Was kann ich tun?

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Was kann ich tun?

… oder warum das nachhaltige Verhalten zum Standard werden muss
Klimademo in München

Seit einem Jahr gehen Kinder und Jugendliche hier und weltweit freitags auf die Straße um zu streiken. Sie setzen sich ein für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit und fordern die Politiker*innen dazu auf, zu handeln und eine angemessene Klimapolitik umzusetzen.

Als Greta Thunberg in der US-amerikanschen Sendung „The Daily Show“ zur besten Sendezeit gefragt wird, was die Menschen gegen die Klimakrise tun könnten, antwortete sie: „Wir als Individuen müssen die Macht der Demokratie nutzen, damit unsere Stimmen gehört werden und wir sicherstellen, dass die Mächtigen das nicht länger ignorieren können.“ Ihre Botschaft ist klar: wir sollen uns für politische Lösungen einsetzen.

Es gibt viele politische Hebel, um nachhaltiges Verhalten zu fördern und eine Kehrtwende unserer aktuellen Wirtschafts- und Lebensweise einzuläuten, wie Bepreisungen, finanzielle Anreize oder Förderung von Alternativen. Nachhaltiges Verhalten muss in unserer Gesellschaft nicht nur preiswerter, sondern auch leichter, naheliegender und Standardoption sein. Und zwar in Bezug auf alle Lebensbereiche. Ein paar Beispiele: Erneuerbare Energien als Standardangebot eines jeden Stromanbieters, die Fortbewegung zu Fuß, mit Fahrrad, Zug und Bahn als angenehmste und günstigste Optionen oder die gesamte Versorgung von öffentlichen Einrichtungen wie (Hoch-)Schul- und Unternehmenskantinen mit regionalen und ökologischen Erzeugnissen (s. Artikel Das brasilianische Schulspeisungsgesetz).

Die meisten Menschen verhalten sich nicht klimaschädlich, weil sie sich aktiv dazu entscheiden, sondern aus purer Gewohnheit, weil alle in ihrem Umfeld es so machen oder die Zeit fehlt, sich mit Alternativen auseinanderzusetzen – als Folge einer kommerzialisierten Schaffung von Bedürfnissen und eines anspruchslosen Freiheitsbegriffes. Zum Teil auch um die Klimakrise als sehr bedrückendes Thema zu verdrängen. Die dringliche Frage ist nun: Wie kommen wir zu den notwendigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die klimaschädliches Verhal- ten erschweren und klimaschützendes Verhalten zum Standard machen?

Wir haben darauf zwei Antworten:

1. Wir müssen neue Rahmenbedingungen einfordern und Politiker*innen zu größeren Veränderungen ermutigen. Eckart von Hirschhausen, der sich im Rahmen von Scientists for Future und Doctors for Future für stärkeren Klimaschutz einsetzt, brachte es vor Kurzem auf einer Nachhaltigkeitstagung auf den Punkt. Er forderte von Politiker*innen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene: „Trauen Sie sich, große Veränderungen in unseren gesellschaftlichen Rahmenbedingungen vorzunehmen. Und vertrauen Sie darauf, dass die Menschen sich schneller an die notwendigen Veränderungen anpassen, als sie denken …“.

2. Wir können Veränderungen in unserem gesellschaftlichen Umfeld selbst in die Hand nehmen. Die planetaren Grenzen sind nicht verhandelbar, aber damit Veränderungsprozesse akzeptiert werden und auch funktionieren, müssen sie gemeinsam gestaltet und lokal angepasst sein.

Vor diesem Hintergrund muss gerade auch die Bildungsarbeit mutiger werden und entsprechende Handlungsoptionen aufzeigen. Um die globale Klimaerhitzung auf 1,5 °C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen, reicht es nicht, Wissen zu erweitern oder Einstellungen zu verändern. Am Ende zählt, ob wir die uns umgebenden Strukturen ändern – hier und in Kooperation mit den großen Schwellenländern. Dafür brauchen Bildungsakteure neue Narrative, Bildungsmaterialien zu politischeren Handlungsoptionen, Tools und Räume, in denen Lernende sich ausprobieren, in reale Strukturen hineinwirkende Projekte entwickeln und umsetzen können sowie dabei unterstützt werden.

Neben der von außen gegebenen Notwendigkeit struktureller Veränderungen spricht auch aus psychologischer Sicht einiges dafür, Menschen nicht nur als Konsument*innen sondern als Gestalter*innen ihrer Mitwelt zu begreifen und als solche in Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit anzusprechen: Besonders mit den Hitzesommern 2018 und 2019, den Protesten im Hambacher Wald am Rheinischen Braunkohlerevier und spätestens nachdem hunderttausende Schüler*innen weltweit jeden Freitag für Klimagerechtigkeit auf die Straße gehen, sind die planetaren Grenzen und die absolute Dringlichkeit von Klimaschutz ins öffentliche und private Bewusstsein vieler Menschen gerückt. Und je größer unser Problembewusstsein hinsichtlich der aktuellen Herausforderungen ist, desto eher wünschen wir uns Handlungsoptionen, mit denen wir auch eine ansatzweise angemessene Wirkung erzeugen können. Daher wollen immer mehr Menschen mehr tun, als nur ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern, was vielen wie ein Tropfen auf dem heißen Stein erscheint.

In der Psychologie bezeichnet man die Passung der Größe von wahrgenommenen (Nachhaltigkeits-)Herausforderungen und der Größe von angebotenen Handlungsoptionen als „Epistemic Fit“. Je besser die Handlungsoptionen also zur Größe der Herausforderung passen, umso eher steigt auch die Selbstwirksamkeitserwartung, etwas zur Lösung der Herausforderungen beitragen zu können. Und je größer die Selbstwirksamkeitserwartung, desto wahrscheinlicher kommen wir ins Handeln (s. Interview "Mehr als ein nichtiger Tropfen auf dem heißen Stein").

Ein positives Symbol und transformatives Konzept, das Germanwatch in seiner Bildungsarbeit verwendet, um zu strukturveränderndem Handeln zu ermutigen, ist der sogenannte Handabdruck (Hand Print). Den Handabdruck zu vergrößern, bedeutet größere Veränderungen in unserem Umfeld anzuregen, die nachhaltiges Verhalten für mehr Menschen leichter machen, und sich politisch zu engagieren, um nachhaltige Rahmenbedingungen bei Politik und Wirtschaft einzufordern. Es ist eine proaktive Ergänzung zum ökologischen Fußabdruck, der sich auf das Individuum oder Unternehmen bezieht und auf die Möglichkeiten zur Reduktion negativer Folgen des eigenen Handelns konzentriert.

Mit den Demonstrationen zum dritten weltweiten Klimastreik am 20. September, an dem allein in Deutschland rund 1,4 Millionen Menschen teilgenommen haben, ist der politische Druck weitergewachsen. Das von der Regierung vorgelegte Klimaschutzpaket passt noch nicht zur Größenordnung der Herausforderung. Es geht darum, den Handlungsspielraum, der durch den wachsenden Druck entsteht, zu nutzen. Auf EU-Ebene, in Deutschland, aber auch indem wir den gesellschaftlichen Wandel in konkrete lokale und regionale Strukturen hineintragen.
 

Marie Heitfeld & Alexander Reif

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