Analyse des BMZ-Haushalts 1996-2000

Stand: 1. September 1999

Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) 1996-2000


Vorbemerkung:

Im folgenden werden einige Überlegungen, Hintergrundinformationen und mögliche Fragestellungen zum BMZ-Haushalt präsentiert mit dem Ziel, Denkanstöße für mehr Transparenz in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu geben, um damit deren Qualität zu verbessern. Größere Durchsichtigkeit der Mittelbewirtschaftung fördert eine breitere und informiertere Diskussion über die Grundsätze der EZ und ihre praktische Umsetzung in Programme und Projekte nicht nur in Deutschland sondern auch in den Entwicklungsländern selbst.

Die zum 1. September 1999 aktualisierte Fassung berücksichtigt den von der neuen Bundesregierung eingebrachten Entwurf des BMZ-Haushalts für 2000 (E2000). An der Struktur des Einzelplans 23 hat sich gegenüber den letzten BMZ-Haushaltsplänen so gut wie nichts geändert und an den Haushaltsvermerken und Erläuterungen kaum etwas. Dagegen ist das Gesamtvolumen erheblich gekürzt worden: die Barmittelansätze sollen von 7,76 Mrd.DM (Soll 1999) auf 7,09 Mrd.DM (Soll 2000) sinken, d.h.um 8,6% (und somit stärker als der gesamte Bundeshaushalt).1 Die tatsächliche Höhe der EZ-Leistungen aus dem BMZ-Haushalt 2000 wird sich erst nach Ablauf des Jahres 2000 herausstellen; Abweichungen vom Soll-Ansatz können sowohl nach oben wie nach unten erfolgen, und zwar u.a. aus "währungstechnischen" Gründen (Wechselkursschwankungen) oder auch wegen Änderungen bei der Umsetzung / Implementierung von Projekten. Für 1999 zeichnet sich schon eine Abweichung nach unten ab. Fazit: Der Abwärtstrend der letzten Jahre unter der "konservativ-liberalen" Regierung Kohl hinsichtlich des Anteils der Entwicklungshilfemittel am Bruttosozialprodukt (der seit 1991 von 0,4% auf unter 0,3% im Jahre 1998 gesunken ist) wurde durch die "sozialdemokratisch-ökologische" Regierung Schröder (entgegen Wahlversprechen und Koalitionsvereinbarung) noch beschleunigt.

Die offenen Verpflichtungen aus Entwicklungshilfezusagen der Bundesregierung beliefen sich Ende 1998  auf knapp 40 Mrd.DM2. Vermutlich wissen die wenigsten Bundesbürger (und Bundestagsabgeordneten) wofür die künftigen Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden (müssen). Selbst hinsichtlich der Barmittelansätze  besteht anscheinend ein hohes nationales Geheimhaltungsinteresse: 3 Mrd.DM3 der Gesamtausgaben (d.h. über 40%) werden nach sog. vertraulichen Erläuterungen zum Haushaltsplan bewirtschaftet; es handelt sich dabei um die konkreten Projekte der bilateralen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und einzelnen Entwicklungsländern.

Die nachfolgenden Überlegungen wurden wesentlich beeinflußt von der kritischen Bestandsaufnahme der deutschen Entwicklungspolitik durch einige NRO (insbes. Deutsche Welthungerhilfe und terres des hommes), die in den Broschüren "Die Wirklichkeit der Entwicklungshilfe" ihren Niederschlag gefunden haben.

Für Kritik, Anregungen und Stellungnahmen bin ich dankbar; entweder brieflich oder per Fax an o.g. Adresse oder auch per e-mail an: Rolf.Saligmann@t-online.de


1. Allgemeine Grundsatzfragen zum Haushaltsrechts


Frage: Welche Möglichkeiten bietet das Haushaltsrecht dem Parlament zur Einflußnahme auf die Entwicklungspolitik der Bundesregierung?

