Press Release | 17 July 2020

EU-Agrarpolitik: Ministerin Klöckner muss neue Ansätze gegen Klimakrise und Höfesterben voranbringen

Vor Treffen der EU-Agrarministerinnen und -minister am Montag: Bisherige Instrumente retten weder Bauernhöfe noch das Klima
Pressemitteilung

Berlin (17. Juli 2020). Am Montag findet das erste Treffen der EU-Landwirtschaftsministerinnen und -minister unter deutscher Ratspräsidentschaft statt. Germanwatch fordert, durch die im Zentrum des Treffens stehende "Grüne Architektur" der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sowohl bäuerliche Betriebe, als auch Klima- und Umweltschutzziele zu fördern. „Mit dem Europäischen Green Deal und der "Farm to Fork"-Strategie setzt die EU ehrgeizige neue Ziele für den Klimaschutz und den Erhalt der biologischen Vielfalt. Die von der Kommission vorgeschlagenen Instrumente sind jedoch nicht geeignet, um sie zu erreichen und zugleich die bäuerlichen Betriebe zu retten“, sagt Tobias Reichert, Leiter des Teams Welternährung bei Germanwatch. „Die Landwirtschaftsministerin Klöckner muss mit ihren Kolleginnen und Kollegen eine Reform auf den Weg bringen, die kontraproduktive Hektarprämien für Großgrundbesitzerinnen und -besitzer beendet und Betriebe gezielt dabei unterstützt, ökologischer zu wirtschaften.“

Das Klimaziel der EU für 2030 wird nach jetzigem Stand auf mindestens minus 50 bis 55 Prozent im Vergleich zu 1990 verbessert werden. Dazu muss auch die Landwirtschaft, die bislang für mehr als zehn Prozent der Emissionen – 435 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente – verantwortlich ist, einen Beitrag leisten. Die Instrumente der GAP zielen nach Analyse des Europäischen Rechnungshofs aber kaum auf Klimaschutz ab und unterstützen auch klimaschädliche Bereiche der Landwirtschaft. Reichert: „Die Behauptung der EU-Kommission, 40 Prozent des Budgets für die Gemeinsame Agrarpolitik dienten dem Klimaschutz, entbehrt jeder Grundlage. Die neue Farm to Fork-Strategie könnte bei konsequenter Umsetzung den nötigen Schwung in Richtung Klimaschutz geben.“

Das größte CO2-Einsparpotenzial liegt in der Tierhaltung, die derzeit für gut 70 Prozent der landwirtschaftlichen Emissionen der EU verantwortlich ist. Hierzu enthält die Farm to Fork-Strategie gute Wegweiser: „Die angestrebte Halbierung des Antibiotikaverkaufs für Tierhaltungen erfordert 30 bis 50 Prozent mehr Platz je Tier, mehr Außenklima- und Weidehaltung und die Abkehr von der Hochleistungszucht“, erklärt Reinhild Benning, Agrarexpertin bei Germanwatch. „Tiergerechtere Schweineställe senken laut aktuellen Untersuchungen die Klimaemissionen in der Schweinehaltung. Mehr Platz und weniger Leistung pro Tier ohne zusätzliche Ställe – so trägt Tierschutz gleichzeitig zur Reduktion der Treibhausgase und zur Senkung der Überproduktion bei, die zentrale Ursache für niedrige Erzeugerpreise ist.“

Überdies könnte der Ausbau der biologischen Landwirtschaft von derzeit 7,5 auf 25 Prozent der EU-Agrarfläche bis 2030 etwa 30 Mio. Tonnen Kohlendioxid einsparen. Gleichzeitig bietet der meist arbeitsintensivere Ökolandbau bessere Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten. „Die konsequente Förderung des Ökolandbaus muss zugleich mit einer Reform der Vermarktungsförderung einhergehen. Ein Instrument dazu ist das EU-Schulprogramm für Milch und Obst, in dem eine Mindestquote von 25 Prozent für ökologische Erzeugnisse bis 2030 festgelegt werden sollte“, so Tobias Reichert. Zudem sollte auch die nachhaltige Lebensmittelbeschaffung in öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern und Altenheimen gefördert werden und einen verbindlichen Bioanteil vorsehen.

Tobias Reichert: „Die EU Landwirtschaftsministerinnen und -minister stehen in der Verantwortung, am Montag eine "Grüne Architektur" auf den Weg zu bringen, die wirksame Anreize für den Umbau der Tierhaltung bietet, und sie für die Betriebe lohnenswert macht. Frau Klöckner sollte dazu auch die Vorschläge der deutschen Borchert-Kommission einbringen, die auf einem Konsens zwischen Tierhalterinnen und -haltern, Umwelt- und Tierschutzorganisationen zum Ausstieg aus der industriellen Tierhaltung in Deutschland basieren. Die Ministerin darf Nachhaltigkeit und Klimaschutz in der Landwirtschaft nicht nur propagieren, sondern muss sie mit wirksamen Maßnahmen in der Gemeinsamen Agrarpolitik sicherstellen."