Große Ziele – kurzer Sprung

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Große Ziele – kurzer Sprung

Die Europäische Kommission will die Agrarpolitik an den globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung ausrichten – hält aber bisher an den gescheiterten Instrumenten fest
Bei Löscharbeiten eines Feldbrandes

Die Zukunft der Landwirtschaft? Feuerwehr bei Löscharbeiten eines Feldbrandes während der Hitzeperiode Anfang Juli bei Thallwitz, Sachsen.

In kaum einem Politikbereich verfügt die Europäische Union über so weitreichende Kompetenzen wie in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Sie ist seit den 1960er Jahren eines der wichtigsten Politikfelder der EU. Sie bestimmt mit, wie unsere Lebensmittel erzeugt werden, wie dafür Boden, Wasser und Saatgut genutzt werden; wie sich ländliche Räume entwickeln, ob Bauernhöfe erhalten werden und wie der Handel mit Agrargütern auf die Länder des Südens wirkt. Kurz, wer Landwirtschaft und Ernährung in Europa zukunftsfähig gestalten will, kommt an der EU und ihrer GAP nicht vorbei.

Über Finanzierung und Instrumente der GAP entscheiden die Kommission, der Rat (also die Mitgliedsstaaten) und das Europäische Parlament alle sieben Jahre neu. Im Juni 2017 hat die Kommission ihre Vorschläge veröffentlicht – und ihr Anspruch ist hoch! Die GAP soll zu den globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs) und zur Verringerung der Treibhausgasemissionen beitragen. Gleichzeitig soll sie einfacher und unbürokratischer werden. Bislang aber trägt die europäische Landwirtschaft maßgeblich zum Verlust der biologischen Vielfalt, der Gewässerbelastung und der Emission von Treibhausgasen bei. Gleichzeitig geben immer mehr Betriebe auf. Arbeitsplätze und Einkommen im ländlichen Raum gehen verloren.

EU-Agrarpolitik ist bislang alles andere als nachhaltig

Auch international und mit Blick auf entwicklungspolitische Ziele gibt es noch große Herausforderungen. Die EU ist weiter zweitgrößte Abnehmerin von Soja aus Lateinamerika, bei dessen Anbau wertvolle Biotope zerstört und große Mengen an Pestiziden verwendet werden. Die für die internationalen Märkte besonders schädlichen Exportsubventionen sind seit 2015 nicht mehr Bestandteil der GAP und wurden auch schon einige Jahre zuvor kaum noch angewandt. Gleichwohl sind die EU-Exporte wichtiger Nahrungsmittel wie Weizen, Milch, Schweine- und Geflügelfleisch seit den 1990er Jahren deutlich gestiegen. Dabei ist Afrika ein wichtiger Absatzmarkt. Gemäß den globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung sollen jedoch Produktivität und Einkommen der Kleinbauern und -bäuerinnen weltweit bis 2030 verdoppelt werden. In den Elementen des Marshallplans mit Afrika gibt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sogar das Ziel vor, dass Afrika sich selbst ernähren solle und könne. Mit den hohen und weiter steigenden Exporten von Grundnahrungsmitteln dorthin passt das nicht zusammen.

Man hätte also erwarten können, dass die EU-Kommission eine grundlegend andere GAP vorschlagen würde, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Leider ist sie davor zurückgeschreckt. Die wichtigste und in der Tat grundlegende Neuerung ist, dass auf EU-Ebene nicht mehr detailliert vorgegeben werden soll, wie die Instrumente der GAP einzusetzen sind. Vielmehr soll jedes Mitgliedsland einen eigenen Umsetzungsplan erarbeiten, in dem es beschreibt, wie es die auf europäischer Ebene definierten Ziele erreichen will. Die Kommission will dann prüfen, ob die Pläne plausibel sind und auf dieser Grundlage die GAP-Mittel auszahlen. Anschließend müssten die Mitgliedstaaten jährlich zeigen, dass sie das Geld so ausgegeben haben, wie in den Plänen vorgesehen, und dann nach einigen Jahren, dass die angestrebten Wirkungen erreicht wurden.

