Klimaschutz vor Buenos Aires: werden die Kyoto-Schlupflöcher enger?


 
 

Autoren: Christoph Bals, Gerold Kier, Andrea Rück, Dr. Manfred Treber

Stand: 20.10.1998

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In diesem Briefing Paper erläutert GERMANWATCH wichtige aktuelle Punkte der internationalen Klimaverhandlungen. Darüberhinaus wird dargestellt, welche Forderungen im Sinne des Klimaschutzes und der nachhaltigen (d.h. vor allem auch sozial nachhaltigen) Entwicklung der Länder des Südens zu erheben sind. Die Forderungen richten sich in erster Linie an die bevorstehende vierte Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention (COP 4) in Buenos Aires (2.-13. November 1998).
 

Einleitung Welche Ergebnisse wurden in und nach Kyoto erzielt und was bedeutet dies für die anstehenden Verhandlungen?
Einbeziehung der Entwicklungsländer Inwieweit und wann wird es zusätzliche Verpflichtungen für Entwicklungsländer geben?
  • Entwicklungsländer - Hauptbetroffene einer Klimaänderung
  • Freiwillige Selbstverpflichtungen von Entwicklungsländern
  • No-regret-Maßnahmen als Win-Win-Win-Option
  • Position der USA in der Entwicklungsländerfrage
Demonstrable Progress (nachweisbarer Fortschritt) Welchen Nachweis über Fortschritte soll es schon vor der ersten Verpflichtungsperiode geben?
Flexibilitätsmechanismen Wie können Reduktionsverpflichtungen im Ausland erfüllt werden?
  • Emissions Trading
  • "Joint Implementation" (JI)
  • Clean Development Mechanism (CDM)
Senken Unter welchen Umständen sollen CO2-Senken einbezogen werden?
Non-Compliance-Mechanismus Wie wird die Einhaltung der Verpflichtungen gewährleistet?
NRO-Beteiligung Wie werden Nichtregierungsorganisationen in Zukunft an der Gestaltung des Klimaregimes beteiligt?
Flugverkehr Wie werden Emissionen aus dem Flugverkehr im Klimaregime berücksichtigt und mit welchen Maßnahmen werden sie beschränkt?

Einleitung Welche Ergebnisse wurden in und nach Kyoto erzielt und was bedeutet dies für die anstehenden Verhandlungen?

Ein zentrales Ergebnis des Erdgipfels in Rio de Janeiro 1992 war die Verabschiedung der Klimarahmenkonvention (Framework Convention on Climate Change, FCCC). Der Klimagipfel 1995 in Berlin, d.h. die erste Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, COP), beschloß dann die Erarbeitung eines Zusatzprotokolls mit konkreten Verpflichtungen für Industrieländer ("Berliner Mandat"). Dieses Protokoll wurde Ende 1997 in Kyoto auf der COP 3 verabschiedet - nicht zuletzt dank des Geschicks von Verhandlungsführer Estrada. Es sieht u.a. vor, den jährlichen Treibhausgas-Ausstoß der Industrieländer bis zum Zeitraum von 2008-2012 um durchschnittlich 5,2 % gegenüber 1990 zu reduzieren (näheres siehe folgender Kasten).
 

Die Beschlüsse von Kyoto

Auf der UN-Klimakonferenz, die im Dezember 1997 in Kyoto stattfand, wurden u.a. folgende Beschlüsse gefaßt:

  • Reduktionsziele: Die Industriestaaten sollen insgesamt den Ausstoß von sechs klimaschädlichen Gasen bis zur Zielperiode 2008-2012 um 5,2 % gegenüber 1990 verringern, aber in unterschiedlichem Maße: etwa die EU und einige andere europäische Länder um 8 %, die USA um 7 %, Japan um 6 %, Rußland um 0 %. Einige Industrieländer (Norwegen, Island, Australien) dürfen ihre Emissionen sogar noch steigern.
  • Entwicklungsländer: Diese werden von der Reduktionsverpflichtung - zumindest in der ersten Zielperiode - ausgenommen. Über den sogenannten Clean Development Mechanism sollen jedoch Einzelprojekte gefördert werden, die sowohl dem Klimaschutz als auch der Entwicklung dieser Länder dienen.
  • Treibhausgase: Neben Kohlendioxid (CO2), Methan und Distickstoffoxid, die zusammen für 70-80 % des Treibhauseffekts verantwortlich sind, wurden v.a. auf Betreiben der USA drei weitere Gase einbezogen: teilhalogenierte und perfluorierte Kohlenwasserstoffe und Schwefelhexafluorid (zusammen für ca. 2 % des Treibhauseffekts verantwortlich).
  • Flexibilität: Zu einem bestimmten Anteil können Reduktionsverpflichtungen auch im Ausland erfüllt werden. Dies kann zum einen im Rahmen von Projekten in anderen Industriestaaten (Joint Implementation) oder in Entwicklungsländern (Clean Development Mechanism) erfolgen. Zum anderen können Industriestaaten untereinander mit Emissionskontingenten Handel treiben (Emissions Trading). Einzelheiten hierzu sowie über die Anrechnung von CO2-Senken soll die nächste Vertragsstaatenkonferenz (November 1998 in Buenos Aires) festlegen.
  • Inkrafttreten: Das Protokoll tritt in Kraft, wenn es von mindestens 55 Staaten ratifiziert worden ist und dadurch gleichzeitig mindestens 55 % der 1990 von Industrieländern ausgestoßenen CO2-Emissionen abgedeckt sind. Damit ist nicht vor dem Jahr 2000 zu rechnen.

Das Kyoto-Protokoll kann nur ein erster Schritt sein. Die Vertragsstaaten hatten sich in Artikel 2 der Konvention dazu verpflichtet, die atmosphärischen Treibhausgaskonzentrationen auf einem ungefährlichen Niveau zu stabilisieren und somit Schaden von Mensch, Landwirtschaft und Ökosystemen abzuhalten. Daß hierzu sehr viel weitergehende Reduktionsziele nötig gewesen wären, hätten sie aus dem 2. Bericht des unabhängigen internationalen Wissenschaftlergremiums IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) herauslesen können. Diesen hatten die Vertragsstaaten als "derzeit umfassendste und maßgebliche Bewertung der Wissenschaft" bezeichnet.

Wenngleich das Protokoll also noch viel zu schwache Reduktionsverpflichtungen enthält, die zudem für einen sehr späten Zeitraum (2008-2012) vorgesehen sind, so weist es doch bereits in die richtige Richtung. Immerhin konnte man in Kyoto davon ausgehen, daß - wenn die Staaten ihre Emissionsziele erfüllen - wegen des angenommenen Wachstums die Emissionen der Industrieländer im Jahre 2012 um etwa 30 % niedriger liegen werden, als es ohne ein Umsteuern der Fall gewesen wäre; und daß in den Industrieländern die Treibhausgasemissionen dann nicht mehr steigen, sondern fallen.

Das Protokoll tritt allerdings erst in Kraft, wenn es von mindestens 55 Staaten ratifiziert worden ist und dadurch gleichzeitig mindestens 55 % der 1990 von Industrieländern ausgestoßenen CO2-Emissionen abgedeckt sind. Diese gehen zu rund 34 Prozentpunkten auf das Konto der USA.

Zudem werden viele Länder vermutlich erst dann ratifizieren, wenn die USA diesen Schritt vollzogen haben. Letztere haben folglich eine Schlüsselposition für das Inkrafttreten des Protokolls inne, machen ihre Ratifizierung jedoch vor allem von einer Bedingung abhängig: die Entwicklungsländer, zumindest zentrale Schwellenländer, sollen "aussagekräftige Verpflichtungen" übernehmen. Diese Konstellation birgt ein nicht unerhebliches Konfliktpotential für das Verhältnis zwischen Nord und Süd und könnte zu einem Scheitern des gesamten Prozesses führen (näheres siehe Abschnitt "Einbeziehung der Entwicklungsländer").

