Nota de prensa | 30/07/1997

Der steinige Weg nach Kioto

Presseerklärung
(anläßlich der derzeitigen UN-Klimaverhandlungen in Bonn)
 
 
 
 

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Bonn, 30.7.1997: Für den internationalen Klimaschutz sind die nächsten 5 Monate das entscheidende "Fenster der Möglichkeiten" in diesem Jahrtausend. Seit der Verabschiedung der Klimarahmenkonvention im Jahr 1992 in Rio verhandeln die Delegierten auf diesen Punkt hin - (oder versuchten ihn wie die OPEC-Länder zu verhindern): ein rechtlich verbindliches Klimaschutzprotokoll, in dem in einem ersten Schritt Treibhausgas-Reduktionspflichten für die Industrieländer festgelegt werden. Dieses Protokoll soll im japanischen Kioto Anfang Dezember verabschiedet werden. Seit der letzten Verhandlungsrunde, die am 7. März in Bonn endete, sind alle formalen Bedingungen erfüllt. Ein Verhandlungstext liegt trotz des Störfeuers verschiedener Staaten termingerecht in allen sechs UNO-Sprachen vor. Damit sind die möglichen Elemente und die verschiedenen Vorschläge für deren Ausgestaltung im Rahmen des künftigen Protokolls definiert. Um die einzusetzenden Zahlen wird bis zur letzten Minute gerungen werden. Was im Dezember nicht beschlossen oder auf den Weg gebracht wird, wird es in diesem Jahrhundert nicht mehr geben, möglicherweise nicht vor 2002.

Klimaschutzziele

Am stärksten umstritten sind - das liegt auf der Hand - die Reduktionsziele für Treibhausgase für Industrieländer. Die durch den vom Treibhauseffekt ausgelösten Meeresspiegelanstieg vom Untergehen bedrohten kleinen Inselstaaten (AOSIS) drängen seit Jahren auf eine 20prozentige Reduktion des CO2-Ausstosses bis 2005 auf der Basis von 1990. Die Klimaschutzorganisationen weltweit unterstützen diese Position. Die EU hat sich im März als erster der Industrieländergiganten aus der Deckung begeben: Sie fordert für die drei Treibhausgase CO2, Methan und Lachgas gegenüber 1990 eine 7,5prozentige Reduktion bis zum Jahr 2005 und eine 15prozentige Verringerung bis zum Jahr 2010. Die anderen zentralen Industrieländer - vor allem die USA und Japan - haben noch keine konkreten Zahlen vorgelegt, werden dies aber wohl bis September tun.

Auf dem "5 Jahre Rio"-Gipfel in New York hat US-Präsident Clinton immerhin zugesagt, eine "starke Verpflichtung" eingehen zu wollen, "die signifikant unsere Treibhausgasemissionen verringert". Das waren bislang die stärksten Worte aus den USA. Japan hingegen ist noch völlig zerstritten. Die Vorstellungen der Umweltagentur und des Superwirtschaftsministeriums Miti liegen noch Welten voneinander entfernt. Die gemeinsame Deklaration auf dem "5 Jahre Rio"-Gipfel scheiterte daran, daß Japan sich nicht entscheiden konnte, die neuen stärkeren Worte aus den USA mitzuunterstützen. Dieses Desaster führte dazu, daß in der japanischen Regierung das Thema nun zur Chefsache erklärt wurde. Denn immerhin ist Japan Gastgeber des Klimagipfels im Dezember, und ihm muß sehr daran gelegen sein, einen völligen Mißerfolg zu vermeiden. (Derzeit führt dies zu einer vorbeugenden Medienkampagne in Japan, daß der Gipfel an den "überzogenen und unrealistischen Zielen der EU" scheitern könne.)

