Flugverkehr und Klima: Wer darf Studien ändern?


 
 

Germanwatch hat am 20.6.04 Dokumente und Argumente zur Kontroverse zwischen DLR, ADV und den Umweltverbänden betreffend die Klimawirksamkeit von flugverkehrsinduzierten Zirruswolken zusammengestellt. Das DLR hat Kommentare zu diesem Text verfasst, die wiederum von Germanwatch kommentiert wurden.

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Originaltext vom 20.6.04:
 

1. Was bisher geschah

Im Dezember 2003 erhält Germanwatch eine Email von David Lee, ein Autor des TRADEOFF-Berichts über Flugverkehr und Klima im Auftrag der EU-Kommission, erstellt von 10 Europäischen Forschungsinstituten. In der Email erklärt Lee, dass TRADEOFF einen Anteil des Flugverkehrs von etwa 8% am gesamten Treibhauseffekt finde, wobei der größte Teil von flugverkehrsinduzierten Zirruswolken stamme.

Im Februar 2004 erhält Germanwatch die Zusammenfassung des TRADEOFF-Berichts. Danach wurde das Projekt im März 2000 begonnen und im Februar 2003 abgeschlossen. In der Zusammenfassung finden sich die Abbildungen und Tabellen für die Ergebnisse zur Erwärmungswirkung von Zirruswolken und des Flugverkehrs insgesamt (Anhang 1).

Am 2.03.2004 erscheint im Internet auf der Homepage des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) der Proceedingband der Europäischen Aviation, Atmosphere and Climate-Konferenz (AAC), die im Sommer 2003 in Friedrichshafen stattfand, herausgegeben vom DLR. Im zusammenfassenden Kapitel "Aviation, Atmosphere and Climate - What has been learned" zitiert Ulrich Schumann, DLR, den TRADEOFF-Bericht, u.a. mit der Erwärmungswirkung von Zirruswolken (Anhang 2).

Am 12.03.2004 veröffentlicht Germanwatch mit anderen Umweltverbänden ein Hintergrundpapier zur Klimawirksamkeit des Flugverkehrs. Eine Kernaussage des Papiers ist, dass der Flugverkehr den TRADEOFF-Werten zufolge insgesamt mit knapp 9% zum anthropogenen Treibhauseffekt beiträgt (Anhang 3).

Am 12.03.2004 bringt die Süddeutsche Zeitung im Wirtschaftsteil zur Eröffnung der internationalen Tourismusbörse die Meldung "Klimaschäden durch Flugverkehr nehmen zu", in der Inhalte des Germanwatch-Papiers wiedergegeben werden (Anhang 4).

Am 18.03.2004 veröffentlicht die Süddeutsche Zeitung einen Leserbrief von Robert Sausen und Volker Grewe, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, in dem dem Redakteur der Süddeutschen Zeitung Martin Hesse vorgeworfen wird, die TRADEOFF-Studie falsch interpretiert zu haben. Die Vorwürfe sind u.a.:

  • Die TRADEOFF-Studie habe für die Zirruswolken nur zwei obere Abschätzungen geliefert, die als solche nicht in die Gesamtrechnung eingehen dürften.
  • Daher sei fehlerhaft eine Verdreifachung des Klimaeffekts des Flugverkehrs behauptet worden (Anhang 5).
Vom 21.03. bis zum 26.04. wendet sich Germanwatch mit insgesamt drei Emails an Robert Sausen, Autor des Leserbriefs, und bittet um Antwort auf die untenstehend vorgebrachten Argumente.

Am 29.04. erhält Germanwatch eine weitergeleitete Email aus Brüssel, in der ein EU-Kommissionsbeamter darlegt, dass gegenwärtig David Lee die Werte für Zirrusbewölkung neu berechnet. Danach könnten deren Beiträge immer noch riesig, aber auch fast Null sein. Nach der Einschätzung des EU-Beamten ist das Thema so wichtig und die Ergebnisse würden einen so drastischen Einfluss von Zirrusbewölkung zeigen, dass sie in einer verlässlichen Art behandelt werden sollten.

Am 30.04. erscheint der neue Newsletter der Arbeitsgemeinschaft deutscher Verkehrsflughäfen (ADV), in dem der Leserbrief der DLR dazu verwendet wird, um die Meldung der Umweltverbände zu diskreditieren (Anhang 6).

Am 4.05.2004 erhält Germanwatch eine Email von Robert Sausen, DLR, in der er den Status der Fragen von Germanwatch als nicht beantwortet bestätigt und eine neue Zusammenfassung von TRADEOFF/AAC-DLR ankündigt, die diese Fragen beantworten würden.
 

