Ergebnisse und Beschlüsse der XIX. Plenarsitzung des IPCC


Manfred Treber, Christoph Bals und Gerold Kier

Zusammenfassung: Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) stellt die weltweit höchste Autorität zu klimawissenschaftlichen Fragen dar. Das vorliegende Papier gibt einen Überblick über die Beschlüsse der XIX. IPCC-Vollversammlung, die vom 17. bis 20. April 2002 in Genf stattfand. Zum einen wurde hier der neue Vorsitzende und das restliche Bureau (der "Vorstand") des IPCC neu gewählt. Zum anderen wurden Beschlüsse über die Vorgehensweise bei der Erstellung des nächsten, dem Vierten IPCC-Sachstandsberichts gefasst. Die Wahl zum Vorsitzenden konnte der Inder Rajendra Pachauri für sich entscheiden. Er löst damit den bisherigen Vorsitzenden Robert Watson ab, dem die USA wie auch viele Entwicklungsländer die Unterstützung versagten. Letztere wollten nach drei Amtsperioden endlich einmal einen Vertreter aus ihren Reihen in dieser Position sehen.

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Stand: 16.10.02
 

Inhalt



 

Einleitung

Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) wurde 1988 von UNEP (United Nations Environment Programme) und WMO (World Meteorological Organisation) gegründet. Die hohe Autorität des IPCC ergibt sich daraus, dass renommierte Wissenschaftler - von den einzelnen Staaten benannt - für die Berichte zuarbeiten und diese in einem mehrstufigen Begutachtungs-Prozess unter Einbezug von Wissenschaft und Politik entstehen und verabschiedet werden.

Der Vorsitzende nimmt im IPCC die wichtigste Rolle ein. Denn er leitet die Plenarsitzungen, also die Vollversammlungen des IPCC, wo mehrere hundert Vertreter aus mehr als hundert Staaten zusammenkommen. Dort werden die Berichte abgenommen, darunter die Zusammenfassungen für Entscheidungsträger Zeile für Zeile. Hier sind eine schnelle Auffassungsgabe und Echtzeitreaktionen mit sprachlichen Kompromissvorschlägen gefordert, um vor allem die Angriffe der "Abwiegler" aus Saudi Arabien und anderen Bremserländern parieren zu können.

Das IPCC hat durch seine Sachstands- und Sonderberichte die Dynamik internationaler Klimaverhandlungen auf UN-Ebene maßgeblich befördert (vgl. Zeittafel). So folgte dem ersten Sachstandsbericht im Jahr 1990 die Einsetzung eines Intergovernmental Negotiation Committee (INC). Dieses sollte einen Text für eine Klimarahmenkonvention verhandeln. Am 9. Mai 1992 konnte dieser in New York verabschiedet werden - auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro im Juni 1992 lag die Konvention dann zur Zeichnung aus.

Der zweite Sachstandsbericht (Second Assessment Report - SAR) des IPCC lieferte die notwendige wissenschaftliche Unterfütterung, damit die Klima-Unterhändler das Berliner Mandat des ersten Klimagipfels (Berlin, 1995) in Kyoto (Dezember 1997) erfüllen konnten.

Der schwedische Gründungsvorsitzende des IPCC, Bert Bolin, gab 1996 nach zwei Amtszeiten den Vorsitz und damit auch die Koordinationsfunktion für die Arbeit des IPCC ab. Für den dritten Sachstandsbericht (Third Assessment Report - TAR) des IPCC übernahm Robert Watson, gebürtig in Großbritannien und mittlerweile US-Bürger, den Vorsitz. Beim Zweiten Sachstandsbericht war Watson bereits Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe II gewesen. Hauptamtlich hatte er bei der Weltbank in Washington die Position des Direktors für Umweltfragen inne.

Die Berichte der drei Arbeitsgruppen des IPCC für den Dritten Sachstandsbericht wurden im Januar, Februar und März 2001 in Plenarsitzungen angenommen. Der Dritte Sachstandsbericht wurde im September 2001 mit dem Synthesebericht, der die Ergebnisse der drei Arbeitsgruppenberichte zusammenfasst, abgeschlossen. Damit war das 1996 begonnene Projekt beendet. Das Jahr 2002 ist also der Startpunkt der nächsten Phase, deren Grobstruktur auf der XIX. Vollversammlung (1) des IPCC vom 17. bis 20. April in Genf festzulegen war. Schon im Vorfeld bestand kein Zweifel darüber, dass die Behandlung des Vierten Sachstandsberichts (Fourth Assessment Report, im weiteren als FoAR bezeichnet) ein maßgeblicher Tagesordnungspunkt dabei werden sollte.

