu aufgefordert werden, das 3-Liter-Auto als Massenfahrzeug zu vermarkten und aus der Nische zu bringen. Bei einer Halbierung des durchschnittlichen Flottenverbrauchs und Verdoppelung des Benzinpreises bleibt die individuelle wie volkswirtschaftliche Benzinrechnung konstant. Durch den höheren Steueranteil bleibt aber ein höherer Teil der Benzinrechnung in der deutschen Volkswirtschaft, anstatt in die Ölförderländer zu wandern.
- Schrittweise Anhebung der Dieselsteuer auf den Steuersatz für Normalbenzin.
- Jährliche Anhebung der Stromsteuer um mindestens 0,26 Cents/kWh (wie bisher). Parallel dazu Verstärkung der Maßnahmen zur Senkung des Stromverbrauchs (siehe Abschnitt 7).
- Wiederaufnahme der jährlichen Erhöhungsstufen bei der Heizöl- und Erdgassteuer. Parallel dazu weitere Verstärkung der Förderprogramme und des Ordnungsrechts zur Verbesserung der Wärmedämmung in Gebäuden (siehe Abschnitt 7).
- Einführung einer Primärenergiesteuer auf Kernbrennstoffe und Kohle, um die Benachteiligung des Erdgases in der Stromerzeugung zu beenden.
- Novellierung der Ökosteuer-Ermäßigungen für das produzierende Gewerbe zeitgleich mit der Einführung des europäischen Emissionshandels: Außerhalb der vom Emissionshandel betroffenen Anlagen sind grundsätzlich keine Ermäßigungen notwendig. Ausnahme: Unternehmen, deren Ökosteuer-Belastung über 0,5% Anteil an der Bruttowertschöpfung liegt (siehe Kriterium der EU-Energiesteuerrichtlinie für energieintensive Unternehmen) können eine von der individuellen Energieintensität des Unternehmens abhängige Ermäßigung erhalten. Die Ermäßigungen dürfen nicht mehr von der Branchenzugehörigkeit abhängig sein.
- Ökologische Reform der Grundsteuer mit Anreizen zu flächensparendem Bauen und zur Entsiegelung bebauter Flächen (Flächensteuer)
- Weiterentwicklung der Kfz-Steuer mit stärkeren Anreizen für schadstoffarme Fahrzeuge
- Einführung der Kerosinsteuer für den Flugverkehr: Nach der EU-Energiesteuer-Einigung ist die Einführung der Kerosinsteuer im Inlandsflugverkehr rechtlich möglich. Dies sollte als erster Schritt zur Reduzierung der Kurzstreckenflüge und für faireren Wettbewerb zwischen Bahn und Flugzeug noch in dieser Wahlperiode realisiert werden. Gleichzeitig müssen die Bemühungen für eine europäische Lösung (emissionsabhängige Landegebühren, Schadstoffabgaben, bilaterale Abkommen zur Kerosinsteuer) intensiviert werden.
- Auslaufen der Steinkohlesubventionen bis 2010 (siehe Abschnitt 4)
- Reduzierung der Eigenheimzulage für Neubauten auf das Niveau für Altbauten
- Deutliche Reduzierung der Entfernungspauschale und längerfristig Abschaffung. Die Unterstützung für Pendler - soweit sie aus sozialen Gründen wirklich erforderlich erscheint - sollte zukünftig progressionsunabhängig ausgestaltet werden. Beispielsweise könnte eine progressionsunabhängige Pendlerzulage in Höhe von 10 Cents/Entfernungskilometer direkt vom Finanzamt ausbezahlt werden. Davon würden Auszubildende mit geringem Einkommen und längerem Weg zur Arbeit profitieren, während der Anreiz für Besserverdienende zum Wegzug aus den Großstädten in das Umland verringert würde.
- Abschaffung der ökonomischen Vergünstigungen für die Atomenergie: Erhöhung der Haftungssummen auf das maximale Schadensausmaß bei einem größten anzunehmenden Unfall; Überführung der steuerfreien Rückstellungen für Entsorgung in einen öffentlichen Fonds; Beendigung der öffentlich geförderten Atomforschung; Einführung einer Kernbrennstoffsteuer (siehe oben).
- Umbau der EU-Agrarsubventionen und Ausrichtung auf ökologische Ziele
4. Fossile Brennstoffe in der Stromerzeugung
Eine wirksame Klimaschutzpolitik ist mit einer Fortsetzung der Kohleverbrennung nicht vereinbar. Steinkohle verursacht doppelt so viele Treibhausgas-Emissionen wie Erdgas; Braunkohle sogar noch mehr. Braunkohle liefert in Deutschland 10% des Primärenergiebedarfs, aber 20% der CO2-Emissionen. Trotz ihrer enormen Klimaschädlichkeit genießt die Kohle heute eine Reihe von Privilegien gegenüber Erdgas, die rasch abgebaut werden müssen. Dies bedeutet: Die Steinkohle muss ihre hohen Förderkosten selbst tragen und es müssen sich deren externen Kosten in den Preisen widerspiegeln.
In einer neuen Studie des WWF (Mai 2003) wird gezeigt, dass die Strombranche nur dann ihren Beitrag für eine anspruchsvolle Klimapolitik leisten kann (-50% CO2-Emissionen bis 2030 gegenüber 1990), wenn keine neuen Kohlekraftwerke mehr gebaut werden. Dies ist nicht nur rational unter Klimagesichtspunkten, sondern wird sich auch für den Verbraucher durch niedrigere Strompreise bezahlt machen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der Monetarisierung von Kohlenstoff im Rahmen eines europäischen Emissionshandelssystems relevant.
Eine klimaverträgliche Stromerzeugungsstruktur erfordert daher den Umstieg auf andere Energieträger. Neben einer kontinuierlichen Steigerung der Energieeffizienz sowohl auf der Umwandlungs- als auch auf der Verbraucherseite und der deutlich gesteigerten Nutzung erneuerbarer Energieträger (hier vor allem Wind und Biomasse) ist dabei der Ersatz von Kohle durch Erdgas für eine längere Übergangszeit unverzichtbar. Ziel ist es, bis Mitte des Jahrhunderts eine CO2-freie Stromerzeugung zu erreichen.
