Die Industrieländer im Lichte des Emissionsziels der Klimakonvention


 

Manfred Treber, Christoph Bals und Gerold Kier

Stand: 29.4.03

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Inhalt


Zusammenfassung

In der Klimarahmenkonvention haben sich die Industriestaaten darauf verständigt, ihre Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2000 auf das Niveau von 1990 zurückzuführen. Wenngleich dieses Ziel nicht rechtsverbindlich formuliert wurde, so ist die Frage seiner Erreichung doch ein wichtiger Gradmesser für die Ernsthaftigkeit, mit der die Industriestaaten ihren Klimaschutzpflichten nachkommen.

Nachdem die offiziellen Emissionsstatistiken Ende 2002 vom UN-Klimasekretariat veröffentlicht wurden, kann nun die Erfüllung des Emissionsziels der Klimakonvention überprüft werden. Dies erfolgt, differenziert nach einzelnen Ländern und Ländergruppen, in Teil I des vorliegenden Papiers. Nicht überraschend ist, dass die im Übergang zur Marktwirtschaft befindlichen Länder Osteuropas (Transitionsländer) einen starken Emissionsrückgang zu verzeichnen haben, der natürlich nicht auf beherzte Klimaschutzmaßnahmen zurückzuführen ist, sondern vielmehr auf die Umstrukturierung ihrer Wirtschaft. Enttäuschend ist jedoch, dass unter den übrigen Ländern - also den "westlichen Industriestaaten" - nur wenige das Ziel erreicht haben. In dieser Gruppe haben Deutschland, das Vereinigte Königreich und Luxemburg ihr Emissionsziel deutlich überfüllt (> 5% Emissionsrückgang), was jedoch nur zu einem Teil auf eine konsequente Klimaschutzpolitik zurückzuführen ist. Das Ziel wurde ungefähr erreicht von Dänemark, Finnland, Frankreich, Liechtenstein, der Schweiz und Schweden. Alle übrigen Staaten haben das Ziel deutlich verfehlt (> 5% Emissionssteigerung).

Zwei weitere Messgrößen sind bei der Bewertung der Klimaschutzbemühungen eines Landes ebenfalls sehr wichtig: die CO2-Emissionen pro Einwohner und pro Einheit Bruttoinlandsprodukt (BIP). In den Transitionsländern ist in Folge der wirtschaftlichen Umbruchsituation der CO2-Ausstoß sowohl pro BIP-Einheit als auch (mit Ausnahme der Ukraine) pro Kopf zurückgegangen - zum Teil sogar sehr stark. Innerhalb der westlichen Industrieländer ist der Trend weniger einheitlich. Auch hier gibt es eine Gruppe von Staaten, bei denen der Ausstoß sowohl pro Kopf als auch pro BIP-Einheit gesunken ist (Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Luxemburg, Schweden, Schweiz und Vereinigtes Königreich). Bei einem Großteil der westlichen Industrieländer ist der Ausstoß pro BIP zwar gesunken, pro Kopf jedoch gestiegen (Australien, Belgien, Griechenland, Irland, Island, Italien, Japan, Kanada, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich und USA). Besonders auffallend ist, dass drei Länder mit ohnehin sehr hohem Pro-Kopf-Ausstoß diesen weiter kräftig gesteigert haben: Australien, Kanada und die USA. Nur in Portugal und Spanien sind sowohl pro Kopf als auch pro BIP-Einheit die Emissionen gestiegen. Allerdings gehörten beide im Jahr 1990 zu den drei Ländern mit dem - unter Industrieländern - geringsten pro-Kopf-Ausstoß.

Inwieweit die Industriestaaten ihre Treibhausgasemissionen weiter reduzieren können, hängt entscheidend von Art und Umfang ihrer in diesem Sinne ergriffenen Maßnahmen ab. Ihnen widmet sich Teil II dieses Papiers. Die Untersuchung erfolgt ebenfalls auf der Grundlage einer entsprechenden Veröffentlichung des Klimasekretariats. Festzustellen ist, dass die meisten Klimaschutzmaßnahmen, die in den Länderberichten aufgeführt sind, primär aus anderen Gründen als denen des Klimaschutzes ergriffen wurden. Klimaschutz war also, von wenigen Ausnahmen abgesehen, lediglich ein Nebeneffekt und ein Zusatznutzen dieser Politiken. Allerdings haben die meisten Staaten nach einer langen Zeit des Abwartens Maßnahmen ergriffen, die die Emissionen maßgeblich unter die Entwicklung des Trends drücken. Diese Maßnahmen werden erst in Zukunft ihre volle Wirkung zeigen. Ein zentraler nächster Schritt zum Ergreifen weiterer Maßnahmen wird das Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls sein, wozu noch die ausstehende Ratifizierung Russland notwendig ist. Dann wird es für "Zauderer" keine Ausrede mehr geben, Klimaschutzmaßnahmen zu verzögern, da die dann rechtlich verbindlichen Emissionsbegrenzungen in den westlichen Industrieländern nur durch weiteren Klimaschutz erreicht werden können.
 

Teil I: Abschneiden der Industrieländer im Zieljahr 2000

Nach jahrelangen, überwiegend von der Wissenschaft vorangebrachten Diskussionen wurden die Gefahren des menschgemachten, globalen Klimawandels Ende der 1980er Jahre auch auf der internationalen politischen Bühne zunehmend erkannt. Die Erkenntnis über die Notwendigkeit eines gemeinsamen Handelns führte zur Aushandlung der Klimarahmenkonvention. Sie wurde schließlich am 9. Mai 1992 in New York verabschiedet und wenige Wochen später auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro zur Unterzeichnung ausgelegt.

Am 21. März 1994 trat sie in Kraft und ist bislang (d.h. bis Februar 2003) von 187 - und damit von fast allen von den Vereinten Nationen aufgeführten - Staaten ratifiziert worden. Die Ausnahmen sind Andorra, Brunei, der Vatikan, der Irak, Somalia und die Türkei (1). Die Regierung der USA hat – auch nach dem Ausscheren aus dem Kyoto-Prozess – mehrmals ihre Unterstützung der Umsetzung der von ihr ratifizierten Klimarahmenkonvention bekräftigt.

Die Konvention enthält grundlegende Verpflichtungen für alle Mitgliedsstaaten sowie weitergehende Verpflichtungen für zwei verschiedene Ländergruppen, die im Anhang (=Annex) definiert werden. Annex I enthält die westlichen Industrieländer (OECD-Mitgliedsstaaten im Jahr 1992) sowie die industrialisierten Transitionsländer des ehemaligen Ostblocks. Die Annex-I-Länder werden im folgenden als "die Industrieländer" bezeichnet. Deren Mitgliedern sind aufgrund ihrer wirtschaftlichen Entwicklung (und damit verbunden den durch sie verursachten hohen historischen und aktuellen Treibhausgasemissionen) weitergehende Verpflichtungen auferlegt, etwa hinsichtlich Berichtspflichten von Emissionen, bei der Finanzierung des Klimaverhandlungsprozesses oder im eigentlichen Klimaschutz.