Für die neue Phase stand einerseits an, die Personen zu bestimmen, die in dieser Zeit durch ihre Rolle im Bureau (2) des IPCC wichtige Akteure sein werden. Andererseits sollten bereits Entscheidungen über die Struktur des FoAR und ein Zeitplan zu seiner Erstellung festgelegt werden.

Außerdem wurden grundlegende Beschlüsse über die weitere Arbeit des IPCC gefasst. Weitere zentrale Ergebnisse der Plenarsitzung sind Beschlüsse über das zukünftige Arbeitsprogramm sowie die Struktur und den Zeitplan für den FoAR, der bis Ende 2007 fertiggestellt sein soll.
 
 

Zeittafel

IPCC und internationaler Klimaschutz


1988 Gründung des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) durch UNEP/WMO
   
1990 Verabschiedung des First Assessment Report des IPCC
   
1990 Einsetzung eines Intergovernmental Negotiation Committee zum Verhandeln des Textes einer Klimakonvention
   
1992 Verabschiedung der Klimarahmenkonvention am 9. Mai in New York
  Unterzeichnung der Klimarahmenkonvention durch über 150 Staaten auf der UNCED (United Nations Conference on Environment and Development) in Rio de Janeiro im Juni
  [Mittlerweile haben nahezu alle UN-Mitgliedsstaaten ratifiziert, übrigens auch die USA]
   
1995 Erste Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention (in Berlin)
  Wichtigstes Ergebnis: Berliner Mandat; Ziel: Innerhalb von zwei Jahren ein Protokoll zu verabschieden, das im ersten Schritt Reduktionsverpflichtungen allein für Industrieländer vorsieht
  Verabschiedung des Zweiten Sachstandsberichts des IPCC
   
1997 Dritte Vertragsstaatenkonferenz (in Kyoto)
  Wichtigstes Ergebnis: Kyoto-Protokoll; Ziel: Industrieländer reduzieren ihre Treibhausgasemissionen um 5,2 Prozent bis zum Zeitraum 2008-2012 gegenüber 1990
   
2001 Verabschiedung des Dritten Sachstandsberichts des IPCC
  Siebte Vertragsstaatenkonferenz (in Marrakesch)
  Wichtigstes Ergebnis: Klärung der Ausführungsbestimmungen des Kyoto-Protokolls; Ratifizierung durch Industrieländer und Inkrafttreten ist damit möglich geworden

 

Inhaltliche Ergebnisse der Plenarsitzung

Die Diskussion um die Struktur des FoAR hatte bereits auf der XVIII. Plenarsitzung in Wembley im September 2001 begonnen. Ein Vierter Sachstandsbericht sollte entstehen, wobei u.a. die zeitliche Abfolge der Berichtserstellung, der Umfang des Berichts und die Fragen für den Synthesebericht zu klären waren. Auf der XIX. Vollversammlung in Genf (2002) wurden folgende Vorgaben beschlossen:

  1. Der FoAR wird im Laufe des Jahres 2007 abgeschlossen.
  2. Die Beiträge der Arbeitsgruppen des IPCC (Working Groups = WG) werden zeitlich leicht versetzt verabschiedet: Die WG I im ersten Quartal 2007, die WG II und III in der Jahresmitte und der Synthesebericht im letzten Quartal.
  3. Der FoAR soll umfassend, allerdings fokussiert und kurz ausfallen.
  4. Der Umfang sowie die Art des Syntheseberichts sollen auf der nächsten Plenarsitzung des IPCC beschlossen werden.
  5. Wenn die Vollversammlung bejaht, politikrelevante Fragen zu behandeln, sollen diese im Dialog von IPCC und SBSTA frühzeitig erarbeitet werden. Dabei sollen die Lehren des Prozesses der Erstellung des Dritten Sachstandsberichts berücksichtigt werden.
  6. Die Tätigkeit des neuen Bureaus soll bis ein oder zwei Sitzungen nach der Verabschiedung des FoAR reichen.
Durch die Beschlüsse des siebten Klimagipfels (Marrakesh Accords, November 2001) wurden dem IPCC anspruchsvolle Aufgaben zu den Treibhausgasinventaren aus den Bereichen Land- und Forstwirtschaft übertragen. Dies wird die Arbeitskapazität des IPCC in den nächsten beiden Jahren stark beanspruchen. Es betrifft vor allem die in Japan angesiedelte "Task Force on National Greenhouse Gas Inventories".

