Zehn Gedanken zum Start der Klima-AUSBADE-Kampagne

Von Christoph Bals, Leiter der Kampagne Rio Konkret und NRW-Promotor für den Dialog mit der Wirtschaft, Vortrag im GTZ-Haus Berlin am 31.05.2002

Heute ist ein Tag der Eröffnung. Heute Mittag wird die Fußball-Weltmeisterschaft eröffnet. Heute wird (hoffentlich) für die EU ein neues Kapitel ihrer Klimapolitik eröffnet, denn die EU und alle EU-Mitgliedsstaaten - für Deutschland ist Umweltminister Trittin dabei - wollen heute in New York die Ratifizierungsurkunden für das Kyoto-Protokoll hinterlegen. Und: heute wird die Klima-AUSBADE-Kampagne eröffnet. Was will diese Kampagne, bei der wir hoffen, dass Sie alle in deren Ablauf eine mehr oder weniger aktive Rolle spielen werden?

Erstens: Kommen Sie mit auf eine kurze Gedankenreise zum Himalaja - solche Reisen erzeugen in aller Regel ja sehr wenig Treibhausgase. Nach einem Anstieg der mittleren Lufttemperaturen in Nepal um rund 1°C seit Mitte der 70er Jahre sind in der Region nun zehntausende Menschen durch Überflutungen bedroht. Der Wasserspiegel von insgesamt 44 Seen steigt durch das zunehmende Abschmelzen der Gletscher so stark, dass in den nächsten 5 bis 10 Jahren mit Uferdurchbrüchen gerechnet werden muss. Dies ist das alarmierende Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie der UNEP und des International Centre for Integrated Mountain Development. Das unter der Bezeichnung GLOF (Glacial Lake Outburst Flood) bekannte Phänomen hat in den letzten drei Jahrzehnten in verschiedenen Regionen der Erde zugenommen. Jetzt bedroht es in Nepal und Bhutan nicht nur Zehntausende von Menschenleben, auch die Wirtschaft der beiden Himalajastaaten würde durch die damit verbundene Zerstörung von beispielsweise touristischen Einrichtungen, Wasserkraftwerken, Straßen und Brücken im Kern getroffen. An einem der Seen, dem Tsho Rolpa See, wird bereits daran gearbeitet, den Wasserspiegel wieder künstlich um 30 Meter zu senken. Doch Gegenmaßnahmen dieser Art sind extrem kostspielig und es bleibt unklar, ob sie für die restlichen 43 Seen überhaupt finanziert werden können.

Ausgangspunkte unserer Kampagne sind derartige immer deutlicher sichtbar werdende Risiken des globalen Klimawandels sowie die eklatante Gerechtigkeitslücke bei der Verteilung der Verursachung auf der einen sowie der Verteilung der Risiken des globalen Klimawandels auf der anderen Seite.

Zweitens: Wo sitzen die Verursacher? Sind die Industrieländer die Täter und die Entwicklungsländer die Opfer? Noch sind die politischen Lager weltweit oft nach dem Muster "Norden gegen Süden" geordnet. Die erste Welt gegen die dritte Welt. Doch diese Begrifflichkeiten haben sich zunehmend überholt. Im gerade vorgelegten bemerkenswerten internationalen Johannesburg Memorandum der Heinrich-Böll-Stiftung heißt es: "Die Kategorien "Nord" und "Süd" führen in die Irre. Sie sind diplomatische Artefakte. Statt dessen verläuft die wahre Trennungslinie auf der Welt quer durch jede Gesellschaft - zwischen den globalen Reichen und den lokalen Armen". Angesichts des globalen Klimawandels könnte man auch sagen: zwischen den globalisierten Verursachern und den lokalisierten Verlierern. Der Lebensstil und die Wirtschaftsweise der globalisierten Verursacher ist für den ganz überwiegenden Anteil an menschgemachten Treibhausgasen verantwortlich. Der Großteil der globalen Reichen wohnt immer noch in den Industriestaaten, aber zunehmend auch in den "Inseln des Wohlstandes" in Schwellen- und Entwicklungsländern. Immerhin leben heute in Indien bereits etwa 100 Millionen Menschen, die ungefähr einen mit Deutschland vergleichbaren Wohlstand haben. Aber - im pro-Kopf-Durchschnitt - verursacht ein Inder nur knapp ein Zehntel des Kohlendioxidausstoßes wie ein Deutscher. Selbst in Uganda gibt es inzwischen eine kleine Elite, die zum Shopping nach London fliegt. Diese globalisierten Verursacher - hier und anderswo - setzen an einem Wochenende mehr Treibhausgase frei als der Großteil ihrer Landsleute in Jahren. Packen wir uns an die eigene Nase. Manch einer mag heute mit dem Flugzeug angereist sein. Ein einstündiger Flug setzt in etwa so viel Treibhausgase frei, wie ein Mensch in Bangladesh im ganzen Jahr.

