Illegalen Import über Online-Marktplätze stoppen

Logoleiste zum Offenen Brief zu Illegalem Import 2020
Offener Brief von Umwelt-, Verbraucherschutz- und Wirtschaftsverbänden an Bundesumweltministerin Svenja Schulze, Bundesjustizministerin Christine Lambrecht und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier anlässlich des Black Friday und Cyber Monday

Die Bundesregierung muss Online-Marktplätze für den Vertrieb illegaler Produkte endlich zur Verantwortung ziehen. Dies fordert ein breites Bündnis aus Umwelt-, Verbraucherschutz- und Wirtschaftsverbänden sowie der Drogeriemarktkette Rossmann in einem Offenen Brief an Justizministerin Lambrecht, Umweltministerin Schulze und Wirtschaftsminister Altmaier. Anlass sind die bundesweiten Rabatt-Aktionstage Black Friday und Cyber Monday am 27. und 30. November. Auf Online-Marktplätzen wie Amazon, Joom oder Wish gibt es massenhaft Produkte, die ein Sicherheitsrisiko für Verbraucherinnen und Verbraucher darstellen und Vorgaben zum Umweltschutz nicht einhalten. Zudem ermöglichen die Online-Marktplätze bei Elektrogeräten, Batterien und Verpackungen, dass Vertreiber regelmäßig gesetzliche Rücknahmepflichten boykottieren oder die finanzielle Beteiligung an den Entsorgungssystemen verweigern.

„Die Bundesregierung muss dringend festlegen, dass auch beim Vertrieb über Online-Marktplätze immer ein verantwortlicher Akteur für Verbraucherinnen und Verbraucher greifbar ist. Kommen etwa Hersteller, Importeure oder Anbieter ihren Pflichten nicht nach, müssen die Online-Marktplätze die volle Verantwortung für die bei ihnen angebotenen Produkte übernehmen“, so die Organisationen. Den offenen Brief zeichnen die Deutsche Umwelthilfe (DUH), der Deutsche Naturschutzring (DNR), der Naturschutzbund Deutschland (NABU), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Germanwatch, der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) sowie die Dirk Rossmann GmbH.

Die vom Bundesumweltministerium zur Überarbeitung des Elektro- und Verpackungsgesetzes vorgeschlagene Prüfpflicht für Online-Marktplätze stellt aus Sicht der Unterzeichner des Offenen Briefes zwar eine Verbesserung dar, greift jedoch zu kurz. Die Marktplätze müssten dann lediglich überprüfen, ob Hersteller von Elektrogeräten und Verpackungen für eine ordnungsgemäße Entsorgung korrekt registriert sind. Ermöglichen sie dennoch den Vertrieb solcher Elektrogeräte und Verpackungen, zahlt jedoch weiterhin niemand die Entsorgungsentgelte. Zudem sind die Vertreiberpflichten nicht umfasst, sodass auf den Plattformen agierende Händler weiterhin Rücknahme- und Informationspflichten ignorieren können. Die falsche Entsorgung von schadstoffhaltigem Elektroschrott und Batterien im Hausmüll oder in der Umwelt wird dadurch begünstigt. Auch für Produkte mit zu hohem Schadstoffgehalt oder potentiell lebensgefährlichen Schwachstellen muss es einen rechtlich belangbaren Verantwortlichen geben.

BDE und Rossmann weisen darüber hinaus auf den unfairen Wettbewerb zwischen Einzelhandel und Online-Marktplätzen hin. Über die Plattformen können außereuropäische Händler einfach Fälschungen und unsichere Produkte nach Deutschland verkaufen. Gleichzeitig werden Kosten für eine ordnungsgemäße Entsorgung von Produkten und Verpackungen illegal umgangen. In Zeiten der Corona-Krise, die den stationären Einzelhandel unter Druck setzt und zu einem Boom von Online-Handelsplattformen führt, stellt diese Gesetzeslücke eine besondere Bedrohung für die Existenz vieler rechtmäßig arbeitender Unternehmen dar.