1.1 Die Bundesregierung (bzw. das BMZ) darf Ausgaben nur leisten und Verpflichtungen nur insoweit eingehen, als sie hierzu durch den Haushaltsplan ermächtigt ist;4 dieser wiederum wird durch förmliches Gesetz festgestellt.5 Die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit liegt hierfür beim Bund,6 d.h. letzten Endes beim Bundestag. Dies bedeutet nicht nur, daß das Parlament die Höhe des Gesamthaushalts des BMZ (Einzelplan 23) festlegt, sondern auch in den einzelnen Titeln die Höhe der Ausgaben für bestimmte Zwecke. Dabei steht es dem Bundestag frei, die Zwecke/Titel so detailliert wie es ihm beliebt zu konkretisieren und das BMZ entsprechend zu binden.

Fage: Könnte / sollte der Bundestag auch Haushaltstitel für politisch gesetzte Schwerpunkte der deutschen EZ festlegen wie z.B. die Armutsbekämpfung oder die Frauenförderung oder den Umweltschutz oder andere größere Bereiche (Querschnittsaufgaben)?

Praktisch überschneiden sich diese sog. Querschnittsaufgaben naturgemäß in verschiedenen Teilaspekten, die unter sachlichen und finanziellen Gesichtspunkten häufig nur schwer voneinander zu trennen sind. Außerdem kann die Durchführung dieser Aufgaben an völlig unabhängig voneinander arbeitende Institutionen delegiert werden: viele mehr oder weniger autonome (halb-) staatliche, private und multilaterale Organisationen konkurrieren um die finanzielle Förderung von Projekten und um Zuschüsse zu den institutionellen Kosten aus dem Bundeshaushalt. Schließlich überschneiden sich die Zweckbestimmungen aus den großen (Querschnitts-) Titeln für Bi- und Multilaterale EZ sowie der TZ und der FZ. Noch undurchschaubarer wird die tatsächliche haushaltsmäßig-finanzielle Umsetzung der politischen Schwerpunktsetzung bei Einbeziehung der Einzelpläne anderer Ministerien sowie des deutschen Finanzierungsanteils an der EZ der Europäischen Union (die zusammen eine Größenordnung von ca. 50% der Ansätze des BMZ-Einzelplans erreichen).

Der Bundestag kann sich bei der Verabschiedung des Haushaltsplans verschiedener Mittel bedienen, um seine entwicklungspolitischen Vorstellungen für die Regierung verbindlich zu machen:

  • Gesamtbewilligungen für die Ministerien (Einzelpläne)
  • Definition der Haushaltstitel
  • Haushaltsvermerke
  • Erläuterungen, falls auf deren Verbindlichkeit ausdrücklich hingewiesen wird
  • vertrauliche Erläuterungen (die nur ausgewählten Abgeordneten zugeleitet werden)
  • Sperrvermerke
  • Zustimmungserfordernisse (z.B. Einwilligung des Haushaltsausschusses)
Der Bundestag kann auch der Regierung einen größeren Entscheidungsspielraum zugestehen:
  • durch einen Haushaltsvermerk, daß die Ausgaben bei verschiedenen Titeln (gegenseitig) deckungsfähig sind;
  • durch einen Haushaltsvermerk, daß die Ausgaben auf nachfolgende Haushaltsjahre übertragbar sind (was jedoch nicht die Gesamtmittel erhöht).

2. Einzelfragen zum BMZ-Haushalt 1996 - 1999 u. Entwurf 2000

2.1 Gesamtvolumen der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA)

In der Anlage zum Einzelplan 23 (EPl.23) sind in der sog. Übersicht 2 alle EZ-Ausgaben von Bund, Ländern und EU (dt. Anteil) aufgelistet; danach sollen die Ausgaben von 13,521 Mrd. DM ( Soll 1996) über 12,821 Mrd. DM (1997), 12,621 Mrd.DM (1998)7, 11, 826 Mrd.DM (1999) auf 11,172 Mrd.DM (2000)8 sinken. Nach den Erfahrungen der Vorjahre muß jedoch davon ausgegangen werden, daß die Netto - Ist-Ausgaben in den Jahren 1999 und 2000 noch unter den Soll-Ausgaben liegen werden.

