WTO tagt, Kleinbauern hungern

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WTO tagt, Kleinbauern hungern

Es ist klar, welche Handelsmaßnahmen gegen Hunger und Armut helfen würden. Doch sie widersprechen dem Liberalisierungscredo der WTO und den Exportgelüsten der Agrarindustrie.

 

Um Milch, Zucker, Getreide, Gemüse, Bananen und Baumwolle geht es derzeit wieder bei den Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO). In Hongkong findet vom 13.-18. Dezember die 6. WTO-Ministerkonferenz statt. Das Ziel sind handfeste Ergebnisse, um nächstes Jahr die seit 2001 laufende Handelsrunde abschließen zu können. Doch eine Einigung ist nicht in Sicht.

Bei den Verhandlungen in der WTO soll der Agrarhandel weiter liberalisiert werden. Es geht um den Abbau von Zöllen, Subventionen für die Landwirtschaft und Exportsubventionen - und damit auch um die Lebensbedingungen und das Überleben vieler Menschen, besonders in ländlichen Gebieten der Entwicklungsländer. Schon lange kämpfen Kleinbauern in Burkina Faso gegen die Konkurrenz von billig importiertem Milchpulver aus der EU. In Jamaika haben die Kleinbauern diesen Kampf bereits vor Jahren verloren, die früher gut funktionierende heimische Milchwirtschaft gibt es fast nicht mehr. Baumwollbauern in Mali und dem Tschad stehen vor dem Ruin, weil sie sich gegen die hochsubventionierte Billigware aus den USA nicht behaupten können.

Die Folgen sind überall dieselben: Die heimischen Bauern können ihre Produkte nicht mehr verkaufen, ihnen und ihren Familien droht Arbeitslosigkeit, Armut und Hunger. Die meisten der weltweit über 850 Millionen hungernden Menschen leben in Entwicklungsländern im ländlichen Raum, die Mehrheit von ihnen sind Kleinbauern. Die Landwirtschaft ist oft ihre einzige Möglichkeit, die Ernährung zu sichern und Geld zu verdienen. Doch auf den Märkten in Entwicklungsländern kassieren seit Jahren vor allem große Exportbetriebe aus den USA und der EU. Trotz kapitalintensiver Produktionsmethoden können sie die Preise niedrig halten, weil die Landwirtschaft in vielen Industrieländern massiv subventioniert wird: Üppige sogenannte "interne Unterstützungsmaßnahmen" wirken wie Produktionssubventionen. Zusätzlich erhalten Exporteure Exportsubventionen. Die Produkte werden so unterhalb der Produktionskosten auf den Weltmarkt gebracht - sogenanntes Dumping. Gleichzeitig schützen sich dieselben Länder mit massiven Schutzzöllen gegen Importe aus Entwicklungsländern. So liegt der Zollsatz in der EU für Milchprodukte so hoch, dass dies einem Importverbot gleichkommt.

Schutz für heimische Landwirtschaft

Nun wird also wieder verhandelt über die weltweiten Handelsregeln. 2001 riefen die Industrieländer in Doha die derzeitige Handelsrunde noch als "Entwicklungsrunde" aus. Dies erweist sich immer mehr als Rhetorik. Denn eines der Hauptanliegen der Entwicklungsländer, die heimische Landwirtschaft und lokale Märkte durch Importzölle schützen zu können, findet sich in den zentralen Diskussionen nicht wieder. Auch die Sorge der AKPStaaten (Länder aus Afrika, Karibik- und Pazifikraum) um den Verlust ihrer Handelspräferenzen für die EU findet kaum Gehör. Im Gegenteil, es wird über erleichterten Marktzugang verhandelt, der vor allem von den Industrieländern gefordert wird. Doch dabei herrscht große Uneinigkeit. Die Grenzen des Verhandlungsmandats seien erreicht, tönt es aus vielen Ländern der EU. Gemeint ist das letzte EU-Angebot, dass eine 46-prozentige Senkung der EU-Importzölle im Agrarbereich vorsieht. Für viele Entwicklungsländer sind die Verhandlungsgrenzen aber längst weit überschritten. Eine Einigung ist nicht in Sicht. Ein Scheitern wie in Cancún vor zwei Jahren vor Augen, wurden kurzerhand die hochgesteckten Ziele für den Gipfel gesenkt. Es wird wohl keine konkreten Abmachungen geben - weder für die Zollreduktion noch für den Subventionsabbau.

Entwicklungspaket ist Mogelpackung

Stattdessen will man die Entwicklungsländer nun mit einem "Entwicklungspaket" zum Einlenken bewegen. Doch das Paket ist eine Mogelpackung: Es beinhaltet den Marktzugang für Agrarprodukte der am wenigsten entwickelten Länder (LDC) - der von der EU sowieso schon zugesagt wurde - und eine "Hilfe für den Handel": Dies sind vor allem Exporthilfen, die Kleinbauern kaum helfen, weil diese meist lokale Märkte bedienen.

Es ist klar, dass eine Liberalisierung des Handels, wie sie derzeit vorgesehen ist, keine Entwicklung in Entwicklungsländern schaffen wird. Dies gilt nicht nur für den Agrarbereich, sondern auch für industrielle und andere Güter.

Nur mit einem fairen Welthandelssystem wäre Entwicklung möglich: Entwicklungsländer müssen das Recht haben, ihren nationalen Agrarmarkt durch Importzölle zu schützen. Und unfaire Handelspraktiken wie Dumping müssen endlich unterbunden werden. Eine Handelsrunde, die den Namen Entwicklungsrunde verdient, muss Kleinbauern und ländliche Entwicklung fördern und damit Hunger und Armut bekämpfen. Dafür sollten die Weichen in Hongkong gestellt werden!

Sarah Kahnert 

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