Annex II enthält ausschließlich die OECD-Mitgliedsstaaten von 1992. Sie haben weitergehende Pflichten hinsichtlich der Finanzierung des Klimaverhandlungsprozesses.

Das einzige Ziel im Hinblick auf Minderung der Treibhausgasemissionen kann man Artikel 4.2 (a) und (b) der Konvention entnehmen: die Industrieländer sollten ihre Kohlendioxid- und anderen Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2000 auf das im Jahr 1990 erreichte Niveau zurückführen. Dieses Ziel unterscheidet sich in zweierlei Hinsicht von den Emissionszielen des 1997 verabschiedeten Kyoto-Protokolls.(2) Zum einen sind die Kyoto-Ziele im Gegensatz zum Konventionsziel rechtsverbindlich (genauer: sie werden es sein, sobald Russland seine jüngst nochmals erneuerte Zusage in die Tat umsetzen wird, das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren). Zum anderen wird die Umsetzung der Kyoto-Ziele erst nach Ablauf der ersten Verpflichtungsperiode (2008-2012) - also in rund 10 Jahren - überprüft werden können (wenn man einmal von der für 2005 terminierten, nicht mit genauen quantitativen Zielen verbundenen Zwischenbilanz absieht). Beim Emissionsziel der Konvention handelt es sich hingegen um eine von praktisch allen Staaten per Ratifikation anerkannte Klimaschutz-Verpflichtung, deren Einhaltung - oder Nichteinhaltung - nun erstmals offiziell festgestellt werden kann.

Inhalt dieses Kapitels ist es, das Abschneiden der Industrieländer beim Erreichen des Emissionsziels der Konvention anschaulich aufzubereiten und zu kommentieren. Dies geschieht erst jetzt, da sich die Untersuchung auf die offiziell von den Staaten an das UN-Klimasekretariat gemeldeten Emissionsdaten stützt. Da die weitgehend exakte Erhebung dieser Werte durch die Staaten geraume Zeit in Anspruch nimmt, liegt erst seit Oktober 2002 ein offizielles Dokument der Konvention (FCCC/SB/2002/INF.2, abrufbar unter http://unfccc.int/resource/docs/2002/sb/inf02.pdf) vor, das für die meisten Industrieländer staatlich gemeldete Emissionswerte der Jahre 1990 und 1995 bis 2000 aufführt (3).

Die Angaben decken die Kyoto-Gase ab, d.h. diejenigen längerlebigen Treibhausgase, die nicht durch das Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht geregelt werden. Dies sind Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Lachgas (N2O) sowie die Industriegase Schwefelhexafluorid SF6 und fluorierte Kohlenwasserstoffe (HFC, PFC). Da die Gase eine unterschiedliche Treibhauswirkung pro Gewichtseinheit haben, wurden alle Emissionen in CO2-Äquivalente umgerechnet. Weiterhin sind Mengen darüber angegeben, inwieweit CO2 durch Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft gebunden oder freigesetzt wurde.

Abb. 1: Trend der aggregierten Treibhausgasemissionen von Annex-I-Staaten 1990-2000. EITs = Economies in Transition (Länder im Übergang zur Marktwirtschaft). Datenlücken aufgrund unvollständiger Berichte einiger Annex-I-Staaten wurden durch einfache Interpolation oder durch die letztverfügbaren Daten gefüllt. Die dargestellten Werte sollten daher als vorläufig angesehen werden, was aber den dargestellten Trend nicht beeinflussen sollte. Quelle: UN-Klimasekretariat (2002): FCCC/SB/2002/INF.2.
 

Die mittlere Kurve in Abbildung 1 zeigt, dass die Annex-I-Staaten zwischen 1990 und 2000 insgesamt einen leichten Rückgang ihrer Treibhausgasemissionen verzeichnen können, wobei der Trend allerdings gegen Ende des Zeitraums wieder nach oben zeigt. Ein differenzierteres Bild ergibt sich schon bei der die Aufteilung in zwei Ländergruppen, nämlich 1.) Länder im Übergang zur Marktwirtschaft (Transitionsländer) und 2.) übrige Annex-I-Länder (diese Länder werden in der Konvention gesondert im Annex II aufgelistet). Es zeigt sich, dass der leichte Emissionsrückgang der Annex-I-Staaten zum größten Teil darauf zurückzuführen ist, dass in der ersten Ländergruppe die wirtschaftliche Umstrukturierung - zum Teil muss man sogar von einem Zusammenbruch sprechen - starke Emissionsrückgänge mit sich gebracht hat. Doch auch bei den übrigen Ländern, deren Emissionen von 1990 bis 2000 insgesamt um 8,4% gestiegen sind, gibt es große Unterschiede.

Im Folgenden werden die Annex-I-Staaten einzeln in Bezug auf Ihre Emissionsentwicklung von 1990 bis 2000 untersucht. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf den menschverursachten CO2-Emissionen (ohne Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft). Dies ist darin begründet, dass, umgerechnet in CO2-Äquivalenz-Emissionen für einen hundertjährigen Bezugszeitraum, selbst bei Einbezug der Biosphäre, die CO2-Emissionen in den weitaus meisten Ländern die bestimmende Größe für die von diesem Land ausgehende Klimaerwärmung ist. Dahinter verbirgt sich, dass die energiebedingten CO2-Emissionen, d.h. die Nutzung fossiler Energieträger, der wesentliche Auslöser für die Entstehung des anthropogenen Treibhauseffekt sind.

CO2-Emissionen (ohne Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft)

Im folgenden werden zuerst die menschverursachten CO2-Emissionen betrachtet, wobei Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft nicht einbezogen sind. Hinsichtlich der Zielerfüllung lassen sich die Industrieländer in die drei Gruppen a) Ziel übererfüllt, b) Ziel ungefähr erreicht und c) Ziel deutlich verfehlt einteilen.

a) Ziel deutlich übererfüllt (über 5% Emissionsreduktion 1990-2000)

In dieser Gruppe überwiegen eindeutig die Transitionsländer. Jedes dieser Länder weist einen starken Rückgang der CO2-Emissionen im Jahr 2000 gegenüber 1990 auf, und zwar um
- rund 20 % (Tschechische Republik),
- 30 % (Ungarn, Polen, Slowakei),
- knapp 40 % (Russland),
- über 50 % (Bulgarien, Estland, Litauen, Ukraine)
- 70 % (Lettland).