Die Kohleförderung kann in Deutschland nur aufgrund massiver Subventionen bei gleichzeitigem massiven Arbeitsplatzabbau aufrechterhalten werden. Daher ist eine zentrale Forderung der NRO der - sozialverträgliche - vollständige Abbau der Subventionen bis spätestens 2010. Die Bundesregierung soll den Widerstand gegen entsprechende EU-Bestrebungen beenden. Dabei soll die Entwicklung in den Kohleregionen weg von der künstlichen Verlängerung fossiler Strukturen hin zu einem Aufbau beschäftigungswirksamer und klimaschonender Wirtschaftsstrukturen geleitet werden.
Um zu verhindern, dass dies statt einem Umstieg auf erneuerbare Energien und CO2-arme Energieträger lediglich zu einer steigenden Nutzung von Importkohle führt, muss Kohle wie Erdöl besteuert werden. Effiziente Gasturbinenkraftwerke müssen dagegen von der Steuer befreit werden, wobei der Wirkungsgrad deutlich unterhalb der mit den heutigen Technologien praktisch nicht erreichbaren 57,5%-Schwelle liegen muss, die derzeit gilt. Die Verhinderungspolitik des BMWA und der NRW-Landesregierung gegen solche hochmodernen Gasturbinenkraftwerke, wie sie derzeit praktiziert wird, muss beendet werden.
Die Vorrangregelung für die Braunkohleverstromung in den ostdeutschen Ländern ist ein Anachronismus, der die Klimaschutzanstrengungen konterkariert und die Stromverbraucher unnötig belastet. Sie sollte ersatzlos auslaufen und auch nicht durch ähnlich gelagerte staatliche Eingriffe ersetzt werden. Ostdeutsche Stromerzeuger sollten beim Ausstieg aus der Braunkohle unterstützt anstatt daran gehindert werden, wie dies bei der VEAG-Übernahme der Fall war, als der neue Eigentümer Vattenfall sich in einem Kaufpreisdeal zur Erzeugung von jährlich 50 TWh Braunkohlestrom bis 2011 verpflichten musste. Von dieser Verpflichtung muss sie entbunden werden; Ostdeutschland darf nicht von der Energiewende ausgenommen werden. Neue Braunkohletagebaue dürfen nicht mehr erschlossen werden. Garzweiler II, Heuersdorf und Jäntschwalde-Nord sind zu stoppen. Stattdessen muss eine klare Auslaufkonzeption erarbeitet werden. Realistische Alternativen zum Bau der geplanten 10 BoA-Kraftwerke im rheinischen Braunkohlerevier sind in der genannten WWF-Studie aufgezeigt.
Forderungen für ein Klimaschutzprogramm:
- Beendigung aller staatlichen Markteingriffe zugunsten der Kohle; umfassende Entflechtung von Staat, Politik und Braunkohlebetreibern; keine administrative Blockade für Gaskraftwerks-Investoren
- Besteuerung von Kohle wie Erdöl, Steuerbefreiung für effiziente Gaskraftwerke ab einem realistisch anwendbaren Wirkungsgrad auch unterhalb 57,5%
- Sozialverträglicher Abbau aller Subventionen für Kohle mit flankierenden Beschäftigungsmaßnahmen
- Sofortiger Stopp aller Genehmigungs- und Aufschlussmaßnahmen für die geplanten Tagebaue Garzweiler II in NRW, Heuersdorf bei Leipzig und Jäntschwalde-Nord im Lausitzer Braunkohlerevier
- Erstellung einer Auslaufkonzeption für die Braunkohlenutzung
5. KWK und Klima
Im Bereich des Energieangebots bedeutet Energieeffizienz die möglichste Vermeidung der Verluste bei der Umwandlung der Primärenergieträger in die - von Endverbrauchern (Nachfragern) genutzte - Endenergie. Diese Umwandlungsverluste machen gut ein Viertel des gesamten Primärenergieverbrauchs aus. Sie entstehen ganz überwiegend bei der Stromerzeugung. Durchschnittlich werden nur 38% der in den deutschen Kraftwerken eingesetzten Brennstoffenergie in elektrische Energie umgewandelt, 62% erwärmen als ungenutzte Abwärme die Umwelt.
Eine der besten Möglichkeiten, diese Umwandlungsverluste (und damit den Primärenergiebedarf) zu verringern und bedeutende Effizienzgewinne zu erzielen, bietet sich in der Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplungs-Technologie (KWK), bei der Strom in Kopplung mit nutzbarer Wärme (für Gebäudeheizung oder industrielle/gewerbliche Prozesse) erzeugt wird. KWK stellt - neben der nachfrageseitigen Energieeinsparung - das bedeutendste kurzfristig umsetzbare Potenzial zur Verminderung des Primärenergieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen dar.
KWK ist allgemein als effiziente, umweltfreundliche und zudem kostengünstige Energietechnologie anerkannt. Die Kommunen als wichtige Akteure beim KWK-Ausbau stellen einen Teil der Weichen für die lokalen und regionalen Energiesysteme (und wirken auch hinsichtlich Motivation und Einbezug der Bevölkerung zu Energiebedarf und -angebot). Andere europäische Länder wie Dänemark, die Niederlande oder Finnland weisen einen Anteil des KWK-Strom von 35 bis über 50 % auf, während Deutschland nur über einen Anteil von ca. 10 % verfügt. Noch im Juli 2000 hatte die Bundesregierung mit dem Beschluss, eine gesetzliche Quoten-Regelung für den Ausbau von KWK einzuführen, die Erwartung geweckt, dass der KWK-Markt nachhaltig belebt werden könnte. Am 25. Januar 2002 hat die Regierungsmehrheit im Bundestag das KWK-Gesetz, welches die Regelungen des bisherigen "KWK-Vorschalt-Gesetzes" ersetzt, verabschiedet. Von einer Quotenregelung ist darin jedoch nichts mehr zu finden.
Statt dessen arbeitet es mit einer Bonusregelung, die lediglich einer begrenzten Anzahl von KWK-Anlagen zu Gute kommt und die Modernisierung bestehender sowie den Bau neuer und dezentraler KWK-Anlagen aber weitgehend verhindert. Damit bleibt das Gesetz weit hinter den umweltpolitischen Notwendigkeiten zurück, bremst den KWK-Ausbau und sichert die Vormachtstellung der großen Stromversorger ab. Es ist bereits jetzt klar absehbar, dass diese, von Umwelt- und Fachverbänden als völlig unzulänglich kritisierten Regelungen, das gesetzte Ziel bei weitem nicht erreichen werden.
