Nota de prensa | 17/04/1997

Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs durch Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes gefährdet.

 

 

Presseerklärung

Bonn, 17.4.1997. Am heutigen Donnerstag findet im Deutschen Bundestag die erste Lesung zur Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes statt. Angesichts dieser Debatte weist der GERMANWATCH-Verkehrsreferent Dr. Manfred Treber darauf hin, daß die erheblichen Folgen der Energierechtsnovelle für die mittelfristige Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) noch kaum beachtet werden. Doch gerade der ÖPNV müsse unbedingt gefördert werden.

Treber stellt fest, das Bundesministerium für Wirtschaft verfolge mit der Liberalisierung der Energiemärkte das Ziel, die vorhandenen Monopole (speziell im Elektrizitätsbereich) aufzubrechen. Diese Maßnahme solle mehr Wettbewerb schaffen mit der Perspektive sinkender Strompreise. Die für sich gesehen begrüßenswerte Maßnahme zum Abbau von Monopolstrukturen habe aber neben der ungenügenden Berücksichtigung ökologischer Belange einen entscheidenden Mangel: Damit entfielen in vielen Kommunen die bisher erzielten Monopolgewinne der Stadtwerke aus den Energiesparten, die im Rahmen des Querverbundes häufig zur Finanzierung des kommunalen ÖPNV verwandt werden. Angesichts dieses Wegfalls und der leeren Kassen der meisten Kommunen befürchtet GERMANWATCH , daß in Zukunft die Mittel zur Finanzierung des ÖPNV schrumpfen werden. Eine schlechtere Qualität des ÖPNV und damit Einbußen an Lebensqualität vor allem in den Städten wären die Folge.

"Angesichts der wegbrechenden Gelder wären ohne finanziellen Ausgleich die Verkehrsteilnehmer demnach Leidtragende der Liberalisierung der Energiemärkte", so Treber.

Die im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums von der Intraplan Consult GmbH (bekannt aus ihrer Zuarbeit zum Bundesverkehrswegeplan) und Prof. Heimerl erstellte und kürzlich vorgelegte Studie "Kommunaler Nutzen des ÖPNV" zeige deutlich, daß starke Streichungen bei der ÖPNV-Finanzierung mit viel größeren volkswirtschaftlichen Schäden verbunden wären als der positive Effekt durch die eingesparten Mittel.

Am Beispiel von drei großen deutschen Städten kommt die Studie zum Ergebnis, daß jede für den ÖPNV gestrichene DM einen Schaden von 5,50 DM bis 7,20 DM nach sich zieht, falls keine Ausgleichsmaßnahmen ergriffen werden.

Treber: "Die Kommunen brauchen für die Finanzierung ihres ÖPNV somit ein neues Finanzierungsinstrument, das möglichst parallel mit der Liberalisierung der Energiemärkte eingeführt werden sollte". Das Vorbild der verkehrspolitisch erfolgreichen französischen Nahverkehrsabgabe lasse sich nicht einfach übertragen, weil es im Endeffekt auf eine indirekte Erhöhung der Lohnnebenkosten hinausliefe. Deshalb unterstützt GERMANWATCH einen Vorschlag, den der baden-württembergische Minister Schaufler seinerzeit als Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz der Länder vertrat: einen zweckgebundenen Anteil an der Mineralölsteuer für die Finanzierung des kommunalen ÖPNV vorzusehen.

Mit dem Maßstab der Zukunftsverträglichkeit gemessen, bestehe der Vorteil des öffentlichen Personennahverkehrs gegenüber dem Auto vor allem in seinen deutlich geringeren Treibhausgasemissionen sowie im niedrigeren Flächen-, Material- und Energieverbrauch. Auch entstehen beim Ausbau des ÖPNV Arbeitsplätze vor Ort, die nicht der Gefahr unterliegen, bei einem intensivierten weltweiten Wettbewerb ins Ausland verlagert zu werden.
 

Die Nord-Süd-Initiative GERMANWATCH e.V. setzt sich im Rahmen ihrer Kampagne "Rio Konkret" dafür ein, daß sich der Verkehr in Deutschland in eine Richtung entwickelt, die zunehmend den Maßstäben von Sustainable Development, d.h. zukunftsverträglicher Entwicklung, gerecht wird und damit auch für die Länder des Südens glaubwürdiges Vorbild sein kann.