Der Grund dafür liegt bekanntermaßen nicht in beherzter Klimaschutzpolitik, sondern in der mit der Einführung der Marktwirtschaft einhergehenden wirtschaftlichen Umstrukturierung.

Doch dieser Gruppe zuzuordnen sind auch noch mit

- Deutschland, dem Vereinigten Königreich (Großbritannien und Nordirland) und Luxemburg drei Industrieländer westlichen Typs.

Von den 15 Prozent Reduktion in Deutschland sind etwa die Hälfte vereinigungsbedingt, d.h. der gleichen Ursache zuzuordnen wie der geschilderte Rückgang in den Staaten Osteuropas. Die verbliebene Emissionsminderung ist die Folge geplanter, beharrlich verfolgter Klimaschutzpolitik und (vorwiegend ökonomisch motivierten) auf Eigeninitiative von Unternehmen umgesetzten Effizienzsteigerungen mit der Durchführung vieler kleiner Maßnahmen.

Das erste Jahrzehnt staatlicher Klimaschutzpolitik ist - nicht nur in Deutschland, sondern weltweit - dadurch geprägt, dass es nicht genug Unterstützung in der Bevölkerung gab, um wirksame Maßnahmen von größerem Ausmaß alleine mit der Notwendigkeit des Klimaschutzes zu begründen. Die Unterstützung von ernsthafter Klimaschutzpolitik in der Bevölkerung war gering - selbst in den wenigen Staaten, wo Umfragen eine Unterstützung nahe legten. In jedem Fall mussten anderweitige Vorteile der spezifischen Klimaschutzmaßnahme angeführt werden (was oft nicht schwer fiel), um die erforderliche Unterstützung zu erhalten. Anders gesagt: Klimaschutzmaßnahmen ließen sich meist nur als "no-regret-Maßnahmen" durchsetzen.

Der Emissionsrückgang im Vereinigten Königreich (um 7 Prozent) reiht sich in diese Argumentation ein. Ein wesentlicher Grund dafür war die Abkehr von der einheimischen Kohle als Primärenergieträger, was wiederum nicht klimapolitisch motiviert war. Da Kohle den höchsten Kohlenstoffgehalt unter den fossilen Energieträgern hat, bewirkte der Energieträgerwechsel einen Rückgang der CO2-Emissionen. Doch wie unten dargestellt wird, hat die Regierung in Großbritannien auch weitere Maßnahmen durchgeführt, um die Emissionen zu senken.

Luxemburg als sehr kleines Land wird bezüglich seiner Emissionen klarerweise sehr stark vom Wirtschaften einzelner Firmen beeinflusst. Der drastische Emissionsrückgang in diesem Land (um 58 Prozent) geht vor allem auf die Umstellung von der traditionellen Stahlindustrie auf Elektrostahl bei ARBED zurück - auch keine originäre Klimaschutzmaßnahme.

b) Ziel ungefähr erreicht

Verschiedene Länder sind dem Konventionsziel, ihre Emissionen bis 2000 auf das Niveau von 1990 zu reduzieren, sehr nahe gekommen. Zu dieser Gruppe zählen die Europäische Union als Ganzes und viele ihrer Mitgliedsstaaten (Dänemark, Frankreich, Liechtenstein). Sie haben das Ziel höchstens um zwei Prozent verfehlt. Die Schweiz, Schweden und Finnland haben das Ziel knapp erreicht.

c) Ziel deutlich verfehlt (über 5% Emissionszuwachs 1990-2000)

Hierzu zählen in Europa - verständlicherweise - vor allem solche Länder, die 1990 relativ niedrige oder moderate Pro-Kopf-Emissionen aufwiesen, wie die drei südlichen, weniger wohlhabenden EU-Mitgliedsstaaten Griechenland (+23 Prozent), Spanien (+35 Prozent) und Portugal (+43 Prozent) sowie Irland (+ 39 Prozent).

Doch enttäuschenderweise sind auch in relativ wohlhabenden Ländern die Emissionen zwischen 1990 und 2000 deutlich gestiegen, wie z.B. in den EU-Mitgliedsstaaten Niederlande (+ 9 Prozent), Belgien (+ 8 Prozent), Österreich (+ 6 Prozent) und Italien (knapp über +5 Prozent). Besonders stark verfehlt hat sein Ziel Monaco (+32 Prozent). Auch Norwegen (+17 Prozent) und Island (+ 18 Prozent) weisen eine enttäuschende Bilanz auf, wobei zur Entlastung die im Basisjahr 1990 relativ niedrigen Pro-Kopf-Emissionen berücksichtigt werden sollten.

Dies mag auch noch für Japan (+ 11 Prozent) gelten, zumal wenn man dessen hohe Exportquote betrachtet. Das Überschießen des Ziels im Falle Neuseelands (um 22 Prozent) kann dadurch relativiert werden, dass dort die positiven Auswirkungen der Landnutzung einen gewissen Ausgleich herstellen.

Für die noch verbleibenden OECD-Länder USA (+17 Prozent), Kanada + 21 Prozent) und Australien (+ 25 Prozent) gibt es keine überzeugenden Entschuldigungen. Alle drei weisen sehr hohe Pro-Kopf-Emissionen auf, und sie führen zu Hause keine wirkungsvollen Maßnahmen durch, um die Emissionen zu senken.

Angesichts dieser Sachlage überrascht es nicht besonders, dass einerseits diese drei letztgenannten bei den Verhandlungen um die Ausgestaltung des Protokolls immer die größten Schlupflöcher eingebaut haben wollten, und dass andererseits sowohl die USA wie auch Australien sich gegen ein Ratifizieren des Kyoto-Protokolls aussprechen, obwohl sie es beide sogar unterzeichnet haben. Im Kyoto-Protokoll wurde eine Reduzierung um 7 Prozent für die USA und die Erlaubnis einer Steigerung um 8 Prozent für Australien vorgesehen.

Abb. 2: Prozentuale Änderung der CO2-Emissionen (ohne Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft) zwischen 1990 und 2000. Die drei im Text unterschiedenen Ländergruppen sind mit gestrichelten Linien abgetrennt (oben: Ziel deutlich übererfüllt, Mitte: Ziel ungefähr erreicht, unten: Ziel deutlich verfehlt). Bei einzelnen Ländern kann der Bezugszeitraum leicht abweichen. Rumänien, Kroatien und Belarus (Weißrussland) wurden wegen mangelhafter Datenlage nicht in der Abbildung berücksichtigt, in allen drei Ländern sind die Emissionen allerdings nach Einführung der Marktwirtschaft in jedem Fall deutlich zurückgegangen. Quelle: Tabelle 5 aus: UN-Klimasekretariat (2002): FCCC/SB/2002/INF.2, siehe Anhang
 

Die bisher dargestellten Werte geben die Änderung der Gesamtemissionen der Staaten im betrachteten Zeitraum an. Im Folgenden stellen wir zusätzlich zwei weitere Messgrößen dar, die bei der Bewertung der Klimaschutzbemühungen eines Landes ebenfalls sehr wichtig sind, wenngleich sie formal für die Frage des Erreichens des Emissionsziels der Klimakonvention nicht relevant sind. Dies sind zum einen die CO2-Emissionen pro Einwohner (Abb. 3), zum anderen die CO2-Emissionen bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP), d.h. die Wertschöpfung (Abb. 4).