Zu vielen Punkten, die für die Wirksamkeit des Protokolls entscheidend sind, konnten in Kyoto nur sehr unkonkrete Beschlüsse gefaßt werden. Aufgabe der Konferenz in Buenos Aires (COP 4, 2.-13. November 1998) wird es sein, hier erste Klarstellungen vorzunehmen. Vom 2. bis zum 12. Juni 1998 trafen sich Vertreter der Vertragsstaaten in Bonn, um diesbezüglich Vorverhandlungen zu führen. So ermöglicht das Protokoll z.B. noch einige Tricks, mit denen auf dem Papier Emissionsreduktionen nachgewiesen werden können, obwohl die Atmosphäre nicht um eine einzige Tonne Treibhausgas entlastet wird. Sie stehen vor allem in Zusammenhang mit:

  • dem möglicherweise demnächst zugelassenen Handel (Trading) mit solchen Emissionskontingenten, die nicht vorher durch konkrete Maßnahmen eingespart worden, sondern - ohne jegliche Klimaschutzmaßnahme - durch ein unrealistisch niedriges Reduktionsziel (im Fall von Rußland ist es ein Stabilisierungsziel) für einige Länder zustandegekommen sind ("Hot Air" und "Tropical Air", näheres siehe Abschnitt "Flexibilitätsmechanismen"),
  • dem Clean Development Mechanism (CDM), der dazu führt, daß die Industrieländer zu Hause mehr Treibhausgase emittieren dürfen, als in Kyoto festgelegt wurde (näheres siehe Abschnitt "Flexibilitätsmechanismen") und
  • der methodisch sehr ungesicherten Anrechnung von Wäldern als CO2-Senken, bei deren Verankerung im Protokoll sogar noch ein Anreiz zum Abholzen von Urwäldern geschaffen werden könnte. Wegen dieser Unsicherheiten wurde das IPCC auf den Klimaverhandlungen im Juni 1998 um die Erstellung eines Special Report gebeten. Erst nach Fertigstellung dieses Berichts (unter dem Titel "Land Use, Land Use Change and Forestry", voraussichtlich im Mai 2000) soll eine Entscheidung fallen, inwieweit Senken einbezogen werden (näheres siehe Abschnitt "Senken").
Ein weiterer, noch vollständig auszugestaltender und ganz allgemein für die Wirksamkeit des Protokolls bedeutsamer Punkt ist die Schaffung eines Mechanismus, der Hilfen und Sanktionen für den Fall vorsieht, daß ein Land seine Klimaschutzziele nicht erreicht (siehe Abschnitt "Non-Compliance-Mechanismus").

Wissenschaftliche Erkenntnisse über den menschgemachten Treibhauseffekt, das Abwägen der ökonomischen Chancen und Risiken von Klimaschutz und die zunehmende öffentliche Diskussion haben auch bei der Wirtschaft bedeutende Entwicklungen angestoßen. Mit dem US Business Council for Sustainable Energy und dem European Business Council for a Sustainable Energy Future (e5) formierten sich 1992 bzw. 1996 zwei Zusammenschlüsse von Unternehmen, die stärkere Klimaschutzmaßnahmen einfordern und stetigen Mitgliederzuwachs verzeichnen. Schon vor Jahren waren ähnliche Forderungen in den Reihen der Versicherungswirtschaft laut geworden, die die Risiken des globalen Klimawandels fürchtet. Mehr als 70 Versicherer weltweit haben sich inzwischen in der UNEP-Initiative der Versicherer zusammengeschlossen. Und mittlerweile orientieren sich selbst Mineralölkonzerne wie British Petroleum (BP) und Shell schrittweise um.

Ein Großteil der Wirtschaftslobby bremst jedoch nach wie vor ein effektives Klimaschutzregime und nimmt dabei sehr widersprüchliche Positionen ein. So lehnt etwa die Internationale Handelskammer (ICC) auf EU-Ebene zahlreiche CO2-Reduktionsmaßnahmen mit dem Argument ab, aus Wettbewerbsgründen sei ein OECD-weites oder gar weltweites Vorgehen notwendig. Bei den Klimaverhandlungen hingegen blockiert sie genau solche harmonisierten, aufeinander abgestimmten Maßnahmen der Industrieländer und agitierte entschieden dagegen, diese im Protokoll zu verankern.

Bezüglich der Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen am Klimaverhandlungsprozeß ergaben die Verhandlungen im Juni 1998 in Bonn entscheidende Neuerungen. Den Vertretern von Umwelt-NRO, Wirtschaft und den Kommunen wurde ein weit größeres Recht als bisher in Aussicht gestellt, ihre Position zur Geltung zu bringen, was für den Gesamtprozeß förderlich ist. Über die genauere Ausgestaltung der Beteiligung von NRO wird jedoch ein COP-Beschluß in Buenos Aires entscheiden (näheres siehe Abschnitt "Einbeziehung der Entwicklungsländer").

Mit ihren Beschlüssen von Kyoto hat die internationale Staatengemeinschaft an die gesamte Wirtschaft ein unüberhörbares Signal ausgesandt und den Anfang vom Ende des fossilen Zeitalters eingeläutet. Jedoch wird erst das tatsächliche Inkrafttreten des Protokolls - im Zusammenhang mit einigen notwendigen Konkretisierungen - ein nachhaltiges Umsteuern einleiten.

Einbeziehung der Entwicklungsländer Inwieweit und wann wird es zusätzliche Verpflichtungen für Entwicklungsländer geben?
  • Entwicklungsländer - Hauptbetroffene einer Klimaänderung
  • Freiwillige Selbstverpflichtungen von Entwicklungsländern
  • No-regret-Maßnahmen als Win-Win-Win-Option
  • Position der USA in der Entwicklungsländerfrage

Entwicklungsländer - Hauptbetroffene einer Klimaänderung

Als Entwicklungsländer gelten im Klimaverhandlungsjargon diejenigen Länder, die nicht im Anhang I der Klimarahmenkonvention enthalten sind. Im fast deckungsgleichen Anhang B des Kyoto-Protokolls sind die Türkei und Weißrußland nicht enthalten.

Wenn man über eine Einbeziehung von Entwicklungsländern in das Klimaregime diskutiert, sollte man dies vor dem Hintergrund tun, daß Entwicklungsländer die Hauptbetroffenen einer globalen Klimaänderung sind, die Industrieländer dagegen die Hauptverursacher derselben. Da Entwicklungsländer stärker landwirtschaftlich strukturiert sind, sind sie von Wetterextremen sehr stark betroffen. Auch sind ihre Böden extrem anfällig für wetterbedingte Erosion. Darüber hinaus verfügen die meisten von ihnen nicht über genügend finanzielle Mittel, um Gegenmaßnahmen (Deichbau u. ä.) zu treffen. Studien des IPCC weisen darauf hin, daß die absolute Betroffenheit der Entwicklungsländer durch den Treibhauseffekt in Zukunft übermäßig groß sein wird. Die Vorfälle in den Jahren 1997 und 1998 in Afrika, Asien und Lateinamerika zeigen, welche Auswirkungen Wetterkatastrophen auf ein Land haben können. In Ländern Lateinamerikas und Afrikas gab es extreme Trockenperioden (z.B. Chile, Brasilien, Sudan, weite Teile Ost-Afrikas). Große Flutkatastrophen fanden andererseits sowohl in Lateinamerika als auch in Asien statt (z.B. Mexiko, China, Indonesien, Indien, Bangladesch). In Bangladesch standen dabei 80% des Landes unter Wasser. Wahrscheinlich infolge der aufgetretenen Schäden (160 Mrd. $ an Schäden aufgrund der Überschwemmungen in China) hat sich China schon bei der IPCC-Vollversammlung in Wien im Oktober 1998 deutlich stärker engagiert und für eine intensive wissenschaftliche Untersuchung der durch Klimaänderung gehäuft auftretenden Klimaextreme ausgesprochen. Es bleibt abzuwarten, ob sich bei Ländern mit Verhandlungsmacht innerhalb der Entwicklungsländergruppe, vor allem China, die Verhandlungsposition bei COP 4 ändert hin zu einer entschiedeneren Vertretung von Klimaschutzinteressen.

Freiwillige Selbstverpflichtungen von Entwicklungsländern

Die Klimarahmenkonvention richtet sich prinzipiell sowohl an Industrieländer als auch an Entwicklungsländer in ihrer Forderung, bezüglich des Klimaschutzes aktiv zu werden. So ist z.B. das Erstellen von Nationalberichten über anthropogene Treibhausgas-Emissionen für alle Staaten gleichermaßen vorgesehen. Rechtlich verbindliche Emissions-Reduktionsmaßnahmen sind im Kyoto-Protokoll jedoch, entsprechend der Forderung des Berliner Mandats 1995 und des in der Konvention festgelegten Prinzips der "gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung", nur für die Industrieländer verankert.