Daher fordern die NRO:
- die im KWK-Gesetz für 2004 vorgesehene Überprüfung der Zielerreichung (Monitoring) auf das Jahr 2003 vorzuziehen,
- angesichts der absehbaren Zielverfehlung bereits eine verbesserte Regelung mit der (den KWK- Potenzialen angemessenen) Zielsetzung vorzubereiten, die KWK- Stromerzeugung bis 2010 gegenüber 1998 zu verdoppeln (dabei muss sowohl die industrielle KWK als auch die kommunale KWK für Nah- und Fernwärme berücksichtigt werden) und
- die Bonusregelung für kleine Anlagen (die von der Stromwirtschaft durch Absenkung der Grundvergütung für eingespeisten Strom unterlaufen wurde) umgehend durch eine gesetzliche Einspeisevergütung analog zum EEG zu ersetzen.
6. Erneuerbare Energien
Der herausragende Erfolg beim Ausbau erneuerbarer Energien in der Bundesrepublik Deutschland ist ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung. Innerhalb weniger Jahre konnte der Anteil regenerativer Energie am Stromverbrauch auf acht Prozent gesteigert werden. Vor dem Hintergrund, dass knapp 40 Prozent der deutschen CO2-Emissionen aus Kraft- und Fernheizwerken stammen, wird damit auch ein erheblicher Beitrag zur Einsparung von CO2-Emissionen geleistet. Diese Entwicklung ist beispiellos in Europa. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) dient weltweit als Vorbild für Länder, die effizient klimaschonende Energien fördern wollen. Inzwischen arbeiten in Deutschland über 130.000 Menschen in der Zukunftsbranche regenerative Energien, im Wesentlichen in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Während die herkömmliche Energiewirtschaft nach wie vor durch monopolartige Strukturen gekennzeichnet ist, wächst mit der dezentralen Stromerzeugung durch erneuerbare Energien eine diversifizierte Versorgungsstruktur heran, welche wichtig für die dauerhafte Sicherung der Versorgungssicherheit ist.
Langfristig sind Wind, Wasser, Solarenergie, Geothermie und Biomasse in der Lage, unseren gesamten Bedarf an Strom, Wärme und Kraftstoffen zu decken - allerdings nur, wenn die Endenergie effizient eingesetzt wird. Als ehrgeiziger, aber realistischer Zwischenschritt kann nach Plänen der Bundesregierung bis 2050 mindestens die Hälfte des deutschen Primärenergiebedarfes durch regenerative Energien abgedeckt werden. Dafür sind alle regenerativen Energieträger in einem ausgewogenen Mix bei einer insgesamt deutlich geringeren Energie-Nachfrage konsequent auszubauen. Zu diesem Ergebnis kommen die Enquete-Kommission Nachhaltige Energieversorgung des deutschen Bundestages sowie die im Auftrag des Umweltbundesamts erstellten Langfristszenarien für eine nachhaltige Energienutzung in Deutschland.
Das Erreichen des 50%-Anteils erneuerbarer Energien als Mindestziel muss Grundlage der Energiepolitik sein. Die Umweltverbände gehen davon aus, dass dieses Ziel deutlich übertroffen werden kann.
Für das Erreichen des 2020-Klimaschutzziels ist - auch vor dem Hintergrund des Atomausstiegs - der Ausbau der Erneuerbaren Energien im Strom- und Wärmesektor essenziell. Ein Anteil von 30 % an der Stromversorgung und 15 % am Primärenergieverbrauch ist ein sowohl angemessenes als auch realistisches Ziel. Bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung würde damit nicht nur der Ausstieg aus der Atomenergienutzung im Stromsektor klimaneutral aufgefangen werden, sondern darüber hinaus Einsparziele verwirklicht. Es ist davon auszugehen, dass von den 30 % regenerativem Strom etwa 15 % aus Wind (auch Offshore), 5 % aus Wasser, 5 % aus Biomasse und 5 % aus Photovoltaik und Geothermie bereitgestellt werden können. Beim Primärenergieverbrauch schlagen zusätzlich Wärmegewinnung aus Biomasse, Geothermie und Solarthermie sowie Kraftstoffe aus Biomasse zu Buche.
Im Einzelnen sind Maßnahmen zur Förderung regenerativer Energien in folgenden Bereichen zu treffen:
- Fortsetzung und Weiterentwicklung des EEG mit differenzierten und anreizbietenden Mindestvergütungen für alle erneuerbaren Energiequellen.
Hemmnisse beim Einsatz erneuerbarer Energien wie Streit um die Definition des Netzanschlusses oder Netzausbaus sind durch entsprechende Regelungen zu beseitigen. Dabei erscheint es sinnvoll, auch die Kosten für den Netzanschluss von unter die Regelung des EEG fallenden Anlagen durch den Netzbetreiber bzw. die Allgemeinheit tragen zu lassen.
- Ergänzend zur Förderung der regenerativen Stromerzeugung durch das EEG ist die freiwillige Nachfrage nach sauberem Strom zu steigern, um dauerhaft die Stellung erneuerbarer und effizienter Stromerzeugung auf dem Markt zu sichern. Um das Bewusstsein der Konsumenten für die Problematik und ihre Wahlfreiheit bezüglich des Strombezugs zu schärfen, ist insbesondere die verpflichtende Kennzeichnung aller Stromprodukte hinsichtlich der Primärenergieträger und ihrer Umweltauswirkungen einzuführen. Die öffentliche Hand muss eine Vorbildfunktion übernehmen, z.B. durch den Bezug von "grünem Strom" und die Nutzung von Dachflächen öffentlicher Gebäude für Photovoltaik und Solarthermie.
- Die Strategie für die breite Markteinführung aller erneuerbaren Energieträger ist weiterzuentwickeln. Dabei ist auch im Wärme- und Kraftstoffmarkt ein wirksames Förderinstrument für die Nutzung regenerativer Energien notwendig. Unterstützt werden sollte dies z.B. durch eine die externen Kosten widerspiegelnde Besteuerung konventioneller Energieträger. Für den Strommarkt ist eine Differenzierung der Stromsteuer nach CO2-Intensität der Herstellung ein gangbarer Weg, um Kohlestrom zurück zu drängen und regenerativen Strom zu fördern.
