Radentscheide: Radikale Verkehrswende von unten

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Radentscheide: Radikale Verkehrswende von unten

Illustration: Fahrrad mit Blumen

Vor vier Jahren startete in Berlin die Initiative Volksentscheid Fahrrad mit zehn Zielen für den fahrradfreundlichen Umbau der Stadt. Alle sollen sicher und entspannt Fahrrad fahren können. Alle, das bedeutet vor allem die, die noch nicht Fahrrad fahren. Eine Infrastruktur soll entstehen, die das Fahrradfahren leichtmacht. Das Fahrrad ist das ideale Verkehrsmittel für urbane Distanzen und es fördert die Gesundheit. Menschen fürs Fahrrad zu begeistern ist somit Bestandteil der notwendigen Verkehrswende. Dies wurde zwar seit Jahrzehnten in politischen Sonntagsreden verkündet, aber werktags arbeiteten Politik und Verwaltung fleißig am Gegenteil.

Um neue Bewegung in die Umverteilung der Verkehrsflächen zu bringen, wählte die Berliner Initiative einen direktdemokratischen Ansatz. Über 100.000 Unterschriften sandten im Vorfeld der Berliner Abgeordnetenhauswahl ein deutliches politisches Signal. Mitte 2018 verabschiedete das Abgeordnetenhaus das Mobilitätsgesetz, in dem sich die meisten Ziele des Radentscheids Berlin wiederfinden.

Auf Berlin folgten Bamberg, Darmstadt, Frankfurt, Kassel und viele weitere Städte. In NRW trat die Volksinitiative Aufbruch Fahrrad erfolgreich an, derzeit sammelt das Mobilitätsvolksbegehren Brandenburg Unterschriften. Die Bürger*innen nehmen es an immer mehr Orten selbst in die Hand, die Politik anzutreiben und verkehrspolitisches Versagen anzuprangern.

Alle Radentscheide erleben, dass sich schnell ausreichend Unterschriften für Bürger- und Volksentscheide fanden, meist deutlich mehr. Sie erleben aber auch, dass die lokale Politik zwar nach den erfolgreichen Sammlungen mehr oder weniger bereitwillig auf ihre Forderungen eingeht, um jedoch anschließend den dynamischen Prozess in einen zähen Verwaltungsbrei zu verwandeln. Es geschieht meist zunächst nichts. Die Radentscheide machen die Erfahrung, dass der Umbau eines städtischen Verkehrssystems einem Marathonlauf gleicht, den sie an den Auftaktsprint noch anschließen müssen. Deshalb kämpfen alle Initiativen weiter. Mit guten Aktionen und klugem Lobbyismus halten sie den Flächenkonflikt auf der politischen Agenda.

Nachdem die Bundesregierung ein Klimapaket beschlossen hat, dessen politische Maßnahmen - vor allem im Verkehrsbereich - zum Erreichen der Klimaziele nicht ausreichen, bleibt die Radentscheid- Bewegung vielleicht die letzte Möglichkeit, das autozentrierte Verkehrssystem zu knacken. Jeder Radentscheid ist eine Absage an die autogerechte Stadtplanung und ein Fanal für lebenswerte Städte.

Changing Cities, der Trägerverein des Radentscheids Berlin, und alle anderen Radentscheide sind immer bereit, neue Initiativen mit Know How zu unterstützen: Meldet euch! Es lohnt sich!
 

Denis Petri, Changing Cities

Weitere Infos: www.changing-cities.org

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