Dezentralisierung und Eigenstromerzeugung sind die Schlagwörter

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Dezentralisierung und Eigenstromerzeugung sind die Schlagwörter

Interview mit Dirk U. Hindrichs, Chef der Schüco-Gruppe
Foto: Dirk U. Hindrich

Im Moment tagt die Ethik-Kommission über den Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung in Deutschland. Was erwarten Sie von den Ergebnissen, die Ende Mai vorgestellt werden sollen?
Für mich gibt es keine Alternative zum zügigen Atomausstieg. Nach Fukushima bezweifelt niemand mehr, dass Kernenergie gefährlich und teuer ist. Preise für Kernenergie, ohne die Kosten für die Entsorgung und angemessene Versicherungskosten im Schadensfall, sind unvollständig. Ganz abgesehen davon, dass die Probleme dieser Technologie nachfolgenden Generationen und damit die wahren Kosten der Allgemeinheit aufgebürdet werden. Ich bin davon überzeugt, dass wir in Deutschland durch eine höhere Energieeffizienz und den kontinuierlichen Ausbau der Erneuerbaren Energien die Energieversorgung sicherstellen können, ohne den CO2-Ausstoß zu erhöhen.

Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich aus dem schnelleren Ausstieg aus der Atomenergie für Schüco?
80 % der Gebäude sind heute älter als 25 Jahre und energetisch nicht saniert. Über 30 % der Energie wird in Gebäuden verbraucht oder besser gesagt verschwendet. Die größten CO2-Einsparpotenziale liegen daher in Gebäuden und nicht im Verkehrssektor. Wir stellen uns diesen Herausforderungen: Das Schüco 2° System führt zu 80 % CO2-Einsparung gegenüber der Energieeinsparverordnung 2009. Alle Schlüsselprodukte hierfür wie zum Beispiel Fensterstrom bzw. thermisch aktive Wände sind serienmäßig verfügbar. Die ersten Objekte sind in Bau. Deshalb ist für unser Haus klar:

  • Innovative Sanierungssysteme tragen erheblich zur energetischen Verbesserung des Gebäudebestandes bei.
  • Gebäude können selbst mehr Nutzenergie erzeugen als sie verbrauchen.

Was sind die nächsten Schritte auf dem Weg zu 100 % Erneuerbare in Deutschland bis 2050? Wo sehen Sie die größten Hemmnisse?
Das Konzept einer modernen Stromversorgung liegt doch auf der Hand: Dezentralisierung und Eigenstromerzeugung sind die Schlagwörter. Häuser können schon heute mit Photovoltaik, Solarthermie und Wärmepumpen einen sehr großen Anteil der Energiebilanz decken. Kombiniert man dies noch mit entsprechenden Energieeinsparungen, wird unser Lebens- und Arbeitsraum unabhängig – autark. Bald werden wir zudem Speichertechnologien anbieten können, die es ermöglichen, den Strom aus der Sonne auch nachts bzw. zu einstrahlungsärmeren Tageszeiten zu verwenden und so über die forcierte dezentrale Nutzung auch die Netze zu schonen. Somit wird Photovoltaikstrom aus der Gebäudehülle kontinuierlich billiger – Netzstrom immer teurer.
Die größten Hemmnisse liegen dabei in den sich ständig wechselnden politischen Rahmenbedingungen, die z. B. die Photovoltaik betreffen. Wir brauchen Planungssicherheit und nicht alle drei Monate neue Vorgaben.

Was erwarten Sie von der Politik? Welche Rahmensetzung ist notwendig?
Ich erwarte von der Politik, dass sie richtungweisende Entscheidungen für eine atomstromfreie Energieversorgung trifft, die nachhaltig angelegt sind und mehr als eine Legislaturperiode Gültigkeit haben.

 

Interview: Daniela Baum

Schüco ist Anbieter von Fenster-, Türen- und Fassadentechnologie sowie Solartechnik. Das Unternehmen ist außerdem Mitglied der 2°-Initiative (www.initiative2grad.de).