- Im Bereich Forschung und Entwicklung sind neben der technologischen Weiterentwicklung erneuerbarer Energien auch die Speicher- und Vernetzungstechnologien zu fördern, um langfristig fluktuierende Energieträger besser nutzen zu können.
7. Energieeffizienz und Klima
Rationelle Energienutzung
Mittelfristig werden die fossilen Energieträger, die derzeit rund 85% des deutschen Primärenergieverbrauchs decken, trotz des Ausbaus der erneuerbaren Energien eine tragende Rolle behalten. Der Steigerung der Energieeffizienz kommt in allen Stadien der Entwicklung höchste Bedeutung zu. Gleichzeitig ist aus Klimaschutzgründen als Übergangslösung Kohle durch Erdgas zu substituieren, um die Kohlenstoffintensität des eingesetzten Brennstoffes zur reduzieren. Zudem muss der Energieverbrauch insgesamt kontinuierlich sinken.
Zur breitflächigen Unterstützung der Energieeinsparaktivitäten im Bereich der Endverbraucher sollte ein deutsches Forum für Energieeffizienz geschaffen werden. Das Effizienzforum sollte als wettbewerblicher Moderator und Katalysator auftreten und durch seine Aktivitäten im liberalisierten Energiemarkt Marktkonditionen verändern, zusätzlichen Wettbewerbern den Boden bereiten und insgesamt die Diffusion von Effizienztechnologien beschleunigen.
Stromnutzung
Im Bereich der Stromanwendung bleiben derzeit noch enorme Einsparpotenziale ungenutzt. Es fehlt ein stringentes Normenwesen und eine vollständige, am neuesten Stand der Technik orientierte Klassifizierung für alle stromverbrauchenden Geräte.
Forderungen der NRO:
- Im Bereich der Haushaltsgeräte sind elektrische Warmwasserbereiter in die Verordnung zur Energieverbrauchskennzeichnung (EnVHV) einzubeziehen und Verbrauchshöchstwerte für alle Geräte zu verordnen. Kurzfristig muss die Kennzeichnung der Geräte (etwa durch Einführung eines energy plus - Label) aktualisiert werden, da fast alle schon im a-Bereich sind.
- Die Hersteller von Haushaltsgeräten müssen dazu verpflichtet werden, dass Stand-by-Funktionen nach einer gewissen Zeit von Nicht-Benutzung automatisch vollständig abgeschaltet werden.
- Im Bereich Heim- und Büroelektronik sollte das Label der "Gesellschaft Energielabel Deutschland" (GED), das den Stand-by-Verbrauch klassifiziert, für bundesweit verbindlich erklärt werden. Alle Standards sind laufend der technischen Entwicklung anzupassen
- Im Bereich Gebäudetechnik ist die Erarbeitung der Verbrauchskennwerte für Heizenergie und elektrische Energie im Rahmen der VDI 3807 zügig voranzutreiben, es sollten Mindesteffizienz-Standards auf der europäischen Ebene eingebracht und durchgesetzt werden sowie das Planungsinstrumentarium zur Optimierung des Elektrizitätsbedarfs von Gebäuden hinsichtlich Transparenz und Praxisnähe weiter entwickelt werden. Der Bund sollte zusammen mit den Bundesländern ein Impulsprogramm zur Qualifizierung der Planer, Ingenieure und auch der Elektroinstallateure auflegen. Für öffentliche und gewerbliche Gebäude sollte die Erstellung von Energiepässen vorgeschrieben werden, in denen der Stromverbrauch detailliert dokumentiert wird. Ziel ist es, den Stromverbrauch jährlich um 1 bis 2 % zu reduzieren.
Die größten Energiesparpotenziale sind im Gebäudebestand zu finden. Gleichzeitig wäre ein ambitioniertes Gebäudesanierungsprogramm ein bedeutendes Beschäftigungsprogramm für die Bauwirtschaft und würde eine Verbesserung der Bausubstanz mit sich bringen.
Die Ende 2001 erlassene Energieeinsparverordnung (EnEV) setzt Grenzwerte des Energiebedarfs für Heizung und Warmwasser bei Neubauten, die erheblich oberhalb des wirtschaftlich zumutbaren Niveaus liegen und sogar über dem des ursprünglichen Referentenentwurfs. Zudem enthält die EnEV sachlich unvertretbare Konzessionen für elektrische Heizung und Warmwasserbereitung.
Forderungen der NRO:
- Nachbesserungen an der EnEV. In einer ersten Novellierung sollten verschärfte Anforderungen an die Bestandssanierung in die EnEV aufgenommen werden, um eine Intensivierung der energetischen Sanierung des Gebäudebestandes zu erreichen.
- Diesem Ziel dient auch, für Altbauten ab dem Jahr 2006 verbindlich einen Energiebedarfsausweis vorzuschreiben; parallel dazu sind im Mietrecht Voraussetzungen für einen ökologischen Mietspiegel zu schaffen, der auch die energetische Qualität von Gebäuden berücksichtigt.
- Darüber hinaus sind in der EnEV die Anforderungen für Neubauten durchgängig auf den wirklichen Niedrighausstandard anzuheben sowie die Ausnahmetatbestände für elektrische Heizung und Warmwasserbereitung zeitlich zu verkürzen. Für eine spätere Novellierung kann das vorgesehene Passivhausprogramm Grundlagen zur weiteren Verschärfung der Anforderungen an Neubauten liefern. Ziel muss es sein, jährlich rund 500.000 Wohnungen des Altbaubestandes energetisch zu modernisieren.
Die Öffentliche Hand sollte hinsichtlich Energiesparen Vorbildfunktionen erfüllen. Das gilt insbesondere für das Beschaffungswesen, für die Einführung eines dauerhaften Energiemanagements in allen Liegenschaften, für die verbindliche Anwendung energiesparender Planungsinstrumente und für die Durchführung von Energiesparinvestitionen auf dem Wege des Contracting. Das öffentliche Haushaltsrecht ist zu modernisieren, um Behinderungen der energetischen Sanierung öffentlicher Gebäude und Liegenschaften zu beseitigen.