Bei der Interpretation dieser Zahlen muss berücksichtigt werden, dass die Gegebenheiten (z.B. in klimatischer Hinsicht, wegen der naturbedingt unterschiedlichen Verfügbarkeit Erneuerbarer Energien oder wegen der zurückzulegenden Reiseentfernungen) in den Staaten sehr verschieden sind, so dass in vielen Fällen das auf den ersten Blick gute oder auch schlechte Abschneiden eines Staates anhand der bloßen Zahlen irreführend sein kann. Wichtige Aufschlüsse gibt aber in jedem Fall die Entwicklung des Trends.

Die Transitionsländer zeichnen sich in Folge der wirtschaftlichen Umbruchsituation dadurch aus, dass ihr CO2-Ausstoß sowohl pro BIP-Einheit als auch pro Kopf zurückgegangen ist - zum Teil sogar sehr stark. Einzige Ausnahme ist die Ukraine, bei der sich zwar pro Kopf der Ausstoß mehr als halbiert hat, wo der Ausstoß pro verbleibendender Bruttoinlandsprodukt-Einheit jedoch gestiegen ist.

Innerhalb der westlichen Industrieländer ist der Trend weniger einheitlich. Auch hier gibt es eine Gruppe von Staaten, bei denen die Kohlenstoffeffizienz sowohl pro Kopf als auch pro BIP-Einheit gestiegen ist. Hierzu gehören Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Luxemburg, Schweden, die Schweiz und das Vereinigte Königreich. Wenn es Länder gibt, die eine effiziente Klimapolitik betreiben, so sind sie am ehesten in dieser Gruppe zu finden.

Bei einem Großteil der westlichen Industrieländer gibt es zwar eine Effizienzsteigerung pro BIP-Einheit, aber dennoch einen gestiegenen Pro-Kopf-Ausstoß. In diesen Fällen überkompensiert das Wirtschaftswachstum die zu bescheidenen Effizienzgewinne. Hierzu gehören Australien, Belgien, Griechenland, Irland, Island, Italien, Japan, Kanada, Neuseeland, die Niederlande, Norwegen, Österreich und USA. Wie bereits oben bei der Betrachtung der absoluten Emissionstrends angesprochen, fällt es besonders auf, dass drei Länder mit ohnehin sehr hohem Pro-Kopf-Ausstoß diesen weiter kräftig gesteigert haben: Australien, Kanada und die USA. Dieser Trend wird die Bereitschaft von Entwicklungsländern nicht gerade steigern, im Rahmen des Klimaregimes Begrenzungen ihrer Emissionen zu akzeptieren. Bei den USA und Australien ist hier in der nahen Zukunft auch nicht mit einer Trendwende zu rechnen. US-Präsident G.W.Bush hat verkündet, dass er das Kyoto-Protokoll und damit auch die darin festgeschriebenen Emissionsreduktionen ablehne. Vielmehr werde sein Land die absoluten Treibhausgas-Emissionen in den kommenden Jahren sogar noch steigern. Dass auch Australien das Kyoto-Protokoll ablehnt (dem Land wurde darin sogar ein absolutes Emissionswachstum von 8 Prozent bis zur Zielperiode 2008-2012 auf der Basis von 1990 zugestanden) lässt nicht vermuten, dass die dortige Regierung in naher Zukunft Maßnahmen zu einer deutlichen Reduzierung des Treibhausgasausstoßes einleiten wird. Unter den drei genannten Staaten ist am ehesten noch bei Kanada - angesichts seiner nun erfolgten Ratifizierung des Kyoto-Protokolls und der jüngsten Emissionsdaten - eine Trendwende in Sicht.

Nur in Portugal und Spanien sind sowohl pro Kopf als auch pro BIP-Einheit die Emissionen gestiegen. Hierbei ist anzumerken, dass im Jahr 1990 beide zu den drei Ländern mit dem - unter Industrieländern - geringsten pro-Kopf-Ausstoß gehörten. Auch auf diese beiden Referenzfälle werden Entwicklungsländer bei den künftigen Klimaverhandlungen sicherlich verweisen.

Bei den pro-Kopf-Emissionen fallen zwei Länder auf, die hier im Jahre 1990 Spitzenreiter waren und wo dieser Wert nun drastisch zurückgegangen ist: Luxemburg und Estland. Dies ist jedoch kaum auf engagierten Klimaschutz zurückzuführen. Das Beispiel Luxemburg wurde oben bereits kommentiert und Estland gehört zu der Gruppe der Transitionsländer, deren industrielle Produktion beim Übergang zur Marktwirtschaft stark zurückgegangen ist.

Abb. 3: Tonnen CO2 pro Einwohner 1990 und 2000 bzw. im letzten Jahr mit verfügbaren CO2-Statistiken, jeweils ohne Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft. Quelle der Emissionszahlen: Tabelle 5 aus: UN-Klimasekretariat (2002): FCCC/SB/2002/INF.2, siehe Anhang. Quelle der Einwohnerzahlen: IEA 2002.
 

Abb. 4: Kilogramm CO2 pro US$ BIP (Bruttoinlandsprodukt) 1990 und 2000 bzw. im letzten Jahr mit verfügbaren CO2-Statistiken, jeweils ohne Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft. Das BIP ist in 1995er Kaufkraftparitäten angegeben. Quelle der Emissionszahlen: Tabelle 5 aus: UN-Klimasekretariat (2002): FCCC/SB/2002/INF.2, siehe Anhang. Quelle der BIP-Zahlen: IEA/OECD 2002.
 

Netto-CO2-Emissionen durch Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft

Der menschverursachte Einfluss auf den globalen Kohlenstoffkreislauf wird nicht nur durch die Nutzung fossiler Energieträger und industrielle Prozesse bestimmt, sondern auch durch den Beitrag der Biosphäre, sofern diese durch den Menschen verändert wird.

Die Art der Landnutzung, die Änderung der Landnutzung und die Bewirtschaftung der Wälder sind dabei die großen Faktoren. Entsprechend wurde dieser Bereich - vor allem auf Drängen der USA - in die Erfüllung der Emissionsziele des Kyoto-Protokolls einbezogen. Doch hier besteht noch beachtliche wissenschaftliche Unsicherheit, die in den nächsten Jahren eingeengt werden soll, um im Rahmen des Kyoto-Protokolls ein zufriedenstellendes Berichtssystem auch für die Emissionen dieses Bereiches zu erhalten.