Zwar hatten einige Entwicklungsländer aus Lateinamerika in Kyoto (auf Drängen der USA) grundsätzlich signalisiert, eine freiwillige Selbstverpflichtung eingehen zu wollen und sich für einen entsprechenden Artikel ausgesprochen. Die Aufnahme eines solchen Artikels über die Möglichkeit freiwilliger, aber dann rechtlich verbindlicher Selbstverpflichtungen für Entwicklungsländer in das Kyoto-Protokoll scheiterte jedoch am Einspruch der meisten anderen Länder des Südens. Das Protokoll behandelt konkrete klimaschützende Maßnahmen in Entwicklungsländern nur im Rahmen des Clean Development Mechanism, also in Form von Einzelprojekten, die Akteure aus Industrieländern tätigen (siehe Abschnitt "Flexibilitätsmechanismen").

Erwägt man Verpflichtungen für Entwicklungsländer, ist es wichtig zu differenzieren entsprechend den Unterschieden in den ökonomischen und sozialen Bedingungen zwischen den einzelnen Entwicklungsländer-Gruppen. Schwellenländer lassen sich nicht in einen Topf werfen mit den am wenigsten entwickelten Ländern ("Least Developed Countries"). Zwischen diesen beiden Extremen gibt es mindestens eine weitere große Kategorie. Auch die USA schlagen inzwischen eine Differenzierung innerhalb der Entwicklungsländer vor. So sprach sich Stuart Eizenstat (Delegationsleiter der USA in Kyoto) in einer Rede während des informellen Ministertreffens in Tokyo im September 1998 für eine Einteilung der Entwicklungsländer in 4 Kategorien aus, die jeweils unterschiedliche Verpflichtungen eingehen sollten.

Ein Anreiz zu freiwilligen Selbstverpflichtungen von Schwellenländern wäre z.B. durch eine Verknüpfung mit verstärkten Bemühungen seitens der Industrieländer um Technologietransfer gegeben (EU-Position). Um glaubwürdig zu sein, müßte dies heißen, konkrete Schritte, etwa den Aufkauf wichtiger relevanter Patente für Entwicklungsländer, zügig umzusetzen. Mittlerweile hat Süd-Korea als erstes Schwellenland eine freiwillige Selbstverpflichtung für die Verringerung des CO2-Anstiegs in Aussicht gestellt. Die Verpflichtung soll ab dem Jahr 2018 in Kraft treten. Süd-Korea beugt sich damit dem Druck der OECD. Die OECD befürwortet, alle Schwellenländer, welche bereits OECD-Mitglieder sind, in das Klimaregime einzubeziehen.

Freiwillige Selbstverpflichtungen sind natürlich von Befürwortern des Klimaschutzes erwünscht. Auch freiwillige Maßnahmen vieler Entwicklungsländer, die schon vor offiziellen Verpflichtungen ergriffen werden, sind unter Klimaschutz-Aspekten äußerst positiv zu bewerten. Tatsächlich werden schon jetzt in vielen Entwicklungländern bedeutende Schritte im Klimaschutz unternommen, wie z.B. der Trend zu Energieeffizienz und erneuerbaren Energieträgern durch Subventionsabbau für fossile Energieträger zeigt. So wurde in Kyoto dargelegt, daß China durch Subventionsabbau weltweit gesehen vermutlich die wirkungsvollste Klimaschutzmaßnahme überhaupt getroffen hat. Ein großes Problem bezüglich der Verpflichtung für Entwicklungsländer besteht jedoch darin, daß eine Aufnahme von Entwicklungsländern in den Annex B zu Emissionshandel führen würde, der eine große Menge "Tropical Air" beinhaltet, da die Emissionsziele in einem ersten Verpflichtungsschritt sehr niedrig gesetzt würden (genauere Erklärung siehe Abschnitt "Flexibilitätsmechanismen"). Dies erklärt die scheinbare Absurdität, daß Klimaschützer gegen eine rechtlich verbindliche Einbeziehung der Entwicklungsländer in den Klimaschutz auftreten.

No-regret-Maßnahmen als Win-Win-Win-Option

Vom wissenschaftlichen Standpunkt betrachtet ist es nötig, daß Entwicklungsländer sich zu einem angemessenen Zeitpunkt am Klimaregime beteiligen, um das in Artikel 2 festgelegte Ziel der Konvention (siehe Einleitung) zu erfüllen. Mittlerweile stellt sich jedoch die Frage, ob eine Einbeziehung der Entwicklungsländer zur Zeit immer noch so drängend ist wie es noch vor einem Jahr erschien. Denn aufgrund der Wirtschaftskrise in Ost-Asien und der sehr angespannten wirtschaftlichen Lage in weiten Teilen Lateinamerikas sinken die Emissionen dieser Länder derzeit ohnehin und werden danach voraussichtlich geringer ansteigen als bisher angenommen. In China z.B. sanken im ersten Halbjahr 1998 die Kohleförderung um 10% und der Stromverbrauch sowie die Transportleistung jeweils um 5%. Außerdem kann es bei einer zukünftigen Verpflichtung für Entwicklungsländer nicht um absolute Emissionsreduktionen gehen, sondern nur um eine Begrenzung des Emissionsanstiegs.

Die Mehrzahl der Entwicklungsländer selbst spricht sich gegen eine weitgehendere Beteiligung aus, da sie ihr Recht auf Entwicklung durch den Klimaschutz gefährdet sehen oder Angst vor einem "neuen imperialistischen Trick" der Industrieländer zeigen. Für alle Beteiligten am Klimaregime sollte selbstverständlich sein, daß für Entwicklungsländer die Priorität auf ihrer sozio-ökonomischen Entwicklung liegt. Deshalb sind alle Forderungen nach Klimaschutz, die diese Entwicklung nicht unterstützen, oder ihr gar im Wege stehen, weder sinnvoll noch erfolgversprechend. Es gilt, in einer großangelegten Strategie sogenannte Win-Win-Win-Optionen, von denen die sozio-ökonomische Entwicklung, die Umwelt und der Klimaschutz profitieren, zu identifizieren und umzusetzen. Viele Investitionen in Energieeffizienz fördern die ökonomische Effizienz, reduzieren die Rohstoffabhängigkeit, verringern den Ausstoß klassischer Umweltschadstoffe und nutzen dem Klima. Nach einer Studie der Cornell-Universität (USA) zählen inzwischen durch Umweltprobleme verursachte Krankheiten zu den häufigsten Todesursachen in Entwicklungsländern. Zahlreiche Klimaschutzmaßnahmen würden zugleich Luftverschmutzung sowie andere Krankheits- bzw. Todesursachen vermindern. Gleichzeitig verbessern derartige Maßnahmen oft die sozio-ökonomische Entwicklung. Solche Win-Win-Win-Optionen können häufig als No-Regret-Maßnahmen durchgeführt werden, d.h. ohne zusätzliche ökonomische Belastung.

Aufgrund dieses Sachverhalts ist es wichtig, daß auch die Finanzinstitutionen, welche die Entwicklungsländer maßgeblich beeinflussen, diese Aspekte in ihren Förderrichtlinien stärker berücksichtigen.

Die Welt ist sich einig, daß Reduktionen im globalen Treibhausgasausstoß nach einem Equity-Prinzip (Gleichheits-/Fairneßprinzip) erfolgen sollen. Keine Einigkeit herrscht allerdings darüber, was man dabei unter fair versteht. Es können z.B. gleiche Pro-Kopf-Emissionen (Ausgangspunkt der GERMANWATCH-Position) gemeint sein, oder auch gleiche Wettbewerbsfähigkeit für Unternehmer (USA-Position), oder aber das gleiche Recht auf Dienstleistungen und Produkte. Ferner kann man sich auf die historischen, also akkumulierten, Emissionen eines Landes beziehen oder andererseits auf die aktuellen. Die gegenwärtige Situation ist von der Zielsetzung einer Gleichverteilung von Pro-Kopf-Emissionen noch meilenweit entfernt, was die jährlichen Pro-Kopf-Emissionswerte z.B. von 1990 zeigen: für die USA 20 t CO2 im Vergleich zu 0,7 t für Indien. Sinnvoll könnte deshalb eine Unterscheidung zwischen Luxusemissionen und Überlebensemissionen sein. Gleiche Pro-Kopf-Emissionen müssen nicht zwangsläufig einen Anreiz für Bevölkerungswachstum darstellen, wie oft eingewandt wird. Ganz im Gegenteil können gleiche Pro-Kopf-Emissionen zu einem Anreiz gegen Bevölkerungswachstum werden, wenn ein bestimmtes, relativ frühes Basisjahr für die Referenzbevölkerungszahl zugrundegelegt wird, z.B. 2005 oder 2015.

