Blogpost | 22.10.2015

IPCC-Treffen in Dubrovnik: Neue Führung für den Klimarat

Blog-Beitrag von Manfred Treber, Oktober 2015
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Die 42. Plenarsitzung des Weltklimarates IPCC fand von 5. – 8. Oktober 2015 in Dubrovnik (Kroatien) statt. Hauptpunkt auf der Tagesordnung waren die Wahlen des 34-köpfigen Vorstands („Bureau“) des IPCC, darunter auch die des Vorsitzenden.

Die prominenteste Entscheidung der Sitzung war also die Wahl von Hoesung Lee als neuem IPCC-Vorsitzenden in einer Stichwahl gegen Jean-Pascal van Ypersele mit 78 gegen 56 Stimmen, beide hatten sich im ersten Wahlgang unter sechs Kandidaten durchgesetzt.

Für die operative Arbeit des IPCC sehr wichtig sind noch die Co-Chairs der drei Arbeitsgruppen des IPCC, welche einerseits aus einem „Industrieland“, andererseits aus einem „Entwicklungsland“ (Kategorien der 1980/90er Jahre) stammen. Diese sind

Arbeitsgruppe 1 (Wissenschaft)

  • Co-Chair und Technical Support Unit (TSU): Valérie Masson-Delmotte, Frankreich
  • Co-Chair (Nicht-Annex I) Panmao Zhai, China

Arbeitsgruppe 2 (Auswirkungen des Klimawandels und Anpassung)

  • Co-Chair und TSU: Hans-Otto Pörtner[1], Deutschland
  • Co-Chair (Nicht-Annex I) Debra Roberts, Südafrika

Arbeitsgruppe 3 (Emissionsminderung)

  • Co-Chair und TSU: Jim Skea, Vereinigtes Königreich
  • Co-Chair (Nicht-Annex I) P.R. Shukla, Indien

Die Wahl von Lee war unter dem Blickwinkel der Balance zwischen Industrie- und Entwicklungsländern nicht ganz überraschend. War es doch schon zum Zeitpunkt der Wahl des Vorsitzenden klar, dass die Standorte aller drei Technical Support Units in Europa sein würden, und dementsprechend auch die aus Industrieländern stammenden Co-Chairs jeder der drei Arbeitsgruppen. Wäre es nicht sehr ungleichgewichtig, wenn zudem noch der IPCC-Vorsitzende aus Europa käme? IPCC ist mehr als Europa.

Es ist also klar zu sehen, dass der IPCC großen Wert auf einen Ausgleich der Sitzanzahl zwischen Industrie- und Entwicklungsländern legt, und – was hier nicht sichtbar wird – auf einen Ausgleich zwischen den Weltregionen. Die 34 Sitze im Vorstand sind entsprechend aufgeteilt[2]. Das ist einerseits für die Vollständigkeit der Struktur der IPCC-Berichte wichtig, d.h. dass die Folgen der Klimaänderung wie auch die möglichen Emissionsminderungsmaßnahmen in allen Regionen abgebildet werden. Andererseits ist dies wichtig, damit der IPCC in allen diesen Regionen als relevant für diese und dort als Autorität akzeptiert wird.

Die Wahl eines von einer Region vorgeschlagenen Vertreters ist ein Schritt, um diese Region zu repräsentieren. Allerdings müssen diese Personen – wie Wissenschaftler aus diesen Regionen - auch aufgebaut werden. Der neue IPCC-Vorsitzende Lee hat bereits bei seiner Wahlkampagne stark dafür geworben, er würde sich dafür einsetzen, dass sich solche Wissenschaftler besser in die IPCC-Arbeit einbringen können.

Auch gender-balance ist für den IPCC eine Zielgröße, allerdings ist der IPCC noch weit entfernt von einer Gleichverteilung. Immerhin machte die Wahl für den sechsten Zyklus Fortschritte gegenüber dem vorherigen.

Um Vorwürfen von Befangenheit der Kandidaten entgegnen zu können, wurde regelmäßig bei deren Auswahl ein zuständiges Komitee konsultiert, ob bei diesen kein „Conflict of Interest“ bestände.

Für die Integrität des Weltklimarats ist es wichtig, dass bei den Wahlen auch Beobachter (etwa aus der Zivilgesellschaft), die keinen formalen Bezug zum IPCC haben, vor Ort anwesend sind und sehen, dass die auf dem Papier stehenden Regeln um die Wahl wie vorgesehen umgesetzt werden.