Der Verkehrsbereich zählt für die meisten Industrieländer zu den am stärksten wachsenden Emissionssektoren und zu den größten Verursachern von Treibhausgasemissionen. Nur mit wirksamen Maßnahmen kann das deutsche Emissionsziel bis 2020 ermöglicht werden.
Für den Güterverkehr ist eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Verkehrsleistung anzustreben und umzusetzen. Weiter ist eine Erhöhung des Verkehrsträgeranteils der Schiene notwendig. Angeregt durch die Wirkung des "Klimaziels 2005" der Bundesregierung fordern wir die Politik auf, ein Güterverkehrsziel zu formulieren und sodann geeignete Maßnahmen zu ergreifen, damit dieses Ziel erreicht wird. Die Zielerreichung sollte jährlich überprüft werden. Auf ein eventuell auftretendes Auseinanderklaffen von Ziel und Realität soll durch wirkungsvolle zusätzliche Maßnahmen reagiert werden. Die LKW-Maut (LSVA) stellt hierzu eine erste Maßnahme dar und muss entsprechend der erwünschten Entwicklung des Modal-Split angepasst werden. Wir setzen uns für das Güterverkehrsziel ein, mindestens ein Drittel des jährlichen Zuwachses im Güterverkehr in Deutschland (genauer: des Güterverkehrsaufwandes, gemessen in Tonnenkilometer) auf der Schiene zu erbringen.
Die europäische Politik der Einführung und schrittweisen Verschärfung von Grenzwerten für gesundheits- und naturschädigende Schadstoffe ist sehr erfolgreich. Die Luft in unseren Städten ist sauberer geworden. Diese Erfolgsgeschichte sollte für den Klimaschutz fortgeschrieben werden. Es müssen für alle Verkehrsmittel Grenzwerte für Treibhausgase eingeführt werden. Ein sehr wichtiges und effektives Instrument zur Reduzierung von Treibhausgasen können Grenzwerte für den CO2-Ausstoß aller Verkehrsmittel sein. Für Pkw sollte ab 2006 ein Grenzwert von 120 Gramm pro Kilometer eingeführt werden. Fahrzeuge, die einen höheren CO2-Ausstoß haben, werden mit einer linear steigendenden Klimasteuer belegt, die auf die Kfz-Steuer aufgeschlagen wird (siehe VCD-Auto-Umweltliste). Eine solche Regelung ist national möglich. Der Grenzwert sollte schrittweise verschärft werden, der zusätzliche durchschnittliche Kraftstoffverbrauch und entsprechende CO2-Ausstoß durch Nebenaggregate ist einzubeziehen. Analoge Regelungen sollten für alle Treibhausgas-emittierenden Verkehrsmittel initiiert werden.
Für den ruhenden Verkehr sind Maßnahmen einzuleiten, um die Bevorzugung des PKW abzubauen. So soll in weiteren Teilen der Städte kein kostenfreies Parken mehr möglich sein. Die von vielen Arbeitgebern für ihre Mitarbeiter bereitgestellten kostenlosen (teuren) Parkplätze sollen als geldwerter Vorteil versteuert werden. Zur Stärkung der Vitalität der Innenstädte und deren Lebensqualität ist eine Verkehrserzeugungsabgabe in Form einer Abgabe auf Gewerbeparkplätze und auf Parkplätze von Einzelhandelsunternehmen zu erheben. Das erzielte Aufkommen kann für Steuersenkungen an anderer Stelle, etwa bei der Gewerbesteuer, genutzt werden. Die Absenkung - und mittelfristig Abschaffung - der Entfernungspauschale für Arbeitnehmer unterstützt eine zukunftsverträgliche Siedlungsentwicklung und vermeidet damit Treibhausgasemissionen. In diesem Sinne soll gleichermaßen die Eigenheimzulage für Neubauten reduziert werden.
Die Maßnahmen zur Förderung des Fahrradverkehrs, wie sie im Nationalen Radverkehrsplan angerissen werden, sind fortzuführen und auszubauen. Weil besonders der Kurzstreckenverkehr mit Kfz zu hohem spezifischen Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß führt, sollten Städte auch aus Gründen des Klimaschutzes durch fußgänger- und fahrradfreundliche Planung und bauliche Umgestaltung attraktiver für nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer gestaltet werden. Für eine Fülle von Einzelmaßnahmen von der Änderung der StVO und abgeleiteter Richtlinien bis hin zur Schulwegegestaltung ist die Politik in Bund, Ländern und Gemeinden gefragt. Auch hier spielen die Kommunen eine wichtige Rolle, indem sie mittel- und langfristig durch Stadtentwicklungsplanung und Infrastrukturinvestitionen die Weichen für die lokalen und regionalen Verkehrssysteme stellen und dadurch auf Bedarf und Angebot einwirken. Sie können so Potenziale erschließen, die kaum ein anderes Instrument erreicht.
Um die in vielen Städten durch die weggefallenen Monopolgewinne der Energiesparten vorgenommenen Angebotsverschlechterungen beim ÖPNV aufzufangen, ist ein Teil (etwa 0,5 Mrd Euro/a) der Finanzlücke durch ein neues Finanzierungsinstrument für den ÖPNV zu schließen. Durch die Einführung von Wettbewerb sollen ÖPNV-Leistungen höherqualitativ erbracht werden. Die Ausschreibungsanforderungen an die ÖPNV-Leistungen sollten möglichst über die gesetzlich vorgeschriebenen Umweltstandards hinausgehen sowie auch Zielvorgaben für jahresgemittelte durchschnittliche spezifische Treibhausgasemissionen pro Fahrgastkilometer beinhalten. Eine Belohnung der Verkehrsunternehmen bei hoher Nachfrage von "Wahlfreien" nach ÖPNV-Leistungen ist anzudenken. Die positiven Erfahrungen mit der neuen City-Maut in London sollten auch in Deutschland umgesetzt werden, um die Staubelastung in Städten zu senken und Finanzmittel für den ÖPNV zu schöpfen. Auch Einsparungen an anderen Stellen - etwa beim Verzicht auf weiteren Straßenausbau - sollten für den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs verwandt werden, damit dieser eine verkehrliche Alternative mit ähnlichen Qualitätsstandards wie das automobile System bietet.
