Klimadilemma

Cover Klimadilemma, Positionspapier zu Climate Engineering
Ein kurzer Germanwatch-Diskussionsbeitrag zur Konferenz Climate Engineering 2014

Climate Engineering – auch bekannt als Geoengineering, also Maßnahmen zur direkten Veränderung des Klimas – erreicht zunehmend Prominenz in klimapolitischen und wissenschaftlichen Diskussionen, nicht zuletzt auch wegen mangelnden Fortschritts hinsichtlich ehrgeiziger Emissionsminderung. Vom 18. bis 21. August 2014 wird in Berlin eine internationale Konferenz zu dem Thema stattfinden, die danach strebt, mit Vertretern aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft globale Diskussionen um Climate Engineering anzustoßen und kritisch zu reflektieren. Germanwatch möchte mit diesem Papier hierzu einen Diskussionsbeitrag leisten.

[Den gesamten Text einschließlich Quellenangaben können Sie unten im Downloadbereich als PDF herunterladen.]


Grundsätzliches

Für Germanwatch steht weiterhin das Ergreifen von klassischen Klimaschutzmaßnahmen zur Emissionsminderung (also Verminderung der fossilen CO2-Emissionen, aber auch Waldschutz) im Zentrum, um die Erwärmung unterhalb 2 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau zu halten. Es wäre völlig unsinnig, den Fuß nicht vom Gas zu nehmen, wenn man an anderen Orten Optionen der Notbremsung diskutiert.

Da die globale Emissionsminderung gegenwärtig sich fernab von einem 2-Grad-Pfad bewegt, bekommt die Diskussion um Climate Engineering zunehmende Beachtung. International stellte der Bericht der Royal Society "Geoengineering the climate" vom September 2009 einen Markstein in der Behandlung von Climate Engineering dar.

In Deutschland haben sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Umweltbundesamt 2011 mit eigenen Studien, 2012 der Bundestag in Form einer kleinen Anfrage beschäftigt. Auch der Weltklimarat IPCC befasst sich in seinem 5. Sachstandsbericht in mehreren Arbeitsgruppen mit der Thematik, und die Europäische Kommission hat eine Studie in Auftrag gegeben.

Das Thema Climate Engineering wird unter anderem von Kräften vorangetrieben, die lange Zeit den Sachverhalt der Klimaänderung in Abrede stellten und sich gegen Emissionsminderung aussprachen. Der Diskurs über den Einsatz von Climate Engineering kann als Fortsetzung eines ‚Weiter so’-Denkens eingeordnet werden. Wirksamer Klimaschutz hingegen bedarf eines völlig anderen Diskurses, der das Problem (etwa durch eine drastische Minderung der Treibhausgasemissionen mit der Umsetzung der Energiewende als Teil der Großen Transformation) angeht und ihm nicht ausweicht.

Climate Engineering bringt teilweise eine neue, bisher noch nicht gekannte Qualität von Risiken mit sich, die bisher nur rudimentär verstanden wurden. Diese Risiken sind sowohl im Erdsystem zu verorten durch Änderung von Niederschlagsmustern, als auch in Konfliktpotentialen, welche von Eingriffen ins Klima ausgehen. Für Germanwatch stellt der Gedanke des absichtlichen Eingriffs in das Klima zudem eine Hybris im Selbstverständnis des Menschen dar, die vermittelt, alles im Griff haben zu können. Dabei sind wir schon mehrfach des Besseren belehrt worden.

Da aber sehr bald die Situation drohen könnte, dass das Zwei-Grad-Limit nur noch durch Einbezug von Climate Engineering möglich sein kann, ist die Auseinandersetzung damit notwendig.

Bei Climate Engineeering wird zwischen den Kategorien CDR (Carbon Dioxide Removal) und SRM (Solar Radiation Management) unterschieden. Bei den Risiken – sowohl direkt als auch in Bezug auf evtl. waffentechnische Nutzung – gilt es zwischen diesen beiden Kategorien zu differenzieren.
 

CDR (Carbon Dioxide Removal)

Zu CDR zählen Maßnahmen, die Kohlendioxid aus der Atmosphäre entziehen (etwa CO2-Entzug aus der Luft). Für Germanwatch zählt ‚klassisches CCS’ (Carbon Dioxide Capture and Storage) nicht zu Climate Engineering. Oft wird als definitorischer Unterschied zwischen CDR und CCS angegeben, dass ersteres einen aktiven Eingriff in das Klima darstellt, der die atmosphärische CO2-Konzentration verändert, während letzteres die Zusammensetzung der Atmosphäre nicht beeinflusst, sondern durch die Point-Source-Absonderung von CO2 am Schornstein eine Beeinflussung verhindert.