Offener Brief an Bundesumweltministerin Svenja Schulze, Bundesjustizministerin Christine Lambrecht und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier

Illegalen Import über Online-Marktplätze stoppen

 

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Schulze,
sehr geehrte Frau Bundesministerin Lambrecht,
sehr geehrter Herr Bundesminister Altmaier,

 

durch den Boom des Online-Handels in Folge der Corona-Krise verschärft sich der unfaire Wettbewerb zwischen Einzelhändlern und Online-Marktplätzen drastisch.1 So werden über virtuelle Verkaufsplattformen wie Amazon, Ebay oder Wish massenweise Produkte nach Deutschland verkauft, die nicht die geltenden Vorgaben zum Umwelt- und Verbraucherschutz einhalten.2 Gleichzeitig kann nicht wirksam gegen die aus dem außereuropäischen Ausland illegal agierenden Anbieter vorgegangen werden, da auch die Plattformbetreiber bislang nicht rechtlich verantwortlich für die bei ihnen angebotenen Produkte sind. Diese Gesetzeslücke bedroht die Existenz vieler Händler und gefährdet die Umwelt sowie Verbraucherinnen und Verbraucher.

 

Über die Marktplätze vertriebene Fälschungen sowie nicht rechtskonforme Produkte, wie etwa bei Elektronikartikeln, Kinderspielzeug, Kosmetikmitteln oder Autoteilen, stellen ein großes Sicherheitsrisiko dar und sind potenziell lebensgefährlich. Hinzu kommt, dass bei Batterien, Elektrogeräten und Verpackungen regelmäßig gesetzliche Vorschriften zur Rücknahme, Registrierung oder umweltgerechten Entsorgung nicht eingehalten werden. So umgehen die Anbieter die Zahlung von Entsorgungsbeiträgen, gefährden die Finanzierung funktionsfähiger Entsorgungsstrukturen und erhöhen die Kosten für Unternehmen, die sich an die gesetzlichen Vorschriften halten. Die OECD geht davon aus, dass jährlich alleine bis zu 920.000 Tonnen Elektrogeräte von sogenannten Trittbrettfahrern in der EU illegal in Verkehr gebracht werden.3 Zudem haben es Verbraucherinnen und Verbraucher vor allem bei Verkäufern aus dem außereuropäischen Ausland schwer, ihre Rechte bei Schäden, etwa einem Brand in Folge eines Kurzschlusses, durchzusetzen. Besonders problematisch hierbei ist, dass gerade über Online-Marktplätze häufig Produkte von niedriger Qualität, mit Sicherheitsschwachstellen oder hohen Schadstoffgehalten verkauft werden.4 Die Bundesnetzagentur als oberste deutsche Regulierungsbehörde ist daher der Ansicht, dass das in Deutschland praktizierte Geschäftsmodell solcher Plattformbetreiber in weiten Teilen nicht rechtskonform ist.2

 

Aus Sicht der unterzeichnenden Verbände sollte die Bundesregierung daher dringend festlegen, dass bei an deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher verkauften Produkten für diese immer ein verantwortlicher Akteur greifbar ist. Die vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) für die Novellierung des Elektro- und Verpackungsgesetzes vorgeschlagene „Prüfpflicht“ für Online-Marktplätze und Fulfillment-Dienstleister ist aus Sicht der unterzeichnenden Verbände eine Verbesserung zum Status Quo, greift jedoch zu kurz.5,6 Eine Prüfpflicht kann die vorhandene Gesetzeslücke nicht schließen, da im Schadensfall kein verantwortlicher Akteur in Deutschland festgelegt wird. Aus diesem Grund wurde bereits im deutschen Elektrogesetz von 2005 keine Prüfpflicht, sondern eine „Herstellerfiktion“ festgelegt, nach der Vertreiber, die Geräte von nicht registrierten Herstellern anbieten, selbst als Hersteller gelten. Zudem gilt die vom BMU vorgeschlagene Prüfpflicht nur für Elektrogeräte sowie Verpackungen und umfasst lediglich die ordnungsgemäße Registrierung der Hersteller, nicht jedoch Informations- und Rücknahmepflichten der Vertreiber oder die Konformität der Waren mit den EU-Produktsicherheitsbestimmungen. In Anlehnung an die in Frankreich bereits beschlossene „Herstellerfiktion“ für Online-Marktplätze fordern die unterzeichnenden Verbände folgende Maßnahmen:
 