Die Aussagen, die im folgenden präsentiert werden, beruhen auf im Rahmen der Konventions-Berichtspflichten gemeldeten Angaben. Sie sollen einen Hinweis darauf geben, welche Länder im Bereich von Landnutzung, Änderung der Landnutzung und Bewirtschaftung der Wälder als Quellen und welche als Senken von CO2 einzustufen sind, und wie sich die Situation seit 1990 entwickelt hat.

Da es im Kyoto-Protokoll nicht auf die absolute Höhe (4) der Senkenfunktion (5) ankommt, sondern auf die menschverursachte Änderung der Senkenfunktion, wird im folgenden auch auf die Änderung der Senken eingegangen und nicht nur auf deren absolute Größe. Bisher wurde allerdings im Rahmen der UN-Klimaverhandlungen noch nicht diskutiert und festgelegt, welche Änderungen als menschenverursacht zu definieren sind. Die Nationalberichte enthalten daher derzeit noch alle Quellen und Senken - sowohl die natürlichen als auch die menschenverursachten.

Australien als einziger großer Netto-Emittent aus diesem Bereich (78 Mio t CO2 im Jahr 1990) hat diese Emission mehr als halbiert und bis zum Jahr 2000 auf 33 Mio t CO2 zurückgeführt. Kanada als großflächiges Land war im Jahr 1990 eine große Senke (61 Mio t CO2), doch diese schrumpfte bis zum Jahr 2000 um drei Viertel auf 16 Mio t CO2. Auch die Senke, die Italien und Lettland im Jahr 1990 darstellten, verminderte sich bis zum Jahr 2000 um ein bzw. zwei Drittel. Norwegen hat die Aufnahmefähigkeit seiner Senken zwischen 1990 und 2000 verdoppelt, Polen die seinige um ein Viertel, Schweden um ein Drittel gesteigert. Die Senke, die Bulgarien und die Tschechische Republik im Jahr 1990 bildeten, war klein, wurde allerdings kräftig ausgeweitet. Gemäß seinen spärlichen Angaben hat Russland von 1990 bis 1996 die Aufnahmefähigkeit seiner Senken auf 840 Mio t CO2 mehr als verdoppelt. Auch die Europäische Union war im Jahr 1990 eine Senke (200 Mio t CO2), doch diese bildete sich bis 2000 um 10 Prozent zurück. Die USA war 1990 eine Senke (1.100 Mio t CO2), doch diese nahm bis zum Jahr 2000 um 18 Prozent ab (falls diese Abnahme der Senkenwirkung nennenswert menschlich verursacht ist, wäre dies insofern pikant, als sich die USA - gegen den Widerstand der Europäer - stark für den Einbezug der Senken in die durch das Kyoto-Protokoll gesetzten Emissionsbeschränkungen einsetzte, sich diesem jedoch mittlerweile verweigern). Griechenland steigerte hingegen seine Nettoemissionen aus der Biosphäre bei jährlich stark schwankendem Verlauf um maximal bis zu 4 Mio t jährlich.

Emissionen der weiteren Kyoto-Gase

Der Beitrag der weiteren Gase zu der von den Industriestaaten ausgehenden Erwärmungswirkung beträgt meist 20 bis 30 Prozent der CO2-Emissionen allein, wenn sie gemäß des Global Warming Potential (GWP) - bei 100-jährigem Betrachtungszeitraum - in CO2-Äquivalente umgerechnet werden.

Methan

Methan (CH4) entsteht u.a. in der Landwirtschaft, der Gewinnung und Verteilung von Brennstoffen und der Abfallwirtschaft.

Große Fortschritte konnten bei der Verringerung der Methan-Emissionen erzielt werden. Sie gingen in fast allen Ländern - mit Ausnahme Kanadas, Griechenlands und Spaniens, wo ein Anstieg um etwa ein Viertel zu verzeichnen war - zurück oder stagnierten zumindest.

Kräftige Rückgänge um 35 Prozent und darüber verzeichneten Finnland (-36 Prozent), Estland (-43 Prozent), Deutschland (-45 Prozent), Litauen (-53 Prozent) und Bulgarien (-64 Prozent).

In den meisten anderen Ländern fanden Rückgänge zwischen 10 und 30 Prozent statt. Auch die USA stießen im Jahr 2000 gegenüber 1990 knapp 6 Prozent weniger Methan aus.

N2O

Anders stellt sich die Situation bei Distickstoffoxid (N2O) dar. Dieses wird u.a. in der Land- und Abfallwirtschaft sowie in verschiedenen Industrie- und Verbrennungsprozessen frei.

Hier sind sowohl Rückgänge der Emissionen zwischen 1990 und 2000 wie auch Zunahmen festzustellen. Durchgeführte bzw. fehlende Aktivitäten der Staaten, aber auch industrielle Entwicklungen spiegeln sich in der Emissionsbilanz. Die EU senkte ihren Ausstoß um 16 Prozent, Japan um 5 Prozent. Der Ausstoß Kanadas stagnierte. Hingegen stiegen die Werte in den USA (+10 Prozent) und in Australien (+38 Prozent).

Industrielle Gase

Für diese Gas-Gruppe ist die Datenlage noch zu spärlich, um eine Übersicht über die Entwicklung in den verschiedenen Staaten zu erstellen. Zudem machen diese Gase selbst in Ländern, wo sie vornehmlich hergestellt und eingesetzt werden, nur einen kleinen Teil (USA: 2 Prozent) des Treibhausgaspotentials der Gesamtemissionen aus. Lediglich in Japan machen sie fast 7 Prozent der Gesamtemissionen aus. Dennoch ist es natürlich wichtig, diese Gase zu inventarisieren, nicht zuletzt wegen ihrer langen Lebensdauer im Vergleich zum CO2: sie beträgt bei den perfluorierten Kohlenwasserstoffen mehrere tausend Jahre.
 

Teil II: Ergriffene Politiken und Maßnahmen nach Sektoren

Die UN-Klimaverhandlungen befassten sich bereits von Beginn an nicht nur mit der Frage von Emissionszielen, sondern beinhalteten auch die Diskussion, welche Politiken und Maßnahmen ("Policies and Measures" = PAMs) zur Erreichung dieser Ziele geeignet sein würden. Im Kyoto-Protokoll wurden in Art. 2 schließlich formal eine Reihe von PAMs aufgeführt, mit denen die Vertragsstaaten ihre Ziele erreichen sollten.