In seinem sechsten Zyklus steht der Weltklimarat vor neuen Herausforderungen. Wie kommt er mit der immer steigenden Anzahl neuer Publikationen und Erkenntnissen zurecht, ohne an Erkenntnisflut zu ersticken? Dies ist mit steigender Arbeitsbelastung verbunden, während viele der Wissenschaftler bereits jetzt ausgelaugt sind. Ist es möglich, die Arbeitsbelastung für Wissenschaftler begrenzt zu halten?

Der IPCC steht nach einem gelungenen Abschluss des Klimagipfels in Paris vor neuen strategischen Herausforderungen und droht, Teile seiner Rolle einzubüßen, wenn er nicht die richtigen Antworten darauf findet. Die Klimaverhandlungen in Paris werden sich wahrscheinlich auf einen Fünf-Jahres-Review-Zyklus einigen. Dies ist nur begrenzt vereinbar mit der Zykluslänge des IPCC, die bisher zumeist 6 oder 7 Jahre betrug. Passt der IPCC diese nicht darauf an, droht er, für die Klimaverhandlungen an Relevanz zu verlieren.

Um die durch die Klimaänderung angestoßene Transformation moderieren zu können, wird also möglicherweise vom IPCC erwartet, alle fünf Jahre einen Input zu liefern. Welches Produkt kann vom IPCC dafür kommen? Ein kompletter Sachstandsbericht? Oder ein darauf zugeschnittener Sonderbericht? Kann der IPCC derart schnell mit Ergebnissen kommen, um für das nächste klimapolitische Moment in den Jahren 2018/2019 beitragen zu können?

In Dubrovnik kam der IPCC wegen Problemen bei der Wahl nicht dazu, die Diskussion um das Thema Sonderberichte zu beginnen. Es blieb lediglich festzustellen, dass es 22 Vorschläge für Sonderberichtsthemen gäbe.

Die Sonderberichte werden gerade wegen der genannten Zyklen bei der Klimakonvention strategische Relevanz bekommen. Welche Zukunftsthemen müssen hier gesetzt werden, wann wird dies durchgeführt? Auf der nächsten IPCC-Sitzung – sie wird von 11. – 15. April 2016 in Nairobi stattfinden – wird dieses Thema behandelt werden.

Schließlich noch ein Ausblick auf den Klimagipfel in Paris: Das wissenschaftliche Thema einer Erwärmungspause seit 1998 („Hiatus“) hatte den IPCC bei der Abnahme des Syntheseberichts von des fünften Sachstandsberichts (Oktober 2014) sehr beschäftigt. Ein Jahr später ist wissenschaftlich klar, dass dies eine Schimäre war[3]. Allerdings wird das der IPCC nicht aus eigener Arbeit feststellen können, da er seitdem keine weiteren Arbeiten veröffentlicht hat. So wird sich die Präsenz des IPCC vermutlich auf die Vorstellung des neuen Vorsitzenden und weiterer zentraler Akteure im neuen Vorstand beschränken.

Noch von dieser Sitzung erwähnenswert ist, dass bei den einführenden Reden der Vertreter der UN-Klimakonvention Aussagen aus den Diskussionen bei den Klimaverhandlungen machte: Etwa, dass viele Staaten die angepeilte Erwärmungsobergrenze deutlich unter 2 Grad, manche sogar unter 1,5 Grad Erwärmung gegen vorindustriellem Niveau setzen wollten. Dafür wäre eine tiefe und später volle Dekarbonisierung nötig. Ein Ziel des Klimagipfels in Paris wäre es, die Transformation der Gesellschaften zu beschleunigen. Mittlerweile seien 119 INDCs (das sind die nationalen Klimapläne) eingegangen. Sowie, dass der Vertreter der WMO (World Meteorological Organisation) für dieses Jahr einen sehr starken El Nino ankündigte.


[1] Arbeitsgruppe 2 hat mit Hans‑Otto Pörtner einen deutschen Co-Chair. Die Bundesregierung gratuliert:
http://www.bmub.bund.de/presse/pressemitteilungen/pm/artikel/wanka-und-hendricks-gratulieren-hans-otto-poertner/

[2] Für eine Übersicht über die Zusammensetzung des gesamten IPCC-Vorstands vgl. http://ipcc.ch/nominations/results.shtml


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