GERMANWATCH fordert:

  • Es kann nur um eine Begrenzung des Emissionsanstiegs für die Schwellenländer gehen, und nicht um absolute Emissionsreduktionen.
  • In Entwicklungsländern sollten im Rahmen einer ersten formalen Verpflichtung ausschließlich No-Regret-Potentiale, also Win-Win-Win-Möglichkeiten, ausgeschöpft werden. So können Klimaschutzmaßnahmen verbunden werden mit Entwicklungsinteressen, wie z.B. durch Elektrifizierung ländlicher Gegenden auf Basis erneuerbarer Energien oder durch den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs in Ballungsräumen, oder mit der Verminderung von anderen heute drängenden Umweltproblemen.
  • Die Weltbank und der IWF sollten die Klimaverträglichkeit der Maßnahmen überprüfen, an die sie ihre Kredite knüpfen bzw. die sie unterstützen.
  • Eine Einbeziehung von Entwicklungsländern sollte unter dem Equity-Prinzip als langfristigem Ziel erfolgen, d.h. nach unserer Auffassung: gleiche Pro-Kopf-Emissionen für Industrie- und Entwicklungsländer, ggf. mit einzubauenden Abwandlungen z.B. nach geographischer Lage (Kühl- und Heizbedarf). Dieses Equity-Prinzip sollte jedoch sowohl mit dem Effizienz-Kriterium ("wie lassen sich CO2-Reduzierungen am kostengünstigsten erreichen?") als auch mit dem Möglichkeits-Kriterium ("welches Land hat die meisten Möglichkeiten, Geld oder Technologie, um Reduktionen durchzuführen"?) verknüpft werden.
  • In einer 2. Verpflichtungsperiode sollten die Reduktionsziele für Industrieländer um weitere 10 Prozentpunkte verschärft werden, d.h. etwa 15% Reduktion bezogen auf 1990 (für die gleichen 2 Körbe von Gasen wie in Kyoto). Diese 2. Verpflichtungsperiode ist direkt an die erste anzuschließen, soll also die Jahre 2013-2017 umfassen.
Position der USA in der Entwicklungsländerfrage

Die USA gehen - gedrängt durch die fossile Lobby - so weit, daß sie den Einbezug von Entwicklungsländern forcieren wollen, indem sie ihre Ratifizierung des Kyoto-Protokolls abhängig machen von aussagekräftigen Verpflichtungen ("Meaningful Commitments") zentraler Länder wie China, Indien, Mexiko und Brasilien.

Würden die USA nicht ratifizieren, wird dies vermutlich Beispiel für andere Länder sein, was ein Kippen des gesamten Protokolls bewirken würde (siehe Einleitung).

GERMANWATCH fordert daher: Zusätzliche Verpflichtungen für Schwellenländer sollte es erst für die 2. Verpflichtungsperiode geben. Als Bedingung für das Inkrafttreten muß jedoch gelten, daß die Industrieländer bis zum Jahr 2005 tatsächlich Fortschritte nachweisen können (siehe Abschnitt "Demonstrable Progress").

Eine solche Strategie würde die fossile Lobby doppelt treffen, da zum einen die Schwellenländer nicht im gleichen Maße wie die Industriestaaten von Öl und Kohle abhängig würden und zum anderen die USA ihren wichtigsten Grund verlören, nicht zu ratifizieren, das Inkrafttreten des Protokolls also sehr wahrscheinlich würde. Das Knüpfen der zusätzlichen Verpflichtung für die Schwellenländer an das Erfüllen der Verpflichtungen der Industrieländer wäre außerdem ein guter indirekter Non-Compliance-Mechanismus für die Industrieländer.
 

Die Behandlung der Entwicklungsländerfrage bei COP 4 in Buenos Aires

Die Frage, ob, in welcher Form und ab wann Entwicklungsländer zusätzliche Verpflichtungen bekommen sollen, kann in Buenos Aires unter drei möglichen Tagesordnungspunkten thematisiert werden:

  • Item 6 - Freiwillige Verpflichtung von nicht-Annex-I-Staaten (Voluntary Committments by non-Annex I parties)
  • Item 4 (h) (ii) - Brasilianischer Vorschlag
  • Item 4 (d) - Zweite Überprüfung der Angemessenheit der Verpflichtungen für Annex-I-Länder (Second Review of the adequacy of Article 4.2(a) and (b))
Demonstrable Progress (nachweisbarer Fortschritt) Welchen Nachweis über Fortschritte soll es schon vor der ersten Verpflichtungsperiode geben?

Eine Unsicherheit im Klimaprozeß beruht auf dem Sachverhalt, daß für Industrieländer zwar rechtlich verbindliche und genaue Emissions-Reduktionsziele für die 1. Verpflichtungsperiode festgelegt sind, es jedoch für die Art und Weise der Durchführung bzw. für die zeitlichen Fortschritte noch keine genauen Regeln gibt. Zwar haben die Industrieländer in der Konvention das Ziel festgelegt, bis zum Jahr 2000 auf die anthropogenen Treibhausgas-Emissionsniveaus von 1990 zurückzukommen, aber diese Forderung ist nicht rechtsverbindlich.

Artikel 3.2 des Protokolls fordert jedoch, daß jedes Industrieland bis zum Jahr 2005 einen nachweisbaren Fortschritt ("Demonstrable Progress") auf dem Weg zur Erfüllung der Vertragspflichten gemacht haben soll.

GERMANWATCH fordert:

  • Die Nationalberichte der Industrieländer sollten - nach entsprechender Änderung der Richtlinien in der anstehenden Verhandlungsrunde des Nebenorgans SBSTA - Projektionen enthalten, wie die jeweiligen "Kyoto-Ziele" erreicht werden sollen. Diese Projektionen sollten im Rahmen des "In-Depth-Reviews" auf ihre Plausibilität überprüft werden.
  • In zwei "Stützjahren" 2005 und 2008 soll - anhand der eigenen Szenarien - der "Demonstrable Progress" überprüft werden.
  • Bei fehlendem Nachweis des "Demonstrable Progress" einzelner Länder treten Beschränkungen des Rechts auf Emissions Trading in Kraft.
  • Bei fehlendem Nachweis der Industrieländer insgesamt treten eventuelle Verpflichtungen der Schwellenländer in der zweiten Budget-Periode nicht in Kraft.
Flexibilitätsmechanismen Wie können Reduktionsverpflichtungen im Ausland erfüllt werden?
  • Emissions Trading
  • "Joint Implementation" (JI)
  • Clean Development Mechanism (CDM)

Das Kyoto-Protokoll gibt den Vertragsstaaten im Rahmen der sogenannten "neuen ökonomischen Instrumente" verschiedene Möglichkeiten, Emissionen auch in anderen Ländern zu reduzieren, wenn dies dort kostengünstiger ist. Die Staaten erhalten hierdurch mehr Flexibilität (Flexibility) beim Erreichen ihres Emissionsziels.

Das Protokoll gibt den Vertragsstaaten hierzu folgende Verfahren an die Hand (siehe auch Tab. 1):