Befürworter der Behandlung von PAMs (v.a. die EU) hielten ein abgestimmtes Vorgehen für notwendig, da es ansonsten Wettbewerbsverzerrungen geben würde und da in manchen Bereichen (z.B. Flugverkehr) international koordiniertes Handeln weitaus effizienter ist. Andere Staaten wie z.B. die USA hielten dem entgegen, es solle im Ermessen jedes Vertragsstaats selbst liegen, wie er seine Ziele erfülle. Ein viel wichtigeres Motiv zumindest mancher Akteure war jedoch sicherlich, dass sie in einer öffentlichen Diskussion über PAMs - sowohl bei Verhandlungen über gemeinsames Vorgehen als auch beim Berichten über bereits durchgeführte PAMs - eine akute Gefahr sahen: hierdurch würde relativ schnell offen gelegt, dass sie weder an einem tatsächlichen Erreichen der beschlossenen Emissionsziele noch an der rückblickenden Bloßstellung ihrer Untätigkeit im offiziellen Rahmen der UNO und damit der Weltöffentlichkeit ernsthaft interessiert waren.

Es gab daher von Anfang an starke Kräfte, die dieses Thema soweit wie möglich zurückdrängen (und später sogar von der Tagesordnung verbannen) wollten. So war es vermutlich kein Zufall, dass genau diejenigen Staaten (wie die USA, Kanada oder Australien) die Behandlung der PAMs im Rahmen der Konvention ablehnten, die es selbst am nötigsten gehabt hätten, da sie in ihren Klimaschutzanstrengungen kaum oder gar keine Erfolge vorweisen konnten und können.

Die Blockadehaltung dieser Staaten ging so weit, dass es den Europäern als die Haupttriebkraft für die Behandlung der PAMs nicht einmal mehr gelang, die PAMs unter diesem Begriff auf die Tagesordnung der Klimaverhandlungen zu bringen. So blieb als letzter Versuch, das Thema nicht vollständig zu verlieren, die Umbenennung bzw. das Befassen mit der Thematik mit einem anderen Zugang: Unter dem Tagesordnungspunkt der "Best Practices" (also Positivbeispiele der "Besten Praxis") bzw. später der "Good Practices" (der "Guten Praxis") wurden im Rahmen der Konvention Workshops zu gelungenen und vorbildhaften Politiken und Maßnahmen durchgeführt und darüber auf den Klimaverhandlungen berichtet.

Außerdem sind die Industrieländer im Rahmen ihrer regelmäßig zu erstellenden Nationalberichte verpflichtet, die von ihnen ergriffenen PAMs darzustellen. Mittlerweile wurden von zwei Dritteln der Industrieländer die Dritten Nationalberichte abgeschlossen (6) und an das UN-Klimasekretariat übermittelt. Dieses hat im Oktober 2002 eine Übersicht über die und eine Auswertung zu den in diesen Berichten dargestellten PAMs erstellt (vgl. FCCC/SBSTA/2002/INF.13, auf der Website des Klimasekretariats abrufbar unter http://unfccc.int/resource/docs/2002/sbsta/inf13.pdf).

Die meisten emissionsmindernden Maßnahmen, über die berichtet wurde, wurden primär aus anderen Gründen als denen des Klimaschutzes ergriffen. Klimaschutz war also, von wenigen Ausnahmen abgesehen, lediglich ein Nebeneffekt und ein Zusatznutzen dieser Politiken. Allerdings haben die meisten Staaten nach einer langen Zeit des Abwartens Maßnahmen ergriffen, die die Emissionen maßgeblich unter die Entwicklung des Trends drücken. Die meisten dieser Maßnahmen werden erst in Zukunft ihre volle Wirkung zeigen. Einige Staaten (Kanada, Niederlande, Norwegen und die USA) haben allerdings bereits dargestellt, dass die ergriffenen Maßnahmen das Erreichen der im Kyoto-Protokoll festgelegten Verpflichtungen nicht erlauben. Die USA erwartet bis zum Jahr 2010 stetig steigende Emissionen.

Erfreulich ist, dass verschiedene Transitionsländer es vermochten, die Entwicklung der Treibhausgasemissionen vom Wirtschaftswachstum zu entkoppeln. Einige westliche Industrieländer wie Kanada, Norwegen und die USA erwarten mit den ergriffenen Maßnahmen in Zukunft weder einen Emissionsrückgang noch zumindest eine Stabilisierung der Emissionen. Andere haben noch nicht hinreichend viele Maßnahmen beschlossen, um die Kyoto-Ziele zu erreichen. Immerhin sinkt abgesehen von Spanien, Portugal und der Ukraine in allen Staaten die Emissionsintensität (d.h. die pro Wirtschaftleistung freigesetzte Emissionsmenge). Alle Staaten mit Ausnahme der USA unterstreichen in ihren Nationalberichten die Bedeutung des Kyoto-Protokolls bei der Ausgestaltung ihrer heimischen Klimaschutzmaßnahmen. Die USA ihrerseits stellten ein neues nationales Ziel dar: Die Emissionsintensität soll dadurch im kommenden Jahrzehnt um 18 Prozent sinken, was bis zum Jahr 2012 eine 4,5 prozentige Abnahme gegenüber dem Trend ("Business as Usual") darstellen würde. Dies bedeutet jedoch, dass ihre Gesamtemissionen stark zunehmen werden.

Unter allen Sektoren weisen die Emissionen des inländischen Verkehrs und die des internationalen Luft- und Seeverkehrs die höchsten Wachstumsraten (etwa 20 Prozent von 1990 bis 2000) auf. Dies wird sich entsprechend der Emissionstrends auch in Zukunft fortsetzen.

Im folgenden werden einige im Klimaschutz ergriffene Politiken und Maßnahmen nach Sektoren und einzelnen Staaten vorgestellt. Die Übersicht des Klimasekretariats ist in die Bereiche Energie, Verkehr, industrielle Prozesse, Landwirtschaft, Landnutzungsänderungen/Forstwirtschaft und Abfall unterteilt. Im Folgenden werden vorrangig die Bereiche Energie (d.h. vor allem Stromerzeugung und andere Energieumwandlungsprozesse sowie Raumwärme) und Verkehr behandelt, da sie die zwei Bereiche mit den höchsten CO2-Emissionen sind.

Energie

Wenn man die Maßnahmen sektorweise betrachtet, erfuhr in der Periode nach der Verabschiedung des Kyoto-Protokolls (1997) der Energiesektor die auffallendsten Änderungen. Von einem Dutzend Industrieländern ist bekannt, dass sie im Energiesektor (dabei ist der Verkehr ausgenommen) Treibhausgas-relevante Steuern erheben. Das Ziel ist dabei auch die Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz.