Drei Aufgaben ("Tasks") sind dabei zu erfüllen:

  1. Erstellen von Richtlinien guter Praxiserfassung der Inventare zu Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) (Task 1); dieses Papier, zu dem 101 Autoren beitragen sollen, durchläuft den üblichen Begutachtungs-Prozess für Sonderberichte und soll im November 2003 von der IPCC-Vollversammlung angenommen werden,
  2. Entwicklung von Definitionen für die Degradation von Wald und den Rückgang des Pflanzenwuchses von anderen Vegetationstypen, um die methodologischen Möglichkeiten zur Erfassung und zum Berichten über Emissionen, die aus diesen Aktivitäten herrühren, zu untersuchen (Task 2); auch dieser Bericht wird eine intensive Begutachtung durchlaufen und von der Vollversammlung im November 2003 angenommen werden,
  3. Entwicklung von anwendbaren Methodologien, um zwischen direkten menschverursachten Änderungen und indirekten menschverursachten Änderungen der Kohlenstoffbestände und Treibhausgasemissionen sowohl auf der Quellen- als auch auf der Senkenseite unterscheiden zu können. (Task 3); dieser Bericht wird im September 2004 vom IPCC-Plenum abgenommen.
Ein weiterer Beschluss betrifft das Thema Technologien zur geologischen Speicherung von Kohlenstoff (etwa in leeren Gasfeldern oder im tiefen Ozean). Für viele Staaten, die Emissionsminderung an der Quelle vermeiden bzw. beschränken wollen, scheint die Durchführung von Senkenprojekten einerseits und die geologische Speicherung andererseits eine verheißungsvolle Möglichkeit, der Klimaänderung zu begegnen, ohne den bisherigen Umgang mit Energie allzusehr ändern zu müssen. Von der geologischen Speicherung im engeren Sinne zu unterscheiden sind Versuche, CO2 durch Ausbringen von Stoffen, die das Algenwachstum stärken, auf diese Weise (dauerhaft) von der Atmosphäre fernzuhalten. Die Dauerhaftigkeit dieser Verfahren ist - im Gegensatz etwa zum Ausbringen von CO2 in leeren Gasfeldern, das relativ gut verstanden wird -, noch sehr wenig gesichert.

Trotz Stimmen aus der EU, sich doch zuerst um die kostengünstigeren Reduktionsmöglichkeiten (wie etwa Energieeinsparung) intensiv zu kümmern, gab es starke Unterstützung für einen Workshop zum Thema Kohlenstoffspeicherung. Auf diesem Workshop sollen auch Technologien zur Abtrennung des Kohlenstoffs untersucht werden. Lediglich Technologien zur Verstärkung der biologischen Kohlenstoffaufnahmefähigkeit des Ozeans (etwa durch großflächige Düngung) werden nicht betrachtet - weniger wegen ihrer Nähe zum "Geo-Engineering", sondern weil eine ganz andere Gruppe von Fachwissenschaftlern als bei der vorher erwähnten Kohlenstoffabtrennung und -speicherung gefragt wäre. Als Ergebnis dieser Diskussion könnte das IPCC einen Sonderbericht zu dieser Thematik verfassen.

Zudem kam man überein, dass die Co-Chairs der WG I und II in den nächsten vier Monaten ein Papier mit Rahmenvorgaben für einen Bericht über Klimaänderung und Wasser schreiben und dieses an die Regierungen versenden. Sie sollten dabei auch einen Zeitplan für einen denkbaren Sonderbericht zu diesem Thema darstellen.

Auf der Vollversammlung wurde auch das fertiggestellte technische Papier zu Klimaänderung und Biodiversitätsbelange verteilt, allerdings ohne weitere Aussprache über dieses Thema.

Die letzte substantielle Entscheidung der Vollversammlung war das grüne Licht für die Bureaux der Arbeitsgruppen II und III, sich mit den Regierungen zu konsultieren, um die Rahmenvorgaben für einen Workshop oder ein Expertentreffen zum Thema "Klimaänderung und Entwicklung und Armutsbekämpfung" aufzustellen. Ursprünglich war unter diesem Tagesordnungspunkt geplant, ein technisches Papier zu Klimaänderung und Nachhaltige Entwicklung zu erstellen. Dies wird zunächst nicht angepackt.

Im Rahmen der Diskussion über verschiedene neue Arbeiten des IPCC wurde der Grundsatzbeschluss gefällt, dass vor jedem neuen Beschluss über Special Reports der Beschluss von Wembley (IPCC XVIII) umgesetzt werden müsse. Dieser besagt, dass das IPCC zuerst seine Prioritäten für die weitere Arbeit festlegt - eine solche Festlegung ist mangels Beratungszeit bisher nicht erfolgt. Deshalb ist zu erwarten, dass diese Frage auf der nächsten IPCC-Vollversammlung zuerst angegangen werden wird.