Nach dem Einzelplan 23 für 1998 werden hiervon 7,665 Mrd. DM über den Haushalt des BMZ bewirtschaftet, der damit gegenüber dem Soll des Vorjahres in Höhe von 7,651 Mrd.DM zwar leicht angestiegen ist9, gegenüber dem Soll 1996 in Höhe von 8,145 Mrd.DM10 jedoch um knapp 1/2 Mrd.DM (genau 480 Mio.DM) reduziert worden ist. Der E-99 sah in der Fassung zur 1. Lesung für den BMZ-Haushalt eine leichte Steigerung gegenüber 1998 auf 7,800 Mrd.DM vor11; dieser Ansatz wurde jedoch im Zuge weiterer Sparmaßnahmen auf 7,763 Mrd.DM gekürzt. Nach dem E2000 sollen die Netto-Ausgaben noch stärker schrumpfen, und zwar gegenüber dem gekürzten Ansatz 1999 um 8,6%.1

Der BMZ-Anteil an der gesamten deutschen ODA beläuft sich auf ca. 60 %.
 

Größere Positionen außerhalb BMZ-HH     Mio. DM  
  (E2000) (1999) (1998) (1997) (1996)
AA-Pflege kult. Beziehungen (anteilig 45%) 527 521 520 532 536
AA-Beitrag an die Vereinten Nationen 338 331 339 414 562
ERP-Sondervermögen (Exportfonds) ? 400 400 400 400 350
Länder-Studienplatzkosten 590 590 590 590 590
Länder-Asylbewerbergesetz 450 450 450 450 500
EU-Asien, LatAm, Afrika (dt. Anteil)     322 279      
EU-Nahrungsmittelhilfe (dt. Anteil) 192 196 181 211 236
EU-Mittelmeerraum (dt. Anteil) 273 283 349 342 295
EU-Mittel- und Osteuropa (dt. Anteil) ? 712 879 881 944

Der ODA-Anteil (Nettoauszahlungen) am BSP ist seit Jahren fallend (1991: 0,40%, 1993: 0,36%, 1994: 0,33%, 1995: 0,31%, 1996: 0,33% (nach BMZ-Angaben).12 Seither ist die Quote jedoch stark gesunken: nach vorläufigen Berechnungen des DAC (OECD) ist sie 1997 auf 0,28% und 1998 auf 0,26% abgesackt.13Für 1999 und 2000 muß mit einem weiteren Absinken gerechnet werden.

2.2 Entwicklung der Netto-Ausgaben im Mehrjahresvergleich

Die Gesamtausgaben des BMZ (Soll-Vergleich) sinken gegenüber dem ursprünglichen Haushaltsansatz 1996 von 8,145 Mrd. über 7,651 Mrd.(1997), 7,665 Mrd.DM (1998), 7,763 Mrd.DM (1999) auf 7,089 Mrd.DM (2000), d.h. um über 1 Mrd.DM in 5 Jahren; die Einnahmen (ganz überwiegend aus Zinsen und Rückzahlungen auf FZ-Kredite) bleiben demgegenüber auf ähnlich hohem Niveau: 1,620 Mrd.(1996), 1,701 Mrd.(1997), 1,888 Mrd.(1998)14, 1,722 Mrd. (1999) und 1,582 Mrd.DM (2000). Somit ergibt sich netto (im Soll-Vergleich 1996 zu 2000) eine Entlastung des Bundeshaushalts um 1,094 Mrd.DM (von 6,525 Mrd.DM auf 5,507 Mrd.DM, d.h. -17%). Nach dem E2000 sollen die Brutto-Ausgaben auf 7,089 Mrd.DM und die Einnahmen auf 1,582 Mrd.DM sinken;15 danach würde der Bundeshaushalt im Jahre 2000 netto mit 5,507 Mrd.DM belastet, im Vergleich zum dem Vorjahr ist dies eine um netto 534 Mio.DM geringere Belastung. Die tatsächlichen (Ist-) Ausgaben liegen erfahrungsgemäß jedoch deutlich unter dem Soll, während die tatsächlichen Einnahmen aus Zinsen und Darlehensrückzahlungen den Soll-Zahlen i.d.R. recht nahe kommen.16

Anmerkung: Die FZ wird zum allergrößten Teil in Form von Darlehen vergeben; deren Zuschußelement liegt zwischen 36 und 86 % 17 (errechnet im Vergleich zu einem rein kommerziellen Kredit mit keinem Schenkungsanteil). Nach DAC-Kriterien muß für die Anrechnung als Entwicklungshilfeleistung ein Zuschußelement von mindestens 25 % gegeben sein;18 empfohlen wird jedoch ein Zuschußelement von 86 %.

