Pressemitteilung | 13.09.2017

Antibiotikaresistenzen auf Fleisch: Verbindliche Regeln gegen Arzneimittelmissbrauch im Stall gefordert

Germanwatch kritisiert insbesondere Tatenlosigkeit der Bundesregierung gegen den Einsatz von Reserveantibiotika
Pressemitteilung

Berlin/Bonn (13. Sep. 2017). Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch fordert die zügige Einführung verbindlicher Regeln gegen Antibiotikamissbrauch im Stall. Germanwatch reagiert damit auf eine heute veröffentlichte Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Bündnis90/Grüne, die eine große Verbreitung von Antibiotikaresistenzen in der Tierhaltung offenlegt. "Die Bundesregierung trägt Mitverantwortung dafür, dass weiterhin rund jedes zweite Hähnchenfleisch mit Antibiotikaresistenzen kontaminiert ist", sagt Reinhild Benning, Agrarexpertin von Germanwatch. "Während in Dänemark und Frankreich längst strengere Regeln gegen Antibiotikamissbrauch im Stall gelten, hat das Bundeslandwirtschaftsministerium nicht dafür gesorgt, den routinemäßigen Antibiotikaeinsatz in den zunehmend industriellen Tierfabriken in Deutschland verbindlich und flächendeckend einzudämmen."

Die Weltgesundheitsorganisation WHO fürchtet, dass Resistenzen in den kommenden Jahrzehnten zum weltweit größten Gesundheitsproblem für den Menschen werden. Das mit Resistenzen kontaminierte Fleisch trägt zu diesem Gesundheitsrisiko für Menschen bei. Benning: "Es ist unerträglich, dass Gesundheitsminister Gröhe jahrelang geschwiegen hat zu den Versäumnissen von Landwirtschaftsminister Schmidt, obwohl mit kontaminiertem Geflügelfleisch Gesundheitsrisiken durch Antibiotikaresistenzen bis in die Küchen gelangen."

Die heute zusätzlich vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) veröffentlichten Daten zur Abgabe von Antibiotika von Pharmaunternehmen an Tierärzte in Deutschland seien überdies derzeit nicht überprüfbar, so Germanwatch. Die Antibiotikadatenbank der Bundesregierung erfasse längst nicht alle Antibiotikaeinsätze in deutschen Ställen. "Landwirte und Tierärzte dokumentieren zwar schon heute sämtliche Antibiotikaeinsätze im Stall, doch Bundesbehörden werten diese Daten nicht aus, obwohl damit die Angaben der Pharmaindustrie überprüft werden können", so Benning. Wer wegsehe beim Antibiotikaeinsatz etwa in Zuchtanlagen und bei Turbo-Milchkühen und wer die Selbstauskünfte der Pharmaindustrie nicht mit Aussagen von Landwirten abgleiche, der sei mitverantwortlich dafür, wenn anhaltend hohe Kontaminationsraten mit antibiotikaresistenten Keimen die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher gefährden.

Aktuell erweckten die Selbstauskünfte der Pharmaindustrie den Anschein, Antibiotika in Mastanlagen gingen zurück. Dabei verschleiere die Messung in Tonnen aber den hohen Einsatz der kritischsten Form von Antibiotika in Agrarfabriken in Deutschland, der für Menschen besonders wichtigen Reserveantibiotika. In Dänemark würde der Einsatz dieser Arzneien in der Tierhaltung zehnfach gewichtet. Während das BVL nur zwei der Reserveantibiotika im Zusammenhang mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erwähne, fordere die WHO selbst hingegen für vier Wirkstoffgruppen, sie der Humanmedizin vorzubehalten und aus Tierhaltungen zu verbannen.

Germanwatch empfiehlt Verbraucherinnen und Verbrauchern, weniger Fleisch zu essen und auf Fleisch aus ökologischer Tierhaltung umzusteigen.


Terminhinweis: Am 5. Oktober veranstaltet Germanwatch zu diesem Thema die Fachtagung "Antibiotikaminimierung in der Tierhaltung". Mehr Informationen: www.germanwatch.org/de/14225