Noch keine fairen Handys

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Noch keine fairen Handys

Unternehmensverantwortung bei deutschen Mobilfunkanbietern
Cover: Noch keine fairen Handys

 
In Deutschland gab es im Jahr 2011 insgesamt 112 Millionen registrierte Handyanschlüsse. Damit zählte Deutschland weit mehr registrierte Handys als Einwohner. Da Mobilfunkanbieter vielfach mit dem Vertrag auch ein Handy an ihre Kunden verkaufen, haben sie eine Mitverantwortung für die sozialen und ökologischen Bedingungen in der IT-Industrie.

Aus diesem Grund veröffentlichte Germanwatch mit den Partnerorganisationen des europäischen Projektes makeITfair bereits im Oktober 2009 eine vergleichende Studie zur Unternehmensverantwortung von deutschen und europäischen Mobilfunkanbietern. Die Untersuchung zeigte, dass großer Verbesserungsbedarf entlang der gesamten Wertschöpfungskette besteht, um Handys fair und umweltfreundlich zu gestalten: bei Design, Produktion, Marketing sowie Recycling. Die Studie und eine Postkartenaktion im Jahr 2010 trugen dazu bei, dass die Deutsche Telekom, Vodafone, E-Plus und O2 zu diesen Themen stärker aktiv wurden.

In einer Folgestudie hat Germanwatch Mitte 2012 erneut die vier größten Mobilfunkanbieter in Deutschland hinsichtlich ihres Engagements für mehr Nachhaltigkeit in der Mobilfunkbranche untersucht. Die Studie zeigt, dass Mobilfunkanbieter zunehmend Verantwortung für die sozialen und ökologischen Probleme in der Mobilfunkbranche anerkennen und Maßnahmen zur Verbesserung ergreifen. Von einer nachhaltigen Branche und von fairen und ökologischen Handys sind wir allerdings immer noch weit entfernt.

Alle Unternehmen starteten Initiativen, um ihre angebotenen Mobiltelefone bezüglich sozialer und ökologischer Kriterien zu bewerten. So können Kunden von O2 seit 2011 den Eco Index beim Kauf eines Mobiltelefons als Orientierung nutzen. E-Plus hat in Kooperation mit dem Naturschutzbund ebenfalls ein Handy-Ranking vorgenommen. Die Ansätze von Vodafone und T-Mobile befinden sich noch in der Umsetzungsphase. Diese Initiativen sind einerseits positiv, weil sie dem Verbraucher Orientierung zu fairen und ökologischen Fragen geben wollen, andererseits bewirken sie auch genau das Gegenteil: Jedes Ranking ist anders aufgebaut und kommt demnach auch zu unterschiedlichen Ergebnissen. Zudem beruhen die Bewertungen ausschließlich oder stark auf Herstellerangaben und sind demnach nicht unabhängig. Bemühungen auf internationaler Ebene zu einer gemeinsamen Bewertung zu kommen, sollen immerhin eines der Probleme adressieren.

Auch in der Lieferkette wurden Unternehmen verstärkt aktiv. Alle erhöhten die Anzahl der externen Untersuchungen, sogenannten Audits, bei ihren Lieferanten. Die „Joint Audit Cooperation“, eine freiwillige Initiative europäischer Mobilfunkanbieter, auditiert Lieferanten bereits gemeinsam. Solange diese Audits jedoch nur die erste Zulieferstufe erfassen, nehmen sie viele Probleme der Branche gar nicht in den Blick.

Wenige Fortschritte sind bei den Sammelquoten alter Handys zu verzeichnen. Diese stagnieren bei den meisten Anbietern auf sehr niedrigem Niveau. Die Deutsche Telekom ist Vorreiter und hat in den vergangenen zwei Jahren über eine Million Handys eingesammelt – allerdings mit einem enormen Aufwand.

Generell beklagen die Mobilfunkanbieter ein geringes Interesse der Kunden für sozial und ökologisch verträgliche Mobiltelefone. Während Nachhaltigkeit in der Lebensmittel-oder Textilbranche für viele Verbraucher wichtig ist, interessieren sie sich bei Handys stärker für funktionelle Eigenschaften.

Wenn Kunden „grüne“ und „faire“ Handys nicht nachfragen, sehen Mobilfunkanbieter nur begrenzten Spielraum für ihr freiwilliges Engagement. Daher ist auch die Politik gefragt, mit intelligenten gesetzlichen Rahmensetzungen Impulse zu setzen und den Weg in eine nachhaltige und faire Mobilfunkindustrie zu ebnen.

Christina Schelhove