Auswirkungen der EU-Agrarpolitik im Globalen Süden

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Auswirkungen der EU-Agrarpolitik im Globalen Süden

Seit den 1980er Jahren wurde die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union auch für ihre internationalen Wirkungen heftig kritisiert: Subventionen, die gezielt für den Export landwirtschaftlicher Produkte gezahlt wurden, führten mit zum Verfall der Weltmarktpreise und verdrängten gerade in Entwicklungsländern vor allem kleinere Betriebe von ihren lokalen Märkten. Dagegen wendete sich Anfang der 1990er Jahre eine der ersten Kampagnen von Germanwatch und die internationale Bauernbewegung Via Campesina, bei der auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Mitglied ist, kritisiert schon lange das so ermöglichte Preisdumping der EU. Dieser Druck führte zusammen mit handelspolitischen Konflikten und steigenden Ausgaben dazu, dass in der GAP schließlich Exportsubventionen und hohe garantierte Preise abgeschafft und durch Flächenprämien ersetzt wurden. Diese werden unabhängig davon gezahlt, was die Landwirte in welcher Menge und für welchen Markt erzeugen und gelten daher als nur minimal handelsverzerrend. Seit 2015 sind Exportsubventionen durch einen Beschluss der Welthandelsorganisation WTO weltweit verboten.

Die EU-Exporte wichtiger Erzeugnisse wie Weizen, Schweine- und Geflügelfleisch sowie Milch sind gleichwohl gestiegen. Der afrikanische Kontinent ist ein besonders wichtiger Absatzmarkt: ein Viertel der EU-Weizen- und Mehlexporte geht nach Afrika südlich der Sahara, wo sie mit lokal angepassten Nahrungspflanzen wie Hirse, Cassava und Yams konkurrieren. Bei Geflügelfleisch gingen 2017 sogar 42 % der gesamten EU-Exporte in diese Region.

Wachstumskurs schadet letztlich LandwirtInnen und Umwelt

Die jetzigen Export-„Erfolge“ der EU hängen also nicht mit direkten Exportsubventionen zusammen. Seit Jahren propagieren PolitikerInnen und VerbandsfunktionärInnen, dass die Landwirtschaft exportieren muss, um die Erzeugung steigern zu können. Die öffentliche Förderung von Investitionen in immer größere Ställe unterstützt den Ausbau der Produktion. 2015 fiel zudem die seit den 1980er Jahren geltende verbindliche Begrenzung der Milcherzeugung weg. Damit sollten die europäischen Molkereien wachsende Exportchancen am Weltmarkt nutzen können. Als die Weltmarktpreise dann aufgrund der höheren EU-Exporte zusammenbrachen, mussten auch die Milchviehbetriebe in der EU dramatische Verluste in Kauf nehmen. Viele gaben auf, andere konnten nur mit staatlichen Notkrediten erhalten werden. Die Exportorientierung wirkt sich auch negativ auf die Umweltstandards in der Landwirtschaft aus. So wurden in einigen EU-Staaten, so auch Deutschland, wirksame Maßnahmen zum Gewässerschutz mit dem Hinweis auf negative Effekte auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit abgelehnt. Erst auf Druck der EUKommission wurden wirksamere Maßnahmen eingeführt. Die Bäuerinnen und Bauern werden nun einerseits zur Intensivierung gedrängt und stehen andererseits höheren Auflagen und Kosten gegenüber.

Auch die von der Mehrheit der ÖkonomInnen geteilte Bewertung, dass Flächenprämien kaum Auswirkungen auf den Handel haben, ist zu hinterfragen. Die Erzeugung von Weizen, Milch und Schweinefleisch für den Export profitiert von 2,2 Milliarden Euro. An den Gesamteinnahmen für den Exportanbau (Exporterlöse plus Flächenprämien) macht dies etwa 17 % aus. Modellrechnungen kommen zum Ergebnis, dass die EU-Nettoexporte von Schweinefleisch ohne Flächenprämien um 16 % sinken würden, die von Weizen um 20 % und von Hühnerfleisch sogar um drei Viertel. Gerade in Afrika wäre wohl mit verringerten Importen und höheren Preisen zu rechnen. In Kombination mit einer aktiven Agrarpolitik und gezielter Entwicklungszusammenarbeit für den Sektor könnte dies vor Ort dringend notwendige Investitionen auslösen, um die sehr niedrige Produktivität zu steigern.

Mit den Exportsubventionen hat die EU zwar ein international und entwicklungspolitisch besonders schädliches Instrument ihrer Agrarpolitik abgeschafft. Unproblematisch ist sie deswegen noch lange nicht. Die europäische Landwirtschaft ist erst dann international verträglich, wenn die derzeit für Flächenprämien verwendeten Milliarden in den Umbau zu einer ökologisch- und klimaverträglichen Landwirtschaft und eine artgerechte Tierhaltung mit mehr Platz, Auslauf und Weidehaltung fließen.

Tobias Reichert, Germanwatch & Berit Thomsen, AbL

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