Nota de prensa | 08/10/2015

TTIP und Vergabe: Berlins wirtschaftspolitische Handlungsspielräume stehen auf dem Spiel

Gemeinsame Pressemitteilung: DGB Berlin/Brandenburg, BUND Berlin, BER, Germanwatch und WEED
Bild: Pressemitteilung ohne Schriftzug

Berlin (8. Okt. 2015). An diesem Samstag werden viele Tausend Menschen bei einer Großdemonstration in Berlin gegen die geplanten Handels- und Investitionsschutzabkommen TTIP (mit den USA) und CETA (mit Kanada) demonstrieren. Beide Abkommen betreffen auch die Vergabepolitik der öffentlichen Hand auf Landes- und Kommunalebene: Es besteht die Gefahr, dass die Anwendung und Weiterentwicklung sozialer und ökologischer Vergabekriterien durch die Handelsabkommen deutlich eingeschränkt werden. Das Berliner FAIRgabe-Bündnis fordert daher alle Parteien im Abgeordnetenhaus und den Senat auf, sich im Bundesrat gegen die geplanten Abkommen TTIP und CETA auszusprechen sowie entschieden für die Erhaltung der kommunalen Organisationsfreiheit und wirtschaftspolitischer Handlungsspielräume einzutreten.

Viele europäische Unternehmen erhoffen sich über das geplante TTIP-Abkommen einen besseren Zugang zum US-Beschaffungsmarkt, der bislang aufgrund von „Buy-American-Regeln“ nur zu etwa 32 Prozent für sie zugänglich ist. Der Europäische Beschaffungsmarkt ist hingegen zu 85 Prozent für US-Anbieter offen. Problematisch ist allerdings, was die Europäische Kommission dafür aufs Spiel setzt: Es gibt im Kapitel über das staatliche Auftragswesen im CETA-Abkommen keine Verankerung von Sozialstandards. „Für TTIP ist ähnliches zu befürchten, zumal die USA selbst grundlegende Sozialstandards wie die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO nicht ratifiziert haben“, so Heiko Glawe, Regionsgeschäftsführer des DGB Berlin. „Wenn Sozialstandards wie das Streikrecht und die Tariffreiheit in Handelsabkommen nicht verankert werden dann werden diese Kriterien im Rahmen der Auftragsvergabe angreifbar."

Der Ausschuss der Regionen der Europäischen Union hat in seiner Stellungnahme vom 12. Februar 2015 hervorgehoben, „dass die Standard setzenden Aspekte des europäischen Vergaberechts nicht in Frage gestellt werden dürfen“ und dass weiterhin „für den Zuschlag an den Bestbieter neben dem Preis auch andere Kriterien wie soziale und nachhaltige Aspekte entsprechend berücksichtigt werden können“.

Tilmann Heuser, Geschäftsführer des BUND-Landesverbandes Berlin: „Das  geplante Handelsabkommen darf die Regierungen nicht verpflichten, die öffentliche Daseinsvorsorge zum Spielball der Märkte zu machen."  Insbesondere die Aufgaben der Wasser- und Abwasserversorgung sollten angesichts der neuen EU-Konzessionsvergaberichtlinie ausgenommen sein. Es gilt die kommunale Organisationsfreiheit und Handlungsspielräume zu wahren, wie sie im Lissabon-Vertrag garantiert werden - und diese nicht indirekt über Marktzugangsverpflichtungen einzuschränken.

Der politische Handlungsspielraum darf auch nicht durch die Fixierung von Schwellenwerten, ab denen transatlantisch ausgeschrieben werden muss, eingeschränkt werden: Niedrige Schwellenwerte bergen die Gefahr, dass die Berücksichtigung von Sozial- und Umweltstandards noch weiter eingeschränkt wird. „Berlin muss sich für gerechte Handelsregeln einsetzen, die den entwicklungspolitischen Bemühungen des Landes entsprechen“, so Alexander Schudy, Geschäftsführer des Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlags.

Das Berliner FAIRgabe-Bündnis besteht seit 2007 aus umwelt- und entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen sowie aus Gewerkschaften. Gemeinsam setzen sie sich dafür ein, dass Aufträge aus öffentlicher Hand unter Berücksichtigung ökologischer, sozialer und fairer Kriterien vergeben werden. Denn: Ob Güter, Dienstleistungen oder Bauaufträge – das Land Berlin gibt Jahr für Jahr gewaltige Summen aus. Das FAIRgabe-Bündnis macht Lobby-, Kampagnen- und Öffentlichkeitsarbeit, um die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung an die Verantwortung der öffentlichen Hand zu erinnern.

Zurzeit besteht das Berliner FAIRgabe-Bündnis aus: Deutscher Gewerkschaftsbund Berlin Brandenburg, BUND Berlin, Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag (BER), Germanwatch und WEED.