Frage: Könnte / sollte das Parlament im Haushaltsplan (z.B. in Form verbindlicher Erläuterungen) ein Mindest-Zuschußelement für FZ-Darlehen festlegen?
 

2.2.1 Größere Ausgabenposten     Mio.   DM    
(*) gegenseitig deckungsfähig  (E2000) (1999) (Ist'98) (1998) (1997) (Ist'97) (Ist'96)
Bilaterale FZ (*) 1954 2289 2533 2283 2262 2591 2616
Bilaterale TZ 1125 1185 1131 1125 1170 1133 1152
IDA-Kapitalbeteiligung 830 855 914 912 1022 1107 1112
EU-Entw.Fonds (dt. Beitrag) (*) 954 970 776 787 850 612 472
DEG        200 350        
Zuschuß an die christl. Kirchen 261 282 286 282 289 287 296
Zuschuß an politische Stiftungen 275 303 303 303 312 308 231
(Zuschuß an private Träger) 29 35 32 33   30  
Berufliche Aus- und Fortbildung 142 167 157 161 161 153 168
UNDP-Beitrag 43 85 100 100 120 120 133
Dt. Entwicklungsdienst  138 133 130 130 131 131 132
Nahrungs-, Not-, Flüchtlingshilfe 140 140 160 140 135 135 (162)
               
BMZ-Verwaltungskosten  84 83 (??) 80 81 (??) (??)

Die Ermächtigung im Haushaltsplan 1998, evtl. Mehreinnahmen aus der Tilgung von bilateralen FZ-Darlehen bis zur Höhe von 250 Mio.DM zur Erhöhung der FZ-Barmittelansätze zu verwenden, falls diese zur Erfüllung schon eingegangener Verpflichtungen nicht ausreichen19, wurde in den E-99 und den E2000 nicht mehr aufgenommen.
Der verfügbare bilaterale FZ-Rahmen könnte sich evtl. noch erweitern, wenn die Bundesregierung ihre zugesagten Leistungen an die IDA - im E2000 sind für 2000 Zahlungen in Höhe von 830 Mio. DM eingestellt20 - unter Berufung auf nicht erfüllte Leistungen anderer Geberländer ganz oder teilweise sperrt und die eingesparten Mittel dem FZ-Titel zuweist (was nach dem Haushaltsplan vorgesehen ist). Ob und in welcher Höhe im Jahre 1999 und 2000 eingesparte IDA-Mittel tatsächlich für andere entwicklungspolitische Maßnahmen ausgegeben werden bzw. inwieweit sie vom Finanzminister ersatzlos vereinnahmt werden, wird sich erst aus den Ist-Zahlen im jeweils folgenden Jahr ersehen lassen.

Den parteipolitischen Stiftungen werden seit 1997 zusätzliche Mittel aus dem Titel "Förderung der Sozialstruktur in Entwicklungsländern" exklusiv zur Verfügung gestellt; schon vorher konnten sie Zuschüsse aus diesem Titel gesondert beantragen, mußten diese jedoch nach strengeren Richtlinien und Prüfungsvorschriften abrechnen (wie andere NRO's auch). Der Sozialstruktur-Titel wurde entsprechend gekürzt: von 128 Mio.DM (1996) auf 41 Mio.DM (1997), im E2000 sind noch 34 Mio.DM vorgesehen. Der Titel für die parteipolitischen Stiftungen wurde entsprechend aufgestockt: von 231 Mio.DM (1996) auf 312 Mio.DM (1997)21,d.h. um 81 Mio.DM. 1998 und 1999 lag er bei 303 Mio.DM und soll nach E2000 auf 275 Mio.DM zurückgeführt werden, womit er immer noch um 37 Mio.DM über dem Ansatz von 1996 liegt22.
 