  • Emissions Trading ist ein zwiespältiges Konzept. Einerseits ist es in der Theorie ein sehr effizientes Instrument, um Klimaziele zu erreichen. Andererseits erlaubt es reichen Staaten, statt die eigene Art des Wirtschaftens und den Lebensstil zu ändern, Klimaschutzmaßnahmen in anderen Ländern durchzuführen. Deswegen hatten viele NRO - auch GERMANWATCH - lange Zeit grundsätzliche Bedenken gegen dieses Konzept. In Kyoto wurde nun beschlossen, daß Staaten, die Reduktionsverpflichtungen eingegangen sind, im Rahmen eines Emissions Trading untereinander mit Emissionskontingenten handeln können. Wenn ein solcher Staat in der Periode 2008-2012 weniger Treibhausgase emittiert als ihm zugestanden wurde, kann er das entsprechende Emissions-Kontingent an andere Staaten verkaufen, die ihre Emissionsziele nicht erreichen (dieses Kontingent wird im EU-Entwurf als Part of Assigned Amount, PAA, bezeichnet; der Entwurf der USA-dominierten "Umbrella Group" spricht von Assigned Amount Units, AAU). Die gehandelten PAAs sind folglich nicht an tatsächliche Maßnahmen zur Emissionsreduzierung gekoppelt (s.u.). Möglicherweise wird demnächst entschieden, daß das Recht zu solchem Handel auch an private Akteure delegiert werden kann. Dieses in Artikel 17 des Protokolls behandelte Verfahren ist nur zwischen Industrieländern zugelassen, d.h. zwischen den im Anhang B des Prokolls aufgeführten Staaten.
  • Joint Implementation und Clean Development Mechanism: Ein Industrieland - oder ein Akteur aus diesem Land - kann in einem anderen Staat Klimaschutzprojekte durchführen und sich die hierdurch eingesparten Emissionskontingente für sein eigenes Emissionsziel gutschreiben lassen. Im Gegensatz zu Emissions Trading sind diese Kontingente folglich an tatsächliche Maßnahmen zur Emissionsreduzierung gekoppelt. Wird das Projekt in einem anderen Industrieland (d.h. einem Land mit Reduktionsverpflichtungen) durchgeführt, spricht man von "Joint Implementation" (JI; dieser Begriff taucht jedoch in Artikel 6, wo das Verfahren geregelt wird, nicht auf). Das Durchführen von entsprechenden Projekten in Entwicklungsländern hingegen findet im Rahmen des sogenannten Clean Development Mechanism (CDM) statt (Artikel 12), für den andere Bestimmungen gelten (s.u.). Die anrechenbaren Emissionskontingente bezeichnet man bei JI als Emissions Reductions Units (ERU), beim CDM als Certified Emissions Reductions (CER) (siehe Tab. 1).
Mechanismus Abk. Artikel (Kyoto- Protokoll) Bezeichung der transferierten Emissionskontingente Abk. Beginn (Jahr) Herkunft der Emissions-
kontingente
Handelspartner Problempunkte
Emissions trading ET 17 Parts of Assigned Amounts (EU-Vorschlag) oder Assigned Amount Units (Umbrella-Group- Vorschlag) PAA bzw. AAU 2008 (1) Anteile der in Kyoto zugebilligten Emissionsmenge Annex-B-Staat an Annex-B-Staat
  • Hot Air
  • Tropical Air
  • Liability-Frage
Joint Implementation JI 6 Emission Reduction Units ERU 2008 Durch zertifizierte Projekte eingesparte Emissionen Annex-I-Staat an Annex-I-Staat (2)
  • Ansetzen zu hoher Baselines
  • Senken-Frage
  • Transfer der zweitbesten Technologien
  • Proliferationsrisiko bei Transfer von Kernkraftwerken
Clean Development Mechanism CDM 12 Certified Emission Reductions CER evtl. schon 2000 Durch zertifizierte Projekte eingesparte Emissionen Nicht-Annex-I- Staat an Annex-I-Staat (2)
  • Öffnen der "Industrieländer- Bubble"
  • Alle oben unter JI aufgeführten Probleme, hier jedoch in verschärfter Form
(1) Der Handel kann zwar schon vorher beginnen, bezieht sich jedoch nur auf solche Emissionen, die zwischen 2008 und 2012 eingespart werden; (2) Im Gegensatz zu Emissions Trading verweist das Kyoto-Protokoll hier nicht auf seinen eigenen Anhang, sondern auf den Anhang I der Klimarahmenkonvention

Tab. 1: Flexibilitätsmechanismen des Kyoto-Protokolls ("Neue ökonomische Instrumente")

Die neuen ökonomischen Instrumente können einerseits ein ökonomisch effizientes und ökologisch effektives Instrument sein, um kostengünstig Klimaschutzziele zu erreichen. Zukunftsweisende Technologien und Konzepte wie Kraft-Wärme-Kopplung, Erneuerbare Energien und Least Cost Planning können durch JI und CDM in vielen Fällen eingesetzt werden, wenn sie ohne diese Unterstützung knapp unterhalb der Rentabilitätsgrenze liegen würden. Die neuen ökonomischen Instrumente bergen andererseits - je nach Ausgestaltung - einige ernsthafte Gefahren, die in den folgenden Abschnitten angesprochen werden. Es gibt Akteure, die diese Instrumente sofort benutzen wollen, ohne daß die entsprechenden Richtlinien im Detail ausgearbeitet sind. Durch ihren Übereifer drohen sie die Seriosität dieser Mechanismen zu zerstören. Andere Akteure wollen die Mechanismen gar so ausgestalten, daß Treibhausgasreduktionen lediglich auf dem Papier, aber nicht in der Realität durchgeführt werden.

Emissions Trading und Hot Air

Manche Industrieländer haben sich auf der Kyoto-Konferenz ein unrealistisch niedriges Emissionsziel erkämpft - oder besser: ertrotzt. So muß z.B. Rußland seine Emissionen nicht reduzieren, wird jedoch auch ohne zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen (d.h. bei einem "Business-as-usual-Szenario") im Jahr 2010 voraussichtlich mindestens 20 % unter dem Niveau von 1990 liegen. Dies liegt vor allem am Zusammenbruch großer Teile seiner Wirtschaft in den 90er Jahren sowie an der aktuellen Wirtschaftskrise und gilt in ähnlichem Maß für die meisten mittel- und osteuropäischen Länder, die sich im Übergang zur Marktwirtschaft befinden (Countries in Transition). Diesen Staaten werden folglich große Emissionskontingente, die in diesem Fall als "Hot Air" bezeichnet werden, zum Verkauf zur Verfügung stehen, ohne daß sie dafür irgendwelche zusätzlichen Klimaschutzmaßnahmen ergreifen müssen.

Eine ähnliche Situation könnte entstehen, sobald sich - worauf derzeit v.a. die USA drängen - auch Entwicklungs- und Schwellenländer am Emissions Trading beteiligen können, nachdem sie auf freiwilliger Basis rechtlich verbindliche Emissionsziele akzeptiert haben. Auch hier besteht die Gefahr, daß ihnen Emissionsziele zugestanden werden, die weit über einem realistischen Business-as-usual-Szenario liegen. Damit würde die Möglichkeit geschaffen, große Kontingente von lediglich "virtuell eingesparten Emissionen" (in diesem Zusammenhang als "Tropical Air" bezeichnet) zu verkaufen.

Die USA beispielsweise haben großes Interesse am Ankauf solcher "Hot Air" bzw. "Tropical Air", weil sie dann im eigenen Land weniger Maßnahmen umsetzen müßten. Aber auch in der EU wächst das Interesse. Dem Klimaschutz ist damit nicht gedient: die Kontingente wurden nicht durch reelle Klimaschutzmaßnahmen eingespart, erlauben dem Käuferland jedoch tatsächlich, mehr Treibhausgase auszustoßen.

GERMANWATCH fordert daher:

  • Maximal ein Drittel der Emissionsmenge, die laut Kyoto-Protokoll gegenüber 1990 verringert werden muß, darf im Ausland (d.h. über die neuen ökonomischen Instrumente) reduziert bzw. eingekauft werden. Die Rückkehr zu den Emissionen von 1990 - viele Länder haben ihre Emissionen seit 1990 noch einmal kräftig gesteigert - sollten sie auf jeden Fall im eigenen Land verwirklichen. Alternativ zu dieser Begrenzung schlägt GERMANWATCH vor, daß ein Land nicht mehr als 5 % seiner Emissionen von 1990 als Emissionskontingente kaufen oder verkaufen darf. Eine weitere Alternative könnte es sein, zumindest den Nachweis stetig sinkender Pro-Kopf-Emissionen führen zu müssen.
  • Eingekaufte Emissionen müssen entweder nachweislich durch Klimaschutzmaßnahmen reduziert worden sein, oder das eingenommene Geld muß solchen Maßnahmen zugutekommen. Diese Forderung ist umso wichtiger, je weniger sich die Forderung nach einer Mengenbegrenzung (s.o.) durchsetzen läßt.
  • Auf jeden Fall aber gilt: Bevor Emissions Trading zugelassen wird, muß ein funktionierender Mechanismus zu Monitoring, Verifikation und Sanktionen vorhanden sein.
Emissions Trading und Liability

Nur wenn ein Staat weniger Emissionen verursacht, als ihm durch das Kyoto-Protokoll zugebilligt werden, darf er (oder private Akteure) die überschüssigen Emissions-Kontingente (Parts of Assigned Amounts, PAA) im Rahmen des Emissions Trading verkaufen. Der Verkauf von PAAs, die nicht aus einem solchen Überschuß stammen ("faule PAAs"), muß folglich unterbunden werden. Um dies sicherzustellen, sind prinzipiell unterschiedliche Regelungen denkbar, wer für den Verkauf "fauler" PAAs nach welchem Verfahren haften muß.