Im Prinzip ist dieser Ansatz nicht falsch. Der Vorschlag der Kommission enthält allerdings eine Reihe von Problemen. Die konkretisierten Zielvorgaben für die GAP und damit die nationalen Strategiepläne umfassen nicht nur Ernährungssicherheit, Umwelt- und Klimaschutz sowie ländliche Entwicklung und Einkommen. Marktorientierung und Wettbewerbsfähigkeit sind gleichermaßen aufgeführt. Dabei bleibt offen, wie mit möglichen Zielkonflikten umgegangen werden soll. Damit besteht die Gefahr, dass viele Mitgliedstaaten wie bisher die Wettbewerbsfähigkeit einseitig in den Vordergrund stellen. Und in der Tat könnten Wettbewerbsnachteile für LandwirtInnen in den Mitgliedstaaten entstehen, die die GAP-Mittel an ehrgeizige Umwelt- und Klimaziele koppeln, während andere dies nicht tun. In jedem Fall werden konventionelle Bauernverbände und Agrarindustrie genau so argumentieren.

Viehaltung in Burkina Faso.

Wachsende Exporte aus der EU verbauen Perspektiven für die Landwirtschaft in Afrika.

Budget nachhaltig umwidmen statt kürzen

Noch problematischer ist die Tatsache, dass die Kommission vorsieht, weniger Mittel für die GAP auszugeben. Besonders stark sollen dabei die Programme für ländliche Entwicklung gekürzt werden, also gerade die, die bislang gezielt Umweltprogramme und benachteiligte Gebiete unterstützen. Als wichtigstes Instrument blieben die Direktzahlungen, die jeder Betrieb abhängig von seiner Fläche erhält. Diese lassen sich zwar noch sinnvoller ausgestalten als bislang (siehe Artikel "Eine gerechte Agrarpolitik nach 2020"), reichen allein aber nicht aus, um den notwendigen Umbau der Landwirtschaft und besonders der Tierhaltung anzustoßen.

Um die GAP tatsächlich wirksam auf die globalen Nachhaltigkeitsziele auszurichten, sind mutigere Schritte nötig. Grundsätzlich ist anzuerkennen, dass eine europäische Landwirtschaft, in der ökologische und soziale Kosten nicht mehr auf die Gesellschaft abgewälzt werden, im internationalen Preiswettbewerb nicht konkurrenzfähig sein kann. Die LandwirtInnen brauchen konsequente Unterstützung darin, ihre Erzeugung auf höhere Qualität und damit auch höhere Preise auszurichten.

Im GAP-Budget muss daher mehr Geld für ländliche Entwicklung und dort insbesondere den Umwelt- und Klimaschutz vorgesehen werden. So können die nötigen Investitionen in den Umbau der Landwirtschaft und insbesondere der Tierhaltung finanziert werden. Die an die Fläche gebundenen Direktzahlungen müssen schrittweise so umgeschichtet werden, dass sie ebenfalls nur an Betriebe gehen, die mit ihrer Wirtschaftsweise einen gesellschaftlichen Nutzen für biologische Vielfalt, Klima, Tierschutz und das Leben im ländlichen Raum schaffen. Gleichzeitig muss die EU-Kommission klarmachen, dass sie nationale Aktionspläne der Mitgliedstaaten nur dann genehmigt und finanziert, wenn sie transparent und nachvollzierbar auf Nachhaltigkeitsziele ausgerichtet sind.

In einer so umgestalteten GAP spielen die Erzeugerpreise eine noch wichtigere Rolle für die Einkommen der Landwirte. Das erfordert auch Instrumente, um auf plötzliche Preiseinbrüche zu reagieren – zum Beispiel durch Anreize, dann die Erzeugung kurzfristig einzuschränken. Aus entwicklungspolitischer Sicht würde eine so reformierte GAP letztlich auch europäische Billigexporte in Entwicklungsländer verhindern.

Tobias Reichert

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