Die Risiken nehmen zu!

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Die Risiken nehmen zu!

Germanwatch-Trendanalyse zur globalen Ernährungssicherung
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Hagelschäden auf einem Feld: Zunehmende Wetterkatastrophen beeinträchtigen die Ernteerträge. (Foto: Fotolia, Daniel Loretto)


Die Risiken für die Welternährung nehmen zu. Das ist die wesentliche Schlussfolgerung aus der dritten „Trendanalyse zur globalen Ernährungssicherung“, die Germanwatch demnächst vorlegt. Sie stützt sich auf folgende Faktoren:

  1. Die Weltbevölkerung wächst, jedes Jahr sind 70 Millionen Menschen zusätzlich zu ernähren. Gleichzeitig wird Soja und Getreide zunehmend als Viehfutter genutzt, weil die Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländern mit steigendem Einkommen mehr Fleisch und Milchprodukte verzehren. Die Zuwachsraten sowohl der Weltbevölkerung als auch des Fleischkonsums flachen zwar im Trend leicht ab. Weltweit ist die Pro-Kopf-Verfügbarkeit von Getreide aber rückläufig.
  2. Die pro Kopf verfügbare Agrarfläche nimmt seit langem rapide ab. Das liegt nicht nur am Bevölkerungswachstum. Pro Jahr gehen etwa 17 Millionen Hektar verloren: durch rasante Urbanisierung, Erosion und Wüstenbildung als Folge von Wasser- und Bodenübernutzung, Klimawandel und Umweltverschmutzung. Auch die – für Klima und Artenvielfalt oft problematische – Gewinnung neuer Acker- und Weideflächen kann diesen Rückgang nicht „kompensieren“.
  3. Immer mehr Agrarflächen dienen der Energiegewinnung. Die USA verarbeiten seit 2010 mehr Mais zu Ethanol als zu Tierfutter und fast viermal so viel wie zu Lebensmitteln. Die Importe von Agrarkraftstoffen in die EU stiegen seit 2006 steil an und decken derzeit fast ein Fünftel des Agrosprit-Verbrauchs.

Da immer weniger Agrarflächen für Grundnahrungsmittel genutzt werden, lässt sich die zusätzliche Nachfrage nur durch mehr Produktion auf den vorhandenen Flächen befriedigen. Bei den wichtigsten Grundnahrungsmitteln aber nimmt die Produktivität nur noch sehr langsam zu: bei Reis in den letzten 12 Jahren um 0,9 % jährlich, bei Weizen stagnieren die Hektarerträge nahezu.

Ein künftig wohl immer wichtigerer Faktor für die Ernährungssicherung ist der Klimawandel. Die Wetterkatastrophen nehmen im Trend seit den fünfziger Jahren weltweit eindeutig zu. Stürme, Überschwemmungen und Dürren führen zu massiven Ernteeinbrüchen und Preisanstiegen für Nahrungsmittel, die vorwiegend die Armen treffen.

Auch wenn es für die Ernährungssicherung der Menschen wesentlich auf die jeweiligen Verhältnisse vor Ort ankommt, lassen sich doch einige Anforderungen an die deutsche und europäische Politik ableiten:

Im Konflikt zwischen Teller, Futtertrog und Tank muss die Ernährungssicherheit der Menschen vor Ort Vorrang erhalten. Beimischungsquoten und Zielvorgaben für Agrarenergie müssen sich am nachhaltigen Produktionspotenzial der europäischen Landwirtschaft orientieren. Sie dürfen nicht zum Anbau von Energiepflanzen auf Flächen in Entwicklungsländern führen, die für die Erzeugung von Nahrung benötigt werden oder als CO2-Speicher (Wald und Weideland) unverzichtbar sind.

Massenproduktion und Export tierischer Produkte, die nur durch den Import von Soja und Getreide als Futter möglich sind, dürfen nicht mehr direkt oder indirekt gefördert, sondern müssen aktiv begrenzt werden. Fördern sollte Europa vielmehr die Produktivität insbesondere bäuerlicher Betriebe in Entwicklungsländern, vor allem in Afrika. Dazu bedarf es der Forschung und Beratung für eine klimaangepasste, diversifizierte, ressourcenschonende Landwirtschaft.

Klemens van de Sand