Blogpost | 23 March 2001

Die Pflöcke sind eingerammt

Ergebnisse der dritten in Bonn stattfindenden Runde der UN-FCCC Klimaverhandlungen (20. - 31. Oktober 1997)
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Veröffentlicht vom Forum Umwelt & Entwicklung

Zum dritten Mal war Bonn als ständiger Sitz des Klimasekretariates vom 20. bis 31. Oktober 1997 Ausrichtungsort der UN-Klimaverhandlungen. Manfred Treber faßt die Ergebnisse zusammen.

Ad hoc Working Group Berlin Mandate (AGBM)

Einziger substantieller Tagesordnungspunkt der Ad hoc Gruppe zum Berliner Mandat (AGBM) war das Verhandeln eines Protokolls oder eines anderen Übereinkommens. Der AGBM lag dazu der (schlanke, d.h. lediglich 26 seitige) "Consolidated negotiating text by the Chairman" (FCCC/AGBM/1997/7) vor, den der AGBM-Vorsitzende Raúl Estrada-Oyuela nach intensiven Konsultationen mit zehn OECD-Ländern (davon fünf aus der EU) sowie mehreren großen Entwicklungsländern erstellt hatte. Der als Ergebnis von AGBM 7 aus dem June 1st Text hervorgegangene Vorschlag (FCCC/AGBM/1997/ INF.1) spielte im weiteren - vielleicht abgesehen von einer Steinbruchfunktion - keine erkennbare Rolle mehr.

Wiederum wurden die Beobachter durch die Bildung von vier informellen Gruppen ("non-groups") von den Beratungen ausgeschlossen. Wie jedoch dem Ergebnis am Ende zu entnehmen war, waren die Verhandlungspartner während ihrer Sitzungen nicht zur Sache gegangen: Keine Staatengruppe hatte Positionen aufgegeben, keine Annäherung vorher voneinander entfernter Positionen hatte stattgefunden. Der Ursprungstext war lediglich ein wenig aufgebläht und mit unzähligen Klammern gespickt worden.

Die Verhandlungspositionen

Bewegung unter den beteiligten Akteuren gab es vor allem durch die - teilweise erstmalige -Verkündung von Verhandlungspositionen. Japan präsentierte der AGBM seinen windelweichen Vorschlag: maximal 5 Prozent Reduktion von CO2, CH4 und N2O im Zeitraum 2008 bis 2012 gegen 1990, wobei nach Ländern differenziert wird (im Durchschnitt der Industrieländer kommt dabei eine Reduktion von 3,2 Prozent heraus); unter besonderen Umständen (welches Land kann keine besonderen Umstände für sich geltend machen?) kann das Ziel nochmals um 2 Prozent unterschritten werden - kurzum, die Stabilisierung der Emissionen der Industrieländer bis 2012 ist die rechtlich verbindliche Substanz des Vorschlags.

Die Europäische Union schloß ihre offene Flanke und erklärte, wie die Einigung aussehen sollte, mit der sie die Einhaltung von eingegangenen Reduktionsverpflichtungen regeln will. Der EU-Vorschlag, der schon früher vorgelegt wurde, sieht eine Emissionsredulktion von 7,5 Prozent bis 2005 und 15 Prozent bis 2010 für Kohlendioxid, Methan und Lachgas vor.

Die Entwicklungsländer (G 77 und China) überraschten mit einem lange erwarteten, aber - wegen des OPEC Einflusses - eigentlich nicht für möglich gehaltenen anspruchsvollen gemeinsamen Vorschlag, der bis 2010 große Parallelen mit dem der EU aufweist (minus 15 Prozent Reduktion für CO2, CH4 und N2O zusammengenommen gegenüber 1990) und für 2020 noch eins draufsetzt: Bis dann sollen die Emissionen der Industrieländer um 35 Prozent zurückgehen! Wenig Zustimmung bei Industrieländern wie auch bei Beobachtern fand allerdings die Forderung nach einem Kompensationsfond für die erdölexportierenden Länder.