Die Verkehrsinvestitionspolitik muss konsequent am Klimaschutzziel und den anderen Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet werden. Der Entwurf des neuen Bundesverkehrswegeplan, der von einem weiteren Anstieg der CO2-Emissionen ausgeht, wird den Anforderungen einer nachhaltigen Mobilitätspolitik nicht gerecht (vgl. die Stellungnahme dazu auf www.bvwp.de). Positiv ist zwar, dass die Bundesregierung den überfälligen Strategiewechsel zu Gunsten ausreichender Bestandsinvestitionen bei allen Verkehrsträgern vornehmen will. Fatal für die Umwelt ist jedoch, dass der Straßenbauetat auf ein neues Rekordniveau angehoben werden soll, während die Mittelansätze für die Schiene lediglich auf dem heutigen Niveau stagnieren. Die auch von der Bundesregierung angestrebte Verlagerung von Straßenverkehr auf die Schiene ist so nicht zu erreichen. Bei den laufenden Abstimmungen zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplanes 2003 müssen daher als Beitrag für eine zukunftsfähige Verkehrsinvestitionspolitik folgende Punkte nachgebessert werden:
- Umschichtung von Investitionsmitteln für den Straßenneu- und -ausbau zu Gunsten der Förderung umweltorientierter Mobilitätsangebote (Ausbau der Schiene, Umsetzung des nationalen Radverkehrswegeplanes, stärkere Förderung der Vernetzung der Verkehrsmittel).
- Straßenbau nur noch in Ausnahmenfällen (zum Abbau hoher lokaler Umweltbelastungen oder bei erheblichen Erreichbarkeitsdefiziten), dabei Realisierung von umweltverträglichen Straßenbaulösungen auf Basis einer integrierten Verkehrsplanung unter Einschluss einer Strategischen Umweltprüfung. Im Fernstraßenausbaugesetz sollte daher nur der verkehrliche Handlungsbedarf für eine Verkehrsrelation festgelegt werden, nicht aber der Planungsauftrag für ein konkret benanntes Bundesfernstraßenprojekt.
- Vorlage einer realistischen Schienennetzstrategie, mit der bis zum Jahr 2015 die zentralen Projekte für einen sinnvollen Kapazitätsausbau tatsächlich umgesetzt werden können, sowie Entwicklung einer Bund-Länder-Gemeinschaftsinitiative zur Modernisierung und Reaktivierung regionaler Schienentrassen.
- Für die Umsetzung einer ökologischen Fluss- und Binnenschifffahrtspolitik dürfen weitere Investitionen nur im Rahmen integrierter, naturverträglicher Flusskonzepte erfolgen. So lange diese nicht erarbeitet sind, sollte im Bundesverkehrswegeplan nur die Finanzierungslinie für Bundeswasserstraßen ausgewiesen werden, nicht aber konkrete Einzelprojekte.
Die Sequestrierung von CO2 ist eine klassische (nachsorgende) end-of-the-pipe-Technologie, die die Nutzung herkömmlicher fossiler Energieträger verteuert und durch eine Minderung der Kraftwerkswirkungsgrade einen erhöhten Verbrauch fossiler Brennstoffe erfordert. Sie steht in Konkurrenz zur großmaßstäblichen Nutzung von Erneuerbaren Energieträgern, was gegenwärtig insbesondere die Ausrichtung der Forschungsmittel angeht.
Als Lagerstätten kommen grundsätzlich geologische Formationen einerseits und der Ozeane andererseits in Frage. Schon beim gegenwärtigen Wissensstand ist eine Lagerung von CO2 im Ozean abzulehnen, da dadurch Risiken im großen Maßstab in Kauf genommen werden, die experimentell nicht mit hinreichender Verlässlichkeit simuliert werden können. Die CO2-Lagerung im Ozean wäre ein Schritt zum Geo-Engineering, das ein neues gigantisches Großexperiment mit der Natur darstellt und das wir daher grundsätzlich ablehnen. Zur Lagerung in geologischen Formationen müssen durch Pilotprojekte noch weitere Aspekte zur Sicherheit der Lagerung und der Permanenz eingehend untersucht werden. Da die CO2-Entsorgung jedoch keine Hinwendung in einen weniger materialintensiven, verallgemeinerbaren Umgang mit Energie ist, sondern stattdessen eine Intensivierung des Stoffdurchsatzes und der Ausbeutung der Ressourcen bedeutet, lehnen wir Sequestrierung als Antwort auf die Herausforderung der anthropogenen Klimaänderung auf der Basis des derzeitigen Wissensstandes ab.
In den nächsten zwei Dekaden wird sich entscheiden, ob und in welchen Größenordnungen die CO2-Abtrennung aus Brennstoffen oder Rauchgasen von Kraftwerken und die Einlagerung in geologische Formationen als zusätzliche, machbare und akzeptable Option für die Erreichung weiterer CO2-Minderungsziele erweist. Kurzfristig kann sie jedoch keinen bedeutenden Beitrag leisten.
10. Eckpunkte Europäischer Energie- und Klimapolitik
Die Europäische Union (EU) hat im Vergleich zu den USA, Japan und Kanada das sicherlich einfachste Klimaziel. Als Kyoto 1997 verabschiedet wurde, hatten die ökonomisch mächtigsten Länder(gruppen) sehr ähnliche Klimaziele. Praktisch aber waren zu diesem Zeitpunkt die CO2 Emissionen der Nicht-EU Länder schon um bzw. weit über 10% des Niveaus von 1990 geklettert. Vor allem Dank der Maßnahmen in Deutschland und England hatte die EU aber ihre Emissionen zu diesem Zeitpunkt schon auf dem Level von 1990 stabilisiert. In Japan, USA und Kanada wären weitaus drastischere CO2 Reduktionen notwendig als in der EU, um das "ähnliche" Ziel zuhause zu erreichen. Auch aus diesem Grund waren und sind die Nicht-EU OECD Staaten so stark interessiert an Senken-Projekten und am internationalen Emissionshandel.
Damit die EU ihre verbleibenden Prozente an Treibhausgasemissions- Reduktionen bis 2012 erreicht, sind vor allem europäisch koordinierte Politiken notwendig. Zusätzlich müssen langfristige Ziele und Zeithorizonte entwickelt und mit den Nicht-EU-Staaten als auch mit den Entwicklungsländern verhandelt werden. Die Architektur der Energie- und Klimapolitiken, die heute vorgeschlagen und verabschiedet werden, muss nicht nur den eher kurzfristigen Bedürfnissen bis 2012 genügen. Sie muss potenziell auch 2020 und 2050 noch Zähne haben.