Ein anderes wichtiges Element bei der Reform des Ordnungsrahmens besteht in der Verminderung der Subventionen im Umwandlungssektor und auch in der Energieanwendung. Gerade in den Transitionsländern ist der Subventionsabbau ein zentrales Ziel der Reformen. Die Preise sind nunmehr viel näher an den Erzeugungskosten, was im Vergleich mit dem früheren Zustand zu deutlich mehr Energiesparmaßnahmen anreizt. Immerhin weisen bereits gegenwärtig nur noch sehr wenige Länder Subventionen für fossile Energieträger oder Elektrizität auf. Ein zentrales Hindernis beim Erreichen höherer Energieeffizienz liegt in den durch die Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte gesunkenen Energiepreisen. Allerdings beginnt sich der Trend schon wieder umzukehren. Insgesamt ist es für den Energiesektor noch zu früh zu sagen, ob die ergriffenen Politiken und Maßnahmen eine bedeutende Rolle bei der Begrenzung der Emissionen gespielt haben, oder ob andere Faktoren - wie etwa milderes Klima - dazu führten. Immerhin gilt für Finnland, Schweden und die Niederlande, dass am Ende der 90er Jahre durchgreifende Klimaschutzmaßnahmen in Teilen zum Rückgang der Emissionen beigetragen haben. Noch nicht in der Analyse beinhaltet ist der beschlossene EU-Emissionshandel (Pilotphase ab 2005) und die nationalen bereits durchgeführten Programme (Vereinigtes Königreich und Norwegen).

Das Konzept des Emissionshandels wird in einer zunehmenden Zahl von Staaten umgesetzt. Als Voraussetzung dafür wird jeweils einer bestimmten Emittentengruppe eine absolute Obergrenze erlaubter Emissionen vorgegeben.

Hinsichtlich Erneuerbaren Energien (oder teilweise Kraft-Wärme-Kopplung, KWK) sind in einigen Ländern "grüne Zertifikate" eingeführt worden. Diese besagen, dass eine bestimmte Art der Stromerzeugung nach einer anspruchsvollen Zertifizierung gewissen Qualitätsstandards entspricht. Ein anderes Erfolgsmodell ist das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Damit wurde Deutschland in absoluten Zahlen weltweiter Spitzenreiter bei der Windkraftnutzung, und auch die Nutzung von Biomasse wird dadurch stark befördert. Dem Ziel eines höheren KWK-Anteils steht in einigen Staaten die durchgeführte Reform des Strommarktes entgegen, so dass deren Anteil dort (etwa im Vereinigten Königreich oder in Schweden) zurückging.

In den meisten Industrieländern werden bereits seit langem Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz im Gebäudebereich und im Kleinverbrauch durchgeführt. Anlass dafür war allerdings weniger der Klimaschutz, sondern Belange der Versorgungssicherheit und der wirtschaftlichen Effizienz. Viele Staaten berichteten über die Einführung von Maßnahmen in diesem Bereich oder über deren Verschärfung. Gerade die Energieeffizienz von Gebäuden ist für viele Staaten im Lichte des bestehenden beträchtlichen Energieeinsparpotentials von Priorität.

Verkehr

Das UN-Klimasekretariat stellt in seiner Übersicht fest, es gäbe Sektoren, denen nicht die Aufmerksamkeit zugeteilt würden, die notwendig wäre. Der Verkehrsbereich, der für die meisten Industrieländer zu den größten Verursachern und /oder zu den am stärksten wachsenden Emissionssektoren zählt, ist dafür ein Beispiel. Denn nur wenige Klimaschutzmaßnahmen würden dazu berichtet, und davon hätten bisher nur sehr wenige bemerkenswerte Emissionsreduktionen erzielt.

Auch die Projektionen setzen das Wachstum fort. Die USA geben bis zum Jahr 2020 einen Anstieg der verkehrlichen CO2-Emissionen um 46 Prozent gegenüber 2000 an, die EU erwartet ein "bescheideneres Wachstum" um 25 Prozent bis 2010. In den Industrieländern finden sich die größten Wachtumsraten im Straßen- und Luftverkehr.

Finnland hat eine beispielhafte Verkehrsstrategie entwickelt, die 1994 verabschiedet wurde und auf ein Nullwachstum der Emissionen abzielt. In der Tat wurde das Ziel erreicht: Die Emissionen lagen im Jahr 2000 auf dem Niveau von 1990. Die Strategie setzt auf eine Mischung aus "push" und "pull": zum einen erfolgt eine starke Besteuerung der Fahrzeuge und des Kraftstoffes, zum anderen wurde die Verbesserung und Unterstützung des Öffentlichen Verkehrs weiter vorangetrieben.

Erwähnenswert ist, dass die Auswertung der Nationalberichte zum Ergebnis kommt, es könne noch nicht der Schluss gezogen werden, die Erhöhung der Kraftfahrzeug- und Kraftstoffsteuern hätte beweisbare Auswirkungen. Da stellt sich die Frage, ob diese Aussage nicht anders ausgefallen wäre, wenn der dritte Nationalbericht von Deutschland in der Auswertung berücksichtigt worden wäre. Denn in Deutschland, wo 1999 die Ökosteuer eingeführt worden war, gingen die Emissionen des Pkw-Verkehrs (und sogar die Fahrleistung) jetzt bereits in drei aufeinanderfolgenden Jahren zurück.

Interessant ist noch festzustellen, dass das Klimasekretariat das Staumanagement als eine der von den Annex-I-Staaten gemeldeten zentralen Maßnahmen darstellt. Dies ist auf keinen Fall allgemein zutreffend. Unwidersprochen ist höchstens der zumeist positive Einfluss einer verminderten Anzahl von Staus auf die Wirtschaft. Ob aber die Auflösung von Verkehrsstaus - etwa durch Ausbau der Straßeninfrastruktur - überhaupt zur Emissionsminderung beiträgt, ist zumindest umstritten. Denn dies bewirkt eine Zunahme der durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit, was dazu führt, dass infolge der Konstanz des Reisezeitbudgets Berufspendler längere Strecken zurücklegen und dadurch mehr Emissionen ausstoßen ("eine halbe Stunde im Stop-and-Go, was für den Motor vornehmlich Leerlauf bedeutet, ist mit geringerem Kraftstoffverbrauch verbunden als die gleiche Zeit in Reisegeschwindigkeit ohne Behinderung").

Sonstige

Fast alle Staaten haben eine große Zahl von Maßnahmen durchgeführt, um das Konsumverhalten zu beeinflussen. Beispiele dafür sind Aufklärungskampagnen, und die Kennzeichnung der Produkte hinsichtlich Energieeffizienz.

Unter den Industrieprozessen sind die prozessverbundenen CO2-Emissionen der Eisen- und Stahlindustrie sowie bei der Zementherstellung wichtige Emissionsquellen. Dennoch werden keine Emissionsminderungsmaßnahmen durchgeführt, weil diese - so der Bericht des UN-Klimasekretariats - nicht in einfacher Weise zu erreichen sind.
 