2.2.2 Vertrauliche Erläuterungen zum Einzelplan 23

Die beiden größten Ausgabepositionen (bilaterale FZ und TZ), die insgesamt 3,079 Mrd.DM (E2000) oder über 40 % des BMZ-Haushalts ausmachen, werden im Einzelplan 23 selbst nicht spezifiziert sondern - auch nach dem Haushaltsplan der neuen Bundesregierung - nach sog. vertraulichen Erläuterungen bewirtschaftet.23 Das bedeutet, daß ein ausgesuchter Kreis von Bundestagsabgeordneten - vertraulich zu behandelnde - Informationen erhält, aus denen sich der Rahmen für TZ- und FZ-Zusagen für jedes einzelne Entwicklungsland ergibt. Diese vertraulichen Erläuterungen enthalten im wesentlichen den Rahmenplan für die Länderquoten sowie Listen von Projektvorschlägen und evtl. Ersatzprojekten. Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen für andere als die veranschlagten Vorhaben dürfen nur dann in Anspruch genommen werden, wenn diese als Austauschvorhaben in den vertraulichen Erläuterungen erfaßt wurden. Mit Einwilligung des BMF dürfen jedoch auch Vorhaben, die nicht in den vertraulichen Erläuterungen vorgesehen sind, durchgeführt werden, solange sie sich im Gesamtrahmen des jeweiligen Titels halten. Erst wenn ein zunächst nicht vorgesehenes FZ-Vorhaben einen Betrag von 50 Mio. DM überschreitet, müssen der Haushaltsausschuß und der AWZ zuvor unterrichtet werden.

Frage: Sollte nicht bei jedem neuen (im Haushaltsplan bzw. seinen Erläuterungen nicht vorgesehenen) bilateralen TZ- oder FZ-Vorhaben der AWZ beteiligt werden und u.U. ein Veto-Recht haben?

Inoffiziell wird dieses Verfahren (neben dem haushaltsrechtlichen Hinweis auf die Notwendigkeit der Angabe von Jahresbeträgen bei Verpflichtungen zulasten mehrerer Haushaltsjahre24) zum einen damit begründet, daß die Ungewißheit auf seiten eines Entwicklungslandes hinsichtlich des Zusagevolumens die Verhandlungsposition des BMZ bei den jeweiligen Regierungsverhandlungen verbessert; zum anderen werden außenpolitische Rücksichten ins Feld geführt: es sollen negative Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen vermindert werden, falls der maximale Zusagerahmen (aus welchen Gründen auch immer) nicht realisiert wird. Aus diesen - wie auch verfahrenstechnischen Gründen - sollten die aus deutscher Sicht in den vertraulichen Erläuterungen gesetzten Prioritäten nicht öffentlich bekanntgegeben werden.

Bedenklich ist diese Geheimhaltung nicht nur weil der deutschen Öffentlichkeit (und den meisten Unternehmen der deutschen Wirtschaft) die konkreten Planungen hinsichtlich der Zusagen an einzelne Entwicklungsländer verborgen bleiben, sondern auch, weil eine frühzeitige Beteiligung der Bevölkerung in den Entwicklungsländern hierdurch ausgeschaltet wird. Damit wird eine kritische Diskussion von Projektalternativen wesentlich erschwert und darüberhinaus wird strukturell ein Einfallstor für Korruption in der bilateralen EZ geschaffen. Angesichts eines Lieferbindungsanteils von über 50% an der gesamten bilateralen ODA25 geht es immerhin um ein Auftragsvolumen von einigen Milliarden DM an deutsche Unternehmen jährlich.

Nach Abschluß bilateraler Verhandlungen (wenn nicht erst mit Veröffentlichung der jeweiligen völkerrechtlich bindenden Vereinbarung) werden die Betroffenen dann vor vollendete Tatsachen gestellt. Die tatsächlichen Netto-Leistungen an die einzelnen Länder werden (zu einem noch späteren Zeitpunkt) dem DAC gemeldet und schließlich in zusammengefaßter Form vom BMZ veröffentlicht.

Frage: Könnte / sollte nicht auf die Vertraulichkeit der Erläuterungen zum Einzelplan 23 zur bilateralen TZ und FZ völlig verzichtet werden?

2.2.3 Die wichtigsten Empfängerländer deutscher Entwicklungshilfe

Im Jahre 1995 hat die VR China die Gruppe der Staaten des ehemaligen Jugoslawien (Flüchtlings- und Nothilfemaßnahmen) als wichtigstes Empfängerland abgelöst und wird diese Spitzenposition vermutlich auch in den Jahren 1996-2000 behalten, in denen hohe Auszahlungen u.a. für die U-Bahn Projekte in Kanton und Shanghai fällig werden. (Leider wurden in den letzten Ausgaben des BMZ-Journalistenhandbuch die wichtigsten Empfängerländer nicht mehr aufgelistet.)
 