Leider fand dieser außergewöhliche und weitgehende Vorschlag in den Medien nur geringe Beachtung, denn kurz danach präsentierten die USA ihre seit März diesen Jahres erwartete Position: Eine Stabilisierung des Ausstoßes von sechs Treibhausgasen (CO2, CH4 , N2O, HFC, PFC und SF6 zusammengenommen) bis zum Zeitraum 2008 - 2012 gegenüber 1990. Dies soll erreicht werden u.a. mit Hilfe von Instrumenten wie Emissionshandel oder Joint Implementation sowie - womit es auch noch wissenschaftlich fragwürdig wird - mit Verrechnung von Quellen und Senken. Dabei beharren die USA weiterhin auf dem Schaffen von neuen Verpflichtungen für Entwicklungsländer im Kyotoer Abkommen, was im Widerspruch zum Berliner Mandat steht. Als Nebenbemerkung sei hier verwundert festgestellt, wie es zusammenpaßt, daß zum einen 1995 auf der ersten Vertragsstaatenkonferenz in Berlin im Konsens festgestellt wurde, die Verpflichtungen der Industrieländer (zur Rückführung der Emissionen auf 1990er Niveau bis zum Jahr 2000) seien nicht adäquat, und daß andererseits die USA zwei Jahre später vorschlagen, die Emissionen erst bis 2012 auf das Niveau von 1990 zurückzuführen. Bill Clinton ist im Klimaschutz weitgehend Sklave der Industrie und in seinem Spielraum stark eingeschränkt durch den republikanischen Congress, dessen Zustimmung zur Ratifizierung des Protokolls selbst bei einem völlig unzureichenden Ergebnis in Kyoto - trüge es beispielsweise die Elemente des US-Vorschlags - ungewiß ist.

Einen innovativen Vorschlag unternahm Raúl Estrada-Oyuela bei einem seiner morgendlichen Treffen, auf denen er über den Fortschritt der informellen Verhandlungen berichtete. Ganz ungewöhnlich, stellte dabei er Fragen an das Auditorium. U.a. wollte er von Unternehmensvertretern wissen, wie sie es denn mit den Politiken und Maßnahmen hielten. Nachdem ihn die Antwort zu einseitig erschien, forderte er die Unternehmens-NGO auf, dies am anderen Tag vor dem Plenum nochmals anzusprechen - wenn es sein müßte, mit verschiedenen Sichtweisen. Dies geschah dann auch. So kam es, daß einerseits Clement Malin (International Chamber of Commerce) sich gegen international abgestimmte Klimaschutzmaßnahmen aussprach, und andererseits Paul Metz (European Business Council for a Sustainable Energy Future) darstellte, daß durch das Ergreifen von gemeinsamen Politiken und Maßnahmen anspruchsvollere Reduktionsziele erreicht werden könnten als ohne. Estrada faßte dies mit den Worten zusammen, die Unternehmensseite hätte also verschiedene Meinungen zu Politiken und Maßnahmen, so daß es Sache der Politik sei, darüber zu entscheiden. Dem deutschen Beobachter fällt in diesem Zusammenhang das falsche Spiel der großen Unternehmensverbände ins Auge. Sie, die nationale Schritte im Alleingang immer ablehnen mit dem Argument, man bräuchte international abgestimmte Maßnahmen, setzen sich auf internationaler Ebene vehement dafür ein, daß international keine gemeinsamen Maßnahmen ergriffen werden.

Die Umwelt-NGO verwandten viel Energie darauf, die Delegierten auf die großen Schlupflöcher aufmerksam zu machen, die in den Vorschlägen (vor allem der JUSCANZ) zu finden sind. Sie weisen auf die Gefahr hin, daß ohne Beseitung der Schlupflöcher ein Abkommen verabschiedet werden könnte, dessen numerische Reduktionszahlen vielversprechend klingen, daß die realen Emissionen der Industrieländer jedoch selbst bei Einhaltung des Abkommens weiterhin anwachsen würden.

Weiterhin wurde im Rahmenprogramm zu den Verhandlungen dargelegt, daß bereits jetzt schon viele Entwicklungsländer zur Umsetzung des Geistes der Konvention mehr machen würden als die Industrieländer. Diese auf den ersten Blick paradox erscheinende Feststellung wird dadurch begründet, daß weder die einen noch die anderen substantielle Maßnehmen zum Klimaschutz durchführen würden. Die Entwicklungsländer würden jedoch bei vielen Entscheidungen, die sie sowieso fällten, auf Belange des Klimaschutzes stärker eingehen.