Aus Zeitgründen wurden die vorbereitenden Arbeiten der Task Group über Szenarien zur Untersuchung der Auswirkungen der Klimaänderung nicht mehr behandelt. Auch die geplante Diskussion über das Entwurfspapier über die Struktur eines angedachten Berichtes zur Operationalisierung von Art. 2 der Klimarahmenkonvention fand nicht statt. Dieser zentrale Artikel der Klimarahmenkonvention verlangt, "die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird. Ein solches Niveau sollte innerhalb eines Zeitraums erreicht werden, der ausreicht, damit sich die Ökosysteme auf natürliche Weise den Klimaänderungen anpassen können, die Nahrungsmittelerzeugung nicht bedroht wird und die wirtschaftliche Entwicklung auf nachhaltige Weise fortgeführt werden kann." Eine Festlegung darüber, welche Treibhausgaskonzentration als gefährlich eingestuft werden sollte, steht bisher aus. Die Diskussion in der Wissenschaft und bei Nicht-Regierungsorganisationen hierüber nimmt derzeit deutlich an Intensität zu.

Ein weiteres Papier, das lediglich verteilt und nicht diskutiert wurde, behandelt die Erfahrungen der Arbeitsgruppe III bei der Erstellung des Dritten Sachstandsberichts (vgl. IPCC-XIX/INF.1). Ohne diplomatische Verschleierung werden dort Defizite aufgezeigt und Verbesserungsvorschläge eingereicht: Die Zeitpläne wurden oft nicht eingehalten, auf nicht-englische Literatur wurde nur begrenzt zugegriffen. Graue Literatur (damit wird die Literatur umschrieben, die nicht in reviewten Zeitschriften publiziert wird) wurde unzufriedenstellend behandelt. Die Literaturverweise wären oft unvollständig gewesen. Der (oft gänzlich ausgefallene) Beitrag von einigen Autoren war ein großes Problem, bei manchen Textteilen wurde die Verantwortlichkeit für den Prozess nicht ausreichend wahrgenommen. Es sollte möglich sein, solche Personen zu ersetzen. Bei der Auswahl von führenden koordinierenden Autoren ("Co-ordinating Lead Authors") sollte davon Abstand genommen werden, Spitzenfachleute zu benennen, da diese in der Regel zeitlich überfordert würden. Diese sollten hingegen wie bisher als führende Autoren gewonnen werden, um die Glaubwürdigkeit des Berichtes auf möglichst hohem Niveau zu gewährleisten. Das Behandeln von Querschnittsfragen erwies sich als schwierig, da die Autoren - abgesehen von einigen Ausnahmen - wenig Interesse für Themen abseits ihrer Kapitel zeigten. Der Begutachtungs-Prozess hatte mit 10 - 20 Prozent einen unbefriedigenden Rücklauf. Antworten aus Entwicklungsländern waren sehr unterrepräsentiert.
 

Wahl des IPCC-Vorsitzenden und des Bureaus

Die Wahl des Vorsitzenden und des weiteren Bureaus nahm bei IPCC XIX den größten Raum ein. Bereits im Vorfeld der Sitzung in der Öffentlichkeit war bekannt geworden, dass der US-Ölkonzern Exxon-Mobil sich in einem Brief an US-Präsident Bush gegen eine zweite Amtszeit des IPCC-Vorsitzenden Robert Watson ausgesprochen hatte. Aber auch viele Entwicklungsländer wollten einen "eigenen" Kandidaten unterstützen. So gab es mit dem Inder Rajendra Pachauri erstmals einen Gegenkandidaten (später kam noch der Brasilianer José Goldemberg hinzu) und es kam zur Wahl.

Diese wurde bereits im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit für Pachauri entschieden (siehe unten). Seine Amtszeit erstreckt sich über den Zeitraum der Erstellung des Vierten Sachstandsberichts (Fourth Assessment Report - FoAR) und reicht bis ins Jahr 2008. Pachauri ist ohne Zweifel ein hochreputierter und seriöser Wissenschaftler, der sich bereits seit langem mit Fragen der Klimaänderung beschäftigt. Es bleibt allerdings abzuwarten, inwiefern er die in der Einleitung beschriebenen Anforderungen an einen IPCC-Vorsitzenden (gemeint ist die souveräne Leitung von Plenarsitzungen, insbesondere bei der Verabschiedung von Berichten des IPCC) in ähnlicher Weise erfüllt wie seine Vorgänger.

Die Wahl des Bureaus war auch eng mit der Frage des Vorsitzes zu den drei Arbeitsgruppen und der Task Force zu Treibhausgasinventaren verbunden. Die Vorsitzenden der Arbeitsgruppen wiederum sind mit der Lokalisierung der entsprechenden Technical Support Units (TSU) der Arbeitsgruppen verknüpft. Deren regionaler Sitz wurde gegenüber dem Dritten Sachstandsbericht teilweise getauscht. Die WG I (Science - Naturwissenschaft) verlässt das Vereinigte Königreich und geht unter Susan Salomon in die USA. Der Sitz der WG II (Impacts and Adaptation - Auswirkungen und Anpassung), die bisher in den USA war, kommt ins Vereinigte Königreich zu Martin Parry. Der Sitz der Arbeitsgruppe III (Mitigation - Emissionsminderung) bleibt unter Bert Metz in den Niederlanden.