Wichtige Empfängerländer26   Mio.DM    
(ODA-Nettoauszahlungen) (1993) (1994) (1995)  
VR China 410 486 981  
Ehem. Jugoslawien 853 491 567  
Ägypten  184 473 243  
Indonesien 462 432 6  
Indien 260 199 240  
Bangladesch 124 170 88  
Sambia 213 109 102  
Tansania 119 105 96  
Bolivien 155 111 99  

Frage: Kann das Parlament über den Haushaltsplan (durch Haushaltsvermerke oder verbindliche Erläuterungen) die jeweiligen Länderquoten oder auch Quoten für Ländergruppen wie z.B. LDC's festlegen?

2.2.4 Bemerkenswerte Ausgabepositionen
 

    Mio. DM    
  (1996) (1997) (Ist'98) (1999) (E2000)
Aufbauhilfe f. Demokratie u. Marktwirtschaft im ehem. Ostblock 64,8 16,8 18
Förderung von Wirtschaft und Gesellschaft im ehem. Ostblock 90,0 130,0 153,5 173,3 111,0
Beitrag zur EXPO 2000   4,0 4,6 30,0 60,0
Förderung von Entwicklungsvorhaben der dt. Wirtschaft 27 108,0 109,0 101,2 101,5 84,0

2.2.5 Die größten Einnahmepositionen im BMZ-Haushalt:
 

        Mio. DM      
  (1996) Ist'96 (1997) Ist'97 (1998) Ist'98 (1999) (E2000)
Tilgung von Darlehen bilat. FZ 1158 1176 1191 1632 1318 1627 1274 1122
Zinsen aus Darlehen bilat. FZ 366 422 400 414 450 464 329 330
  ----- ----- ----- ----- ----- ----- ----- -----
  1542 1598 1591 2046 1768 2091 1603 1452

Somit beliefen sich die (Rück-)Zahlungen der Entwicklungsländer aus bilateraler FZ gegenüber der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1998 mit 2,091 Mrd.DM auf 82% der bilateralen FZ-Neuauszahlungen in Höhe von 2.533 Mio.DM (im Jahre 1996: 70%). Nach dem Entwurf für 2000, der von bilateralen FZ-Neuzusagen in Höhe von 1.954 Mio.DM und Zahlungsverpflichtungen der EL von 1.452 Mio.DM ausgeht, läge das Verhältnis von Neuzusagen zu Rückflüssen bei ca.74%. Es ist jedoch davon auszugehen, daß die tatsächlichen Rückflüsse - wie in den Vorjahren - erheblich über den Haushaltsansätzen liegen werden. 1998 lagen die Einnahmen  um 323 Mio.DM (18%) über dem Haushaltsansatz. Es ist damit zu rechnen, daß auch 1999 und 2000 die - vom Finanzministerium vereinnahmten - Rückflüsse ca. 4/5 der Höhe der Neuzusagen erreichen. Bedenklich ist nicht nur die absolute Höhe der Zahlungsverpflichtungen der Entwicklungsländer insgesamt sondern auch der Umstand, daß ggfs. einzelne "Empfängerländer" mehr Gelder nach Deutschland zahlen müssen als sie von hier erhalten. Um dies zu vermeiden, steht die Bundesregierung unter einem nicht unerheblichen Druck, größeren FZ-Schuldnern auch dann Neuzusagen zu machen, wenn dies nach den propagierten Kriterien wenig sinnvoll ist. Der Gestaltungsraum für eine Umstrukturierung der EZ i.S. der genannten Kriterien - und eine entsprechende Neugewichtung der Empfängerländer - wird dadurch faktisch stark eingeschränkt.

