Lebensmittelverschwendung strategisch angehen

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Lebensmittelverschwendung strategisch angehen

Konkrete Zielvereinbarungen als Teil der globalen Verantwortung Deutschlands
Weitblick-Bild 2/15: WWF-Infografik Lebensmittelabfall

Grafik: © WWF/Infografik Anita Drbohlav, www.paneemadesign.com

  
Es war eine Meldung, die viele aufhorchen ließ: Das französische Parlament verabschiedete im Mai dieses Jahres einstimmig ein Gesetz, das Supermärkten verbietet, Lebensmittel in den Müll zu werfen. Stattdessen sollen sie die Ware kostenlos an soziale Einrichtungen abgeben bzw. sie der Landwirtschaft als Tierfutter oder Kompost überlassen. Italien möchte Frankreichs Vorbild folgen und bis Ende des Jahres ein Gesetz einbringen, das den Handel durch steuerliche Anreize dazu bewegen soll, Lebensmittelüberschüsse zu spenden. Großbritannien dagegen setzt auf freiwillige Selbstverpflichtungen des Handels zur Verringerung von Lebensmittelabfällen. Aber kann der Handel alleine es richten?

Sinnlose Ressourcenvergeudung

Lebensmittelverschwendung ist nicht nur aus ethischen Gründen inakzeptabel, sondern auch für Klima und Umwelt sehr problematisch. Fast 30 Prozent des weltweiten Ackerlandes und ein Viertel des gesamten Wasserverbrauchs der Erde werden für die Produktion von Lebensmitteln verwendet, die schon bei Ernte und Lagerung verderben oder von Handel und Haushalten weggeworfen werden. In Deutschland landen nach einer aktuellen Studie des WWF 18 Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr im Abfall, 61 Prozent davon in Verarbeitung, Lebensmitteleinzelhandel und Großküchen. Zehn Millionen Tonnen davon ließen sich vermeiden und damit gleichzeitig 2,6 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzte Flächen sinnvoller nutzen und 22 Millionen Tonnen Treibhausgase einsparen – das entspricht in etwa einem Drittel der landwirtschaftlichen Treibhausgas-Emissionen Deutschlands.

Freiwillig oder Verbindlich?

Die Bundesregierung setzt vor allem auf die Initiative Zu gut für die Tonne!, mit der VerbraucherInnen sensibilisiert und zu Verhaltensänderungen angeregt werden sollen. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft stößt die Initiative ebenfalls an.

Konkrete Reduktionsziele hielt die Bundesregierung bislang für ungeeignet – weil die notwendige Datengrundlage und verlässliche Erhebungsmethoden fehlten. Allerdings beschloss der Deutsche Bundestag bereits 2012 einen fraktionsübergreifenden Antrag, in dem er die Bundesregierung aufforderte, die Menge der Lebensmittelabfälle bis 2020 um die Hälfte zu reduzieren und damit der EU-Zielsetzung zu folgen. Laut den globalen nachhaltigen Entwicklungszielen (SDG, siehe Artikel Die erste globale Entwicklungsagenda), die auch für Deutschland gelten, sollen bis 2030 die Lebensmittelverluste und -abfälle um 30 Prozent pro Kopf entlang der gesamten Wertschöpfungskette reduziert werden (Ziel 12.3).

Die internationalen Ziele werden nur die notwendige Wirkung entfalten, wenn die Bundesregierung eine Gesamtstrategie zur Reduktion der Lebensmittelverschwendung und verbindliche Zielvorgaben entwickelt und zügig umsetzt. Die VerbraucherInnen alleine können es nicht richten. Es sind konkrete Zielvereinbarungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette – Landwirtschaft, Verarbeitungsindustrie, Handel, Großverbraucher, Privathaushalte – notwendig.
  

Daniela Baum
 

Weitere Infos:
WWF-Studie „Das große Wegschmeißen” – www.kurzlink.de/studie_wegschmeissen
   

Lea Jenkner bei der Germanwatch-Aktion zum Erdüberlastungstag 2015 mit ihrem Slogan zum Europäischen
Jahr für Entwicklung. Mehr Infos: www.germanwatch.org/de/eje2015

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