„Sie wollen uns von Produzenten zu Konsumenten machen.“

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„Sie wollen uns von Produzenten zu Konsumenten machen.“

Weitblick-Bild 2/16: Kleinmolkerei in Burkina Faso

Mitarbeiterinnen einer kleinen Molkerei in Tambolo, die ausschließlich von Frauen beliefert wird. Foto: PASMEP

 
Ende Mai 2016 besuchten auf Einladung von Misereor und seiner burkinischen Partnerorganisation Pasmep zwei deutsche Milchbauern, VertreterInnen des European Milkboard und von Germanwatch Molkereien und MilcherzeugerInnen in Burkina Faso.

Die Milchproduktion in Burkina Faso ist ein schwieriges Unterfangen. Es ist heiß, es ist trocken – gerade jetzt zum Ende der Trockenzeit ist kaum zu glauben, dass hier Kühe leben. Und doch entwickelt sich ein Milchsektor. Die Regierung möchte das fördern, setzt dabei aber vor allem auf zwei Regionen um die Metropolen Ouagadougou und Bobo-Dioulasso. Die traditionellen Siedlungsgebiete der Peul, der ViehhalterInnen Burkina Fasos, im Norden und Osten des Landes spielen in den Plänen keine Rolle. Dabei ist es gerade dort notwendig, bessere Perspektiven für Einkommen und Beschäftigung zu schaffen.

Milch ist in Frauenhänden

In der Hauptstadt Ouagadougou treffen wir Madame Gariko. Die energische Frau ist die Pionierin der Kleinmolkereien in Burkina Faso. Seit 1987 produziert und verarbeitet sie zusammen mit anderen Frauen Milch. Die Milch ist in Frauenhänden, 95 Prozent der Milch wird von ihnen produziert. „Als Milch lukrativ wurde, wollten plötzlich auch die Männer in unsere Kooperative aufgenommen werden. Aber das konnten wir verhindern.“ Es ist wichtig für die Frauen, unabhängig von den Männern zu sein. Ihr Ansehen in der Gesellschaft ist sehr gestiegen, seit sie für das Auskommen der Familie sorgen können.

In Tambolo besichtigen wir die kleine Molkerei einer Frauengruppe. 56 Frauen liefern an die Molkerei. Nicht viel – manchmal nur zwei Liter, manchmal acht bis zehn Liter. Jede Familie besteht aus etwa fünf Mitgliedern, die vom Milchverkauf leben. Das Einkommen aus der Milchproduktion reicht, um Futtermittel anzubauen und die Kinder zur Schule zu schicken. Der Dorfvorsteher ist zufrieden mit der Molkerei und auch mit den Frauen: „Jetzt sind sie selbstständig und die Männer müssen ihnen kein Geld mehr geben.“

Milchkrise in Europa

Dass es in Deutschland Höfe gibt, die mit 160 Kühen um ihre Existenz zu kämpfen haben, erscheint hier unvorstellbar. Die Rahmenbedingungen sind ganz verschieden, trotzdem bewegen die Milchbäuerinnen und -bauern aus Deutschland und Burkina Faso ähnliche Fragen: Wie sieht es mit dem Marktzugang aus, den Futtermitteln, der Ausbildung und der Tiergesundheit? Unsere mitreisenden Milchbauern Christoph Lutze und Johannes Pfaller werden auf jedem Treffen gefragt, warum sie sich auf die lange Reise nach Burkina Faso begeben haben. „Wir wollen nicht, dass unsere Probleme exportiert werden. Europa muss selber etwas tun, um die Milchmenge zu regulieren. Wer andere Länder an der Entwicklung hindert, verhindert die eigene Entwicklung“, sind sie sich einig.

Milchpulver in Burkina Faso

Burkina Faso importiert Milchpulver im Wert von umgerechnet 198 Millionen Euro. In dem Land gibt es aber zehn Millionen Kühe. Die Importe von mit Pflanzenfett angereichertem Magermilchpulver nach Westafrika sind im letzten Jahr auf über 230.000 Tonnen gestiegen und ersetzen dort fast 1,9 Millionen Tonnen Milch. Allein in Burkina haben die Importe von angereichertem Milchpulver seit 2011 von unter 2.000 auf über 5.000 Tonnen zugenommen.

Schon jetzt kostet europäisches Milchpulver nur halb so viel wie lokale Milch. Wir sprechen mit einem Molkereibesitzer aus Bobo-Dioulasso: „Ich nehme auch Milchpulver. Es ist billiger als die lokale Milch. Ich nehme es für die Joghurtherstellung.“ Überall auf den Märkten und in Kiosken finden wir Tütchen mit Milchpulver oder milchpulverähnlichen Produkten. Es gibt Milchpulver aus Irland, Frankreich, Belgien und sogar aus Argentinien. Umgerechnet kostet ein Liter Milch aus Milchpulver 34 Cent, lokale Frischmilch kostet zwischen 76 Cent und 1,10 Euro.

Frau Gariko ist strikt gegen den Import von Milchpulver: „Die Politik geht in eine falsche Richtung. Die Milch wird auf dem Weltmarkt gehandelt. Burkina setzt die eigene Ernährung aufs Spiel.“ Sie sagt aber auch, dass der Milchsektor in Burkina Faso vernachlässigt wird. „Es sollte eine Politik geben, die den Milchsektor fördert, damit alle Milchproduzenten ihre Produktion erhöhen und einen guten Preis bekommen. Das geht nicht, wenn billiges Milchpulver aus Europa kommt“. Auch die Milchbäuerinnen und -bauern in Fada N‘Gourma haben vom Ende der Milchquote gehört. Und sie sorgen sich. Was ist, wenn noch mehr Milchpulver aus Europa kommt?

Unterstützung durch die Politik?

In der Hauptstadt Ouagadougou treffen wir Abgeordnete des Ausschusses für Entwicklung, Umwelt und Klima. Es ist ein sehr intensives Gespräch. Die Neugierde ist auf beiden Seiten groß. Sich gegenseitig zuhören und verstehen – darum geht es. Von den Risiken, die aus dem gerade verhandelten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und Westafrika ausgeht, das zollfreie Milchpulverimporte aus der EU festschreiben würde, hören die Abgeordneten zum ersten mal. Ein bewegender Ausspruch kommt hier von René Millogo, dem Koordinator von Pasmep: „Sie wollen uns von Produzenten zu Konsumenten machen.“ Mit „sie“ sind die Milchpulverexporteure aus Europa und anderswo gemeint.

Ausblick

Ob sich das zarte Pflänzchen lokale Milch weiterentwickelt, hängt ab von der Unterstützung des Staates, aber auch von der Konkurrenz durch importiertes Milchpulver. Milchbäuerinnen und -bauern sowie Molkereikooperativen beginnen, sich zusammenzuschließen und ihre Interessen auch gegenüber der Politik deutlicher vorzubringen. Haben sie Erfolg, stärkt das die Rolle der Frauen und verbessert das Einkommen der Haushalte.
 

Kerstin Lanje,
Misereror

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