Fundamental wichtig ist, die Diskussion um mittel-langfristig internationale CO2-Verringerungsziele mit jenen technologisch-ökonomischen Potenzialen zu verbinden, die es Industrie und Regierung möglich machen, "post-Kyoto"-Zielsetzungen nicht als Wettbewerbsverzerrung und weitere Bedrohung ihrer ökonomischen Ziele, sondern als Chance für Innovation und neue Märkte begreifen.
In diesem Kontext ist die politische Fokussierung auf Energieeinsparung und energiesparende Technologien Bündnis-bildend. Gerade auch, weil die Debatte um die 'Sicherheit der Energieversorgung' dazu tendiert, die Klimadebatte zu verdrängen, müssen die gemeinsamen Synergieeffekte hervorgehoben werden. Zu oft sind leider die Schwerpunkte auf Erneuerbare Energien alleine gesetzt worden. Wenn es nicht geschafft wird, die ökonomische Energieproduktivität (Energieverbrauch pro Produkt/Serviceeinheit) auf bis zu 3% pro Jahr in den nächsten Dekaden zu steigern, also in der Regel über die erwarteten ökonomischen Wachstumsraten von bis zu 2% p.a. in der OECD und weltweit, können ambitionierte Klimaziele von 60% und mehr CO2 Reduktion zur Jahrhundertmitte weltweit nicht eingehalten werden. Massiver Ausbau der Erneuerbaren ist nur im Konzert mit Energiesparmassnahmen klimapolitisch sinnvoll und ökonomisch.
In diesem Sinne sind die folgenden Politiken und Handlungsschwerpunkte sicherlich vorläufige Prioritäten für die nächste Zukunft einer inner-europäischen - und das heißt EU-25 (!) - verlässlichen und nachhaltigen Klima- und Energiepolitiksetzung.
1. Volle Unterstützung des deutschen Vorschlages, in einem ersten Schritt die Emissionen der EU um 30% bis 2020 im Vergleich zu 1990 zu verringern. Darüber hinaus sollte die EU an einem Vorschlag arbeiten, die Emissionen in allen Industriestaaten um etwa 70 - 80% bis Mitte des Jahrhunderts zu verringern, um langfristige Leitplanken für die Investitionssicherheit einer eher global orientierten energieintensiven Industrie und für den Stromsektor zu etablieren. Einhergehend sollten in den Kyoto-Verhandlungsrunden vorsichtig die Bedingungen für die Teilnahme von sich schnell-industrialisierenden Entwicklungsländern mit hohen Emissionen an globalen Reduktions-Zielen diskutiert werden. Dito bedarf es einer separaten "USA-Strategie" - ohne die US an Bord, wird es sehr schwierig!
Das weltweite Ziel der NRO, eine maximale Temperaturerhöhung von global 2 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu tolerieren (vgl. Abschnitt 11), ist nur einhaltbar, wenn Emissionsreduktionen in dieser Größenordnung vorgenommen werden. Dieses "2-Grad-Ziel" ist übrigens von einem früheren EU-Ministerrat bereits akzeptiert worden.
2. Alle in der EU zu vereinbarenden klimarelevanten Richtlinien sollten auf Zielen und Zeitvorgaben basieren. Diese sollten idealerweise nicht nur den näheren Zeithorizont (2010, 2020) betrachten, sondern auch architektonische, legale Komponenten enthalten, Ziele nachzubessern oder Richtlinien zu erweitern. Zum Beispiel sollte ziemlich bald die Initiative gestartet werden, die bestehende EU- Richtlinie für den Ausbau der Erneuerbaren Energien auf 12% des Primärenergieverbrauchs bis 2010, um anspruchsvolle Ziele von etwa 25-35% für 2020 oder 2030 zu ergänzen. Zur Erinnerung: bis zur endgültigen ministeriellen Verabschiedung der Erneuerbaren Richtlinie im Herbst 2001 vergingen etwa 8 Jahre, seit eine ernste Diskussion um europaweite Ziele für Sonne, Wind andere Erneuerbare in Brüssel begann. Der nächste Schritt muss deutlich schneller begangen werden.
In diesem Zusammenhang sollten die Länder einem klaren Ziel für den europaweiten Ausbau von moderner und effizienter Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zustimmen. Ziele von 20% KWK am nationalen Stromverbrauch bis 2010 und 30-35% bis 2020 sind möglich und würden viel Energie einsparen.
3. Die EU (und die nationalen Regierungen) müssen alle Politiken und Maßnahmen, die die Förderung von Energiesparmaßnahmen zum Inhalt haben, überarbeitet werden, denn der Energieverbrauch - und hier besonders der von Strom - steigt ungehindert. So wichtig EU-Projekte von SAVE waren und sind, die finanzielle Ausstattung des gesamten Programms ließ nicht viel mehr als Nischenprojekte zu, die praktisch keinen Einfluss auf den realen Energieverbrauch der Gesellschaft haben. Auch das "Aktionsprogramm" oder die geplanten "Take-off campaigns" der Kommission für Energieeffizienz, um 100 Millionen EURO für drei Jahre, sind finanziell absolut unzureichend. In diesem Sinne sind völlig neue Ansätze notwendig um wegweisende und erfolgreiche Politiken zur gesellschaftlichen Verringerung des Energieverbrauchs zu bewerkstelligen. Wichtige Elemente sind sicherlich die Fokussierung auf legale Standards, die z.B. den "stand-by" Verbrauch von Elektrogeräten nicht über 0,5 bis 1 Watt steigen lassen und eine dynamische Verbesserung der Minimumverbrauchstandards der wichtigsten Energieverbraucher in Haus, Büro und Fabrik regeln, den Wärmeverlust in Gebäuden durch Modernisierung regeln sowie den ständig steigenden Individualverkehr adressieren.