Für das Verfahren sind zwei Regelungen vorstellbar. Zum einen könnten für den Verkauf anhand von klar definierten Kriterien automatisch Sanktionen in vorher exakt bestimmter Art und Höhe verhängt werden. Zum anderen könnte ein Gremium von Fall zu Fall über die angemessene Sanktion entscheiden. Letzteres könnte zwar in Einzelfällen der jeweiligen Situation besser gerecht werden, hätte jedoch gegenüber einem Automatismus den Nachteil, daß vor allem bei einflußreicheren Staaten immer Gründe gefunden werden, keine Sanktionen zu verhängen.

Auf die Frage, wer für den Verkauf "fauler PAAs" haftbar gemacht werden könnte, sind drei Antworten denkbar:
a) der Verkäufer (Seller Liability) (Position der USA) oder
b) der Käufer (Buyer Liability) oder
c) beide.
Derzeit ist noch unklar, ob am Emissions Trading nur Regierungen oder auch private Akteure teilnehmen dürfen. Sollte es auf die Regierungen beschränkt bleiben, so ist die Frage nach Buyer Liability oder Seller Liability von geringerer Bedeutung - auch wenn selbst in diesem Fall die Buyer Liability der wirkungsvollere Weg ist. Wird das Emissions Trading jedoch auf private Akteure ausgedehnt, so wird die Frage nach Buyer Liability oder Seller Liability sehr wichtig für die ökologische Effektivität des Emissions Trading im Sinne des Klimaschutzes.

Haftet der Verkäufer für "faule" PAAs (Seller Liability), so fliegt dies erst dann auf, wenn die 2008-2012 von seinem Heimatland ausgestoßenen Emissionen erfaßt worden sind. Entsprechende Statistiken werden voraussichtlich erst ca. 2014 vorliegen. Zu so einem späten Zeitpunkt kann jedoch ein Unternehmen, das z.B. im Jahre 2002 "faule" PAAs verkauft hat, unter Umständen nicht mehr belangt werden (z.B. weil es inzwischen Konkurs angemeldet hat). Und ob es tatsächlich gelingt, ernsthafte Sanktionen für den Verkäuferstaat (wenn er sein Emissionsziel nicht erreicht) zu vereinbaren, steht völlig in den Sternen.

Dieses Problem kann durch die Einführung der Buyer Liability in Kombination mit einem Versicherungssystem gelöst werden. Hier haftet der Käufer, indem die gekauften PAAs ganz oder anteilmäßig "abgewertet" würden. Er wird sich deshalb gegen den Schaden versichern, der entsteht, wenn sich die gekauften PAAs als "faul" herausstellen. Die Höhe der Risikoprämie, die er an ein Versicherungsunternehmen entrichtet, hängt klarerweise von der Wahrscheinlichkeit ab, mit der das Herkunftsland der PAAs sein Kyoto-Ziel erreichen wird. Je besser und glaubwürdiger das Emissionsszenario eines Landes ist, desto geringer fallen die Risikoprämien aus, desto besser sind folglich die Marktchancen seiner Unternehmen für den Verkauf von PAAs. Die hierfür benötigte Einstufung (Rating) der Länder kann durch die Versicherungsunternehmen selbst oder - wahrscheinlicher - durch Rating-Agenturen erfolgen.

Eine so gestaltete Buyer Liability hat entscheidende Vorteile:

  • Es entsteht ein zusätzlicher Anreiz für das Verkäuferland, sein Kyoto-Ziel zu erreichen, da dies die Marktchancen seiner Unternehmen steigert.
  • Das Einbringen von "faulen" PAAs in den Markt wird durch hohe Risikoprämien erschwert.
  • Da die Risikoprämie beim Kauf aufgeschlagen wird, entsteht ein ab sofort wirksamer Anreizmechanismus, nur "saubere" PAAs zu verkaufen. Ein solcher könnte bei der Seller Liability erst 2014 greifen.
GERMANWATCH fordert daher:
  • für das Emissions Trading sollte die Buyer Liability gelten, da sie in Kombination mit einem Versicherungssystem für den Klimaschutz viel effektiver und ökonomisch effizienter, weil unbürokratischer, als die Seller Liability ist.
  • Sanktionen für den Handel mit "faulen" PAAs sollten anhand von klar definierten Kriterien nach einem automatischen Verfahren und in vorher exakt bestimmter Art und Höhe verhängt werden.
Der 'Clean Development Mechanism': 'Joint Implementation' für Entwicklungsländer?

Bei Joint Implementation (JI) und Clean Development Mechanism (CDM) werden nicht Emissionskontingente anderer Länder gekauft. Sondern Akteure von Land A führen in Land B Klimaschutzmaßnahmen durch, die sich Land A von seiner "Bringschuld" ganz oder teilweise abziehen lassen kann. Die auf diesem Wege durch einen unabhängigen Zertifizierer bescheinigten und dann gutgeschriebenen Emissionskontingente entsprechen der Differenz aus zwei Werten: dem Emissionsniveau nach Fertigstellung des Projekts und der sogenannten Baseline, d.h. dem Emissionsniveau, das ohne das Projekt entstanden wäre (also bei einem Business-as-usual-Szenario). Ein Hauptunterschied zwischen JI und CDM ist, daß JI nur zwischen Akteuren aus Industrieländern eingesetzt werden kann, während beim CDM Projekte in Entwicklungsländern durchgeführt werden. Es gibt jedoch noch weitere, wichtige Unterschiede:

  • Der CDM soll durch den damit geleisteten Technologietransfer zur nachhaltigen - d.h. vor allem auch der sozial nachhaltigen - Entwicklung der Entwicklungsländer beitragen.
  • Der CDM führt zu einer Steigerung der Summe der in Kyoto für die Industrieländer festgelegten Treibhausgas-Emissionen, d.h. zur sogenannten "Öffnung der Industrieländer-Bubble". Wenn hier "Mitnahmeeffekte" in größerem Stil ermöglicht würden, verlöre das Kyoto-Protokoll enorm an Wert. Beispiel: Wenn sich die USA und andere Länder Treibhausgasreduktionen  (bzw. Verminderungen der Treibhausgaszunahme) gutschreiben lassen dürften, die durch ihre ohnehin etwa an China gelieferten Kernkraftwerke erzielt würden.
  • Der CDM soll, wenn bis dahin die Detailrichtlinien verabschiedet sind, bereits im Jahr 2000 beginnen, während JI-Projekte erst mit Beginn der Zielperiode (2008) angerechnet werden können.
  • Mit dem CDM ist ein Finanzierungsmechanismus für vom Klimawandel betroffene Entwicklungsländer verbunden, der durch Gebühren aus der Durchführung von Projekten gespeist wird. Dessen Details sind jedoch noch völlig ungeklärt.
Sowohl beim CDM als auch bei JI könnten außerdem u.a. folgende Probleme entstehen:
  • Bei der Ermittlung der durch ein Projekt erzielten Emissionseinsparungen besteht die Gefahr, daß diese vorsätzlich zu hoch angesetzt werden, indem die Baseline zu niedrig veranschlagt wird. Denn beide beteiligten Parteien haben ein Interesse daran: das Industrieland, weil es billig Zertifikate erhalten will; das Entwicklungsland, weil es somit für Investitionen attraktiver wird als seine Wettbewerber.
  • Es besteht die Gefahr, daß im Rahmen von JI und CDM Projekte gefördert werden, die sich als Bumerang erweisen werden. So würde z.B. der Transfer von Kernkraftwerkstechnologie ein nicht unerhebliches Sicherheits- und Proliferations-Risiko darstellen. Andere Technologien, wie etwa effizientere Kohlekraftwerke, könnten zwar unter Umständen zu kurzfristigen Emissionseinsparungen gegenüber dem Business-as-usual-Szenario führen, stellen jedoch nur die zweitbesten Technologien dar und würden auf lange Sicht im Vergleich zu Kraft-Wärme-Kopplung oder regenerativen Energiequellen weitaus klimaschädlicher wirken. Außerdem muß eine weitere Intensivierung der Kohlenutzung weltweit verhindert werden, um langfristig die Klimaschutzziele zu erreichen.
  • Bei Projekten zur Schaffung von CO2-Senken ergäbe sich ein anderes Problem: hier bestehen derzeit noch große methodische Unsicherheiten, wie ihre Wirksamkeit genau zu quantifizieren ist. Eventuell wird dadurch sogar ein Anreiz geschaffen, alte, naturnahe Wälder durch Plantagen schnell wachsender Hölzer zu ersetzen. Zur Zeit ist außerdem noch nicht klar geregelt, ob Holzeinschlag und Brandrodung als CO2-Emission gerechnet werden. Dies könnte zu der paradoxen Situation führen, daß großflächig Wälder abgeholzt und anschließend kleinflächige Aufforstungen als CDM-Projekte durchgeführt werden.
Vor dem Hintergrund all dieser Probleme fordert GERMANWATCH:
  • Die ökologische Seriosität des Clean Development Mechanism muß sichergestellt sein. Es muß gewährleistet sein, daß die angerechneten Emissionskontingente auch tatsächlich eingespart wurden. Dies fordert nicht zuletzt klare Kriterien für die Auswahl der Zertifizierer sowie ihre wirksame Kontrolle, bei der im Sinne des Klimaschutzes tätige Nichtregierungsorganisationen ein Mitspracherecht haben müssen. Angesichts des enormen Aufwands kann diese Mitwirkung von NRO nicht unentgeltlich erfolgen.
  • Im Rahmen von Joint Implementation und Clean Development Mechanism dürfen auf keinen Fall Projekte anerkannt werden, die den Transfer von Kohle- oder Kernkrafttechnologien beinhalten. Ein Beschluß über die Einbeziehung von Senken sollte erst fallen, sobald die methodischen Fragen hinreichend geklärt sind, d.h. auf keinen Fall vor Abschluß des IPCC Special Report (Mai 2000). Im ersten Schritt sollten nur Projekte zur Steigerung der Energie-Effizienz und zur Einführung von erneuerbaren Energieträgern durchgeführt werden.
  • Es muß ein Mechanismus eingerichtet werden, der Betrug im Rahmen von Joint Implementation und Clean Development Mechanism mit empfindlichen Sanktionen ahndet.
Senken Unter welchen Umständen sollen CO2-Senken einbezogen werden?

