Pressemitteilung | 10.04.1997

Neues EU-Fischereiabkommen mit Senegal wird Existenzbasis senegalesischer Kleinfischer gefährden


 

Bonn, 10.04.97: Das neue Fischereiabkommen zwischen der EU und dem Senegal, das Montag vom Ministerrat verabschiedet wird, mißachtet die grundsätzlichen Forderungen der senegalesischen Kleinfischer und das Grundrecht der Küstenbevölkerung nach Nahrung.

Im Rahmen der gemeinsamen europäischen Fischereipolitik schließt die EU Abkommen mit Entwicklungsländern ab, um - gegen Entschädigung - Zugriff auf deren Fischvorkommen zu sichern. Europäische NROs haben dies wegen Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit schon vor Monaten kritisiert. Aufgrund der Überfischung bei den senegalesischen Bodenfischarten wurde im November letzten Jahres eine Reduzierung der europäischen Fänge in senegalesischen Hoheitsgewässern von 13.500 auf 2.000 Bruttoregistertonnen (BRT) diskutiert, damit sich die dezimierten Bestände wieder erholen können. Jetzt wurde die fünfach höhere Menge von 10.000 BRT vereinbart.

In der 12-Meilen-Zone sollen künftig keine Schiffe mit über 150 BRT (vorher 300 BRT) zugelassen werden. Dies ist keine substantielle Verbesserung, da die einheimischen Fischer nach wie vor in der 12-Meilen-Schutzzone mit EU-Schiffen konkurrieren müssen.

Zum ersten Mal ist der EU auch das Fischen freischwimmende Fischarten wie Makrelen erlaubt, deren Quote auf 25.000 Tonnen festgesetzt ist. Dies stellt einen zusätzlichen Druck auf die Fischressourcen dar. 22 europäische Schiffe erhalten eine Lizenz für freischwimmende Arten. Ein großer Trawler fängt schon allein 3.000 Tonnen während eines drei-bis vierwöchigen Fischfangs. Die hohe Zahl der Lizenzen trägt den Keim des Mißbrauchs in sich, denn die notwendigen Kontrollmaßnahmen können vom Senegal derzeit nicht geleistet werden.

Die zu hohen Fangrechte für europäische Trawler und ihr Zugang zu den Küstengewässern bedroht die traditionelle senegalesische Fischerei und gefährdet die Lebensgrundlage ganzer Regionen. Die senegalesische Fischerorganisation Fenagie/Peche reagierte alarmiert: "Seid nicht überrascht, wenn Ihr innerhalb von sechs Monaten oder einem Jahr hört, daß im Senegal eine Hungersnot herrscht und, daß die Fischer monatelang keine pelagischen Fische anlanden!"

Der Verband forderte die an der europaweiten Kampagne für faire Fischereiabkommen beteiligten Nichtregierungsorganisationen dazu auf, ihren Kampf gegen die unverantwortliche und unnachhaltige Fischereipolitik der EU fortzusetzen. GERMANWATCH fordert dringend, einen bindenden Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Fischereiabkommen aufzustellen.

Die senegalesische Regierung erhält dem neuen Abkommen zufolge für die der EU eingeräumten Zugangsrechte zu ihren Gewässern finanzielle Kompensationszahlungen von 16 Millionen ECU. Davon werden alleine 4 Millionen aus den Mitteln der europäischen Entwicklungszusammenarbeit bezahlt. Deutlicher kann der Widerspruch zwischen europäischer Fischereipolitik und Entwicklungspolitik nicht gemacht werden. Entwicklungsgelder werden dazu benutzt, um europäischen Trawlern den Zugang zu den Beständen der senegalesischen Kleinfischer zu ermöglichen. Dies kann nicht akzeptiert werden, solange nicht garantiert ist, daß die Gelder wirklich zur Entwicklung des Fischereisektors eingesetzt werden und nicht wie bisher in den allgemeinen Staatshaushalt fließen!

Der handwerkliche Fischereisektor im Senegal liefert 80% des Fischs für den einheimischen Verbrauch, deckt 60% des Proteinbedarfs der Bevölkerung, beschäftigt über 250.000 Menschen und ist ein wichtiger Devisenbringer, da er bis zu 50% der Fischexporte tätigt.

Dr. Rainer Engels (GERMANWATCH) fragt: "Sind vom Welternährungsgipfel nur leere Worte geblieben?" Er fordert, noch folgende Änderungen am Senegal-Abkommen vorzunehmen:

  1. Die Fangmenge für Bodenfischarten muß auf 2.000 BRT reduziert werden.
  2. Der Fischfang in der 12-Meilen-Zone muß für alle europäischen Schiffe verboten werden.
  3. Die Quote für freischwimmende Fischarten muß wieder gestrichen werden.
  4. Die Bindung der vier Millionen ECU an Entwicklungsprojekte im Fischereisektor muß garantiert werden!