Drittens: Wie viele Verlierer wird es geben? Das liegt an uns - an uns Menschen. Erst kürzlich hat eine Gruppe prominenter internationaler IPCC-Autoren in der Studie "Millions at Risk" den Versuch gewagt, den Stand des Wissens darzulegen, wie viele Menschenleben bei welchem Niveau an Treibhausgaskonzentrationen bis 2080 riskiert werden. Die wachsenden Risiken ergeben sich aus der Kombination einer zunehmenden und verwundbarer angesiedelten Bevölkerung im Jahr 2080 einerseits und Konsequenzen der erwarteten Temperaturzunahme sowie den daraus folgenden Veränderungen des Niederschlags und dem Meeresspiegelanstieg andererseits.

  • Nach diesen Berechnungen würden bei der Begrenzung der CO2-Konzentrationen auf 750 parts per million (ppmv) in der Atmosphäre bis 2080 einige hundert Millionen Menschenleben riskiert werden.
  • Um stattdessen nur einige zehn Millionen Menschenleben auf's Spiel zu setzen, bedarf es hingegen einer Stabilisierung bei 550 ppmv. Dies würde bedeuten, in den nächsten Jahrzehnten etwa 20 mal mehr Treibhausgasemissionen zu reduzieren, als im ersten Schritt bis 2012 vom Kyoto-Protokoll verlangt.
Noch keine genauen Auswirkungsanalysen liegen für das Stabilisierungsniveau von 450 ppmv vor. Die Autoren gehen aber davon aus, "dass beim 450-ppmv-Ziel eine sehr große Verminderung der Millionen riskierter Menschenleben erreicht würde, wobei allerdings sehr hohe Emissionsverminderungskosten aufträten." (Parry et. al, 2001). Lassen Sie uns die Zahlen nicht auf die Goldwaage legen. Hier geht es nur darum, ein Gespür für Größenordnungen zu bekommen. Lassen Sie mich ein Zitat des schwedischen Umweltministers Kjell Larsson in Erinnerung rufen, der in seiner Rolle als Vorsitzender des EU-Umweltrates am 24. Januar 2001 vor dem EU-Parlament erklärte: "Die Menschheit führt das größte jemals von ihr durchgeführte Experiment durch - ein Experiment, das - wie immer mehr von uns jetzt realisieren - schreckliche Ergebnisse haben kann. Haben wir ein Recht die Atmosphäre so weitgehend zu verändern, wenn wir wissen, welches Risiko wir damit eingehen? Natürlich haben wir es nicht."

Viertens: Wo sitzen die potentiellen Verlierer dieses Großexperimentes? Der neueste IPCC-Bericht ist da eindeutig. Die Entwicklungsländer sind besonders verletzlich gegenüber dem globalen Klimawandel. Und dort vor allem der ärmere Großteil der Bevölkerung, die lokalisierten Verlierer. In erster Linie die Landbevölkerung, die von dem Ertrag ihrer Ernte direkt oder über den Exporterlös lebt, die nicht über Versicherungen an den globalen Finanzkreislauf angekoppelt ist, die in oft sehr fruchtbaren, aber schon immer und jetzt immer häufiger überschwemmungsgefährdeten Flussdeltas lebt, und: die fast gar nicht für den Ausstoß von Treibhausgasen verantwortlich ist.

