Blogpost | 21/11/2015

Süd-Nord Dialog zu Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE)

Blog-Beitrag von Stefan Rostock, November 2015
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Ändern sich Blickwinkel und Ansatz einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), wenn man darüber mit Süd-Akteuren diskutiert? Welche blinden Flecken hat der BNE-Ansatz und welche Themen sollten aus Südperspektive stärkere Beachtung finden? Das waren Fragen des Süd-Nord Dialog zu Bildung für Nachhaltige Entwicklung, der am 20.11. in Bonn auf Englisch stattfand. Zum Abschluss des dreimonatigen Aufenthaltes der drei Konkreter Friedensdienst Reverse TeilnehmerInnen veranstaltet von Engagement Global NRW und Germanwatch aus Marokko, Südafrika und Indien bei Germanwatch fand am letzten gemeinsamen Tag ein Workshop unter dem Motto "What is common, what is different? ESD approaches towards transformation in south and north. A learning dialogue" statt.

Neben den drei TeilnehmerInnen des Reverse-Programms, stellte Dr. Michel Foaleng, der in Kamerun LehrerInnen und Multiplikatoren in Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ausbildet, konkrete Beispiele aus seiner Arbeit vor. Eine der größten Herausforderungen ist aus seiner Sicht, BNE überhaupt erst im Bildungssystem Kameruns zu verankern: "BNE stößt Veränderungen der Person, der Gruppe, des Systems an. Warum sollten die Leute diese Veränderungen akzeptieren, wenn Sie die positiven Effekte für sich selbst nicht erkennen? Das Kameruner Bildungssystem wird, trotz erster guter eigener Materialien, immer noch als kolonial geprägt wahrgenommen, deswegen wird BNE auch als "la chose de l'homme blanc" wahrgenommen. Es findet keine Identifikation statt und somit auch kein Transfer in die eigene Lebenssituation. Die Wünsche nach mehr Konsum überlagern deutlich die Thematisierung der aktuellen sozialen und ökologischen Herausforderungen in Kamerun.

Dr. Michel Foaleng stellt außerdem fest, dass Lehrer oftmals nicht dafür ausgebildet sind, mit einer neuen Generation und ihren Problemen umzugehen. Dr. Michel Foaleng fragt sich daher, wer eine Reform anstoßen könnte: Die Regierung zeigt kein Interesse, die Lehrer sind der Meinung, sie hätten nicht genug Macht. In diesem Zusammenhang stellt er eine interessante These auf: Große Gruppen im Ausland lebender Kameruner wollen ihre Landsleute unterstützen - und tun dies meist in Form von Geldtransfers und anderen materiellen Gütern. Dr. Michel Foaleng sieht darin ein großes Potenzial, allerdings dann, wenn die Diaspora-Gruppen verstehen, dass es sinnvoller wäre, zurück in ihr Land zu gehen und über ihre Erfahrungen zu berichten. Die Diaspora beeinflusst Kamerun bereits auf vielfältige Art und Weise, doch brauche es noch viel Arbeit, um sie von den Vorteilen eines Wandels zu überzeugen, da es sich dabei nicht um eine, sondern viele verstreute Gruppen handelt. Für Dr. Michel Foaleng ist die Diaspora auch eine Möglichkeit, Ideen von BNE über interkulturelle Begegnungen und nicht nur über Lehrpläne zu teilen. Wichtig sei insbesondere, deutlich zu machen, welcher Nutzen sowohl für Lernende als auch für Lehrende von BNE ausgeht. Gerade die Begegnung von Kamerunern mit im Ausland lebenden Kamerunern kann als Kommunikationschance für BNE besser genutzt werden.