Sowohl wegen der Dynamik der Atmosphäre und des Kohlenstoffkreislaufs als auch wegen der dafür in globalem Maßstab benötigten Infrastruktur würde sich das Ergreifen von CDR-Maßnahmen erst sehr langsam auf die Klimaänderung und die Temperaturentwicklung auswirken. Im Einzelfall ist zu untersuchen, zu welchen Konsequenzen der massenhafte Einsatz solcher CO2-Senken sowie die dauerhafte Speicherung führt. Dabei sind die direkten ökologischen Konsequenzen ebenso relevant wie etwa Landnutzungskonflikte in Bezug auf Ernährung. Auch die Störanfälligkeit der Methoden ist zu berücksichtigen.
 

SRM (Solar Radiation Management)

Bei SRM wird in den Strahlungshaushalt der Erde eingegriffen, durch die Ausbringung von Schwefelpartikeln in der Atmosphäre, die künstliche Aufhellung von Wolken oder andere rückstrahlungskrafterhöhende Maßnahmen. Das Ziel dieser Maßnahmen ist die Begrenzung der Erderwärmung durch Rückstrahlung von Sonnenlicht, sie beeinflussen aber nicht die Konzentration von Treibhausgasen und können daher auch nicht andere Konsequenzen einer erhöhten atmosphärischen CO2-Konzentration, wie die Versauerung der Meere, verhindern. Ein verwandter, jedoch weniger diskutierter Vorschlag ist, die Rückstrahlung von terrestrischer Infrarotstrahlung zu verringern. Im Gegensatz zu CDR-Maßnahmen wirken sich SRM-Maßnahmen relativ schnell, im Zeitraum von wenigen Monaten oder sogar Wochen, auf die Temperatur aus. Die Folgen von SRM-Maßnahmen sind in ihrer Umfasstheit noch wenig verstanden. Sicher ist, dass trotz einer globalen Begrenzung des Temperaturanstiegs durch solche Maßnahmen es zu einer Veränderung von Niederschlagsmustern sowie regional sehr ungleichen Temperaturänderungen kommt. Dies kann sich negativ Agrarwirtschaft, Ökosysteme und weitere Bereiche auswirken. Hinzu kommen Risiken wie Schäden an der Ozon-Schicht, sowie erhöhte Zufuhr von toxischen Substanzen wie Schwefelsäure in der Umwelt. SRM-Maßnahmen müssten dauerhaft weitergeführt werden, wenn sie einmal angefangen wurden. Sollte dies – etwa wegen politischer oder wirtschaftlicher Instabilität – nicht möglich sein, führt dies schnell zum ‚Nachholen’ der künstlich vermiedenen Erwärmung mit befürchteten immensen Folgen.
 

Die Germanwatch-Perspektive

Diejenigen Maßnahmen mit großräumigem Eingriff in den Strahlungshaushalt der Sonne (SRM – Solar Radiation Management) lehnt Germanwatch wegen der damit einhergehenden gewaltigen Risiken zum gegenwärtigen Zeitpunkt strikt ab, und zwar nicht nur in der Umsetzung, sondern auch Forschung zu ihrer Umsetzung.

Diejenigen Maßnahmen, die sich auf das Entfernen von Kohlendioxid (CDR – Carbon Dioxide Removal) konzentrieren, sind im Hinblick auf ihre direkten Konsequenzen für das Klima / die Atmosphäre grundsätzlich erwünscht, soweit sie nicht als Alternative zu den notwendigen Emissionsreduktionen praktiziert werden und sich ihre negativen Nebenwirkungen in Grenzen halten. Allerdings wird hier das Problem auf andere Medien (etwa den Ozean) verschoben. Damit können große Risiken und negative Konsequenzen einhergehen: Dies ist etwa der Fall bei BECCS, d.h. Biomasse-CCS (Carbon Dioxide Capture and Storage), bei Ozean- (etwa Eisen-)düngung der Meere usw.

Hier gibt es allerdings einen Graubereich (etwa Aufforstungen), der nicht von vornherein abzulehnen ist. Dies bedarf jeweils der genaueren Prüfung.
Germanwatch ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegen staatsfinanzierte Forschung zur Durchführung von Climate Engineering. Unklar ist noch, wie mit bisher unsanktionierten Feldexperimenten umzugehen ist, von denen gegenwärtig möglicherweise das größte Risiko ausgeht.

Hingegen wird staatsfinanzierte Forschung zu den Folgen und Risiken von Climate Engineering – insbesondere in Bezug auf CDR – von Germanwatch begrüßt, da diese noch wenig verstanden und bekannt sind.


zuletzt geändert am: 12.08.2014

Autor:innen
Manfred Treber
Publikationsdatum
Seitenanzahl
3
Publikationstyp
Positionspapier

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