Meine Damen und Herren, in unserer Einladung schrieben wir: "Der globale Klimawandel trifft uns alle". Die Aussage ist so richtig wie sie zugleich falsch ist. Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob ein ähnlicher Sturm, eine ähnliche Überflutung den Landarbeiter in den Philippinen trifft oder den Angestellten in Miami. Ob durch eine Wetterkatastrophe ein halbes Prozent des BSP eines Landes betroffen ist - selbst wenn das eine weit höhere absolute Summe ist - oder ob 10, 20, 30 Prozent des Bruttosozialproduktes betroffen sind. Die Aussage: 'wir alle sind betroffen' lenkt ab vom Skandal, dass die am meisten betroffen sind, die am wenigsten zum globalen Klimawandel beitragen. Wenn man 'mal in einem Bergdorf in den Philippinen miterlebt hat, wie zwölf Menschen starben, weil sie wegen des El Nino Einflusses nur noch ungenießbare Wurzeln zum Essen fanden, dann beginnt man zu ahnen, was die Vorhersagen über einen häufigeren und womöglich auch heftigeren El Nino für viele Menschen bedeuten. Und dann weiß man, dass diese Betroffenheit eine existentiellere - wenn auch weniger kostspielige ist - als wenn der Sturm Lothar durch Frankreich und Deutschland fegt.

Die hier aufgezeigte Kluft zwischen Verursachern und Betroffenen - die nicht nur eine regionale sondern auch eine zeitliche ist - bedroht die Legitimation einer sich selbst als demokratisch verstehenden Gesellschaft. Die in der Neuzeit entwickelte Idee des Gesellschaftsvertrages ist etwa von Rousseau, aber auch von Hobbes oder Locke entwickelt und in jüngerer Zeit in den USA vor allem von dem Liberalen Rawls weiterentwickelt worden. Nach Rawls ist die Ordnung einer Gesellschaft dann legitimiert, wenn sie die Zustimmung aller Betroffenen und unter ganz bestimmten rationalen Bedingungen findet. Der Betroffenen. Meine Damen und Herren, wir erleben derzeit sowohl in unseren westlichen Gesellschaften als auch im Süden, dass immer mehr Menschen das Gefühl haben, über die Dinge, die sie wesentlich betreffen, nicht mitentscheiden zu können, sich ausgeschlossen fühlen. Die einen - Globalisierungsgegner etwa - kritisieren ökonomische Prozesse, die anderen - Rechtspopulisten etwa - kritisieren EU, UN und andere politische Prozesse, weil sie sich betroffen fühlen, ohne mitentscheiden zu können. Auch der globale Klimawandel zeigt exemplarisch, wie sich eine bislang nicht überbrückte Kluft zwischen Betroffenen und Entscheidern auftut. Je mehr dies öffentlich sichtbar wird, desto mehr werden sich auch hier Legitimationsfragen stellen.

Fünftens: Wer anderen Schäden zufügt, der hat zweierlei Pflichten. Zum einen müssen die Verantwortlichen aufhören, Schäden zu verursachen, also den Treibhausgas-Ausstoß reduzieren. Wenn das Kyoto-Protokoll in Kraft tritt, ist das ein erster, kleiner - aber strukturell ganz wichtiger Schritt. Bis Mitte des Jahrhunderts geht es darum, etwa 50 Prozent des Treibhausgasausstoßes weltweit zu reduzieren. In den Industrieländern etwa 80 Prozent. Lassen Sie mich hier kurz die aktuelle Entwicklung bezüglich der Klimaziele in Deutschland kommentieren. Die Klima-Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestages hatten im Konsens gefordert, bis 2020 sollten in Deutschland 40 Prozent der Treibhausgasemissionen reduziert werden. Doch die rotgrüne Bundesregierung traut sich - trotz ihrer Teilerfolge in der Klimapolitik - nicht, dieses Ziel verbindlich anzuerkennen. Sie nutzt ein auf den ersten Blick beachtenswertes Argument. Die Gefahr wäre dann groß, dass die anderen EU-Länder nichts machen, aber die deutschen Reduktionen zu einer kleinen Verschärfung des EU-Zieles ausreichen. Aber wenn man dieses Argument ernst nimmt, dann wäre eine andere Konsequenz die richtige gewesen. Dann hätte man sagen sollen: Wir machen 40 Prozent, also weitere 19 Prozent gegenüber dem 21 Prozent-Ziel, wenn die EU insgesamt sich mindestens ein 20 Prozent-Ziel für 2020 setzt. Durch solche Konditionalität wird man zur Klima-Lokomotive. Nicht dadurch, dass auch die bisherigen Vorreiter ganz auf Ziele verzichten.

