Gentechnik (frei) in Europa?

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Gentechnik (frei) in Europa?

  
Es ist ein Erfolg der gentechnik-kritischen Bewegung: Nur auf 0,12 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche der EU werden gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. Diese Fläche liegt überwiegend in Spanien und Portugal und beschränkt sich auf eine Sorte, MON810, ein gegen Maiszünsler resistenter Mais der Firma Monsanto. Diese weitgehende Gentechnikfreiheit im Anbau erweist sich als Wettbewerbsvorteil für europäische Bauern, weil viele Verarbeiter und Lebensmittelhändler gentechnikfreie Rohstoffe verlangen.

Bei pflanzlichen Lebensmitteln gibt es klare Regelungen für eine Kennzeichnung. Jedoch verhinderten europäische Bauern- und Futtermittelverbände, dass es eine Kennzeichnungspflicht bei tierischen Lebensmitteln gibt, also für Milch, Eier und Fleisch, für die gentechnisch veränderte Futtermittel eingesetzt wurden. Genau diese Lücke ist das große Einfallstor für Importe von Gentechnik-Futtermitteln nach Europa, denn ein großer Teil des importierten Sojas ist gentechnisch verändert.

Eine europäische verpflichtende Kennzeichnung für tierische Produkte würde die Nachfrage nach gentechnikfreiem Soja oder heimischen Eiweißfuttermitteln stark verändern. Immerhin: 2008 wurde in Deutschland die freiwillige Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ für tierische Produkte eingeführt. Aufgrund von starkem zivilgesellschaftlichen, bäuerlichen aber auch unternehmerischen Druck erklärten sich – nach anfänglichem Widerstand – immer mehr Supermarktketten bereit, „ohne Gentechnik“ erzeugte Milch, Eier und teilweise sogar Fleisch für die VerbraucherInnen anzubieten.

Die bisherige Entwicklung zeigt: Gentechnikfreies Soja ist lieferbar – wenn es denn nachgefragt wird. Hier sind alle gefordert: VerbraucherInnen beim Einkauf; der Handel, indem er Produkten „ohne Gentechnik“ Vorrang gibt und den LandwirtInnen einen fairen Preis dafür zahlt; die Bäuerinnen und Bauern, die gentechnikfreies Futter aus der Region verwenden; Futtermittelhändler, die sich trauen, gentechnikfreie Mischungen mit immer mehr heimischen Eiweißpflanzen anzubieten, und insbesondere auch die Politik, die die gentechnikfreie Land- und Lebensmittelwirtschaft in Europa schützen muss.

EU-Kommission und Industrie setzen weiter auf Gentechnik

Es gibt weitere Einfallstore und massive Versuche, die Gentechnik durchzusetzen. Ein Einfallstor ist die sogenannte „Opt-out“-Regelung, die im März 2015 beschlossen wurde. Diese soll es den Mitgliedstaaten einfacher machen, den Anbau einer in Europa zugelassenen Gentechnik-Pflanze im eigenen Land ganz oder teilweise zu verbieten. Anbauverbote sollen nicht nur wie gehabt bei „neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen“ möglich sein, sondern auch aus sozioökonomischen, agrar- oder umweltpolitischen Gründen. Was sich erst mal gut anhört, könnte dazu führen, dass vermehrt Gentechnik-Pflanzen zugelassen werden. Der Widerstand von Mitgliedstaaten gegen eine europäische Anbauzulassung könnte kleiner werden, da sie ja unabhängig davon den Anbau in ihrem Land verbieten können. Damit droht ein Flickenteppich von Gentechnik-Anbau in Europa. In Deutschland steht aktuell die Umsetzung der Opt-out-Richtlinie an. Während das Bundeslandwirtschaftsministerium vor allem den Bundesländern die Verantwortung für Anbauverbote übertragen will, wollen die Bundesländer, Nichtregierungsorganisationen und das Bundesumweltministerium einheitliche, vom Bund erteilte Verbote. Sie befürchten sonst unübersichtliche und wenig wirksame Regeln innerhalb Deutschlands. Für ein dauerhaft gentechnikfreies Europa gibt es noch viel zu tun. Bleiben wir dran!
  

Annemarie Volling,
Gentechnik-Referentin der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V.
  

Weitere Infos:
www.abl-ev.de/themen/gentechnikfrei.html

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