Menschliche Aktivitäten können nicht nur den Ausstoß von Treibhausgasen bewirken, sondern auch das Gegenteil, wenn sogenannte CO2-Senken geschaffen werden. So wird z.B. durch das Anpflanzen von Wäldern CO2 im Holz der Bäume gespeichert. In diesem Sinne wurde auf Drängen verschiedener Staaten (etwa USA, Neuseeland, Australien, Norwegen) im Protokoll festgeschrieben, daß durch entsprechende Maßnahmen gebundene CO2-Mengen von den Emissionen abgezogen werden. Dies gilt prinzipiell sowohl für die Umsetzung der Verpflichtungen im eigenen Land als auch für Projekte im Rahmen von Joint Implementation. Ein solcher Ansatz wäre durchaus sinnvoll, wenn v.a. zwei Voraussetzungen gegeben wären:

1. Die so gebundenen CO2-Mengen müssen in der Praxis hinreichend genau meßbar sein. Aus wissenschaftlicher Perspektive gehört dabei jedoch grundsätzlich auch die CO2-Bilanz des Bodens (Full Carbon Accounting), denn das Anpflanzen von Wäldern kann in manchen Fällen sogar die Freisetzung großer CO2-Mengen aus Böden zur Folge haben.

2. Es muß außerdem sichergestellt sein, daß das CO2 langfristig gebunden und nicht bereits in wenigen Jahrzehnten wieder freigesetzt wird.

Diese Voraussetzungen sind jedoch derzeit noch nicht gegeben. Hinsichtlich der Langfristigkeit des Senkeneffekts sind in vielen Fällen Zweifel angebracht. So gibt der WBGU (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen) zu bedenken, daß schon bei geringfügigen Klimaänderungen Senken zu Quellen werden können. Wegen der vielen durch die Einbeziehung von Senken aufgeworfenen offenen Fragen wurde das IPCC auf den Klimaverhandlungen im Juni 1998 um die Erstellung eines Special Report gebeten. Erst nach Fertigstellung dieses Berichts (unter dem Titel "Land Use, Land Use Change and Forestry", voraussichtlich im Mai 2000) soll eine Entscheidung über die Einbeziehung von Senken bei Joint Implementation und Clean Development Mechanism fallen.

Neben vielen methodischen Problemen, die ein Einbezug von Senken mit sich bringt, hat dieser einen weiteren bedeutenden Nachteil: er bringt keinen Anreiz für den Einsatz und die Entwicklung von Technologien zur CO2-armen Energienutzung und -erzeugung.

Bei Projekten im Rahmen von Joint Implementation räumt das Protokoll die Möglichkeit der Anrechnung von Senken explizit ein. Für den Clean Development Mechanism macht es jedoch diesbezüglich keine klare Aussage, so daß dieser Punkt noch umstritten bleibt.

GERMANWATCH fordert:

  • Senken sollten erst einbezogen werden können, sobald die methodischen Fragen hinreichend geklärt sind, d.h. auf keinen Fall vor Abschluß des IPCC Special Report (Mai 2000).
  • Die Anforderungen an Senken müssen mit denen eines naturnahen, nachhaltigen Waldbaus harmonisiert werden.
  • Es dürfen keine Anreize gesetzt werden, alte naturnahe Wälder abzuholzen, um Monokulturen von schnell wachsenden Hölzern anzupflanzen.
  • Den verschiedenen derzeit noch nicht ausgeschlossenen Taschenspielertricks, die nur auf dem Papier zu einer Bindung von CO2 führen, muß ein Riegel vorgeschoben werden.
Non-Compliance-Mechanismus Wie wird die Einhaltung der Verpflichtungen gewährleistet?

Ein zentraler Punkt des Protokolls sollte ein Mechanismus sein, der Hilfen und Sanktionen bei Nichterfüllung der Verpflichtungen vorsieht (Non-Compliance-Mechanismus). In Artikel 18 des Protokolls kommt ein solcher zwar bereits zur Sprache, genauere Bestimmungen sind dort jedoch noch nicht enthalten.

Neben solchen direkten Sanktionsmaßnahmen gibt es auch einen indirekten, moralischen Druck. Dieser entsteht z.B. durch die schon in der Konvention festgelegte Verpflichtung zum Veröffentlichen der Nationalberichte. Zudem würde der Druck auf die Industrieländer steigen, wenn sie wissen, daß erst nach Erfüllung ihrer Reduktionspflichten die Schwellenländer weitere Pflichten auferlegt bekommen (siehe Abschnitt "Einbeziehung der Entwicklungsländer"). Der indirekte, moralische Druck wird jedoch umso geringer sein, je mehr Länder an ihren Zielen zu scheitern drohen.

Ein wirkungsvoller Non-Compliance-Mechanismus ist unbedingt notwendig, damit InvestorInnen, UnternehmerInnen und VerbraucherInnen nicht ihr Vertrauen in die Klimaverhandlungen verlieren und um einen wirksamen Klimaschutz zu gewährleisten. Er ist zudem eine essentielle Voraussetzung für das Funktionieren der Flexibilitätsmechanismen und ist in diesem Zusammenhang eng mit der Liability-Frage verknüpft. Denn der Wert gekaufter bzw. verkaufter Emissionskontingente sinkt, wenn andere Akteure ihre Verpflichtungen nicht einhalten und damit sozusagen eine Inflation der handelbaren Emissionsmenge bewirken (siehe Abschnitt "Flexibilitätsmechanismen").

GERMANWATCH fordert daher,

  • Ländern eine Unterstützung zu gewähren, sobald sich abzeichnet, daß sie Probleme beim Erreichen ihrer Verpflichtungen haben werden,
  • das Nichterreichen der Verpflichtungen nach einem noch festzulegenden Verfahren, z.B. vor dem Internationalen Gerichtshof, mit spürbaren Sanktionen zu ahnden, die deutlich über den Kosten der CO2-Minderungsmaßnahmen liegen.
NRO-Beteiligung Wie werden Nichtregierungsorganisationen in Zukunft an der Gestaltung des Klimaregimes beteiligt?

Die Beteiligung von einzelnen Nichtregierungsorganisationen (NRO) als Beobachter am Verhandlungsgeschehen ist gemäß Artikel 7.6 der Konvention grundsätzlich vorgesehen, falls nicht mindestens ein Drittel der anwesenden Vertragsstaaten widersprechen. Bei den Verhandlungen im Juni 1998 in Bonn wurden darüber hinaus für die Vertreter von Umwelt-NRO, Wirtschaft und den Kommunen entscheidende Fortschritte erzielt.