Insofern könnte ein großzügiger Schuldenerlaß - auch wenn er teilweise eine fehlgeleitete Verwendung von EZ-Mitteln honoriert und Verantwortlichkeiten auf beiden Seiten der EZ kaschiert - indirekt auch den Entwicklungsländern zugute kommen, die nach den Kriterien bevorzugt gefördert werden sollten. Gemäß Haushaltsvermerk ist die Bundesregierung ermächtigt, im Rahmen multilateraler Schuldendienstregelungen im Jahre 2000 (wie in den drei Vorjahren) auf Forderungen aus der FZ bis zur Höhe von 210 Mio.DM zu verzichten, und zwar nicht nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit sondern wenn ein Schuldnerland, das zum Kreis der ärmeren Entwicklungsländer zählt, die durch den Forderungsverzicht freiwerdenden Mittel in Abstimmung mit der Bundesregierung für Vorhaben zum Schutz der Umwelt, zur Armutsbekämpfung sowie für Bildungsmaßnahmen einsetzt.28

Fage: Inwieweit sind das Parlament oder seine Ausschüsse vor dem Abschluß von Schuldenerlaßvereinbarungen noch beteiligt?

3. Verpflichtungsermächtigungen (VE)

3.1 Haushaltsrechtliche Einordnung

Verpflichtungsermächtigungen (VE) ermöglichen es der Regierung, finanzielle Verpflichtungen über das laufende Haushaltsjahr hinaus einzugehen. Dies ist angesichts der i.d.R. mehrjährigen Laufzeit von Projekten unbedingt notwendig. Seit dem Haushaltsplan 1996 ist die Regierung verpflichtet, in völkerrechtlichen Zusagen bilateraler FZ und TZ zu vereinbaren, daß die Verpflichtungen entfallen, wenn nicht innerhalb von acht Jahren nach der Zusage der Mittel eine Durchführungsvereinbarung abgeschlossen wurde.29

Insgesamt beliefen sich die offenen Verpflichtungen Ende 1998 auf knapp 40 Mrd.DM (Ende 1996: 44 Mrd.DM, Ende 1994: 39 Mrd. DM); davon entfielen auf die bilaterale FZ 17 Mrd. DM, auf die bilaterale TZ gut 7 Mrd. DM und auf die multilaterale EZ  14 Mrd. DM.30 Als Konsequenz ergibt sich eine weitgehende Festlegung des Bundestages bei den jährlichen Baransätzen, wie sie im Haushaltsgesetz festgelegt werden. Insbesondere die Eingehung größerer Verpflichtungen kann dazu führen, daß bei stagnierenden oder sogar sinkenden Baransätzen (wie in den Jahren 1996-2000) in den Folgejahren nur wenig Raum für neue Programme bleibt. In den letzten Haushaltsjahren (und möglicherweise auch in 1999 und 2000) führte dies wegen der unrealistischen Wechselkursansätze (1997: 1 US$ = 1,44 DM bzw. 1 SZR = 2,13 DM; 1998: 1 US$ = 1,75 DM)31zu zusätzlichen Engpässen; für den Haushalt 2000 wurde ein Wechselkurs von 1 US$ = 1,68 DM zugrunde gelegt;32 tatsächlicher Kurs Ende August 1999: 1US$ ca. 1,86 DM).

Auch die VE in der bilateralen FZ und TZ werden nach "vertraulichen Erläuterungen" - also an der Öffentlichkeit vorbei - bewirtschaftet. Für die TZ wurde 2000 ein Betrag von 800 Mio.DM (1999: 1,1 Mrd.DM, 1998: 1,2 Mrd.DM, 1997: 1,4 Mrd.DM) angesetzt, für die FZ 1,5 Mrd.DM (1999 wie 1998: 2,2, 1997: 2,5 Mrd.DM). Diese beiden wichtigsten Positionen für die mittelfristige Gestaltung der bilateralen EZ wurden im E2000 gegenüber den beiden Vorjahren um ca. 30% (!) gekürzt. Das (oben unter Ziff. 2.2.2 genauer beschriebene) "vertrauliche" Verfahren gilt auch für Maßnahmen der Allgemeinen Warenhilfe (die wegen ihres "Wunschzettelcharakters" strukturell besonders korruptionsanfällig ist); das BMZ ist ermächtigt, Zusagen bis zur Höhe von 250 Mio. DM (über 16% des Gesamtrahmens der bilateralen FZ-VE) zu machen, ohne daß zuvor eine umfassende Projektplanung erfolgt sein müßte.
 