Quellen und weitere Informationen

Quellen:

  • IEA - International Energy Agency (2002): CO2 Emissions from fuel combustion. OECD/IEA: Paris.
  • UN-Klimasekretariat (2002): Report on national greenhouse gas inventory data from Annex I Parties for 1990 to 2000. Note by the secretariat. FCCC/SB/2002/INF.2. Auf der Website des Klimasekretariats abrufbar unter http://unfccc.int/resource/docs/2002/sb/inf02.pdf [478kb]
  • UN-Klimasekretariat (2002): Policies and measures of Parties included in Annex I to the Convention reported in third national communications. Report by the secretariat. FCCC/SBSTA/2002/INF.13. Abrufbar unter http://unfccc.int/resource/docs/2002/sbsta/inf13.pdf [734kb]
Weitere Informationen zum Thema:
  • Globaler Klimawandel: Neue und stärkere Evidenz, Oktober 2001. Enthält zentrale Passagen der Summaries for Policymakers (Zusammenfassungen für Entscheidungsträger) des IPCC Third Assessment Report (Dritter Sachstandsbericht) in deutscher Übersetzung, jeweils gefolgt von einem Germanwatch-Kommentar. www.germanwatch.org/rio/bpipcc01.htm
  • Klima, Politik und Wissenschaft - der internationale Klimaverhandlungsprozess und der Beitrag der Wissenschaften, September 2000. Gibt einen kurzen Überblick über die seit über zehn Jahren laufenden internationalen Klimaverhandlungen. www.germanwatch.org/rio/bpsb13.htm
  • Analysis of BP Statistical Review of World Energy with respect to CO2 Emissions, 3rd Edition. Werner Zittel (Ludwig-Bölkow-Systemtechnik) & Manfred Treber (Germanwatch), 29.8.02. www.germanwatch.org/rio/apbpst02.htm
  • Paradepferd mit bleiernen Füßen. Internationaler Klimaschutz und die Umsetzung in Deutschland. Bernd Brouns (Wuppertal Institut) und Manfred Treber (Germanwatch), Mai 2002, www.rio-10.de/rioprozess/bilanzpapiere/bilanzpapier_klima.pdf (PDF-Datei 1,4 MB)

 
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Anhang

  • Aggregierte Emissionen von CO2, CH4, N2O, HFCs, PFCs und SF6, 1990 und 1995, ohne Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (Tabelle 4 von FCCC/SB/2002/INF.2, auf der Website des UN-Klimasekretariats abrufbar unter http://unfccc.int/resource/docs/2002/sb/inf02.pdf)
  • Gesamte anthropogene CO2-Emissionen, ohne Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft, 1990 und 1995-2000 (Tabelle 5 von FCCC/SB/2002/INF.2, auf der Website des UN-Klimasekretariats abrufbar unter http://unfccc.int/resource/docs/2002/sb/inf02.pdf). Die Originaltabelle enthält im Falle von Rumänien einen Fehler: Emissionsänderung ist -35,5%, nicht +35,5%.
Fußnoten

(1) Die Türkei hat auf den Klimagipfeln immer wieder das Wort ergriffen und betont, sie würde die Konvention mittragen. Sie hat sie jedoch bislang nicht ratifiziert, da sie in der Konvention als westliches Industrieland aufgeführt ist, sich jedoch nicht in der Lage sieht, die damit verbundenen Pflichten zu erfüllen. Erst mit dem Beschluss 26/CP.7 des Klimagipfels in Marrakesch wurde sie aus dem Annex II gestrichen, so dass ihrer Ratifizierung nichts mehr im Wege steht.

(2) Das Kyoto-Protokoll - oder formal: Beschluss 1/CP.3 der dritten Vertragsstaatenkonferenz der Konvention in Kyoto (als Umsetzung des Beschlusses 1/CP.1 der ersten Vertragsstaatenkonferenz in Berlin) - legt in seinem Annex B den dort aufgeführten Staaten Emissionsbeschränkungen auf. In den Annex B sind diejenigen Annex-I-Staaten aufgenommen, die Ende 1997 Vertragsstaaten der Konvention waren. Das bedeutet, dass in Annex B des Protokolls alle Staaten von Annex I der Konvention außer Belarus und der Türkei aufgeführt sind.

(3) Überhaupt keine Angaben über Emissionen wurden nur von Belarus (Weißrussland) geliefert. Bei anderen Ländern ist die Datenlage spärlich. So liegen bei Rumänien und Slowenien nur CO2-Werte für 1990 vor, bei Kroatien, Russland und der Ukraine bricht die CO2-Zeitreihe bereits 1995 bzw. 1996 respektive 1998 ab.

(4) Käme es auf die absolute Höhe der menschverursachten Beiträge der Senken aus den Bereichen Landnutzungsänderung und Wälder an, würde die von Senken aufgenommene Emissionsmenge für Neuseeland und Norwegen ähnlich hoch liegen wie die durch die Nutzung fossiler Energieträger freigesetzten CO2-Emissionen.

(5) Die Biosphäre kann sowohl als Quelle von wie auch als Senke für Emissionen fungieren. Da sie in den Industrieländern - mit Ausnahme von Australien, Griechenland und dem Vereinigten Königreich - eine Senke darstellt, wird im folgenden meist von der Senkenfunktion der Biosphäre gesprochen, obwohl dies in den drei Ausnahmefällen nicht der Fall ist.

(6) Bedauerlicherweise konnte der Dritte Nationalbericht von Deutschland wegen zu späten Eingangs beim Klimasekretariat nicht mehr in dieser Auswertung berücksichtigt werden. Gerade die Erfahrungen Deutschlands hinsichtlich der Preiserhöhung der Kraftstoffpreise (die ja auch in anderen Staaten stattfand) durch Ökosteuer usw. auf die Verkehrsnachfrage und darausfolgend die Emissionsentwicklung im Pkw-Verkehr hätten einen wertvollen Beitrag über diese Maßnahme geliefert und vermutlich ihre Bewertung grundsätzlich verändert.
 

Dieses Projekt wird finanziell vom Bundesumweltministerium und vom Umweltbundesamt gefördert. Die Förderer übernehmen keine Gewähr für die Richtigkeit, die Genauigkeit und Vollständigkeit der Angaben sowie für die Beachtung privater Rechte Dritter. Die geäußerten Ansichten und Meinungen müssen nicht mit denen der Förderer übereinstimmen.
 

Ein Rückblick hinsichtlich Zielerreichung und ergriffenen Klimaschutzmaßnahmen der Industriestaaten.

Author(s)
M. Treber, C. Bals, G. Kier
Publication date
Pages
20
Order number
03-2-01
ISBN
3-9806280-8-6
Nominal fee
5.00 EUR

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