Sechstens: Zum anderen müssen die Verursacher von Klimaschäden die potentiell betroffenen Menschen bei der Anpassung an die Risiken unterstützen und - wenn die Schäden dennoch auftreten - diese kompensieren. Als moralische Aufforderung wurde das schon oft formuliert. Neu hingegen ist, dass Juristen argumentieren, dass es trotz bestehender Gesetzeslücken und legaler sowie faktischer Probleme, bereits heute eine generelle Verpflichtung der Industrieländer im Rahmen des internationalen Rechts gibt, Entwicklungsländer für die Schäden des menschgemachten Klimawandels zu kompensieren (vgl. Verheyen, Tol, 2001, 1). Einerseits könnte sich eine solche Pflicht für Staaten im Rahmen des internationalen öffentlichen Rechts nahe legen. Andererseits könnte auch je nationales Haftungsrecht eine solche Pflicht im Einzelfall nahelegen.

Siebtens: Lässt sich denn eine Kausalität zwischen dem einzelnen Wetterextrem und dem menschgemachten globalen Klimawandel herstellen? Ich will nicht versuchen, diese Frage nach der spezifischen Kausalität zu beantworten, sondern die Frage in Frage stellen. Ich vermute, dass es nicht sinnvoll ist, in nichtlinearen und nicht deterministischen komplexen Ursache-Wirkungs-Ketten im selben Sinn nach "der Ursache" zu fragen wie in mechanistischen oder anderen robusten Systemen. Systeme, die bei kleinsten Veränderungen der Anfangsbedingungen zu anderen Ergebnissen führen - das Wettersystem ist paradigmatisch dafür - "lassen sich nicht auf robuste Weise oder mit Hilfe der deterministischen Kausalität beschreiben" (Prigogine, 1993, 107). Dann aber ist die Frage nach der spezifischen Kausalität die falsche Frage. bzw. Ausdruck eines Kategorienfehlers.

Streng genommen hat die Frage, ob ein einzelnes Wetterereignis durch den globalen Klimawandel spezifisch verursacht wurde, etwa soviel Sinn, wie die spätmittelalterliche und in der Scholastik vieldiskutierte Frage danach, wie viele Engel auf einer Nadelspitze Platz haben.

Wir sollten der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zeigen, und dann nach der generellen oder statistischen Kausalität fragen. Wir wissen dass jede Tonne an Treibhausgasen den Strahlungsantrieb in der Atmosphäre verändert. Wir wissen, dass die bereits beobachteten Veränderungen nicht alleine Ausdruck der natürlichen Klimavariabilität sind. Es besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass diese Veränderungen in der Strahlungsbilanz und damit der globalen Durchschnittstemperatur bereits jetzt Einfluss auf menschliches Leben und Ökosysteme nehmen. Viele der bereits beobachteten Veränderungen passen sehr genau in das Muster der erwarteten Veränderungen. Wir wissen auch ziemlich genau, wie viele Treibhausgase welche Staaten ausgestoßen haben und ausstoßen werden. Aber was den Zusammenhang zwischen Klimawandel und einzelnen Wetterereignissen angeht, so müssen wir Wahrscheinlichkeiten akzeptieren, nicht nach Gewissheit suchen, wo wir sie mit Gewissheit nicht finden können. Sonst verurteilen wir uns unnötigerweise zur Handlungsunfähigkeit.