4. Das Potenzial für übergreifende, internationale strukturbeeinflussende Politiken ist in der EU völlig unterentwickelt. Gerade um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und Marktdurchbrüche von den modernsten, effizientesten und saubersten Geräten zu erzielen, sollten einheitliche Regelungen für z.B. das öffentliche Beschaffungswesen und Befreiungen von der Mehrwertsteuer für die jeweils effizientesten/saubersten Produkte gewährleistet werden. Durch den gesetzlich verankerten Vorrang für die umweltschonendsten Anschaffungen können Märkte in Europa verschoben werden - das öffentliche Beschaffungswesen kontrolliert etwa 20% des gesamten stofflichen Ressourcenflusses in der EU.
5. Eine fundamental wichtige Politik in Europa wird der europaweite Emissionshandel sein. Nicht nur, dass dieses das größte vergleichbare Emissionshandelssystem der Erde und wahrscheinlich das größenordnungsmäßig wichtigste Element sein wird, mit dem Europa seine Kyoto-Verpflichtungen erfüllt. Der rein erzieherische Effekt, dass verschmutzende Großfirmen individuell einer absoluten Grenze des CO2-Ausstosses unterworfen werden, gleicht einem Zivilisationsbruch für viele Vorstandsetagen. In diesem Zusammenhang ist das Niveau der individuellen CO2-Erlaubnis zumindest in den ersten Jahren relativ unerheblich, weil das Niveau von nun an unweigerlich und regelmäßig verringert wird. Kohlenstoff hat somit einen ständig steigenden Preis. CO2-Management ist neu für die meisten Firmen, wird aber helfen, die Verantwortung für nationale Emissionsreduktionen von der Regierung auf weitere Akteure zu verlagern.
Europäische Akteure - und das ist nicht nur die Kommission - werden von Anfang an darauf achten müssen, dass die im Vierjahresrhythmus vorzulegenden nationalen Allokationspläne keinerlei Bevorzugung bestimmter Industrien enthalten.
6. Von großen Energiekonzernen wird wieder vermehrt ein Ausbau der Atomenergie als vermeintlicher Beitrag zum Klimaschutz in die Diskussion gebracht. Dies lehnen die NRO entschieden ab. Mit Hilfe der in diesem Papier dargestellten Maßnahmen ist ambitionierter Klimaschutz auch ohne Atomenergie wirtschaftlich. Die unkalkulierbaren Sicherheitsrisiken der Atomenergie dürfen nicht länger hingenommen werden. Die Bundesregierung sollte sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass die Atomenergie auch in den anderen EU-Staaten nicht länger privilegiert wird.
11. Internationale Klimapolitik
Die Klimawissenschaft, die in den Berichten des IPCC (der weltweit wissenschaftlich höchsten Autorität in Klimafragen) in ihrem jeweils aktuellsten Stand beschrieben wird, ist der Ausgangspunkt und der Treiber für die politischen Verhandlungen im Rahmen der Klimakonvention. Die im Kyoto-Protokoll festgeschriebenen Emissionsreduktionen sind nur ein erster zaghafter Schritt in einem Jahrzehnte währenden Klima-Marathon. Die weltweiten Treibhausgasemissionen müssen entsprechend dem IPCC mehr als halbiert werden, und wir fordern daher - im Gleichklang mit mehreren Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestags - eine Halbierung bis zur Mitte dieses Jahrhunderts. Für die Industrieländer bedeutet das eine Emissionsreduktion um 80 Prozent in diesem Zeitraum, um den Entwicklungsländern das Recht auf eine Nachhaltige Entwicklung zur Erfüllung der Grundbedürfnisse zu ermöglichen. Damit könnte eine Stabilisierung der atmosphärischen CO2-Konzentration deutlich unterhalb von 450 ppm CO2 ermöglicht werden, was die NRO als notwendige Bedingung sehen, damit die Erwärmung durch die anthropogene Klimaänderung unterhalb von 2 Grad bleibt. Dies ist die langfristige Vorgabe, mit der Zwischenziele (etwa für die zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls oder für das Jahr 2020) kompatibel sein müssen.
Die Verhandlungen um die zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls (und nachfolgende Zeiträume) müssen auch Emissionsbeschränkungen für gewisse Entwicklungsländer und/oder verbindliche Vereinbarungen über Politiken und Maßnahmen beinhalten. Notwendige Voraussetzung für diesen Schritt ist allerdings, dass die Industrieländer überzeugende Anstrengungen unternommen haben, ihre Emissionen zu reduzieren, und entsprechende Emissionsreduktionen nachweisen können.
Folgende Kriterien sollen für die Vorgaben der zweiten Verpflichtungsperiode in Betracht gezogen werden: das Recht auf Nachhaltige Entwicklung, die Pro-Kopf-Emissionen für die langfristige Zielformulierung, die historische Verantwortung, die Fähigkeit, Maßnahmen zu ergreifen (auch hinsichtlich der Finanzausstattung), die nationale Ausstattung mit fossilen Ressourcen und das herrschende Klima.
Als größter Emissionsbereich von Treibhausgasen, der von den Emissionsbeschränkungen des Kyoto-Protokolls bisher nicht betroffen ist, gelten die Emissionen des internationalen Luft- und Seeverkehrs. In Abschnitt 8 sind unsere Forderungen dazu dargelegt.
BUND (Friends of the Earth Germany), Dr. Gerhard Timm, gerhard.timm@bund.net
Deutscher Naturschutzring (DNR), Helmut Röscheisen, helmut.roescheisen@dnr.de
Forum Umwelt & Entwicklung, Jürgen Maier, chef@forumue.de
Germanwatch e.V., Christoph Bals, Bals@germanwatch.org
Klima-Bündnis, europäische Geschäftsstelle, Gotelind Alber, g.alber@klimabuendnis.org
klimamarsch e.V., Wulf Nachtwey, wulf.nachtwey@t-online.de
NABU, Dr. Frank Musiol, Frank.Musiol@nabu.de
Verkehrsclub Deutschland e.V. - VCD, Gerd Lottsiepen, gerd.lottsiepen@vcd.org
WWF Deutschland, Claudia Kunz, kunz@wwf.de
sowie die Koordinatoren der AG Klima des Forum Umwelt & Entwicklung:
Bernd Brouns (Wuppertal-Institut), bernd.brouns@wupperinst.org
Dr. Manfred Treber (Germanwatch), treber@germanwatch.org
Antwort deutscher Umwelt- und Entwicklungsverbände auf eine Anfrage der SPD-Fraktion