Der Vorschlag des Nominierungskomittees für die Wahl der weiteren Kandidaten des Bureaus (dies hat insgesamt 30 Mitglieder) - wohlausgewogen nach dem Proporz der Regionen - stößt trotz weitgehender Zustimmung (was nach 3 Tagen Konsultationen kein Wunder ist) auf einzelne Widerstände.

Die Schweiz intervenierte vergeblich, ihr Kandidat sei von IPCC-Regionalgruppe 6 für das Bureau der WG I nominiert worden, er stände jedoch in der Liste des Nominierungs - Komitees nicht mehr, stattdessen der Franzose Jouzel.

Interventionen von Georgien (für die Gruppe der Länder im Übergang zur Marktwirtschaft), Tadschikistan und vor allem Kasachstan beklagten, ihre Ländergruppe hätte außer Prof. Izrael (für Russland) keinen Sitz im Bureau. Sie verbanden dies vorläufig mit der Weigerung zur Zustimmung zum neuen Bureau. Dies sowie Unzufriedenheit von Libanon führten vor der Wahl des neuen Bureaus zum Beschluss:

Die Vertretung der zentralasiatischen Staaten im Bureau sei unangemessen. Das IPCC-Plenary soll in einer der nächsten Sitzungen eine Änderung der geographischen Verteilung der Sitze im Bureau behandeln und auch eine Rotation der Sitze erwägen. Dazu sollen die Staaten vor der nächsten Plenarsitzung spezifische Vorschläge unterbreiten.

Folgend akzeptierte die Plenarsitzung die vorher verteilte Namensliste zum neuen Bureau per Akklamation, kurz darauf auch das Task Force Bureau (vgl. Kasten). Deutschland hat mit Dänemark die Vereinbarung getroffen, dass in WG III der dänische Vertreter J. Christensen nach drei Jahren durch einen deutschen Vertreter ersetzt wird.

Noch zu erwähnen ist, dass die Amtszeit von N. (Ram) Sundararaman, Sekretär des IPCC seit dessen Gründung, mit IPCC XIX endete. Sein Nachfolger ist der Australier Dr. Geoff Love.
 
 

Das neue IPCC-Bureau

entsprechend der Wahl vom 20.4.2002


Vorsitzender

Rajendra K. Pachauri


 
IPCC-Vize-Vorsitzende
Richard Odingo
(Kenia)
Mohan Munasinghe
(Sri Lanka)
Yuri A.Izrael
(Russische Föderation)

 
Arbeitsgruppe I "Wissenschaftliche Grundlagen"
Arbeitsgruppe II
"Auswirkungen, Anpassung und Verwundbarkeit"
Arbeitsgruppe III "Emissionsminderung"
Task Force Bureau 
zu Treibhausgasinventaren 
Vorsitzende (Co-Chairs)
Vorsitzende (Co-Chairs)
Vorsitzende (Co-Chairs)
Vorsitzende (Co-Chairs)
Dahe Qin
(China)
Osvaldo Canziani 
(Argentinien)
Ogunlade Davidson
(Sierra Leone)
Thelma Krug
(Brasilien)
Susan Solomon
(USA)
Martin L. Parry
(UK)
Bert Metz
(Niederlande)
Taka Hiraishi
(Japan)
Vize-Vorsitzende
Vize-Vorsitzende
Vize-Vorsitzende
 
Bubu P. Jallow
(Gambia) 
Abdelkader Allali
(Marokko)
Ismail A.R. Elgizouli
(Sudan)
 
Kansri Boonpragob
(Thailand) 
John M.R. Stone
(Kanada)
Ziad H. Abu-Ghararah
(Saudi Arabien)
 
Maria T. Martelo
(Venezuela)
Edmundo de Alba Alcaraz
(Mexiko)
Eduardo Calvo
(Peru)
 
David Wratt
(Neuseeland)
John Zillman
(Australien)
Ramon Pichs-Madruga
(Kuba)
 
Jean Jouzel
(Frankreich)
Jean-Pascal van Ypersele
(Belgien)
R.T.M. Sutamihardja
(Indonesien)
 
Filippo Giorgi
(Italien)
Lucka K. Kajfez-Bogataj
(Slowenien)
John Christensen
(Dänemark)*
 
