Mit der globalen Erwärmung wächst die Wahrscheinlichkeit von Extremereignissen

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Mit der globalen Erwärmung wächst die Wahrscheinlichkeit von Extremereignissen

Interview mit dem Klimaforscher Prof. Dr. Stefan Rahmstorf
Weitblick 4/2017: Portrait Rahmstorf

 
Dieses Jahr war von vielen und heftigen Wetterkatastrophen geprägt – mit ganz besonders heftigen Wirbelstürmen. War die Hurrikansaison wirklich so besonders?

Die Tropenstürme Harvey, Irma und Ophelia waren nicht normal. Harvey hat in den Vereinigten Staaten noch nie dagewesene Regenmengen verursacht. Noch nie hat ein Tropensturm irgendwo auf der Welt so lange eine Windgeschwindigkeit von 300 Stundenkilometern gehalten wie Irma: 37 Stunden. Der bisherige Rekord waren 24 Stunden beim Tropensturm Haiyan, der 2013 im Pazifik entstand und die Philippinen getroffen hat – das war übrigens weltweit der stärkste Sturm seit Beginn der Aufzeichnungen. Und Ophelia war der erste Hurrikan, der derart weit nordöstlich im Atlantik die Stärke 3 erreichte. Nach den ersten Prognosen sollte er sogar Portugal treffen, drehte dann aber zum Glück nach Norden ab.

Warum erhöht ein globaler Temperaturanstieg die Wahrscheinlichkeit von starken tropischen Wirbelstürmen?

Warmes Meerwasser macht tropische Wirbelstürme erst möglich und treibt sie an. Denn die Wärmeenergie ist die Energiequelle für diese Stürme. Deswegen gibt es tropische Wirbelstürme erst ab 26 Grad Celsius Wassertemperatur und nicht etwa hier bei uns. Auch in den Tropen gibt es sie nur im warmen Halbjahr. Wenn es noch wärmer wird, steigt die potenzielle Intensität, das ist die maximale Windgeschwindigkeit, die ein solcher Sturm erreichen kann. Sie liegt umso höher, je wärmer die Meerestemperaturen sind. Das kann man aus einer thermodynamischen Gleichung errechnen.

Auch der Monsun in Indien und Nepal hat Rekordausmaße erreicht. Gibt es auch da einen Klimazusammenhang?

Sowohl die tropischen Wirbelstürme als auch der Monsun sind komplexe Vorgänge, die von Jahr zu Jahr stark schwanken können. Das sind natürliche Wetterschwankungen. Aber es gibt darunterliegende physikalische Prinzipien, die die langfristigen Trends mit erklären können. Ein Grundprinzip ist, dass eine warme Atmosphäre mehr Feuchtigkeit aufnehmen und dann auch abregnen kann. Deshalb erwartet man in einem wärmeren Klima stärkere Extremregenereignisse. Vor einigen Jahren hat eine weltweite Auswertung von Niederschlagsdaten, die wir am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung durchgeführt haben, ergeben, dass die Anzahl der Tagesrekorde bei den Niederschlägen bereits weltweit signifikant zugenommen hat. Beim Monsun spielt neben diesem weltweit spürbaren Effekt noch ein weiterer eine Rolle.

Welcher ist das?

Angetrieben werden die Monsunregenfälle vom Kontrast zwischen dem warmen Land und dem kühleren Meer im Sommer. Dadurch steigt die warme Luft über dem Land auf und saugt die feuchtigkeitsgesättigte Luft über das Land. Dieser Land-Meer-Kontrast verstärkt sich durch die globale Erwärmung, weil sich die Landmassen rascher erwärmen als die Meere. Deswegen – und dies bestätigen auch die Modellrechnungen – hat der Weltklimarat IPCC in seinem fünften Sachstandsbericht zunehmende Monsunintensität als Folge der globalen Erwärmung vorhergesagt. Und was passiert in der Arktis?

Auch in der Arktis reiht sich in diesem Jahr Wetterrekord an Wetterrekord. Beobachten wir da das Klima im Wandel?

Absolut. Und die Arktis wandelt sich rascher als der Rest der Welt, weil dort ein Verstärkungseffekt auftritt, nämlich die abnehmende Schnee- und Eisbedeckung. Dadurch wird vor allem im Sommer mehr Sonnenstrahlung absorbiert und nicht ins All zurückgespiegelt. Das ist ein Effekt, den wir seit Jahrzehnten beobachten.

Generell sind für uns als Klimaforscher vor allem die Langzeittrends relevant. Medien interessieren sich vor allem für aktuelle Ereignisse. Einzelne Wetterereignisse haben aber natürlich eine starke Zufallskomponente. Auch wenn der Würfel gezinkt ist, ist keineswegs sicher, dass beim nächsten Wurf die sechs fällt. Genauso wenig sicher ist, dass es nächstes Jahr wieder ein Rekordjahr für Wirbelstürme gibt. Aber durch die globale Erwärmung wächst stetig die Wahrscheinlichkeit von Extremereignissen – gerade auch von nie zuvor beobachteten Extremen.
 

Interview: Christoph Bals

Stefan Rahmstorf, 57, erforscht am Potsdam- Institut für Klimafolgenforschung die Rolle der Meere im Klimasystem. Als erster Forscher außerhalb der USA erhält er dieses Jahr den Climate Communication Prize der American Geophysical Union.