Zum Schluß der Bonner AGBM Verhandlungen - der Vollständigkeit halber sei bemerkt, daß die AGBM 8 formal erst am 30. November /(1. Dezember) 1997 in Kyoto ihre Schlußsitzung haben wird - wurde Estrada von verschiedenen Staaten offiziell aufgefordert, bis zur Vertragsstaatenkonferenz in Kyoto einen weiteren Text von sich vorzulegen. Darüber sei er noch unschlüssig. Er bereite allerdings auf jeden Fall vor, in Kyoto bis zum Schluß zweigleisig zu fahren, so daß sowohl ein Abkommen in Form eines Protokolls wie auch eine Änderung der Konvention realisierbar ist, so daß die Blockade einzelner Länder ein Ergebnis nicht verhindern kann.

Auf die Frage, auf welche Weise das zukünftige Ergebnis von Kyoto als Erfolg oder Mißerfolg zu bewerten sei, gab Michael Zammit Cutajar, der Exekutivsekretär der Klimarahmenkonvention, eine einprägsame Antwort: Das Ergebnis sei ein Mißerfolg, wenn die Unternehmensvertreter Kyoto mit dem Eindruck verlassen würden, daß sie vorerst so weitermachen könnten wie bisher.

Weitere Fortschritte in Richtung Protokoll werden durch eine Reihe von Treffen im November erwartet. Beispielsweise werden am 8./9. November 1997 in Tokio 20 Vertreter der wichtigsten Länder, in der Mehrzahl vertreten durch ihre Minister, das Feld sondieren, in welcher Weise man sich am Ende treffen kann.

Nebenorgane

Die Nebenorgane der Klimarahmenkonvention tagten vor und teilweise parallel zur AGBM. Festzustellen ist weiterhin die schlechte Zahlungsmoral zur Finanzierung des Prozesses: 23 Prozent der Beiträge für 1996/97 sind noch nicht eingegangen, vier der zehn größten Beiträge stehen noch aus. Folgend einige bemerkenswerte Punkte.

Das Subsidiary Body for Scientific and Technological Advice (SBSTA) beriet über die Nationalberichte der Länder (welche sowohl die meisten Industrie- als auch viele Entwicklungsländer bis Mitte April 1997 dem Sekretariat hätten zusenden sollen). Zwei Drittel der Entwicklungsländer haben mittlerweile Schritte zur Erstellung der Nationalberichte unternommen. Die schleppende Bereitstellung finanzieller Ressourcen für die Berichterstellung ist weiterhin ein Problem.

Zur Pilotphase zu Activities Implemented Jointly wurde festgestellt, daß diese eine sehr dünne Basis an teilnehmenden Ländern hat.

SBSTA erlebte wiederum Präsentationen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), das im September das neu zusammengesetzte Bureau gewählt hatte (mit Eberhard Jochem, ISI (Karlsruhe), als deutschem Mitglied). Die Niederlande (Bert Metz) hat den Zuschlag für die "technical support unit" der Arbeitsgruppe 3 bekommen. Präsentiert wurde ein special report des IPCC über die Verwundbarkeit von verschiedenen Regionen, wobei sich Afrika als der durch die Klimaänderung am meisten betroffene Kontinent herausstellt. Der Vertreter der Marshall-Inseln kommentierte den Bericht als Verkündung der Todesstrafe für Länder wie das Seinige. Schließlich wurde erwähnt, daß der special report zu Luftverkehr und Klima erst zu Beginn des Jahres 1999 verabschiedet sein wird.

Im Rahmenprogramm wurde auf einer Veranstaltung der Europäischen Verkehrsministerkonferenz darauf hingewiesen, daß bei Fortsetzen von Business as Usual bis zum Jahr 2010 der Verkehrsanteil an den CO2-Emissionen der Industrieländer auf 53 Prozent steigt - dies ist fast eine Anteilsverdopplung -, wenn moderate Protokollziele (minus 10 Prozent bis 2010) vereinbart und umgesetzt würden.

Abschließend bleibt noch festzustellen, daß die nächste Vertragsstaatenkonferenz im November 1998 in Bonn stattfinden wird.

Author(s)

Dr. Manfred Treber

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