* Es besteht ein Übereinkommen zwischen Dänemark und Deutschland, dass nach 3 Jahren ein Experte von Deutschland (Dr O. Hohmeyer) den Platz von Dr. J. Christensen übernehmen wird


Task Force Bureau zu Treibhausgasinventaren


Vorsitzende (Co-Chairs)
Mitglieder
Thelma Krug (Brasilien)
Soobaraj N. Sok Appadu (Mauritius)
Taka Hiraishi (Japan)
Jamidu Katima (Tansania)
 
Kirit Parikh (Indien)
 
Dhari Al-Ajmi (Kuwait)
 
Javier Hanna Figueroa (Bolivien)
 
Sergio Gonzales (Chile)
 
Art Jaques (Kanada)
 
Dina Kruger (USA)
 
Ian Carruthers (Australien)
 
Helen Plume (Neuseeland)
 
Audun Rosland (Norwegen) *
 
Saad Khorafan (Syrien)
* Es besteht ein Übereinkommen zwischen Norwegen und UK, dass nach 3 Jahren ein Experte aus UK (J. Penman) den Platz von A. Rosland übernehmen wird.
 
Die Wahl des neuen IPCC-Vorsitzenden: "Die UN wählt"

Der sicherlich wichtigste Tagesordnungspunkt - auf einer Agenda mit über einem Dutzend Punkten - der 19. IPCC Vollversammlung (17. bis 20. April 2002) war die Wahl des IPCC Chairs (Vorsitzender) und des Bureaus ("Vorstand"), das außer dem Vorsitzenden aus 29 weiteren Mitgliedern besteht.

Im Vorfeld der Sitzung war in der Öffentlichkeit bekannt geworden, dass der US-Ölkonzern Exxon-Mobil sich schon im Februar 2001 in einem Brief an den neuen US-Präsidenten Bush gegen eine zweite Amtszeit des IPCC-Vorsitzenden Robert Watson ausgesprochen hatte. Der Wissenschaftsgemeinde, die Watson gut kennt, ist dieser als ein sehr energiegeladener, hochkompetenter und brillianter Vorsitzender in Erinnerung, der die Angriffe von Vertretern der Ölinteressen - etwa aus Saudi Arabien - praktisch immer mit entsprechenden Alternativformulierungen kontern und auf diese Weise eine weitere Verwässerung der "Zusammenfassung für Entscheidungsträger" weitgehend verhindern konnte. Allerdings hat sich Watson durch seine schnelle Denk- und Sprechweise und sein beschränktes Eingehen auf Vertreter, die fern seines Kenntnisstandes sind und ihn deshalb nur teilweise verstehen, nicht nur Freunde gemacht. Gerade Vertreter aus Entwicklungsländern fühlten sich von ihm öfter übergangen.

Entgegen den in 12 Jahren praktizierten Üblichkeiten wurde für IPCC XIX klar, dass die Bestimmung des Vorsitzenden vermutlich nicht im Konsens vonstatten gehen würde. Mit dem Inder Rajendra Pachauri und dem Brasilianer José Goldemberg gab es erstmals Gegenkandidaten.

Im folgenden werden die Schritte zur Wahl des Vorsitzenden dargestellt. Es ist gar nicht so einfach, wenn die UN wählt.

1. Mittwoch (17. April 2002) Vormittag, Plenarsitzung

Man diskutiert, wie die Kandidatensuche und -auswahl vonstatten gehen soll.

Ein Nominierungskomitee und ein "credential committee" sollen eingerichtet werden. Bob Watson hat Kontakt mit dem "Chairman Emeritus" Bert Bolin aufgenommen und ihn eingeladen. Dieser könne der Vorsitzende des Nominierungskomitees sein, das aus Bolin und je einem Vertreter der 6 IPCC-Regionen besteht.

Eine Diskussion über die Zusammensetzung und den Umfang des Komitees sowie über sein Mandat - also was seine genaue Aufgabe ist - beginnt.

In der Mittagspause sollen sich die Regionalgruppen treffen und beraten.

2. Mittwoch Nachmittag, Plenarsitzung

Die Regionalgruppen berichten von ihren Treffen. Ein Konsens deutet sich an: Pro Region sollen 2 Vertreter im Nominierungskomitee sein. Die meisten Regionen haben sich auf zwei Ländernamen geeinigt, die verlesen werden: Nigeria und Mocambique für Afrika, Nepal und Saudi Arabien für Asien, Südamerika zunächst noch offen (erst Donnerstag wird verlautbart: Peru und Argentinien), Kanada und Kuba für Nord- und Mittelamerika, Australien und Philippinen für Süd-West Pazifik, Island und Ungarn für Europa.