Viele der von ihm angesprochenen Schwierigkeiten waren sowohl den TeilnehmerInnen am Reverse-Programm, als auch den TeilnehmerInnen von NGOs bekannt und so kam es zu einem intensiven Austausch darüber, wie mit Herausforderungen im Bereich BNE umgegangen werden kann. Auch die Beispiele aus der Arbeit der NGOs der drei Reverse-TeilnehmerInnen aus Marokko, Südafrika und Indien gaben noch einmal Anregungen für die Umsetzung des UN-Weltaktionsprogramms in Deutschland:
Shannon Parring von "Indigo Development and Change" in Südafrika zeigte uns, wie sie anhand eines Spiels mit der lokalen Bevölkerung die Herausforderungen der Anpassung an den Klimawandel reflektiert - neben Bewegung und Auflockerung sorgte das Spiel für den einen oder anderen aha-Effekt! Shannon sieht in Südafrika in der Bildung für nachhaltige Entwicklung großen Bedarf, Kompetenzen im Bereich der Wissensvermittlung zu fördern. Ihr Eindruck ist, dass Lernende viel Motivation für Themen der BNE mitbringen, Lehrende aber noch weiter ermutigt und befähigt werden müssen, diese Themen ansprechend im Unterricht umzusetzen: "Wir brauchen eine Art zu lehren, die die Schüler stolz darauf macht, was sie gelernt haben". Ihre NGO setzt sich auch dafür ein, den Dialog zwischen Wissenschaft und lokalen Akteuren voran zu bringen.

Fatima Ahouli aus Marokko wird als nächstes großes Projekt in ihrer NGO "The Human Touch" die Germanwatch Klima- und Rohstoffexpedition für ihre Bildungsarbeit übertragen. Allgemein sei BNE in Marokko bereits angekommen, sagte sie. Als weiteres Beispiel erzählt sie von so genannten "Eco-Schools", die unter anderem einmal im Jahr den "Earth Day" feiern - wäre das nicht auch eine gute Idee für deutsche Schulen? Ähnlich sieht das auch Darpan Vaishnav aus Indien. Die Idee, gemeinsame internationale Aktionstage für BNE umzusetzen, gefällt ihm sehr: "Es ist wichtig,  unterschiedliche Sichtweisen und Erfahrungen im BNE-Bereich auf einer gemeinsamen Plattform auszutauschen". In Indien gibt es beispielsweise den "Teacher's day", an dem Schülerinnen und Schüler einen Tag lang selber vorbereiteten Unterricht unterrichten. Während seiner Zeit bei Germanwatch habe er gelernt, dass hier im Bereich BNE ein größerer Fokus auf das Lernen gerichtet sei, in Indien konzentriere man sich eher auf Implementierung und Aktionen. Ein Beispiel dafür ist eine groß angelegte Aktion seiner NGO  - auf 2.100 Dächern wurde mit "rooftop-farming" begonnen -  langfristiges Ziel des Projekts sind 21.000 Dächer! Damit soll auch Aufmerksamkeit für die COP21 und damit zusammenhängende Themen des Klimawandels geschaffen werden.

Wir brauchen einen Austausch zu BNE über die Ländergrenzen hinweg - darüber waren sich alle spätestens am Ende des Tages einig. Auch in Zukunft wird der Kontakt bestehen bleiben um einen Austausch zu ermöglichen - zum Beispiel über den Germanwatch Hand Print, der von Alexander Reif auf dem Workshop vorgestellt wurde, und wie dieser in verschiedenen Kontexten genutzt werden kann. Mit dem Hand Print - als aktionsorientierte, Politik gestaltende Ergänzung des ökologischen Fußabdrucks - dazu, motiviert und unterstützt Germanwatch Menschen, die sich für die Veränderung von Strukturen auf unterschiedlichen Ebenen einzusetzen, um nachhaltiges Handeln für alle nahe liegender und einfacher zu machen. Die TeilnehmerInnen überlegen den Hand Print für ihre Arbeit zu nutzen, sehen jedoch auch Anpassungsbedarf im Hinblick auf kulturelle Gegebenheiten und den Wissenshintergrund der Zielgruppen.

Der Tag im Zeichen des Süd-Nord Dialogs hat gezeigt, wie wichtig und fruchtbar der Austausch über die Länder- und Kulturgrenzen hinweg im Bereich BNE ist. Alle hätten sich noch mehr Zeit gewünscht, um gemeinsam über Herausforderungen und Ideen zu sprechen - ein guter Grund, weiter in Kontakt zu bleiben! Und gerade die Ebene des gegenseitigen persönlichen Kennenlernens und Verstehens ist auch für BNE essentiell. Wie Shannon Parring es treffend für ihre NGO ausdrückt: "We are building a life-long relationship of trust".


Anna Dördelmann, Stefan Rostock


- Mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Für den Inhalt ist alleine Germanwatch verantwortlich. -


 

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