3.2 Bemerkenswerte Einzelpositionen   Mio. DM    
  (1996) (1997) (1998) (1999) (E2000)
Maßnahmen der parteipolitischen Stiftungen 187 306 282 282 196
Maßnahmen der Kirchen 296 289 263 263 183
Maßnahmen anderer privater Träger 24 26 27 27 20
Zuschüsse an integrierte Fachkräfte     77 71 60 66 47
Berufliche Aus- und Fortbildung  160 161 148 148 98
Hilfen f. Mittel- und Osteuropa sowie GUS 33 166 161 137 140 95
Förderung von Vorhaben der dt. Wirtschaft 34 101 104 89 89 45
IDA-Beteiligung (11./12.Auffüllung) 3067 ---- ---- 2283 ---
Beitrag zu multilat. Umweltschutzvereinbar. --- 68 385 67 ---

___________________________________________________________________________
 

1 EPl.23 (98) Abschluß des EPl.23 (S.42); E-99 (S.43); E2000 (S.42)
2 EPl.23 (E2000) Anlage zu Kap.2302 (S.35)
3 EPl.23 (E2000) Tit.896 03 (S.27) + Tit.866 01 (S.25)
4 Para.3 Abs.1 HGrG; Para.22 Abs.1 HGrG
5 Art. 110 Abs.2 GG
6 Art. 73 Ziff.1 GG
7 EPl.23 (98) Übersicht 2 (S.48)
8EPl.23 (E2000) Übersicht 2 (S.48)
9 EPl.23 (98) Abschluß des EPl.23 (S.42)
10EPl.23 (97) Abschluß des EPl.23 (S.51)
11 EPL.23 (E-99) Abschluß des EPl.23 (S.43)
12 BMZ-Journalistenhandbuch (1998), S. 67
13 OECD-Presseerklärung vom 10.06.1999, Tabelle 1 (im Internet unter: http://www.oecd.org)
14 EPl.23 (97) Abschluß des EPl.23 (S.51), EPl.23 (98) Abschluß des EPl.23 (S.42)
15 EPl.23 (E2000) Abschluß des EPl.23 (S.42)
16 BMZ-Journalistenhandbuch (1995), S. 47; (1996), S.64
17 10. Bericht der Bundesregierung zur Entwicklungspolitik, S. 80
18 BMZ-Journalistenhandbuch 1996, S. 55
19 EPl.23 (98) Erl. zu Tit. 18601 (S. 12) und HH-Vermerk Nr.3 Tit. 866 01 (S. 26)
20 EPl. 23 (E2000), Tit. 836 02 (S. 22); s. nach HHVermerk Nr.4 verbindliche Erl.Nr.2.2
21 EPl. 23 (97), Tit. 686 03-023 und 686 04-023 (S. 22)
22 EPl. 23 (98), Tit. 686 04 (S. 16); EPL.23 (E2000), Tit. 686 04 (S.16)
23 EPl. 23 ('96,'97, '98), Erläuterungen zu Titel 866 01-023 und 896 03-023
24 Para.16, 38 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung (BHO)
25 Memorandum der Bundesregierung zur DAC-Jahresprüfung 1994/95, S. 4
26 BMZ-Journalistenhandbuch 1997, S. 110-114
27 EPl. 23 (96), 3 Titel: 686 07, 686 11 und 866 05; (E2000), 2 Titel (S.17 + 26)
28 EPl. 23 (98), Erl. zu Titel 166 01 und 186 01 (S. 11 u. 12), (E2000) S.12
29 EPl. 23 (98), HH-Vermerk Nr.4 zu Tit. 866 01 und Nr.3 zu Tit. 896 03
30 EPl. 23 (1996), S. 45; EPl. 23 (1997), S. 43; EPL.23 (1998), S.35; (E2000) S.35
31 EPl. 23 (97) , S.29 ff; EPl.23 (98), S. 23 ff
32 EPl. 23 (E2000), S.23 (oben)
33 EPl. 23 ('97, '98), Tit. 686 12-023 und 686 88-029; (E2000), Titel 686 12 (S.18)
34 EPl. 23 (96), Titel 686 07, 686 11 und 866 05
          EPl. 23 ('97, '98), Titel 686 11 und 866 05; (E2000), Titel 686 11 (S.17)

Autor:innen
Rolf Saligmann
Publikationsdatum
Seitenanzahl
56
Bestellnummer
99-3-01
ISBN
3-9806280-8-6
Schutzgebühr
3.00 EUR

Zuletzt geändert