Zuvor konnten sich die NRO lediglich einmal pro Sitzung der Vertragsstaatenkonferenz bzw. der Nebenorgane zu Wort melden. Dazu war außerdem die Zustimmung des jeweiligen Verhandlungsvorsitzenden notwendig. In der Bonner Verhandlungsrunde einigte man sich nun darauf, den NRO zu jedem einzelnen Tagesordungspunkt ein Statement zu gewähren. Dies bietet den NRO ein weit größeres Recht, ihre Position zur Geltung zu bringen, als vorher. Zusätzlich wurde den NRO erlaubt, an den nicht-öffentlichen Sitzungen der Kontaktgruppen als Beobachter teilzunehmen, sofern kein Widerspruch der Vertragsstaaten erfolgt. In den Kontaktgruppen erarbeiten vom Verhandlungsvorsitzenden ausgewählte Delegierte informell Konsenspapiere als Beschlußvorlage für das Plenum.

Da es am letzten Tag der Verhandlungsrunde jedoch Einwände gegen die dauerhafte Fortschreibung dieser Neuregelung gab, wurde ein endgültiger Beschluß über die NRO-Beteiligung auf die Verhandlungen in Buenos Aires vertagt. Das Klima-Sekretariat hat dazu eine Beschlußvorlage erarbeitet (FCCC/CP/1998/L.1). Danach können NRO und Zwischenstaatliche Organisationen als Beobachter in allen Kontaktgruppen mit offenem Ende teilnehmen, sofern nicht mindestens ein Drittel der an der Kontaktgruppe teilnehmenden Vertragsstaaten oder der Vorsitzende selbst Einspruch erheben.

Angedacht wurde auch eine Neuregelung der bisher existierenden Gruppierungen (Constituencies) der Nichtregierungsorganisationen. Da die bisher praktizierte Unterteilung in den Umwelt-, Unternehmens- und kommunalen Bereich nicht immer praktikabel ist, könnte eine weitere Aufspaltung der Gruppen sinnvoll sein. Zusätzlich könnten dann Gewerkschaften, Kirchen oder Verbraucherverbände vertreten sein. Das Klima-Sekretariat soll auch in diesem Fall einen Vorschlag erstellen und auf der Vertragsstaatenkonferenz in Buenos Aires unterbreiten.

Flugverkehr Wie werden Emissionen aus dem Flugverkehr im Klimaregime berücksichtigt und mit welchen Maßnahmen werden sie beschränkt?

Der Flugverkehr ist das am schnellsten wachsende Problem für das globale Klima. Derzeit ist er für etwa 2 % des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Zusätzlich haben aber noch andere Emissionen der Flugzeuge Auswirkungen auf das Klima. Deshalb trägt der Flugverkehr bereits heute zu über 5 % zu den jährlich vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen bei. Die Klimabedeutung des Flugverkehrs wird sich selbst nach moderaten Szenarien Mitte des nächsten Jahrhunderts vervierfacht haben und damit in der Größenordnung der dann von China ausgestoßenen Gase liegen.

Dieses Problem wurde von den Klimaverhandlungen wahrgenommen, was sich in Artikel 2.2 des Protokolls niederschlägt. Demnach soll die UN-Sonderorganisation für den internationalen Flugverkehr, die International Civil Aviation Organisation (ICAO), Maßnahmen zu Begrenzung und Verminderung der Flugverkehrs-Emissionen verfolgen. Die ICAO ist z.B. zuständig für das Erstellen von Emissionsstandards von Flugzeugen. Auf der 32. ICAO-Vollversammlung im Oktober 1998 in Montreal (die nächste findet erst 2001 statt!) waren - vollkommen unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit - teilweise sogar Rückschritte in Punkto Klimaschutz zu verzeichnen. So appelliert die ICAO an die Staaten, Klimaschutz-Vorreitermaßnahmen im Flugverkehr möglichst zu unterlassen. Konkrete Maßnahmen wurden zu diesem Punkt nicht beschlossen.

Ein bescheidener Fortschritt wurde dadurch erzielt, daß das Umweltkomitee CAEP damit beauftragt wurde, der nächsten Vollversammlung Politikoptionen zur Beschränkung und Reduktion der Treibhausgasemissionen des Luftverkehrs zu unterbreiten. Weiterhin soll vor der nächsten Vollversammlung eine Position gefaßt werden, wie mit Umweltweltsteuern und -abgaben im Luftverkehr zu verfahren ist.

GERMANWATCH fordert:

  • Angesichts der unzureichenden Verhandlungsfortschritte der 32. ICAO-Vollversammlung soll die Vertragsstaatenkonferenz klimaschutzorientierte Vorgaben zur Begrenzung und Verminderung von Emissionen des internationalen Flugverkehrs machen. Des weiteren soll sie die ICAO ersuchen, verstärkt Anstrengungen zur Umsetzung des Auftrags des Kyoto-Protokolls zu unternehmen.
  • Die Vertragsstaatenkonferenz soll sich dem Bestreben der ICAO widersetzen, eine Monopolrolle zur Behandlung der mit Umweltfolgen des Luftverkehrs verbundenen Fragen einzunehmen. Vielmehr sollen die klimapolitischen Vorgaben von der Klimakonvention kommen. Darauf aufbauend soll die ICAO die Rahmenbedingungen für das Ergreifen der notwendigen Maßnahmen zur Zielerfüllung schaffen.
Der zweite wichtige noch offene Aspekt betrifft die Frage der Emissionen aus dem internationalen Flugverkehr (wie die des internationalen Seeverkehrs). Diese tragen das Problem in sich, daß sie sich nicht in natürlicher Weise einem Staat zuordnen lassen. Über diese Zuordnung (Allokation) der Flugverkehrsemissionen verhandelte zuletzt das wichtige Nebenorgan SBSTA während der Klimaverhandlungen 1996 in Genf - ergebnislos. Solange jedoch die Allokations-Frage nicht geklärt ist, trägt formal niemand die Verantwortung für die Emissionen aus dem internationalen Flugverkehr. Dies bedeutet, daß kaum Anstrengungen stattfinden, diese Emissionen zu verringern.

Es gibt verschiedene Vorschläge zur Allokation. So könnten die Emissionen z.B. wahlweise dem Staat zugeordnet werden,

  • in dem der Flugtreibstoff verkauft wird,
  • in dem sich der Sitz der Fluggesellschaft befindet, wobei der Sitz als das Land zu definieren wäre, in dem die meisten Starts bzw. Landungen der Fluggesellschaft stattfinden,
  • in dem sich der Start- oder Ziel-Flughafen des Flugzeugs befindet oder
  • in dem sich der Start- oder Ziel-Flughafen der Passagiere bzw. der Fracht befindet.
  • Die Allokation könnte auch nach der Nationalität der Passagiere erfolgen.
Dabei können v.a. das Verursacherprinzip (Gerechtigkeit) oder die Operationalisierbarkeit als Kriterien der Entscheidungsfindung dienen.

GERMANWATCH fordert:

  • Die Vertragsstaatenkonferenz der Klimakonvention - und nicht die ICAO - soll die Entscheidung zur Allokation fällen. Deshalb sollte auf der Sitzung von COP 4 beschlossen werden, die Allokationsfrage baldmöglichst zu behandeln und darüber zu entscheiden, um dann im Rahmen der Klimaverhandlungen über ein praktikables Verfahren der Zuordnung zu entscheiden.
  • Für die erste Verpflichtungsperiode schlagen wir vor, die Emissionen demjenigen Staat zuzuordnen, in dem der Flugtreibstoff verkauft wird. Dies stellt zwar keine nach allen Kriterien zufriedenstellende Lösung dar, ist aber der im Moment beste Kompromiß zwischen Verursacher- und Operationalisierbarkeitsaspekten und gewährleistet eine schnelle Umsetzung des Prozesses. Als Ziel sollte gelten, mit zunehmendem wissenschaftlichen Kenntnisstand baldmöglichst ein Allokationsverfahren zu erreichen, das stärker am Verursacherprinzip orientiert ist.
  • Für die Emissionsreduktionen der 2. Verpflichtungsperiode sollte zusätzlich ein 3. Korb mit den klimarelevanten Emissionen des Flugverkehrs (Stickoxide und Kondensstreifen) eingesetzt werden.

 

In diesem Briefing Paper zum 4. Klimagipfel in Buenos Aires erläutert Germanwatch wichtige aktuelle Punkte der internationalen Klimaverhandlungen. Darüber hinaus wird dargestellt, welche Forderungen im Sinne des Klimaschutzes und der nachhaltigen Entwicklung der Länder des Südens zu erheben sind.

Autor:innen
C. Bals, G. Kier, A. Rück, M. Treber
Publikationsdatum
Seitenanzahl
20
Bestellnummer
98-2-04
ISBN
3-9806280-8-6
Schutzgebühr
5.00 EUR

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