Längere Diskussion zur Lösung 12 Vertreter im Nominierungskomitee (=2 mal 6) + 1 (Bolin), oder 12 + 2 (Bolin und weiterer Co-Chair) und darüber, dass Bolin nicht automatisch der Chair sei. Kenia stellt fest, dass Bolin ja aus Region 6 (Europa) komme, und dass damit Europa mit 3 Personen vertreten sei. Stillstand. Spontaner Vorschlag von Tibor Farago aus Ungarn (Ex-SBSTA-Chair), der einer der 2 Vertreter von Region 6 ist: er stelle seinen Platz Bolin zur Verfügung.

Beschluss: Nominierungskomitee besteht aus 12 Personen (jede Region 2) und wählt sich seine 2 Co-Chairs aus. Um 16.35 Uhr (also nach gut eineinhalb Stunden) ist die Zusammensetzung des Nominierungskomitees also klar. Es würde dem Plenum zweimal täglich berichten.

3. Donnerstag Vormittag, Plenarsitzung

Bolin berichtet von der Sitzung des Nominierungskomitees, sie hätten einen Chair (ihn) und einen Co-Chair (Adarsha Pokhrel aus Nepal) gewählt und versuchten, einen Konsensvorschlag zu erarbeiten. Dort seien sie noch nicht angelangt. Watson gibt zur Kenntnis, Nominierungen könnte es allerdings bis zur Wahl geben.

4. Donnerstag Nachmittag, Plenarsitzung

Darf das Nominierungskomitee die Frage behandeln, ob der IPCC einen Chair oder 2 Co-Chairs haben soll? Darf es Kandidaten interviewen oder konsultieren? Darf es seine Entscheidung begründen, wenn es keinen Konsens fand? Mit diesen Fragen befasst sich die Plenarsitzung an diesem Nachmittag. ... Erst um 16.55 Uhr geht es mit der normalen Tagesordnung (Struktur des Fourth Assessment Report - FoAR) weiter.

Bei einem anschließenden Empfang treten Gerüchte auf, man wolle auf dieser Sitzung eine Entscheidung verhindern, da bei Abwesenheit einer Konsensentscheidung Pachauri gewählt werden würde. Afrika unterstütze Pachauri weitestgehend.

5. Freitag Vormittag, Plenarsitzung

Der Co-Chair aus Nepal gibt bekannt, sie hätten einstimmig drei Kandidaten nominiert. Um 11.50 Uhr meint Watson, man müsse zur Wahl schreiten. Dazu wird der Russe Prof. Izrael (hat WMO-Erfahrung; die Regeln der WMO gelten für die Wahl) als Wahlleiter gewählt.

Der (scheidende) Sekretär des IPCC, der Inder N. Sundararaman, und Izrael erklären, sich gegenseitig öfter unterbrechend, und auch von Zwischenfragen unterbrochen werdend, das Wahlverfahren. Man bräuchte zwei Wahlhelfer, müsse das Votum des Credential Committee über Wahlberechtigte (Länder) hören, Beschlussfähigkeit feststellen. Immer wieder werden Artikel der Wahlordnung aufgerufen und erklärt.

Wenn keine absolute Mehrheit zustande käme, gäbe es einen zweiten Wahlgang. Man kann nur mit Ja oder Nein stimmen, Enthaltungen gibt es nicht. Geheime Wahl.

Sobald die Wahl beginnt, kann sie nicht mehr unterbrochen werden, keiner kann den Raum verlassen. Der Vorsitzende würde klar sagen, wenn die Wahl begänne.

Interventionen von Portugal, Deutschland und UK: Die Wahl hätte noch nicht begonnen, man würde sich in der Region nochmals konsultieren wollen. Izrael geht mit keinem Wort darauf ein. Saudi Arabien will keine Pause. Ein Disput darüber beginnt, ob die Wahl bereits begonnen hat oder nicht. Sudan behauptet, der Wahlleiter hätte den Start bereits verkündet. Es geht bis zu Geschäftsordnungsanträgen (von Raúl Estrada-Oyuela, Argentinien), der Vorsitzende solle unter der Drohung seiner Abwahl die Anfrage nach einer Pause beantworten. Gegenantrag von Al Sabban über ein Misstrauensvotum über den Wahlleiter. Es ist 13 Uhr, übliche Mittagsessenszeit. Izrael wiederholt, er würde sagen, wenn die Wahl begonnen würde. Saudi Arabien zieht seinen Antrag zurück. Mittagessen. Punkt 15 Uhr soll gewählt werden.

6. Freitag Nachmittag, Plenarsitzung

Die beiden Wahlhelfer (aus Regionen, die keinen Kandidaten haben: Sierra Leone und Honduras) werden bestimmt und treten vor. Das Quorum (zwei Drittel der WMO-Mitglieder) ist erfüllt. Der Sekretär erklärt, wie der Stimmzettel ausgefüllt werden soll. Die Wahlhelfer werden von zwei Offiziellen von UNEP und WMO unterstützt. Die leere Wahlurne wird gezeigt.