Achtens: Manchmal wird die Verpflichtung, Treibhausgase zu reduzieren, gegen die Verpflichtung, bei Anpassung an den Klimawandel und Schadensregulierung zu helfen, ausgespielt. Das ist töricht. Denn das Ausmaß der Konsequenzen ist die Multiplikation der beiden Faktoren "Verwundbarkeit" und "gesteigerte Häufigkeit von Wetterextremen". Vereinfacht gesagt: Wenn dreimal mehr Menschen - ohne jede Anpassungsmaßnahmen - in besonders verletzliche Gebiete ziehen und wenn es doppelt so viele Wetterextreme in diesen Regionen gibt wie bisher, dann gibt es sechsmal so viele Betroffene. Es ist illusorisch, die Verletzlichkeit gegen Null zu reduzieren. Und ganz lässt sich der menschgemachte globale Klimawandel selbst durch ehrgeizige Treibhausgasreduktionen nicht mehr vermeiden. Eine intelligente Struktur der Verantwortungsübernahme muss die beiden Pflichten der Verantwortungsübernahme so verschränken, dass sie sich gegenseitig vorantreiben: Treibhausgasreduzierung und die Anpassung an die nicht mehr vermeidbaren Veränderungen sowie insbesondere an die weltweit häufigeren Extremwetterereignisse zugleich.

Ziel der Klima-AUSBADE-Kampagne ist es, den Suchprozess nach intelligenten Lösungen in diesem Sinne voranzutreiben.

Neuntens: Wir behaupten nicht, die besten Antworten auf die von uns aufgeworfenen Fragen zu haben. Wir wagen uns weit ins Unbefahrene hinaus. Wir wollen einen Suchprozess vorantreiben. Unsere Aktivitäten sind eingebettet in nationale und internationale Diskussionsprozesse. Einen Suchprozess mit Fragen über Fragen:

A: Welche Rolle können Versicherungsdienstleistungen zur Unterstützung der Anpassung an den Klimawandel spielen? Können Zwangsversicherungen in besonders gefährdeten Gebieten einen ökonomischen Anreiz für risikomindernde Aktivitäten generieren? Inwieweit kann auch die Ausgabe von Katastrophenbonds eine Möglichkeit zu solcher Anreizgebung darstellen? Wie können die Verursacher der Schäden so in die Pflicht zur Förderung der Anpassung genommen werden, dass zugleich ein Anreiz zur Reduzierung ihrer Treibhausgase entsteht? Wäre es sinnvoll, dass die Weltbank diesen Teil der Prämie zahlt - oder wäre das kontraproduktiv? Oder ist eine solche Finanzierung mit dem Konzept der Nutzungsentgelte für Common Goods zu verknüpfen? Soll das Ganze im Rahmen des Kyoto-Prozesses vorangetrieben werden oder parallel dazu?

B: Wie kann eine Struktur zur Kompensation der Klimaschäden aufgebaut werden? Brauchen wir einen kompensatorischen Versicherungsfonds, in den die Staaten auf der Basis ihres aktuellen oder historischen Emissionsvolumens eine Prämie einzahlen? Welche Rolle kann das internationale Völkerrecht spielen? Hat die angekündigte Klage des Inselstaates Tuvalu Erfolgschancen? Brauchen wir - wie von Klaus Töpfer vorgeschlagen - eine internationale Umwelthaftungskonvention? Wie können all diese Strukturen so gestaltet werden, dass kein Anreiz zur Fehlanpassung gesetzt wird - etwa dass immer mehr Menschen sich in verwundbaren aber auf Kosten anderer versicherten Regionen ansiedeln? Welche Rolle kann in verschiedenen Regionen der Welt das je nationale Haftungsrecht - gegenüber Staaten und hauptverursachenden Unternehmen - spielen? Sollten rechtliche Aktivitäten sich auf die Akteure konzentrieren, die noch nicht einmal ihrer Pflicht zur Verringerung der Treibhausgase durch das - längst nicht ausreichende - Kyoto-Protokoll übernehmen? Welche Rollen können Menschenrechtsklagen oder -Petitionen gegen Kyoto-Verweigerer-Staaten oder einzelne Unternehmen spielen, etwa vor der Interamerikanischen Kommission zu Menschenrechten? Kann es in Johannesburg Impulse in Richtung Verantwortungsübernahme geben? Fragen über Fragen. Wir behaupten nicht, die Antworten zu kennen, sondern wollen im Rahmen dieser Kampagne Antwort-Versuche mit Ihnen und anderen zusammen erarbeiten. Lassen Sie uns gemeinsam vom Himalaja auf den Boden der Tatsachen steigen!