Doch es geht nicht nur um die Höhe des Zieles allein. Diskutiert wird, ob es ein Ziel für 2005 oder erst für 2010 geben wird. Das späte Datum würde das Signal an Politik und Wirtschaft aussenden: jetzt braucht ihr noch nicht zu handeln. Dann ist die Frage zu klären, ob das Ziel in einem bestimmten Jahr - etwa 2005 - zu erreichen ist, oder ob im Durchschnitt einer Reihe von Jahren - etwa des "Budgets" der Jahre 2000-2005. Die USA schlagen sogar vor, daß man im Rahmen eines Budgets vom kommenden Budget - in diesem Fall der Jahre 2005-2010 - Emissionen "borgen" kann. Auch dies würde dazu führen, Klimaschutz auf die lange Bank zu führen. Dann ist die Frage, ob es für alle Industrieländer dieselben Ziele geben wird, oder ob nach Pro-Kopf-Einkommen, Energieintensität des Bruttosozialproduktes und ähnlichen Kriterien "differenziert" wird. Außerdem drängen viele Industrieländer darauf, daß man nicht nur im eigenen Land, sondern - wenn dies kostengünstiger ist - auch in anderen Nationen Emissionen verringern kann, die aber dem eigenen Land gutgerechnet werden. Zentral ist außerdem eine Frage, die erst allmählich ins Zentrum der Verhandlungen rückt: wie können die eingegangenen Verpflichtungen verifiziert werden? Und was passiert mit Ländern, die die rechtsverbindlichen Verpflichtungen nicht einhalten können?

Politiken und Maßnahmen

Eine weitere zentrale Frage ist: werden auch Instrumente - gemeinsame Politiken und Maßnahmen - beschlossen, um die Ziele zu erreichen? Die EU argumentiert, daß es aus Wettbewerbsgründen notwendig sei, in einigen Bereichen abgestimmte Maßnahmen zu beschließen. Die USA halten dagegen, daß jedes Land mit seiner jeweils unterschiedlichen Kultur, für Lösungpräferenzen die "Flexibilität" haben sollte, den jeweils eigenen Weg zu gehen. So scheinen noch nicht einmal Instrumente wie eine internationale Flugtreibstoffsteuer, die nach international abgestimmten Vorgehen geradezu schreien, Chancen zu haben, akzeptiert zu werden. Ein Kompromiß könnte so aussehen, daß die Industrieländer (oder zumindest die OECD-Länder) beauftragt werden, in der Folgezeit "relevante ökonomische und administrative Instrumente untereinander zu koordinieren".

Und die Entwicklungsländer?

In Kioto werden nur Treibhausgas-Reduktions-Verpflichtungen für Industrieländer beschlossen werden. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, da mehr als 90 Prozent der Emissionen, die sich in der Atmosphäre angesammelt haben, aus diesen Nationen stammen. Aber das schnelle Wachstum des CO2-Ausstiegs in einigen wichtigen Schwellenländern, - vor allem China, Indien, asiatische Tigerstaaten, Brasilien - wird bei ungebremstem Verlauf alle möglichen Einsparungen in den Industriestaaten bei weitem überkompensieren. Deshalb gibt es in vielen Industrieländern das Bestreben, jetzt schon die Entwicklungsländer auf spätere Begrenzungen ihres CO2-Anstiegs zu verpflichten oder zumindest ein Mandat für entsprechende Verhandlungen zu erhalten. Angeführt werden diese Aktivitäten von den USA, deren Senat am 25. Juli einstimmig beschloß, eine Ratifizierung des künftigen Protokolls davon abhängig zu machen, daß es auch Verpflichtungen zur Begrenzung ihrer Treibhausgasemissionen für Schwellenländer gibt. Erschwert wird diese Debatte erheblich durch das Glaubwürdigkeitsdefizit der westlichen Industrieländer, da fast alle das - rechtlich unverbindliche - Ziel der Rio-Konvention von 1992, bis zum Jahr 2000 wieder auf das CO2-Ausstoßniveau von 1990 zurückzukehren, verfehlen werden. Deshalb kommt dem Erreichen der deutschen (-25 Prozent bis 2005) und europäischen Selbstverpflichtung zur Verringerung der Treibhausgasreduktionen ein Stellenwert zu, der über die vor Ort eingesparte Emission weit hinaus geht. (Das Erreichen der deutschen Selbstverpflichtung ist bei der europäischen Selbstverpflichtung mit eingerechnet). Bereitschaft zum Konsens bei den Entwicklungsländern werden außerdem nur Strategien erzeugen, die dem Klimaschutz dienen und zugleich die soziale und ökonomische Lage der Entwicklungsländer nicht beeinträchtigen oder gar verbessern.

Es ist ein steiniger und mühsamer Weg bis Kioto. Die wesentlichen Entscheidungen werden - so oder so - erst vor Ort fallen. Aber wenn jetzt der Einstieg in ernsthaften Klimaschutz verpaßt wird, dann spitzt sich der Spielraum der Zukunft immer mehr auf zwei gleichermaßen unerwünschte Alternativen zu: Entweder ein Crashprogramm, um den Treibhauseffekt zu stoppen; oder die leidvolle Anpassung an dramatische Klimaänderungen der Zukunft.