Formal wird der Co-Chair aus Nepal gefragt, welche Nominierungen es gibt. Die drei Bekannten (Goldemberg, Pachauri,Watson), keine weiteren, kommt die Antwort.

Dann geht die Frage an das Plenum, ob noch weitere hinzukämen. Nein. Izrael beendet den Prozeß der Nominierung um 15.21 Uhr und beginnt die Wahl. Die Länder werden in alphabetischer Reihenfolge (französisch) aufgerufen und begeben sich zur Urne (wo sich eine Schlange bildet), werden auf Identität überprüft und werfen ihren Stimmzettel ein.

Die Stimmabgabe ist um 15.47 Uhr beendet. Die Ergebnisse werden 16.17 Uhr an Izrael überbracht: 133 Stimmzettel wurden verteilt, 132 sind abgegeben und gültig. Die absolute Mehrheit liegt bei 67.

Folgend liest er das Ergebnis vor:

Goldemberg 7
Pachauri 76
Watson 49

Schließlich werden dann als letzten Schritt die Stimmzettel vernichtet. Damit ist die Wahl abgeschlossen.Rajendra Pachauri ist mit absoluter Mehrheit im ersten Wahlgang zum nächsten Vorsitzenden des IPCC gewählt.
 

Abkürzungen
 

FoAR IPCC Fourth Assessment Report
IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change 
LULUCF Land use, land use change and forestry
SAR IPCC Second Assessment Report
SBSTA Subsidiary Body for Scientific and Technological Advice
TAR IPCC Third Assessment Report
TSU Technical Support Unit
UK United Kingdom
UNCED United Nations Conference on Environment and Development, Rio de Janeiro 1992
UNEP United Nations Environment Programme
WG Working Group
WMO World Meteorological Organisation

Links

  • "Klima, Politik und Wissenschaft - der internationale Klimaverhandlungsprozess und der Beitrag der Wissenschaften", September 2000. Gibt einen kurzen Überblick über die seit über zehn Jahren laufenden internationalen Klimaverhandlungen. www.germanwatch.org/rio/bpsb13.htm
  • "Globaler Klimawandel: Neue und stärkere Evidenz", Oktober 2001. Enthält zentrale Passagen der Summaries for Policymakers (Zusammenfassungen für Entscheidungsträger) des IPCC Third Assessment Report (Dritter Sachstandsbericht) in deutscher Übersetzung, jeweils gefolgt von einem GERMANWATCH-Kommentar. www.germanwatch.org/rio/bpipcc01.htm
  • "Fliegen gefährdet das Klima" - Problemdarstellung und Handlungsmöglichkeiten für die nächsten Jahrzehnte, Mai 1999. Behandelt den IPCC-Sonderbericht "Aviation and the Global Atmosphere". www.germanwatch.org/rio/ipccflug.htm
  • Webseiten des GERMANWATCH-Arbeitsschwerpunkts RioKonkret mit umfangreichen Informationen zum Thema Klimaschutz in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik: www.germanwatch.org/rio


Fußnoten

  1. Das IPCC fällt die Entscheidungen über die Arbeitsstruktur, über zu untersuchende Inhalte wie auch über die Annahme von Berichten auf der Vollversammlung. Dieses Gremium besteht aus von den einzelnen Regierungen benannten Dele-gierten - oft sind es die gleichen Personen, die auch bei den UN-Klimaverhandlungen (vor allem im Nebenorgan SBSTA - "Subsidiary Body for Scientific and Technological Advice") ihre Regierungen vertreten.
  2. Das Bureau des IPCC hat 30 Mitglieder und trifft sich öfter als die Vollversammlung, um diese vorzubereiten und weitere Beschlüsse über das Vorgehen des IPCC zu fällen.


Dieses Projekt wird finanziell vom Bundesumweltministerium und vom Umweltbundesamt gefördert. Die Förderer übernehmen keine Gewähr für die Richtigkeit, die Genauigkeit und Vollständigkeit der Angaben sowie für die Beachtung privater Rechte Dritter. Die geäußerten Ansichten und Meinungen müssen nicht mit denen der Förderer übereinstimmen.
 

Das vorliegende Papier gibt einen Überblick über die Ergebnisse und Beschlüsse der XIX. Plenarsitzung des IPCC, die vom 17. Bis 20. April 2002 in Genf stattfand

Author(s)
M. Treber, C.Bals, G. Kier
Publication date
Pages
12
Order number
02-2-06
ISBN
3-9806280-8-6
Nominal fee
5.00 EUR

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