Zehntens: Wenn wir es ernst meinen, die lokalisierten Verlierer den Klimawandel nicht alleine ausbaden zu lassen, dann brauchen wir Ihre Unterstützung. Wir brauchen Ihre Kompetenz, ihre Perspektiven, Ihre Ideen, Ihre Phantasie, Ihre Offenheit, Ihren Widerspruch. Sonst wird das nichts. Alle Aktivitäten müssen aufbauen auf solider wissenschaftlicher Basis. Die Politik muss den Rahmen setzen. Die Instrumente der Versicherungs- und Finanzindustrie sind unverzichtbar. Alle Unternehmen sind aufgerufen, ihren jeweils eigenen Beitrag zu leisten, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Ohne die Unterstützung von Juristen wären wir aufgeschmissen. Ohne unabhängige Finanzierung fehlt unserer Kampagne der notwendige lange Atem. Wir brauchen Sie alle, um das Anliegen aufzugreifen. Wir würden uns natürlich freuen, wenn Sie Klima-Kampagnero bzw. Klima-Kampagnera im Rahmen dieser Kampagne werden - als Person oder auch als Institution. Oder wenn Sie Kooperationspartner werden. Wir sind optimistisch, dass wir viele Menschen durch diese Art des Vorgehens ansprechen können, die dem Klimawandel Gesichter gibt. Die von den potentiellen Opfern des Klimawandels herkommend die Chancen einer Klimapolitik in den Vordergrund stellt, die auf Vorsorge und Anpassung setzt, aber notfalls auch zur Kompensation verpflichtet.

Der Aufbruch der Klimakarawane am Ende der Veranstaltung heute symbolisiert den Start der Klima-AUSBADE-Kampagne. Wir möchten die heute diskutierten Ideen und Möglichkeiten mit auf die Reise nehmen und hoffen, dass wir diese in den kommenden Monaten und Jahren ein Stück weit mit Ihnen zusammen gehen können.

Literatur:

  • Parry, M., Arnell, N., McMichael, T., Nicholls, R., Martens, P., Kovats, S., Livermore, M., Rosenzweig, C., Iglesias, A. and Fischer G., 2001: Millions at risk: defining critical climate change threats and targets. Global Environmental Change, 11, 181-183; siehe auch: Jackson Environment Institute, 2001: Millions at risk, Eigenveröffentlichung; eine gekürzte deutsche Übersetzung ist veröffentlicht bei: GERMANWATCH, KlimaKompakt 16, www.germanwatch.org/kliko/k16parry.htm.
  • UNEP, International Centre for Integrated Mountain Development, 2002: Die angesprochene Studie kann im Internet unter www.rrcap.unep.org/glofnepal/start.htm (für Nepal) bzw. www.rrcap.unep.org/glofbhutan/start.htm (für Bhutan) abgerufen werden.
  • Prigogine, I., 1993: Das Paradox der Zeit: Zeit, Chaos und Quanten.
  • Verheyen, R., Tol R., 2002, demnächst veröffentlicht: Liability and Compensations for Climate Change Damages - A Legal and Economic Assessment.
  • WRI 2001: Contributions to Global Warming, July 2001.
Vortrag im GTZ-Haus Berlin am 31.05.2002

Autor:innen
Christoph Bals
Publikationsdatum
Seitenanzahl
11
Bestellnummer
02-2-10
ISBN
3-9806280-8-6
Themen

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