Klimawandel als Verstärker von Migration und Vertreibung

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Klimawandel als Verstärker von Migration und Vertreibung

Individuelle Migrationsentscheidungen sind meist nicht auf eine einzelne Ursache zurückzuführen. Dennoch spielen die Auswirkungen des Klimawandels dabei immer häufiger eine bedeutende Rolle. Oft sind sie der letzte Auslöser, der Menschen dazu bringt oder zwingt, ihre Heimat zu verlassen. Zu der steigenden Anzahl an Extremwetterereignissen wie Stürmen, Starkniederschlägen und Überflutungen kommen langsam fortschreitendende klimabedingte Probleme wie Meeresspiegelanstieg, Gletscherschmelze, Dürre und Verknappung der Frischwasserverfügbarkeit. Diese Ereignisse bedrohen die Existenzgrundlagen von immer mehr Menschen. Wo Anpassungsmaßnahmen nicht erfolgten oder nicht ausreichen, sehen sich Menschen gezwungen, ihre Herkunftsregionen temporär oder dauerhaft zu verlassen. Bislang erfolgen ca. 80 Prozent der Migration innerhalb der jeweiligen Länder (Binnenmigration). Meistens möchten die betroffenen Menschen ihre Heimat gar nicht verlassen oder ihnen fehlen die finanziellen Mittel.

Der Weltklimarat IPCC nennt Migrationsbewegungen seit langem als eine der gravierendsten Folgen des Klimawandels für den Menschen. Der jüngst erschienene IPCC-Sonderbericht zu 1,5 °C Grad zeigt zudem, dass die Auswirkungen für die Menschen in den betroffenen Regionen noch schwerwiegender sein könnten als bisher angenommen. Der Meeresspiegelanstieg beispielsweise wäre bei einer globalen Erwärmung von 2 °C bis 2100 zwar nur 10 cm höher als bei einer Erwärmung von 1,5 °C, würde in der Konsequenz aber bis zu 10 Millionen mehr Menschen den damit verbundenen Risiken aussetzen. Das ist nur eine der zahlreichen Erkenntnisse, die den IPCC dazu veranlasst haben, darauf zu drängen, eine globale Erwärmung über 1,5 °C zu verhindern. Das halbe Grad Celsius zwischen 1,5 und 2 °C würde z. B. die Risiken von Dürren, Überschwemmungen, extremer Hitze und somit die Armut für Hunderte von Millionen Menschen erheblich verschärfen. Effizientere Nothilfen, verbesserte Frühwarnsysteme und widerstandsfähiger Wiederaufbau sind bereits heute unerlässlich, um die Zahl der von Extremwettern Betroffenen und die existenzbedrohenden Folgen solcher Ereignisse zu begrenzen. Für viele Menschen würde das bedeuten, nicht migrieren zu müssen.

Die derzeitigen Ambitionen für den Klimaschutz gehen nicht ansatzweise weit genug: Mit ihren momentanen Anstrengungen steuern die Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention derzeit nicht auf einen Temperaturanstieg von 1,5 °C oder 2 °C zu, sondern sogar auf mehr als 3 °C. Dies würde viele Landstriche und ganze Länder unbewohnbar machen. Die Kipppunkte für irreversibles Abschmelzen der Eiskappen in Grönland und der Westantarktis würden vermutlich überschritten – mit erheblichen Auswirkungen z. B. auf flachliegende Insel- und Küstenstaaten. Je großflächiger Verwüstungen sind, desto mehr Menschen müssen grenzüberschreitend migrieren. Dennoch gibt es für sie bislang keinen rechtlichen Status. Auf dem bevorstehenden 24. UN-Klimagipfel in Katowice sollten die Stimmen der hiervon potenziell besonders betroffenen Länder Gehör bekommen. Die Arbeitsgruppe zu Migration und Vertreibung wird unter dem Thema klimabedingte Schäden und Verluste bei der COP 24 Empfehlungen zum Umgang mit klimabedingter Migration vorlegen. Am 11. und 12. Dezember tagt parallel zu den Verhandlungen in Katowice der UN-Gipfel in Marrakesch, der den Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration annehmen soll. Dieser Pakt verfolgt den Ansatz, alle Aspekte internationaler Migration zu berücksichtigen – so würde auch der Klimawandel als Ursache inbegriffen sein. Der wohl nicht international verbindliche Pakt wäre ein Schritt zum verbesserten Schutz von Migranten.
 

Roxana Baldrich & Rixa Schwarz