2. Germanwatch bezieht dazu wie folgt Stellung:

a) Der im Leserbrief des DLR erhobene Vorwurf, bei den Zirruswolken unzulässig mit Maximalwerten gerechnet zu haben, wird zurückgewiesen. Die Aussagen des Germanwatch-Hintergrundpapiers werden in vollem Umfang aufrecht erhalten. Die Argumente sind wie folgt:

  • In der TRADEOFF-Studie wird für das Jahr 2000 ein Mittelwert für den Flugverkehr insgesamt ausgewiesen (124mW/m2). Dies bedeutet einen Anteil am gesamten Treibhauseffekt von 9% [1]. Die in TRADEOFF angegebene Obergrenze liegt bei knapp 12%, die Untergrenze bei etwa 7%. Wenn Germanwatch also mit Maximalwerten gerechnet hätte, dann wäre die Aussage "Flugverkehr macht knapp 12% vom gesamten Treibhauseffekt" gewesen.
  • In den AAC-Proceedings werden die TRADEOFF-Werte für Zirruswolken vom DLR selbst nicht als Maximalwerte, sondern als normale Schätzwerte zitiert. Für die Zirruswolken weist TRADEOFF einen Beitrag von 50-100mW/m² u.a. als "upper range" aus. Das DLR kommt im AAC-Proceedingsband selbst auf etwa 60mW/m² und zwar als "revised estimate" mit Fehlerbalken nach oben und unten, nicht als Maximalwert. Alle Werte sind konsistent mit dem Germanwatch-Hintergrundpapier.
b) Die Ankündigung neuer Zusammenfassungen von TRADEOFF/AAC-DLR seitens des DLR erhöhen nicht das Vertrauen in die Solidität des Leserbriefs, da die Zusammenfassungen ja bereits vorliegen. Sowohl der AAC-Bericht als auch TRADEOFF sind offiziell abgeschlossen.

c) Den wissenschaftlichen Kenntnisstand zu Zirruswolken als sehr ungewiss anzugeben, steht im Konflikt damit, dass heute über Zirrusbewölkung mehr bekannt ist, als der IPCC-Bericht von 1999 noch über Kondensstreifen wusste und dafür den Kenntnisstand mit "fair" angab [2]. Natürlich können sich die Zahlen noch ändern, aber es gibt keinen wissenschaftlichen Grund, die vorliegenden Schätzungen nicht als solche zu veröffentlichen, auch wenn sie später ggf. revidiert werden müssen. Sollten TRADEOFF/AAC-DLR fehlerhaft gewesen sein, so liegt dies in der Verantwortung der Autoren und nicht in derjenigen der Umweltverbände.
 

Fußnoten

(1) Der gesamte Treibhauseffekt lag im Jahr 2000 bei 1330 mW/m2, siehe Abschnitt II.3.11, IPCC 2001: "Climate Change 2001: The Scientific Basis", Contribution of Working Group I to the Third Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), J. T. Houghton, Y. Ding, D.J. Griggs, M. Noguer, P. J. van der Linden and D. Xiaosu (Eds.), Cambridge University Press, UK.

(2) IPCC 1999: "Aviation and the Global Atmosphere". A Special Report of IPCC Working Groups I and III in collaboration with the Scientific Assessment Panel to the Montreal Protocol on Substances that Deplete the Ozone Layer. J.E.Penner, D.H.Lister, D.J.Griggs, D.J.Dokken, M.McFarland (Eds.), Cambridge University Press, UK.
 
 

Anhang 1: TRADEOFF-Studie, Auszüge aus Zusammenfassung, "Aircraft Emissions: Contributions of various climate compounds to changes in composition and radiative forcing - tradeoffs to reduce atmospheric impact", EU contract EVK2-CT-1999-0030, erstellt für die EU-Kommission von der Universität Oslo (UiO), Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), University of Cambridge (UCAM), University of L'Aquila (ULAQ), Königliches Niederländisches Meteorologieinstitut (KNMI), Centre Nationale de la Recherche Scientifique (IPSL), Norwegisches Institute für Luftforschung (NILU), Center for Aerospace Technology (QinetiQ), Aristotle University of Thessaloniki (AUTH), Swiss Federal Institute of Technology Zurich (ETHZ).

Anhang 2: Auszüge aus: "Aviation, Atmosphere and Climate - What has been learned", U. Schumann, DLR-Institut für Physik der Atmosphäre Oberpfaffenhofen, Germany, Proceedings of the AAC-Conference, June 30 to July 3, 2003, Friedrichshafen, Germany.

Anhang 3: Hintergrundpapier "Neue Forschungsergebnisse zu Flugverkehr und Klima", Germanwatch, vom 10.03.2004.

Anhang 4: Artikel "Klimaschäden durch Flugverkehr nehmen zu", Süddeutsche Zeitung, 12.03.2004.

Anhang 5: Leserbrief, "Studie falsch interpretiert", Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Süddeutsche Zeitung vom 18.03.2004.

Anhang 6: "Tradeoff-Studie 2004 zur Klimaschädlichkeit falsch bewertet, Mitverfasser vom DLR stellen Ergebnisse klar", Newsletter der Arbeitsgemeinschaft deutscher Verkehrsflughäfen vom 30. April 2004.
 

Die Anhänge sind in der Druckversion enthalten (siehe oben).
 

In diesem Papier stellt Germanwatch Dokumente und Argumente zur Kontroverse zwischen DLR, ADV und den Umweltverbänden über Klimawirksamkeit von flugverkehrsinduzierten Zirruswolken zusammen.

Autor:innen
Germanwatch
Publikationsdatum
Seitenanzahl
14
Bestellnummer
04-2-08
ISBN
3-9806280-8-6
Schutzgebühr
5.00 EUR

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