Die EU-Agrarpolitik und Mongolisches Weidefleisch

 
von Amélie Schenk
 

Nomadenland Mongolei

Ein mongolisches Sprichwort aus alter Zeit lautet: Vom Khan bis zum einfachen Menschen stehen alle früh auf und leben mit ihrem Vieh auf den Weiden. Selbst im 21. Jahrhundert ist die Mongolei weitestgehend immer noch Nomadenland. Dort erzwingt die Natur das Nomadentum. Das Land mit extremen Wintern und Sommern ist in weiten Teilen wild und naturbelassen, also Primärnatur. Der Staat will bis zum Jahr 2020 30% seines Territoriums unter Schutz stellen. Auf einer viereinhalb mal so großen Fläche wie Deutschland leben zirka 23 Mill. Tiere (Stand Ende 2002) und 2,6 Mill. Menschen. Fast 1 Mill. wohnt in der Hauptstadt Ulaanbaatar und gut ein Drittel (etwa 800 000 Menschen) lebt als Nomaden mit und von den Tieren. Andere Möglichkeiten außer Viehzucht gibt es auf dem Land kaum. Das mongolische Hochland ist mehr als andere ökologisch vergleichbaren Länder Zentralasiens fast ausschließlich auf Viehzucht angewiesen. Hauptnahrungsmittel ist Fleisch von den fünf Tierarten (Schafe, Ziegen, Rinder, Pferde und Kamele), und der größte Wirtschaftsfaktor ist Fleisch, der allerdings noch weitergehend genutzt werden könnte, zumal es sich ausschließlich um nachgewiesen qualitativ hochwertiges Weidefleisch handelt.

Das Land war 1921 das erste, das nach Rusland kommunistisch wurde und es bis zum Jahr 1990 blieb. Seit der Wende vollzieht sich ein drastischer Wandel, bei dem sich die Schere zwischen Arm und Reich, Stadt und Land immer mehr auftut (37% der Bevölkerung gilt als arm). Hinzu kommen seit 1999 Jahr für Jahr extrem harte Winter mit Massentiersterben und Dürresommer mit großer Trockenheit, Wald- und Steppenbränden, Austrocknen der Flüsse und Absinken des Grundwasserspiegels. Der Viehbestand - (es sind frei weidende Tiere) verringerte sich in drei Jahren um zirka 12 Mill. Tiere und ist aufgrund der lang anhaltenden schlechten Wetterlage sehr geschwächt, kaum mehr fortpflanzungswillig.

Die Mongolei als Fall von entwicklungspolitscher Schädigung statt Förderung seitens der EU

Seit der Wende von 1990 ist der Fleischmarkt durch den Wegfall des Löwenanteils der Exporte zusammengebrochen und erholt sich kaum. Das hängt mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion zusammen. Die enge Anbindung an den Comecon bis 1990 bedingte, dass große Mengen Fleisch einschließlich Lebendtiere dorthin und in andere verbündete sozialistische Länder wie Bulgarien und DDR z. B. exportiert wurden (im Jahr bis zu 60 000 t). Russland hat schon seit dem Zarenreich die Mongolei als Fleischreservoir für die sibirische Bevölkerung und seine Truppen benutzt. Der Fleischexport war eine Hauptsäule der mongolischen Wirtschaft. Seit 1990 ist der Fleischexport sehr stark rückläufig und die Armut unter der Landbevölkerung hat enorm zugenommen.

Die EU-Politik ist an dieser Lage mit schuld: Staatlich subventioniertes Fleisch aus EU-Überschussbeständen, das in großen Mengen insbesondere 1999/ 2000 nach Russland gelangte, verdrängte mongolisches Fleisch vom Markt der GUS-Länder. Z.B. hat Russland 40 % seines Importfleisches mit Dumpingfleisch aus der EU (und den USA) gedeckt, so dass der Hauptabnehmer mongolischen Fleisches in Sibirien damit seinen Bedarf eindeckte und der mongolische Export um 40 % zurückgegangen ist. Leidtragende sind vor allem die Hirtennomaden der mongolischen Steppe.

Von allen vergessen, ist nun die seit langem bewährte Weidewirtschaft, die gesamte Existenz der Hirtennomaden in der Mongolei grundsätzlich gefährdet. Nicht zuletzt auch durch das Massentiersterben in den letzten Jahren, verursacht durch den globalen Klimawandel, der in einem Land, das von der Natur her spärlich mit Vegetation ausgestattet ist, sich mehr als andernorts bemerkbar macht, haben unzählige Nomadenfamilien alle ihre Tiere verloren. Sie stehen vor dem Ruin, Verelendung ist die Folge.

Zu der Krise der Hirtenvölker kommt das neue Programm zur Entwicklung des Landes der seit 2000 regierenden kommunistischen Regierung hinzu: die Vieh- und Landwirtschaft müsse endlich, der Mehrerträge willen, intensiviert werden. Die Vorhaben einzelner Unternehmer zielen auf Tierhaltungsformen hin, die gerade bei uns dabei sind, verabschiedet zu werden.

Deutschland ist der wichtigste Geber von Entwicklungshilfeleistung an die Mongolei: 1991 bis 2000 kamen 371 Mio. DM Hilfsgelder aus der BRD, die mit Auflagen für Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit verknüpft sind. Gleichzeitig hat Deutschland am meisten von den subventionierten EU-Rindfleischlieferungen in die GUS profitiert. Was die deutsche Entwicklungspolitik mit der einen Hand aufbaut, zerstört sie mit der anderen Hand durch ihr Agrardumping.

Gleichzeitig verweigert die EU auch den Marktzugang für mongolisches Fleisch auf ihren Märkten. 1998 hat die mongolische Regierung einen Antrag auf Zulassung als Exportland für Fleisch in die EU gestellt. Eine EU-Inspektionsmission zu den tierhygienischen Maßnahmen und der sanitären Situation machte Auflagen und erkannte einen Schlachthof als potentiell exportfähig an. Seit 2001 hätte die Mongolei als LDC (am wenigsten entwickeltes Land) Anrecht auf zoll- und quotenfreien  Marktzugang  50.000 t ständen als Fleischreserve zur Verfügung.  Noch immer harrt die Mongolei auf die Anerkennung als seuchenfreies Land und auf die Anerkennung ihrer Schlachthäuser.

Der Marktzugang für mongolisches Fleisch wäre im Trend der Agrarwende von Künast und den besonderen Beschlüssen der WTO in Doha, wo ein Versprechen gegeben worden ist, dass für besonders ökologische Produkte die Öffnung der Märkte Vorrang hat. In der Hirtennomadengesellschaft der Mongolei wird zum jetzigen Zeitpunkt genau das von EU-Ländern bevorzugte Öko-Weidefleisch erzeugt.  Die mongolische Steppe ist weitestgehend naturbelassen, reines Grasland, das nicht anders als durch extensive Weidehaltung zu nutzen ist.  Der Viehbestand ist gesund, weil die Rassen noch sehr robust und genetisch heterogen sind.

Der Vorschlag, das Bio-Fleisch aus der Mongolei als solches endlich anzuerkennen, stößt bei allen Gesprächspartnern, mongolischer aber auch europäischer Herkunft auf großes Wohlwollen. Viele sehen es als die Chance für die Mongolei, aber auch für Europa selbst.

Ulaanbaatar, den 28. Mai 2003
 

Dieses Hintergrundpapier wurde von der Mongolei-Expertin und Ethnologin Amélie Schenk im Auftrag von Germanwatch erstellt.
 

 

Autor:innen
Amélie Schenk
Publikationsdatum
ISBN
3-9806280-8-6
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