  • Ist für Verbraucherinnen und Verbraucher kein anderer Akteur greifbar, müssen Online-Marktplätze und Fulfillment-Dienstleister die volle Verantwortung für die bei ihnen angebotenen Produkte übernehmen. Hierfür müssen Online-Marktplätze und Fulfillment-Dienstleister rechtlich als Akteur in der Lieferkette definiert werden – etwa als Vertreiber. 
  • Online-Marktplätzen und Fulfillment-Dienstleistern sind umfassende Sorgfaltspflichten für die bei ihnen angebotenen Produkte aufzuerlegen. Dies umfasst etwa die Prüfung, dass die Hersteller- und Vertreiberpflichten von den Anbietern eingehalten werden.
  • Online-Marktplätze müssen die vollständigen Kontaktinformationen des Anbieters sowie bei Elektrogeräten, Batterien und Verpackungen die Registrierungsnummer des Herstellers auf der jeweiligen Produktwebseite angeben.

Wir hoffen auf ein schnelles und entschiedenes Handeln der Bundesregierung. Gerne stehen wir Ihnen für Rückfragen zur Verfügung.

 

Mit freundlichen Grüßen
 

Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin Deutsche Umwelthilfe (DUH) 

Florian Schöne, Politischer Geschäftsführer Deutscher Naturschutzring (DNR)

Peter Kurth, Geschäftsführender Präsident Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. (BDE)

Olaf Brandt, Vorsitzender Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)           

Leif Miller, Bundesgeschäftsführer Naturschutzbund (NABU)

Raoul Roßmann, Geschäftsführer Dirk Rossmann GmbH Deutschland

Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer Germanwatch

Klaus Müller, Vorstand Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv)

 

 


Fußnoten

  1. Vergleiche:
    https://www.n-tv.de/wirtschaft/Amazon-wartet-mit-Rekordgewinn-auf-article22134632.html  
    https://www.bevh.org/presse/pressemitteilungen/details/e-commerce-schwung-haelt-an-online-handel-legtim-3-quartal-2020-mit-einem-plus-von-133-prozent-im.html
    https://www.tagesschau.de/inland/einzelhandel-wachstum-coronakrise-101.html (alle abgerufen am 9.11.2020).
  2. Bundesnetzagentur, 2020: Jahresbericht 2019, Seite 74, 75.
  3. Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), 2018: “Extended Producer Responsibility (EPR) and the Impact of Online Sales”.
  4. Vergleiche: Endnote 2 https://www.which.co.uk/policy/consumers/5234/onlinemarketplaces https://www.which.co.uk/news/2019/11/dangerous-toys-and-killer-car-seats-listed-for-sale-at-marketplaceslike-amazon-and-ebay/ https://kemi.taenk.dk/test/test-unwanted-chemicals-toys-ebay-amazon-and-wish https://www.test-achats.be/hightech/gsm/news/chargeurs-usb-bon-marche-danger (alle abgerufen am 17.11.2020).
  5. Öko-Institut, 2020: Pressemitteilung vom 14. Mai 2020 „Gesetzeslücke schließen für mehr Umweltschutz beim Onli-ne-Shopping“.
  6. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare  Sicherheit (BMU), 2020: „Referentenentwurf für ein Ers-tes Gesetz zur Änderung des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes“ sowie „Referentenentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung von Vorgaben der Einwegkunststoffrichtlinie und der Abfallrahmenrichtlinie im Verpackungsgesetz und in anderen Gesetzen“.

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(bis 15.6.24 in Politischer Fokus-Zeit)